Macht

Warum Flugzeuge abstürzen... - Wie Kultur Unternehmensziele unterstützen kann

Die Unfallserie der Korean Airline - Pech? - Mangelhafte Ausbildung? - Veraltete Flugzeuge? - Oder doch etwas ganz anderes?

In den achtziger und neunziger Jahren galt die Korean Air als die Airline weltweit mit den schlechtesten Safety Records, oder etwas reißerisch ausgedrückt als die gefährlichste Airline der Welt. Diese Feststellung speiste sich aus der Tatsache, dass es die Fluggesellschaft seit ihrer Gründung 1962 unter ihren verschiedenen Namen auf sage und schreibe 17 Totalverluste von Flugzeugen gebracht hat. Bei zehn dieser Unfälle kamen insgesamt über 700 Menschen ums Leben. Unter den verlorenen Fliegern waren auch einige Frachtflugzeuge ohne Passagiere und bei einigen der Unglücke konnten es die Passagiere lebend aus den verunglückten Maschinen schaffen. Selbstverständlich wurde akribisch recherchiert welche Ursachen es für die unterschiedlichen Unfälle gab. Hierbei ist eine Art Ursachenhäufung in den Achtzigern und Neunzigern von besonderem Interesse für mich, sowohl in meiner Rolle als Human Factors Trainer in der Luftfahrt, als auch in meiner Rolle als Business Coach und Consultant.

Als sich die Ermittler auf die Suche nach der Ursache für diese Unfälle machten, standen sie immer wieder vor einem Rätsel. Die Piloten waren alle samt gut ausgebildet, erfahren und erfreuten sich bester Gesundheit und auch die Flugzeugtechnik wies keine Mängel auf, die einen Totalverlust rechtfertigten. So suchten die Ermittler weiter und wurden schließlich beim Abhören der Cockpit Voice Records, also der aufgezeichneten Kommunikation im Cockpit, fündig. Was auffiel, war, dass es in der Kommunikation zwischen den Piloten ein interessantes Muster gab.

Denn Kommunikation ist immer Teil des Problems

Bei Analyse der Kommunikation im Cockpit fiel auf, dass die Ersten Offiziere (oder Co-Piloten) ihre Kapitäne niemals direkt und klar ansprachen, selbst wenn sie sehen konnten, dass die Kapitäne glasklare Fehler machten. Vielmehr wählten sie eine Art “Mitigated Speech” (abgeschwächte Sprache), um das Thema zu platzieren. - Wahrscheinlich damit sie den Vorgesetzten nicht verärgerten oder gar bloßstellten. Anstatt augenscheinliche Probleme wie zum Beispiel eine vereiste Tragfläche direkt anzusprechen, wählten die Ersten Offiziere verklausulierte Aussagen oder Andeutungen wie: “Es könnte vielleicht ein Problem mit den Tragflächen geben. Unter Umständen wäre es eine gute Idee sich das einmal anzuschauen und zu prüfen.”

Insbesondere Menschen mit einem hohen Grad an Empathie und Nähebedürfniss neigen dazu in einen “Mitigated Speech” fallen, was sich ganz wunderbar auf die Beziehungseben auswirken kann. Im beruflichen Kontext, wo es häufig um faktenbasierte Entscheidungsfindungen geht, ist diese Form der Rhetorik jedoch selten hilfreich. In diesem Kontext ist zu beobachten, dass diese beziehungsorientierte Form des Sprechens deutlich häufiger in Organisationen mit besonders steiler Hierarchie auftritt.

Zurück in das Cockpit der Korean Air: Der Erste Offizier schlägt also ganz unverbindlich vor doch mal vielleicht unter Umständen und ganz ohne Druck darüber nachzudenken, sich die Tragflächen anzuschauen und der Kapitän sagt nein, mache er nicht, weil er es nicht für notwendig erachte…

Die Unfähigkeit zu sprechen

Jeder Pilot, eigentlich überhaupt jeder, weiß, dass Eis auf den Tragflächen lebensgefährlich ist, weil es sich ausgesprochen ungünstig auf die Aerodynamik eines Flugzeuges auswirkt. Deshalb könnten man meinen, dass der Erste Offizier in unserem Fall etwas vehementer werden müsste, da er sich ja ebenfalls in der Maschine befindet und wir unterstellen, dass er seines Lebens nicht überdrüssig ist. In unserem Beispiel sagt er einfach nichts und verliert sein Leben.

