Kultur

Warum Flugzeuge abstürzen... - Wie Kultur Unternehmensziele unterstützen kann

Die Unfallserie der Korean Airline - Pech? - Mangelhafte Ausbildung? - Veraltete Flugzeuge? - Oder doch etwas ganz anderes?

In den achtziger und neunziger Jahren galt die Korean Air als die Airline weltweit mit den schlechtesten Safety Records, oder etwas reißerisch ausgedrückt als die gefährlichste Airline der Welt. Diese Feststellung speiste sich aus der Tatsache, dass es die Fluggesellschaft seit ihrer Gründung 1962 unter ihren verschiedenen Namen auf sage und schreibe 17 Totalverluste von Flugzeugen gebracht hat. Bei zehn dieser Unfälle kamen insgesamt über 700 Menschen ums Leben. Unter den verlorenen Fliegern waren auch einige Frachtflugzeuge ohne Passagiere und bei einigen der Unglücke konnten es die Passagiere lebend aus den verunglückten Maschinen schaffen. Selbstverständlich wurde akribisch recherchiert welche Ursachen es für die unterschiedlichen Unfälle gab. Hierbei ist eine Art Ursachenhäufung in den Achtzigern und Neunzigern von besonderem Interesse für mich, sowohl in meiner Rolle als Human Factors Trainer in der Luftfahrt, als auch in meiner Rolle als Business Coach und Consultant.

Als sich die Ermittler auf die Suche nach der Ursache für diese Unfälle machten, standen sie immer wieder vor einem Rätsel. Die Piloten waren alle samt gut ausgebildet, erfahren und erfreuten sich bester Gesundheit und auch die Flugzeugtechnik wies keine Mängel auf, die einen Totalverlust rechtfertigten. So suchten die Ermittler weiter und wurden schließlich beim Abhören der Cockpit Voice Records, also der aufgezeichneten Kommunikation im Cockpit, fündig. Was auffiel, war, dass es in der Kommunikation zwischen den Piloten ein interessantes Muster gab.

Denn Kommunikation ist immer Teil des Problems

Bei Analyse der Kommunikation im Cockpit fiel auf, dass die Ersten Offiziere (oder Co-Piloten) ihre Kapitäne niemals direkt und klar ansprachen, selbst wenn sie sehen konnten, dass die Kapitäne glasklare Fehler machten. Vielmehr wählten sie eine Art “Mitigated Speech” (abgeschwächte Sprache), um das Thema zu platzieren. - Wahrscheinlich damit sie den Vorgesetzten nicht verärgerten oder gar bloßstellten. Anstatt augenscheinliche Probleme wie zum Beispiel eine vereiste Tragfläche direkt anzusprechen, wählten die Ersten Offiziere verklausulierte Aussagen oder Andeutungen wie: “Es könnte vielleicht ein Problem mit den Tragflächen geben. Unter Umständen wäre es eine gute Idee sich das einmal anzuschauen und zu prüfen.”

Insbesondere Menschen mit einem hohen Grad an Empathie und Nähebedürfniss neigen dazu in einen “Mitigated Speech” fallen, was sich ganz wunderbar auf die Beziehungseben auswirken kann. Im beruflichen Kontext, wo es häufig um faktenbasierte Entscheidungsfindungen geht, ist diese Form der Rhetorik jedoch selten hilfreich. In diesem Kontext ist zu beobachten, dass diese beziehungsorientierte Form des Sprechens deutlich häufiger in Organisationen mit besonders steiler Hierarchie auftritt.

