Agile Coach

Die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation - und was das mit Körperkontakt zu tun hat...

Denn Neugier hält die Welt am Laufen

Gebt es zu, ihr fangt gerade nur an zu lesen, weil ihr über das Wort Körperkontakt im Zusammenhang mit Mitarbeitermotivation gestolpert seid und euch denkt, dass das ganz schön schräg ist! Willkommen im Club! Einzig und allein, weil ich das mit dem Körperkontakt verstehen wollte, habe ich mir bei meiner zauberhaften NLP-Ausbilderin Anita gleich ein ganzes Buch ausgeliehen. Eigentlich wollte ich wirklich nur das mit dem Körperkontakt genauer wissen, doch jetzt ertappe ich mich dabei, gefühlt den ganzen 300 Seiten-Schinken zu lesen! Hat meine Neugier mal wieder dazu geführt, dass ich immer klüger werde!

Gary Chapman und die Geheimnisse der Mitarbeitermotivation

Aber für euch beschränke ich mich auf das Wesentliche und fasse mich kurz! Ich fange mal von vorne an. Also, dass ich meine Wochenenden momentan vorzugsweise im NLP-Training verbringe, habe ich, glaube ich, bereits erzählt. Klares Ziel ist es noch weitere Coaching Tools im Bereich Persönlichkeitsentwicklung zu erlernen. Besonders an diese sagenumwobene Glaubenssatzarbeit möchte ich ran. Und natürlich möchte ich mich dann ab Frühsommer NLP Master nennen! Titel sind schon fein…

Im Rahmen dieser Ausbildung ging es am letzten Wochenende um Systeme. In diesem Zusammenhang durfte ich dank Anita einen Herren namens Gary Chapman kennenlernen. -Eigentlich Paartherapeut! Aber im Job geht’s ja manchmal zu wie in einer guten oder schlechten Ehe. Das hat auch Chapman gemeinsam mit Dr. Paul White festgestellt und hat sich die Beziehungen und das Miteinander im Job intensiv angeschaut. Die Frage war und ist, was braucht der Mensch um sich wohl zu fühlen, um motiviert zu sein. Chapman hat festgestellt, dass sich das nicht so pauschal benennen lässt, dass wir Menschen eben ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. Möchte ich als Chef alle meine Mitarbeiter gleichermaßen motivieren, muss ich auch alle Bedürfnisse befriedigen. Das hört sich nach einer fast unlösbaren Aufgabe an. Zum Glück bietet Chapman hierfür eine wie ich finde formidable Lösung an. Denn den Herren Chapman und White ist es gelungen, diese diffuse Bedürfnislandschaft zu clustern und auf fünf Gruppen runterzubrechen. Sie nennen das die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation, die ich euch natürlich gerne vorstelle:

  1. Lob und Anerkennung

  2. Sich Zeit nehmen

  3. Hilfsbereitschaft

  4. Geschenke (ja, Geschenke!)

  5. Körperkontakt (wot?)

So weit so gut…

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber bei der Betrachtung dieser fünf Punkte ist mir sofort mein wichtigster ins Auge gesprungen: Hilfsbereitschaft! -Wahrscheinlich, weil ich durch und durch ein Teamplayer bin, oder es vielleicht durch meine vielen Jahre in der Luftfahrt geworden bin, habe ich während dieser Zeit doch verstanden, dass ich allein ziemlich verloren bin, egal wie gut ich bin. Selbst Perfektion reicht nicht, denn “A flying mission is always a team task!” sagte dereinst ein gewisser Herr Foushee, seines Zeichens Luftfahrtpsychologe und Human Factors Experte. Wenn ich genauer darüber nachdenke, werden mir tatsächlich immer mehr Job-Situationen bewusst, in welche ich diese Hilfsbereitschaft erfahre. Vielleicht bin ich auch deshalb stets hoch motiviert. Außerdem gebe ich zu, dass mich auch die anderen Bereiche nicht kalt lassen. Lob und Anerkennung tut auch mir gut. Ich liebe es, wenn meine Kollegen sich auch mal Zeit für einen (virtuellen) Kaffee nehmen und die Weihnachtspäckchen, die ich kürzlich von meinem Arbeitgeber bekommen habe, habe mich riesig gefreut. Sie haben mich tatsächlich sogar ein bisschen Stolz gemacht.