Einen vergleichbaren Vorfall hat es bei der Korean Air Cargo tatsächlich gegeben, in dem der Erste Offizier den Fehler des Kapitäns deutlich gesehen hat, ihm klar war wie man den Flieger hätte vor einem Unfall bewahren können und trotzdem stirbt er lieber, als den Kapitän zu korrigieren.

Um diese Reaktion nachvollziehen zu können ist es wichtig zu verstehen, dass das kulturelle Miteinander im Cockpit der Korean Air Flugzeuge ein Abbild der koreanischen Kultur war, in der Hierarchie und Machtpositionen eine elementare Rolle spielten und zum Teil auch bis heute noch spielen. Der Respekt vor hierarchisch höhergestellten Menschen oder Autoritäten war und ist ausgesprochen groß. Auf die Zusammenarbeit im Cockpit hatte das die Auswirkung, dass Erste Offiziere nicht wie in der Branche üblich Redundanzen und Partner auf Augenhöhe darstellten, sondern reine Befehlsempfänger waren. Der Kapitän hatte die uneingeschränkte Hoheit und das absolute Kommando. Man weiß von Berichten darüber, dass es zu dieser Zeit nicht unüblich war, dass Kapitäne ihre Ersten Offiziere sogar körperlich attackierten, wenn diese einen Fehler machten.

Die Theorie der kulturellen Dimensionen

Es gibt viele Theorien und Ansätze, die das Phänomen Kultur erklären und erläutern. Ein Modell, das ich im Kontext meines heutigen Themas besonders interessant finde, ist das Modell der Kulturdimensionen nach Geert Hofstede. Im Rahmen dieses Modells geht es darum insbesondere kulturelle Unterschiedlichkeit messbar zu machen. In diesem Zusammenhang führt Hofstede sechs Ebenen an, an Hand derer er diese Unterschiedlichkeit messbar oder greifbar machen kann: Genuss und Beschränkung, Kurzzeit- und Langzeitorientierung. Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität und Femininität , Kollektivismus und Individualismus und schließlich die Ebene, die in der Betrachtung unserer Piloten besonders interessant ist: die Ebene der Machtdistanz. Hierfür hat Hofstede den sogenannten Power Distanz Index (PDI) oder Machtdistanzindex entwickelt, der wiedergibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Menschen in einem bestimmten Land gegen Autoritäten aufbegehren. In Ländern mit niedrigem PDI fühlen sich Menschen sicher(er) Machthaber in Frage zu stellen. In Ländern mit hohem PDI wird das aufbegehren gegen Autoritäten (egal ob im beruflichen oder privaten Kontext) schwerer und schwerer bis hin zu unmöglich.

Einen besonders niedrigen PDI findet man laut Hofstede in den USA, den skandinavischen Ländern und in Deutschland. Südkorea hingegen hatte in den 1980er Jahren den zweithöchsten PDI der Welt. Die ersten Offiziere in der Reihen von Unfällen der Korean Air waren durch kulturelle Umstände und Regeln wie gelähmt. Sie konnten schlicht und ergreifend nicht aufbegehren.

Herkunftskultur vs. Unternehmenskultur

Nachdem die Gutachten der Unfallermittler veröffentlicht waren mussten sich die Verantwortlichen bei Korean Air natürlich die Frage stellen, wie sie mit diesen faktischen Aussagen als Unternehmen umgehen möchten. Zunächst wurde Englisch als verbindliche Sprache im Cockpit eingeführt, da Englisch deutlich weniger hierarchisch ist, als Koreanisch. Außerdem wurden und werden immer wieder Piloten aus anderen Ländern eingestellt um die herkunftskulturelle Prägung der Pilotenschaft bei Korean Air aufzubrechen. So hat sich Korean Air bewusst eine Unternehmenskultur geschaffen, die von der originären Kultur in Südkorea abweicht. Dieser eingeschlagene Weg der Fluggesellschaft scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Seit 1999 gab es bei Korean Air keinen ähnlich gelagerten nennenswerten Zwischenfall mehr.