Zurück in das Cockpit der Korean Air: Der Erste Offizier schlägt also ganz unverbindlich vor doch mal vielleicht unter Umständen und ganz ohne Druck darüber nachzudenken, sich die Tragflächen anzuschauen und der Kapitän sagt nein, mache er nicht, weil er es nicht für notwendig erachte…

Die Unfähigkeit zu sprechen

Jeder Pilot, eigentlich überhaupt jeder, weiß, dass Eis auf den Tragflächen lebensgefährlich ist, weil es sich ausgesprochen ungünstig auf die Aerodynamik eines Flugzeuges auswirkt. Deshalb könnten man meinen, dass der Erste Offizier in unserem Fall etwas vehementer werden müsste, da er sich ja ebenfalls in der Maschine befindet und wir unterstellen, dass er seines Lebens nicht überdrüssig ist. In unserem Beispiel sagt er einfach nichts und verliert sein Leben.

Einen vergleichbaren Vorfall hat es bei der Korean Air Cargo tatsächlich gegeben, in dem der Erste Offizier den Fehler des Kapitäns deutlich gesehen hat, ihm klar war wie man den Flieger hätte vor einem Unfall bewahren können und trotzdem stirbt er lieber, als den Kapitän zu korrigieren.

Um diese Reaktion nachvollziehen zu können ist es wichtig zu verstehen, dass das kulturelle Miteinander im Cockpit der Korean Air Flugzeuge ein Abbild der koreanischen Kultur war, in der Hierarchie und Machtpositionen eine elementare Rolle spielten und zum Teil auch bis heute noch spielen. Der Respekt vor hierarchisch höhergestellten Menschen oder Autoritäten war und ist ausgesprochen groß. Auf die Zusammenarbeit im Cockpit hatte das die Auswirkung, dass Erste Offiziere nicht wie in der Branche üblich Redundanzen und Partner auf Augenhöhe darstellten, sondern reine Befehlsempfänger waren. Der Kapitän hatte die uneingeschränkte Hoheit und das absolute Kommando. Man weiß von Berichten darüber, dass es zu dieser Zeit nicht unüblich war, dass Kapitäne ihre Ersten Offiziere sogar körperlich attackierten, wenn diese einen Fehler machten.

Die Theorie der kulturellen Dimensionen

Es gibt viele Theorien und Ansätze, die das Phänomen Kultur erklären und erläutern. Ein Modell, das ich im Kontext meines heutigen Themas besonders interessant finde, ist das Modell der Kulturdimensionen nach Geert Hofstede. Im Rahmen dieses Modells geht es darum insbesondere kulturelle Unterschiedlichkeit messbar zu machen. In diesem Zusammenhang führt Hofstede sechs Ebenen an, an Hand derer er diese Unterschiedlichkeit messbar oder greifbar machen kann: Genuss und Beschränkung, Kurzzeit- und Langzeitorientierung. Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität und Femininität , Kollektivismus und Individualismus und schließlich die Ebene, die in der Betrachtung unserer Piloten besonders interessant ist: die Ebene der Machtdistanz. Hierfür hat Hofstede den sogenannten Power Distanz Index (PDI) oder Machtdistanzindex entwickelt, der wiedergibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Menschen in einem bestimmten Land gegen Autoritäten aufbegehren. In Ländern mit niedrigem PDI fühlen sich Menschen sicher(er) Machthaber in Frage zu stellen. In Ländern mit hohem PDI wird das aufbegehren gegen Autoritäten (egal ob im beruflichen oder privaten Kontext) schwerer und schwerer bis hin zu unmöglich.

Einen besonders niedrigen PDI findet man laut Hofstede in den USA, den skandinavischen Ländern und in Deutschland. Südkorea hingegen hatte in den 1980er Jahren den zweithöchsten PDI der Welt. Die ersten Offiziere in der Reihen von Unfällen der Korean Air waren durch kulturelle Umstände und Regeln wie gelähmt. Sie konnten schlicht und ergreifend nicht aufbegehren.