Betrachte ich mir diese Zusammenhänge in meiner Rolle als Business Coach und Consultant wird es mir noch einmal bewusst, wie wichtig es für Organisationen oder Unternehmen ist, sich die Kulturfrage zu stellen und die eigene Kultur bewusst zu gestalten. Die Frage danach, wofür ich als Organisation meine Kultur nutzen möchte, oder was das Ziel meiner ganz individuellen Unternehmenskultur ist, sollte hierbei im Fokus stehen. Ist das Ziel klar lässt sich schließlich definieren mit welchen Maßnahmen man auf dieses Ziel hinarbeiten kann. Korean Air ist für mich ein ganz wunderbar greifbares Beispiel aus der Luftfahrt, um zu belegen, dass bewusst gesteuerter unternehmenskultureller Wandel möglich ist. Schaue ich auf die Welt jenseits der Flugzeuge fällt mir direkt Nokia ein. Auch hier musste Unternehmenskultur bewusst und gesteuert verändert werden, um eine wirtschaftliche Schieflage zu korrigieren.

In meiner Rolle als Mitarbeiterin stellt sich für mich natürlich auch die zusätzliche Frage, welchen Machtdistanzindex ich in meinem Unternehmen und selbstverständlich auch in meinem Team vermuten würde und ob das so für mich passt, oder ob ich ihn verändern würde, wenn ich dazu in der Lage wäre. Vielleicht geht es euch ja ähnlich. Also fühlt euch eingeladen, darüber bei einer Tasse Kaffee am Sonntagmorgen nachzudenken, wenn ihr möchtet! - Und lasst mir gerne ein Feedback zu euren Erkenntnissen da.

Eure Constance

Hoch hinaus

Es geht nur mit der passenden gemeinsamen Basis, mit den oft ungeschriebenen Regeln des Miteinanders, das wir als Kultur bezeichnen. Sie macht uns als als Gemeinschaft entweder unendlich stark oder sehr verwundbar.

Führung von unten leicht gemacht! - Das Phänomen der "Unterwachung"

Wer führt, wird geführt!

-Die Frage ist nur durch wen! Selbst in den hierarchischsten Organisationen findet Führung nicht nur in eine Richtung, nämlich in der Hierarchie nach unten, statt, sondern immer auch von unten nach oben. Offiziell und formell werden Entscheidungen zwar an der Spitze der Organisation getroffen aber die Informationen, auf deren Grundlage die Entscheidungen getroffen werden, kommen von “unten”. So hat die Basis eines Unternehmens großen Einfluss auf ihre Führenden. Dieses Phänomen bezeichnete der große Systemtheoretiker Niklas Luhmann als “Unterwachung”. - Eine systemische Dynamik, die für Chefs und Organisationen geradezu überlebenswichtig ist, sagte er. Das tiefe Eintauchen in Themen ist für Führende häufig ein viel zu großer Aufwand und ich als Coach unterstütze daher die Aussage, dass die Führungskraft stets der/die schlechteste Fachexperte oder -Expertin sein sollte. Diese Aussage stammt übrigens von meiner Chef-Chefin und ich liebe sie für diese Haltung! Aber woher kommt dann die Grundlage für viele Entscheidungen? -Richtig, von “unten”!

Wann Führungskräfte wie tief in die einzelnen Themen einsteigen, ist selbstverständlich ihnen überlassen. Allerdings können sie selbst bei größter Detailorientierung ihre Nasen nur in das stecken, was ihren Horizont auch erreicht. Hierbei muss ich direkt an Gunther Schmidt denken, der mich gelehrt hat, die Macht und den Einfluss von Assistenzen nicht hochgenug einzuschätzen und zu würdigen. Sie sind die Türsteher, die gnadenlos filtern. Das tun sie nicht aus Spaß, sondern weil auch sie Luhmanns Theorien unbewusst verinnerlicht haben: “Würden Untergebene alle Probleme nach oben geben, wären ihre Vorgesetzten verloren”, hat Luhmann dereinst geschrieben. Somit haben Assistenzen und Business Manager natürlich immer auch einen kleinen “Schutzauftrag” und bestimmen gleichzeitig die Strategien eines Unternehmens ziemlich machtvoll mit, indem sie die Chefin oder den Chef strategisch “unterwachen”.