Herkunftskultur vs. Unternehmenskultur

Nachdem die Gutachten der Unfallermittler veröffentlicht waren mussten sich die Verantwortlichen bei Korean Air natürlich die Frage stellen, wie sie mit diesen faktischen Aussagen als Unternehmen umgehen möchten. Zunächst wurde Englisch als verbindliche Sprache im Cockpit eingeführt, da Englisch deutlich weniger hierarchisch ist, als Koreanisch. Außerdem wurden und werden immer wieder Piloten aus anderen Ländern eingestellt um die herkunftskulturelle Prägung der Pilotenschaft bei Korean Air aufzubrechen. So hat sich Korean Air bewusst eine Unternehmenskultur geschaffen, die von der originären Kultur in Südkorea abweicht. Dieser eingeschlagene Weg der Fluggesellschaft scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Seit 1999 gab es bei Korean Air keinen ähnlich gelagerten nennenswerten Zwischenfall mehr.

Betrachte ich mir diese Zusammenhänge in meiner Rolle als Business Coach und Consultant wird es mir noch einmal bewusst, wie wichtig es für Organisationen oder Unternehmen ist, sich die Kulturfrage zu stellen und die eigene Kultur bewusst zu gestalten. Die Frage danach, wofür ich als Organisation meine Kultur nutzen möchte, oder was das Ziel meiner ganz individuellen Unternehmenskultur ist, sollte hierbei im Fokus stehen. Ist das Ziel klar lässt sich schließlich definieren mit welchen Maßnahmen man auf dieses Ziel hinarbeiten kann. Korean Air ist für mich ein ganz wunderbar greifbares Beispiel aus der Luftfahrt, um zu belegen, dass bewusst gesteuerter unternehmenskultureller Wandel möglich ist. Schaue ich auf die Welt jenseits der Flugzeuge fällt mir direkt Nokia ein. Auch hier musste Unternehmenskultur bewusst und gesteuert verändert werden, um eine wirtschaftliche Schieflage zu korrigieren.

In meiner Rolle als Mitarbeiterin stellt sich für mich natürlich auch die zusätzliche Frage, welchen Machtdistanzindex ich in meinem Unternehmen und selbstverständlich auch in meinem Team vermuten würde und ob das so für mich passt, oder ob ich ihn verändern würde, wenn ich dazu in der Lage wäre. Vielleicht geht es euch ja ähnlich. Also fühlt euch eingeladen, darüber bei einer Tasse Kaffee am Sonntagmorgen nachzudenken, wenn ihr möchtet! - Und lasst mir gerne ein Feedback zu euren Erkenntnissen da.

Eure Constance

Hoch hinaus

Es geht nur mit der passenden gemeinsamen Basis, mit den oft ungeschriebenen Regeln des Miteinanders, das wir als Kultur bezeichnen. Sie macht uns als als Gemeinschaft entweder unendlich stark oder sehr verwundbar.

Sind wir die, die unendlich viel wissen und nichts mehr verstehen?

Die Suche nach Bedeutsamkeit

Nach meinem Workshop an der Uni in Maastricht Anfang Dezember schrieb mich eine der Studentinnen an. Sie untersucht im Rahmen ihrer Masterarbeit den Zusammenhang zwischen dem Konzept der “Job Meaningfulness”, also welche tiefere Bedeutung oder welchem Sinn wir unserem täglichen Tun geben, und Business Coaching. -Oder kurz gesagt welche Rolle Meaningfulness im Business Coaching spielt. In einem ersten Austausch zum Thema habe ich Jana spontan geantwortet, dass für mich als Coach die wichtigste aller Fragen, im Business wie auch privat, “Wofür?” ist. In einer zunehmend komplexen und immer dynamischeren Welt läuft der Mensch immer deutlicher Gefahr, die Richtung zu verlieren. Dieser Verlust an Richtung hat unterschiedliche Auswirkungen. Ich weiß, dass Burnout ein sehr vielschichtiges Krankheitsbild darstellt. Aber ich persönlich glaube nicht, dass Menschen primär ausbrennen, weil sie zu viel arbeiten, sondern weil sie nicht verstehen, wofür das alles gut sein soll. Wenn ich das Hamsterrad am Laufen halte, um das Hamsterrad am Laufen zu halten, kann das definitiv zu Frust, Demotivation und depressiven Verstimmungen führen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich das Thema “Social Change in Human Factors” für einen Workshop in der Luftfahrt beleuchtet habe. Damals, in den achtziger Jahren, war, so glaube ich mich zu erinnern, Volvo das erste “Fließbandunternehmen”, das verstanden hat, dass Mitarbeitende bessere Leistungen erbringen, weniger krank und zufriedener sind, wenn sie den Sinn und Zweck ihrer Arbeit im Kontext des großen Ganzen verstehen und nicht einfach tagein, tagaus die gleiche Schraube ins gleiche Loch drehen um die Schraube ins Loch zu drehen. Der Mensch hat ein intrinsisches Bedürfnis nach Bedeutsamkeit und Sinn. -Und kann auch nur so Höchstleistungen erbringen. Die Straße zum Erfolg ist somit also mit magischer Bedeutsamkeit gepflastert.

Auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen spielt das Wofür, bzw. das Ziel oder die Bedeutung hinter der Entscheidung eine wichtige Rolle. Leider fehlt es uns im Alltag scheinbar immer wieder an Zeit, uns die Wofür-Frage zu stellen. Als Coach im Business-Kontext biete ich meinen Kunden, Einzelkunden, wie auch Teams oder ganzen Organisationsstrukturen, den Raum, sich dahingehend zu reflektieren. Mein “Wofür” als Coach sehe ich vor allem auch darin, Menschen dabei zu unterstützen, in einer unübersichtlichen Welt, die im Außen immer weniger Orientierung bietet, ihre Orientierung im Innen zu finden, ihren inneren Kompass, der dem eigenen Tun im Einklang mit individuellen Werten und Glaubenssätzen Sinn oder Bedeutung gibt. Denn machen wir uns nichts vor: Am Ende möchte niemand von uns ganz und gar bedeutungslos sein. So kann es die Bedeutung sein, die unseren Entscheidungen in einer mehrdeutigen und unübersichtlichen Welt die nötige Richtung gibt.

Ich bin sehr gespannt auf mein offizielles Interview im Rahmen von Janas Forschung und natürlich auf ihre Ergebnisse.

“… randvoll mit Wissen aber mager an Erkenntnis.”

So ging ich also in die Weihnachtszeit. Das Thema “Bedeutung” hat mich aber nicht mehr losgelassen. Warum, oder WOFÜR braucht es Armadas von Coaches, die Menschen dabei unterstützen ihre Richtung zu finden? Offensichtlich haben sich meine werten Kolleginnen und Kollegen ähnliche Gedanken gemacht. Vielleicht sind diese Gedanken Teil des Zeitgeistes… Bei LinkedIn bin ich über ein Zitat von Roger Willemsen gestolpert, das mit folgenden Worten endete: “Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Information, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erkenntnis.” Oder wie Oscar Wilde es viele Jahre zuvor ausdrückte: “We read too much to be wise.” Und auch damit stand der von mir so verehrte Wilde nur in der Tradition einer Erkenntnis, die noch viel älter war. “Sapere Aude!” -”Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen,” rief Immanuel Kant der Menschheit bereits 1784 zu. Aber was ist, wenn wir glauben, keine Zeit mehr zu haben, um zu denken. Unser Verstand ist langsam und träge. Das hat schon Daniel Kahneman ausführlich beschrieben.

In einer zunehmend digitalen Welt, in der Informationen in einer ungefilterten Flut überall und stets verfügbar sind, sind wir alle dazu verführt zu konsumieren, was das Zeug hält. Nehmen wir uns die Zeit, alles das in einen Kontext zu setzen, darüber zu reflektieren, uns bewusst zu werden, was das alles denn nun wirklich für uns bedeutet? -Wofür das alles hilfreich oder hinderlich ist? Ich kann nur für mich sprechen, aber mir fällt es durchaus schwer, mir dieses Zeit zu nehmen, weil ich immer wieder behaupte, dass ich sie nicht habe.