Warum wir alle früher oder später “unterwachen”

Sicher gibt es unterschiedliche Gründe für “Unterwachung”. Ich möchte euch gerne drei vorstellen, Vielleicht findet ihr euch ja irgendwo wieder. Ich persönlich habe mich bei allen dreien schon ertappt:

  1. Die Form der “Unterwachung”, die ich gerne als altruistisch bezeichne: Hier geht es um das Wohl der Organisation, der Abteilung oder des Teams. Man unterliegt der Annahme, die ein oder andere Entscheidung nach Möglichkeiten von der Führung fern zu halten, weil man glaubt, die Mitarbeitenden haben einen besseren Blick für die große Gemengelage und ein besseres Verständnis dafür, was auf Arbeitsebene zu tun oder nicht zu tun ist.

  2. Die Form der “Unterwachung”, die ich als strategisch-egoistisch bezeichne: Haben wir nicht alle schon einmal Entscheidungen bewusst in eine Richtung beeinflusst, weil uns diese strategisch und in Hinblick auf unsere eigenen Weiterentwicklung besser passt?

  3. Die Form der “Unterwachung”, die ich als ausgesprochen ressourcenorientiert bezeichne, weil sie zu einem entspannten Arbeitsalltag beiträgt: Halte ich den Chef mit Aufgaben beschäftigt, die mir nicht wehtun, lässt er mich ansonsten in Ruhe vor mich hinarbeiten.

In der Realität treten diese drei Arten für gewöhnlich als Mischform auf, da das eine häufig mit dem anderen zusammenhängt.

Und dann bilden sich “Unterwachungs-Netzwerke”

Da die Zufriedenheit im Team häufig eine wichtig Basis für meinen individuellen Erfolg darstellt und der Wunsch in Ruhe arbeiten zu können, direkt auch auf die Zufriedenheit im Team bzw. das Wohl der Organisation einzahlt, bilden sich für gewöhnlich ganz automatisch und wie von Zauberhand ganze “Unterwachungs-Netzwerke”. Kaffeeküchen oder Kantinen sind hierbei willkommene Geburtshelfer. Inzwischen tun es aber auch Teams-Kanäle oder Skype!

Laut Luhmann lässt sich das Phänomen der “Unterwachung” nicht unterbinden. Es ist eine Dynamik die in dem Moment losgetreten wird, in dem sich Menschen in hierarchisch organisierten Gruppen zusammenfinden und ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Er bezeichnet dieses Phänomen als “brauchbare illegale Verhaltensweise”, die sich jenseits der Formalstruktur einer Organisation ausbildet und einen wertvollen Beitrag dazu leistet, die Organisation am Laufen zu halten. Als Führungskraft würde mir an dieser Stelle erst einmal angst und bange werden. Ist das Ziel doch meistens eher Verantwortung und Macht, vielleicht sogar Kontrolle und weniger Fremdbestimmung in Kombination mit Verantwortung. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich der unterschiedlichen Machtressourcen seines Team bewusst zu sein, um diese entweder für sich zu nutzen, oder bewusst punktuell gegenzusteuern. Generelle Gegensteuerung ist nicht möglich, sagt nicht nur Luhmann!

Teams haben hierbei die Macht, die Themen, die nach “oben” kommen zu filtern. Heute wird dieses Vorgehen auch gerne als “Nudging” bezeichnet: Ich habe eine gewünschte Variante und stelle dieser Variante zwei ziemlich blödsinnige Optionen zur Seite. Die dritte vielleicht ähnlich erfolgsversprechende Variante lasse ich weg, weil sie nicht meinen Wünschen entspricht. Wer trifft hier wirklich die Entscheidung? Die Chefin oder der Chef, oder die Person, die die Optionen auswählt?

Eine weitere Macht ist diejenige, die meine Chef-Chefin geradezu ins Schaufenster stellt, indem sie sagt, dass die Führungskraft für gewöhnlich die schlechteste Expertin oder der schlechteste Experte ist. - Es ist die Macht des Fachwissens. Diese Macht hat sich seit der Veröffentlichung von Luhmanns Systemtheorien in den 70ern und 80ern noch verschärft, da Businesswissen in einer zunehmend digitalen Welt nun auch noch durch IT-Wissen ergänzt werden muss. Luhmann würde nicht skandieren “IT’ler an die Macht!”, sondern “IT’ler an der Macht!”.

Die dritte große Macht über die Mitarbeitende verfügen, ist die, die Perspektive auf das Thema zu bestimmen. Und machen wir uns nichts, vor, wir alle haben schon einmal Informationen cheftauglich eingefärbt!

Die vierte und letzte Macht, die Mitarbeitende in diesem Zusammenhang haben, ist etwas anders gelagert, als die ersten drei, aber ein verdammt spannendes Tool der “Unterwachung”: Es ist die Macht, Probleme bewusst nach oben abzugeben, denn auch Chefinnen und Chefs müssen ja beschäftigt bleiben, nicht dass sie ihre Nase doch in meine Themen stecken…

“Unterwachung” als bewusstes Prinzip der Zusammenarbeit in modernen Unternehmensstrukturen

Tja, liebe Führungskräfte, da bleibt man doch am Montag besser mal im Bett! Man denkt, man führt, gestaltet, hat neben der Verantwortung auch Macht und dann kommt da so ein wild gewordener Soziologe und Gesellschaftstheoretiker daher und führt einem vor Augen, dass man am Ende doch ziemlich fremdbestimmt agiert. Schlimmer noch, es sind die, die wir dachte zu führen, die uns fremdbestimmen und manipulieren! Aber Kopf hoch, die Realität ist deutlich weniger tragisch als sich das Prinzip der “Unterwachung” im ersten Moment liest. Nehmen wir zum Beispiel die Vorstandsassistentin, die “unterwacht” um auf den Chef aufzupassen. - Ich kannte mal eine, die sogar ein Blutdruckmessgerät in ihrem Schreibtisch hatte. - Für Notfälle. Wie fürsorglich. Und auch ich ertappe mich meistens aus sehr fürsorglichen Gründen dabei, meine Chefin zu “unterwachen”! - Liebe Grüße an dieser Stelle! Ich weiß, dass sie meine Artikel immer mal wieder liest! Und ich weiß, dass die “Unterwachung” meinerseits für meine Führungskraft völlig OK ist. Denn kluge Führungskräfte und kluge Unternehmen sind sich diesem unvermeidbaren Phänomen bewusst und haben es umgedreht um es für sich zu nutzen. Sie nennen es “Empowerment” und bezeichnen es als eine der wichtigsten Antworten auf ein zunehmend dynamisches und komplexes Marktumfeld. Kein Mensch kann mehr alles verstehen, wissen, können, mitbekommen. Es braucht Teams, Teams die Höchstleistungen erbringen. Und schaut man sich an, welche Zutaten ein High Performance Team braucht, findet sich da nicht nur Kommunikation, Konfliktfähigkeit, ein gemeinsames Ziel und kognitive Diversität, sondern auch Eigenverantwortung (also den Mut zu “unterwachen”) und Führung. Es braucht Führungskräfte, die “empowern”, die sich bewusst “unterwachen” lassen, weil sie zum einen wissen, dass es ohnehin stattfindet und zum anderen darauf vertrauen, dass die “Unterwachung” im positivsten Sinne stattfindet, weil sie am Ende doch nicht alles mitbekommen oder wissen können.

Vertrauen, da ist es wieder: Die Basis für Empowerment oder eine positive “Unterwachung”, die eine Organisation erfolgreich am Laufen hält, ist Vertrauen. Bereits in den 1980er Jahren schreibt Luhmann, dass “Unterwachung” am wirkungsvollsten sei, wenn sie in vertrauensvolle Kooperation eingebettet sei, indem “jede Seite, im Interesse der besonderen Macht über den anderen, dessen Macht schont und beachtet.” Danke Niklas Luhmann! Inzwischen wurde Amy C. Edmondson zum zweiten Mal in Folge mit dem Thema Vertrauen, oder Psychological Safety, zur wichtigsten Vordenkerin in der Wirtschaft gewählt und Studienreihen wie das Projekt “Aristoteles” von Google belegen, dass die Leistung eines Teams oder einer Organisation mit dem subjektiv empfundenen Vertrauen der einzelnen Mitglieder anwächst.