Die Stilblüten dieses Verhaltens nehmen wir meiner Meinung nach inzwischen selbst in höchsten politischen Diskussionen wahr. Vor ein paar Tagen sagt der Präsident des Verfassungsschutzes in einem Bericht der guten alten Tagesschau (ich bin super “old school” was meinen eigenen Medienkonsum betrifft!), dass er unsere Demokratie in Gefahr sieht! “Hoppala,” dachte ich mir. Die schweigende Masse müsse sich erheben. Und wahrscheinlich hat der damit irgendwie recht. Aber nun stelle ich mir vor, dass auch noch die schweigende Masse auf allen Kanälen ihre Meinung kundtut. Das entschleunigt in keinster Weise. Vielleicht trägt genau das sogar zu einer weiteren Eskalation bei.

Informationsflut bis zum Ende der menschlichen Freiheit?

Wie sollen wir als Gesellschaft nun umgehen mit diesem Überangebot an ungefilterter Information in einer Welt, die sich immer schneller zu verändern scheint? Die Diskussionen über die Kontrolle sozialer Medien oder über den Umgang mit künstlicher Intelligenz sind allgegenwärtig und ich merke, dass ich absolut zwiegespalten bin. Meine Freiheit (auch in Hinblick auf die Wahl meiner Informationskanäle) ist einer meiner höchsten Werte und bei dem Wort Medienkontrolle oder Zensur dreht sich mir der Magen um. Gleichzeitig denke ich an Kant: Für ein friedliches und erfolgreiches gesellschaftliches Miteinander braucht es vor allem auch Weisheit. Nun ist es so, dass wir ganz so wie Oscar Wilde es beschrieben hat vielleicht wirklich zu viel lesen, hören, sehen um wirklich weise zu sein. Was uns fehlt ist die Zeit selbst zu denken, zu hinterfragen, die Ziele hinter den Zielen zu erkennen, weil die omnipräsenten Fragen “wie?”, “wann?” und “warum?” sind. Verloren geht das Wofür. Wäre es hilfreich, mediale Kommunikation stärker zu regulieren? - Um Masse und Komplexität zu reduzieren, damit sich wieder mehr Menschen die Frage nach dem Wofür stellen können? Keine Ahnung…

Zurück zum Business Coaching

Wie um alles in der Welt komme ich von der Frage nach der Bedeutsamkeit im Business Coaching auf das Ende der Demokratie? Inzwischen überrascht es mich nicht mehr, wenn meine Themen aus dem Business Coaching mich dahintreiben, die großen gesellschaftlichen Fragen zu beantworten. Denn am Ende ist auch Business oder Job eingebettet in etwas viel Größeres, das wir Zeitgeist oder Kultur nennen. Und wie immer lässt sich dieser Zeitgeist im Nachhinein immer leichter beschreiben. Die allgegenwärtig Informationsflut, die gefühlte Demokratisierung von Information, die inzwischen für jeden in Echtzeit verfügbar ist, zeichnet unsere Zeit aus meiner Sicht besonders aus. Chats und Mail fliegen hin und her und ermöglichen uns, dass alles viel, viel schneller passiert. Diese Dynamik wächst stetig an. Durch diese unfassbare Dynamik verändern sich die Dinge immer schneller. Getrieben durch Globalisierung hängt plötzlich alles mit allem zusammen und eine Veränderung in Wuhan legt mein Leben in einem Dorf bei Frankfurt gefühlt in Nullkommanix lahm…