Liebe Führungskräfte, ihr könnte “Unterwachung” nicht unterbinden. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass der Versuch der Unterbindung die “Unterwachung” nur noch größer werden lässt. Ihr könnt sie aber umdeuten und aus ihr Empowerment machen. Ja, dieser Schritt braucht Mut, vor allem aber eine vertrauensvolle Teamkultur. An dieser Kultur könnt ihr bewusst arbeiten. - Und sollte ihr nicht so richtig wissen wie, dann unterstützen euch systemische Coaches und Berater wie ich sicher gerne!

Liebe Mitarbeitenden, ihr seid mit Nichten Machtlos! Im Gegenteil, ihr seid sogar sehr machtvoll. Luhmann hätte in diesem Zusammenhang den Tipp, dass Macht auch immer mit Verantwortung einher gehen sollte. Nutz eure Macht, aber nutzt sie verantwortungsvoll, achtsam und im Sinne aller!

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Unterwachung…

Lass dich nicht zum Narren machen! Wer führt wird geführt.

True Leadership! -Was ist jetzt das schon wieder?!

Nicht schon wieder spazieren gehen

Aus meiner einwöchigen Osterpause melde ich mich mit einem Blog aus der beliebten Serie “die schöne neue Welt der New Work überholt sich mal wieder selbst und verwirrt ihre Jünger” zurück! Ich hoffe ihr konntet die Feiertage genießen und gut erholt in eine kurze Arbeitswoche starten. Ich habe die Zeit genutzt, um in homöopathischen Dosen Zeit mit der engsten Familie und den engsten Freunden zu verbringen. Tatsächlich war dieses Jahr etwas mehr los, als im letzten Jahr. Aber insgesamt war es mir doch zu einsam und ich hatte viel zu viel freie Zeit. Klar hätte ich mal wieder spazieren gehen können. Aber mal ehrlich, ich will nicht mehr spazieren gehen. Mir reichts. Ich will in Bars und Restaurants und mit Freunden feiern, aber ich will nicht mehr spazieren gehen. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mir reicht es wirklich! Werde ich halt dick und rund! Egal, Hauptsache keine Spaziergänge mehr! Der positive Nebeneffekt dieser um sich greifenden Lethargie meinerseits ist, dass ich recht viel Zeit zum Lesen und Stöbern hatte. Unter anderem habe ich mir mal den aktuellen Scrum Guide angeschaut. Für alle die, die nicht wissen was das ist; kein Drama, man kann auch formidabel ohne leben. Für die Jünger der New Work Bewegung und die Verfechter agiler Strukturen ist der Scrum Guide einer der Taktgeber, eine Quelle der Inspiration für ein effizientes und selbstbestimmtes Zusammenarbeiten. Allerdings komme ich immer mehr an den Punkt mich zu fragen, ob all diese Guides und Leitfäden wirklich sinnvoll sind. Habe ich mich doch letztes Wochenende mal wieder darüber geärgert, dass sie sich ständig selbst überholen und gefühlt auf Arbeitsebene für mehr Verwirrung als Klarheit sorgen und deshalb eigentlich nur noch ein komischer Hype sind!