Eingebettet in diesen Zeitgeist macht unser Business-Umfeld es uns nicht leicht, den Überblick zu bewahren, zumal schnelle Reaktionen überlebenswichtig sind. Entscheidungen müssen getroffen und umgesetzt werden, wieder und wieder und schneller als die Konkurrenz. Menschen suchen fast verzweifelt nach einem Wegweiser im Außen. Doch auch diese Wegweiser im Außen verändern sich schneller als wir sie finden können. Aus diesem Grund wird unser innerer Wegweiser zur gefühlt wichtigsten Konstante in unserem Leben, um die Richtung zu halten. Nennt es Purpose, Meaningfulness, Wofür… Die aus meiner Sicht wichtigste Fähigkeit, die wir Menschen benötigen um in dieser dynamischen, komplexen, mehrdeutigen und unübersichtlichen Welt, die wir nun wohl VUKA nennen, ist die, unseren eigenen Kurs zu halten. Ja, Organisationen geben ihr Bestes, mit Hilfe von Strategien, KPIs oder Purposes Bedeutung und Richtung zu geben. Aus meiner Sicht braucht es jedoch vor allem die eigene innere Richtung, die Bedeutung oder den Sinn, auf den ich mein Tun ausrichte, um mit Klarheit entschlossen durch dieses Chaos zu schreiten. Ich als Business Coach bin der Rahmen, den es braucht um aus der täglichen Raserei auszusteigen, innerzuhalten und das Wofür zu klären. Ist die Bedeutung, das Ziel hinter dem Ziel, geklärt, passiert der Rest häufig von allein.

Liebe Jana, liebe Lesende, natürlich geht es im Leben und im Business immer auch um Erfolg. Dieser Erfolg ist aus meiner Sicht jedoch eng verwoben mit dem Wofür, mit dem höheren Ziel (eines Individuums, eines Unternehmens, einer Gesellschaft). Somit ist der Weg zum Erfolg aus meiner Sicht mit der magischen Erkenntnis der Bedeutsamkeit gepflastert. Deshalb möchte ich euch zum Abschluss Willemsens vollständiges Zitat nicht vorenthalten: “ Wir hatten unserem Verschwinden nichts entgegenzusetzen, rieben uns auf im engen Horizont einer Arbeit, die ein Unternehmen stärker, erfolgreicher, effektiver machen sollte, aber nicht Lebensfragen beantwortete, die das Überleben sichern helfen würden. Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Information, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erkenntnis.”

Wachstum um des Wachstums Willen nennt man in der Medizin Krebs. Rennen um des Rennen Willens, schneller-höher-weiter hin zu einem Ziel, das keiner jemals definiert hat, ist vielleicht das Krebsgeschwür unseres Zeitgeistes.

Habt einen Sonntag voller Sinn und Bedeutung!

Eure Constance

Lasst es magisch werden…

Der Weg zum Erfolg ist gepflastert mit der magischen Erkenntnis der Bedeutsamkeit unseres Tuns.

Warum Reden Silber und Schweigen noch immer Gold ist...

Schon Oma hat es gewusst…

Ich war von jeher ein recht gesprächiges Wesen. Als Kind hatte ich sicher das Potenzial Menschen die Ohren blutig zu quatschen. So habe ich diesen alten Spruch meiner Oma “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!” nie wirklich gemocht, konnte ich doch meine Klappe einfach nicht halten, wusste aber dank Omas Weisheiten, dass das nicht der beste Weg war. So hatte ich schon recht früh immer mal wieder das Gefühl, irgendwie falsch, oder wenigsten nicht ganz richtig zu sein.

Ich wurde älter und auch ein klein wenig stiller. “Wer spricht von Kuchen, dass der Krümel sich meldet?” Die Direktive war, den “Großen” zuzuhören und schweigend zu lernen. Ich war dabei halbwegs erfolgreich, denke ich wenigstens. Die Schulzeit habe ich von einer Handvoll Eklats abgesehen unbeschadet durchlaufen. Gut, einmal musste mir ein Lehrer in mein Zeugnis schreiben, dass einige meiner Ausführungen zu emotional seien… Aber was soll ich sagen, emotional betrachtet war ich im Recht. Recht hin Recht her, zu Reden hat mir trotzdem nur Scherereien eingebracht.

Ich wurde also zum Schweigen erzogen, ebenso wie unzählige junge Menschen in unserer schönen Welt. So kam ich mit Anfang zwanzig zur Condor und plötzlich wurde von mir erwartet, den Mund aufzumachen, zu sprechen oder auch kritisch zu hinterfragen. Und das nicht obwohl ich jung und unerfahren war, sondern weil ich jung und unerfahren war. Mir wurde erklärt, warum eben auch diese Perspektive wichtig für ein Team ist, um erfolgreich in einer komplexen und dynamischen Welt agieren zu können. Was für ein Kulturschock! Aus dem einst so frei plappernden Kind, dem taktlosen und emotionalen Teenager wurde eine junge Frau, der es fast unmöglich war, offen und kritisch zu sprechen, obwohl sie sogar dazu aufgefordert wurde. Ich gebe zu, selbst heute muss ich mich manchmal ganz besonders ermutigen, bestimmte Fragen zu stellen, oder Feedback zu geben.

Ein gesellschaftliches Paradox

Ich schreibe das hier nicht, um die große Frage aufzuwerfen, ob unser Bildungssystem noch zeitgemäß ist, oder ob es jungen Menschen tatsächlich die Werte und Fähigkeiten vermittelt, die in der schönen neuen Welt der New Work unbedingt gebraucht werden. Diese Frage wird sich hoffentlich an anderer Stelle gestellt, an einer Stelle, die tatsächlich Einfluss nehmen kann. Ich konstatiere einfach, dass mein Werdegang vom Kind zur Berufstätigen mir die Fähigkeit in Teilen genommen hat, die laut Harvard Professorin Amy C. Edmondson diejenige Fähigkeit ist, die es am dringlichsten braucht, um in einem dynamischen und komplexen Umfeld erfolgreich zu sein.

In ihrem Buch “Die angstfreie Organisation” stellt Edmondson eine interessante Rechnung auf, warum Schweigen eben doch noch immer Gold ist und in unserer internen Abrechnung immer wieder gegen Reden gewinnt.

Wer profitiert davon, wenn ich spreche, unangenehme Fragen stelle und mich dem daraus resultierenden Gegenwind aussetze? Oder sogar Fehler öffentlich zugebe, die ansonsten keiner mitbekommen hat? - Ganz klar: die Organisation und /oder mein Kunde. Wann wird dieser Mehrwert spürbar? - Für gewöhnlich erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Und wie sicher ist es, dass dieser Mehrwert sich auch wirklich einstellt? - Auf jeden Fall nicht hundert Prozent sicher! Wie viele Situationen habe ich schon erlebt, in denen reden mir nichts als Stress eingebracht hat?

Schaue ich mir hingegen an, wer davon profitiert, dass ich schweige, dann bin ich das selbst. Außerdem profitiere ich sofort und ohne Zeitverzögerung, ganz, ganz sicher, denn ich vermeide Gegenwind, Nachfragen, potentielle Schuldzuweisungen, Konflikte und so weiter. “Be Grey!” lautet die Überlebensstrategie im Business…

Meine Bilanzrechnung ist hier sehr eindeutig! Denn diese Bewertung wurde mir kulturell anerzogen und Kultur lässt sich nun mal nicht über Nacht ändern. Allerdings verändert sich unsere Welt manchmal sogar mehrfach über Nacht. Die Dynamik unserer Zeit ist immens. Aus diesem Grund sind Organisationen sehr gut beraten, sich über dieses Reden-Schweigen-Dilemma Gedanken zu machen und sich zu Fragen wie sie es schaffen diesen inneren Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen.

Psychological Safety… - Mal wieder!

So landen wir einmal mehr bei diesem Thema, das mich seit Jahren umtreibt. Stellt euch vor, wir würden uns in unseren Organisationen so sicher fühlen, wie ich als Kind bei meiner Oma? So sicher, dass wir sprechen, einfach so? - Denn wir wüssten, dass uns niemand böse wäre, dass man uns zuhören und wohlwollend mit unseren Fehlern und Fehltritten umgehen würde, da wir ja noch am Lernen sind! Stellt euch vor, wir würden uns in einem Umfeld wiederfinden, in dem wir ganz sicher wüssten, dass jeder uns mit absolutem Wohlwollen betrachtet? Utopisch sagt ihr? Ja, klar, der Weg ist lang, fordert er von uns doch nicht mehr und nicht weniger als eine kulturelle Revolution, weg vom Misstrauen und Besserwissen hin zu einem wohlwollenden Menschenbild. So würde sie lebendig werden, die lernende Organisation wie sie Amy C. Edmondson immer wieder beschreibt.