Zur Quelle meiner Wut

Woran sich mein inneres Äffchen letztes Wochenende so aufgerieben hat? Nun ja, als agiler Coach begleite ich Menschen durch organisationale Veränderungsprozesse und besonders im Rahmen einer agilen Transformation verlangen wir von diesen Menschen eine ganze Menge. Klar wird die Mehrheit mit mehr Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Freiheit belohnt. - So sie das auch tatsächlich als Belohnung empfinden. Eine kleinere Gruppe der Menschen, die ich begleite, wird durch diese Veränderungsprozesse jedoch zunächst einmal in eine mittelprächtige Identitätskrise katapultiert. Ich spreche von den Führungskräften, die gegebenenfalls seit Jahrzehnten damit erfolgreich waren, in klassischer Manager-Manier zu führen. So wurde es von ihnen verlangt. Das ist das was sie können und was deren Gehirn auch als gut und richtig abgehakt hat. Dass die Welt sich verändert hat und komplexe und dynamische Umfelder eine neue Art der Führung braucht, darüber habe ich schon oft gesprochen. Aber was bedeutet das für die Menschen, die Jahre lang gut und erfolgreich geführt haben und jetzt alles anders machen sollen, weil das Alte nicht mehr gut genug ist? Fühlt sich nicht so toll an. Dann nimmt man diesen Führungskräften auch noch alles weg, was ihr Selbstverständnis von Führung ausgemacht hat… Jetzt sollen sie also Servant Leader sein. Sie sollen dem Team dienen und die ihnen anvertrauten Mitarbeiter im Rahmen ihrer Weiterentwicklung unterstützen. Außerdem sollen sie ihren Leuten Raum lassen, ihnen Autonomie geben, weil ja jeder gut ausgebildete Experte selbst am besten weiß, was er braucht um seine beste Leistung abzurufen. Hört sich toll an! Ein schöner Regenbogen der uns direkt in eine bessere Welt führt. So viel zur Theorie. In der Praxis sind da gut ausgebildete, engagierte und bemühte Führungskräfte, die glauben, sie werden nicht mehr gebraucht, weil sie ja nicht mehr sagen dürfen oder sollen, wo es lang geht. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, fühlt es sich ein wenig so an, wie als ob einem all seine Macht weggenommen wurde. An dieser Stelle greifen Coaches wie ich ins Geschehen ein. Gemeinsam erarbeitet man, wie diese neue Führung in der Praxis aussehen kann, wie und wo man seinen Mitarbeitern Autonomie geben kann und muss und was das für die Führungskraft ggf. sogar an Vorteilen mit sich bringt. Im Idealfall versteht die Führungskraft irgendwann, dass Macht nicht nur die Macht ist, anderen sagen zu dürfen was zu tun ist, sondern auch andere bewusst dazu ermächtigen zu können, eigenverantwortlich vorzugehen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht.

Denn Linksverkehr bleib Linksverkehr und rechts ist halt richtig - sagt die Erfahrung

Ich weiß, dass der ein oder andere sich jetzt denkt, dass das doch nicht so schwer sein kann. Ist ja auch alles ganz einleuchtend mit der neuen Art zu führen. Aber glaubt mir, es ist verdammt schwer, weil die Macht der Gewohnheit eine sehr starke Kraft ist. Ist schon mal jemand von euch während eines Urlaubs oder Auslandsaufenthalt im Linksverkehr unterwegs gewesen, als Fahrer, nicht als Beifahrer? Die Situation und die Anforderung sind ganz klar und eindeutig und im Zuge der Unfallvermeidung macht es auch Sinn, sich an die neuen, anderen Regeln zu halten. Aber mal ehrlich, wie lang habt ihr gebraucht, bis ihr nicht mehr den Scheibenwischer an Stelle des Blinkers angeschaltet habt und ihr nicht mehr im Kreisverkehr oder an Kreuzungen zweimal nachdenken musstet?

So gewöhnen wir uns nur langsam, dafür aber sicher an die neue Situation, passen uns langsam an und irgendwann ist das Neue zur Normalität geworden. Das braucht Zeit. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn, während ich langsam aber sicher im Linksverkehr ankomme, ständig die Regeln und Details neu verfasst würden. Ich glaube ich würde irgendwann hinschmeißen, total frustriert.

Der Linksverkehr agiler Führung

Alle Veränderungen, so auch unternehmenskulturelle Veränderungen, brauchen Zeit und Raum und als Coach ist es mir wichtig, den Menschen, mit denen ich arbeite, genau das zu geben. Ich erkläre das Ziel, erkenne aber auch die Ist-Situation an, so wie die Bedenken und Sorgen und ich freue mich über jeden mutigen kleinen Schritt, den der Mensch macht um heraus aus der Komfortzone in den Veränderungsprozess einzusteigen.