Einfach nur den ersten Schritt gehen

Ja, ich gebe zu, diese lernenden Organisationen stehen vor uns wie ein riesiger und unbezwingbarer Berg. Vielleicht fühlt ihr euch vor diesem Berg so klein und unbedeutend wie ich. Diese Perspektive lädt auf jeden Fall zur Resignation ein. Mir hilft es dann, mich nicht auf den ganzen Berg, sondern auf meinen nächsten Schritt zu konzentrieren. Und sind wir mal ehrlich, was oder wer hält mich ganz persönlich davon ab, anderen mit dieser wohlwollenden Haltung zu begegnen? Gelegentlich ist es höchstens mein eigener innerer Tasmanischer Teufel, der manchmal Spaß daran hat, mit mir Achterbahn zu fahren. Er setzt mir Flausen in den Kopf, die mich glauben lassen, dass mein Gegenüber gegen mich ist, mich ärgern oder ausstechen will. Dahin ist die wohlwollenden Haltung und ich bin im Überlebenskampf. Vielleicht ist jeder weitere Schritt Richtung Gipfel jeder einzelne Moment, in dem es mir gelingt, mich nicht von diesem kleinen Quälgeist führen zu lassen, sondern ihn zu führen und auf die stille Treppe zu verbannen, ein Schritt hin zu diesen sagenumwobenen lernenden Organisationen.

Betrachten wir uns, wie Kultur entsteht, oder wie sie sich verändert, dann handelt es sich dabei niemals um Handlungsdirektiven, die von oben oder von außen vorgegeben werden. Die tatsächliche Kultur wird immer von denjenigen definiert, die sie leben, tagtäglich. Und vielleicht haben ja ein paar von euch Lust, Kultur zu verändern und als ersten Schritt mit der eigenen inneren Haltung zu beginnen. Ich glaube jedenfalls ganz fest daran, dass es unendlich viele Menschen gibt, die diesen Wandel mittragen. Deshalb glaube ich auch ganz fest an die Idee der psychologisch sicheren und lernenden Organisation und werde nicht müde diese mitgestalten zu wollen.

Habt einen wunderschönen Sonntag. Redet und hört wohlwollend zu, auch euren Kindern und Teenagern. Sie sind unsere Zukunft und es wird sehr wichtig sein, dass sie alle ihr Potenzial einbringen können, um diese Welt zu bewahren und besser zu machen. Dazu müssen sie angstfrei reden können, anstatt unsicher zu schweigen. Denn Reden ist Gold und Schweigen ist Stillstand!

Eure Constance

PS: In zwei Wochen wird mein Blog pausieren. Ich werde in Kassel sein, auf dem Jahreskongress der Milton Erickson Gesellschaft. Unter der Überschrift “Out of Fear” werde ich mich ein langes Wochenende damit beschäftigen, welche Möglichkeiten ich als Coach im Umgang mit Ängsten habe. Und ja, Ängste spielen auch im Business Coaching eine Rolle. Angst vor Veränderung, Angst vor Jobverlust, Angst vor Digitalisierung, Angst nicht gut genug zu sein, nicht (mehr) mithalten zu können… All diese Ängste sind sehr aktuell und haben das Potenzial ganze Organisationen zu lähmen. Auf LinkedIn und Instagram nehme ich euch mit auf die Reise und in drei Wochen gibt es meinen nächsten Blog, der sicher das ein oder andere Takeaway beinhalten wird.

Speak up! Aber höchstens ganz leise…

Warum Schweigen Stillstand und Reden Gold ist