So weit so gut. Ich schreite Seite an Seite, Schritt für Schritt mit meinen Kunden voran. Die Vertrauensbasis wächst, genauso wie der Mut. Schritt für Schritt wächst auch die Sicherheit im neuen Terrain. Währenddessen ist es das größte Gift, wenn alle Jahre wieder ein neuer Hype auftaucht, der im Prinzip nichts Neues ist, aber ganz neu aussieht. -Klar, so lassen sich natürlich alle Jahre wieder tolle neue Bücher und Vortragsreihen verkaufen. Verstehe ich! Die Führungskraft, die mitten im Prozess steckt, die sich mühsam ein wenig mehr Sicherheit auf dem Weg zu Servant Leadership erarbeitet, versteht das sicher nicht! Warum auch? Servant Leader? True Leder? Was zum Teufel soll das alles?

Was ist wirklich wichtig?

Diese Frage stelle ich mir immer wieder, auch in Hinblick auf Agilität. Agilität um deren Selbstwillen ist sicher nicht das Ziel. Ich war Human Factors Trainer und Consultant lange bevor ich Agile Coach wurde. Ich würde sogar sagen, weil ich aus tiefster Überzeugung Human Factors Consultant bin, hat mich mein Weg hin zur Agilität geführt. Denn der Mensch braucht Raum, Autonomie und Eigenverantwortung, um sich zufrieden zu Höchstleistung aufschwingen zu können. Und was der Mensch unbedingt braucht ist Führung, eine Führung die Richtung, Sicherheit, Freiraum und Eigenverantwortung schenkt. Wie man diese Führung nennt, ist am Ende völlig egal. Es ist wie bei all diesen Schoko-Ostereiern, die wir wahrscheinlich alle in den letzten Tagen im Überfluss genossen haben: wichtig ist was drinsteckt. Was mich gelegentlich ein wenig verärgert, ist, dass ausgerechnet um das Drumherum, die äußere Form, ein solcher Lärm gemacht wird, dass das was drin steckt total ins Hintertreffen gerät. Gerade in Hinblick auf Führung ist es doch ganz einfach: Menschen folgen Menschen, nicht Positionen und Titeln. Nennt es wir ihr wollt, es wird daran nichts ändern. In meiner “alten Welt” wurde in diesem Zusammenhang sogar zwischen “Personal Power” und “Positional Power” unterschieden. Das eine ist ohne das andere ein Rohrkrepierer. Was es wirklich braucht sind Persönlichkeiten, Führungspersönlichkeiten. -Menschen, die sich ihrer eigenen Fehlbarkeit bewusst sind und deshalb auch den Wert ihrer Mitarbeiter kennen. -Menschen die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ihre eigene Macht nutzen, um andere zu ermächtigen. -Menschen die vertrauen, fördern, unterstützen, vorangehen ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Wie man das dann nennt, ist völlig egal: Servant Leader, transformationale Führung, flache Hierarchie, Teammanagement, Leader as Coach oder jetzt eben seit neustem True Leadership. Vielleicht sollte man einfach damit anfangen, mit all dieser Verwirrung aufzuhören! Ich finde es wurden inzwischen genug Bücher geschrieben (auch wenn ich natürlich davon träume selbst noch eines zuschreiben). Man muss auch mal ins tun kommen und den Raum und die Zeit für Veränderungsprozesse geben ohne ständig dazwischenzufunken. -Genau das erwarten wir ja auch von den Führungskräften, die wir begleiten!

Und jetzt doch spazieren gehen?

Nein, auf keinen Fall! Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Ich werde meiner Lethargie frönen und ein bisschen lesen und ich freue mich auf das strahlende Gesicht von Tristans großem Bruder Alan, wenn er später sein Ostergeschenk sehen wird! Und natürlich bin ich ganz gespannt darauf, ob Tristan inzwischen schon mehr kann, als schlafen, weinen, trinken und Bäuerchen machen!

Eure Constance

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Hoch hinaus…

Denn Menschen folgen Menschen, nicht Positionen