So weit so gut. Ich attestiere, Punkte eins bis vier funktionieren auch im virtuellen und hybriden Raum ganz formidabel. Tatsächlich hätte ich bei allen Punkten selbst sogar die ein oder andere Idee, was man noch zusätzlich tun könnte, um Mitarbeiter ganzheitlich zu erreichen und zu motivieren, wenn das eben diese Kanäle sind, die es zu bespielen gilt.

Und dann sind da nur Fragezeichen…

So weit so gut. Jedoch gebe ich unumwunden zu, dass ich in Hinblick auf Punkt fünf tatsächlich mehr Fragezeichen im Kopf hatte als sinnvolle Ansätze. De Facto hatte ich noch nicht mal den Hauch einer Idee… Körperkontakt zur Mitarbeitermotivation erschien mir zunächst mehr als befremdlich. Und Anfassen in eine virtuellen Umgebung… Ausgesprochen lustig, Herr Chapman!

Was mir einleuchtet sind Chapmans Beispiel mit dem festen Händedruck, dem aufmunternden “Schulter-Klapps”, vielleicht sogar noch das mit der Umarmung. Aber sollte ich die Führungskräfte, mit denen ich als Coach arbeite, tatsächlich dazu motivieren, ihre Mitarbeiter bewusst zu berühren??? Allein der Gedanke sorgt bei mir für Gänsehaut und die Nackenhaare stellen sich auf. Denn Körperkontakt ist ja nicht gleich Körperkontakt und ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich mich als junge Frau mehr als einmal als Opfer unangemessenen Körperkontakts gefühlt habe. Zum Glück differenziert Chapman da ganz klar und spricht von angemessenem Körperkontakt und was als angemessen gelte bestimme hier ganz klar die jeweilige Kultur in der ich mich bewege, schreibt er. Innerhalb meiner Kultur habe ich hinsichtlich der Angemessenheit einer Berührung ein gutes intuitives Gefühl. Was bleibt ist natürlich die Frage, ob Chefs, die einen Klapps auf den Hintern der jungen Kollegin als angemessen einordnen, nun in einer anderen Kultur leben als ich. Aber das würde für diesen Blog zu weit führen.

Nehmen wir also an, ich bewege mich in einem Umfeld, in dem alle das gleiche Verständnis für angemessenen Körperkontakt hätten, wäre ja alles gut… -Wäre da nicht die fortschreitende Digitalisierung, virtuelle und hybride Arbeitswelt und der Fakt, dass viele Kollegen sich nur sehr selten bis gar nicht sehen. Hier ist guter Rat teuer. Dann ist das ein Bedürfnis dem ich als Chef nicht gerecht werden kann!

Also lasst uns doch mal ein paar Chefs dazu befragen

Nein, ich habe diesbezüglich keine sinnvolle Lösung parat, aber zu Glück arbeite ich ja tagtäglich mit Führungskräften zusammen, die eigentlich vor genau diesem Dilemma stehen müssten. Also habe ich dieses Thema mal in einem Workshop zum Thema Führung (in virtuellen und hybriden Teams) zur Diskussion gestellt und war mehr als erstaunt, was ich zu hören bekam. Am meisten war ich darüber erstaunt, dass die in der Mehrzahl männlichen Führungskräfte das Thema Körperkontakt nicht “weggelacht” haben, sondern sich sehr differenziert damit auseinandergesetzt haben. Die Kollegen konnten alle Situationen benennen, in denen Körperkontakt subjektiv empfunden wichtig war und gegenwärtig fehlt. - Zur Erklärung: Die betreffenden Führungskräfte befinden sich mitsamt all ihren nachgeordneten Strukturen Corona-bedingt seit zwei Jahren im Homeoffice und werden nach dem offiziellen Ende der Pandemie in hybriden Teams zusammenarbeiten.

Zurück zur Diskussion auf Führungskräfteebene: Ich war erstaunt, dass, nachdem sie etwas Zeit hatten darüber nachzudenken, eine Vielzahl konkreter Beispiele benannt wurden, wann Körperkontakt “damals” gefühlt wichtig für sie, oder die Kollegen war. Diese Diskussion ging weit über den Händedruck, oder den aufmunternden oder unterstützenden Klapps auf das Schulterblatt hinaus. -Highfives wenn etwas gut gelaufen ist und sogar Umarmungen, wenn eine besonders knifflige Aufgabe gelöst war, wurden genannt! Während erzählt wurde war eine wirklich positive Energie zu spüren. Und dann machte sich plötzlich etwas Ratlosigkeit breit, denn man hatte sich bisher nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, was in der neuen Welt fehlt und vor allem was das für Auswirkungen hat. Plötzlich stand da einer dieser großen rosa Elefanten im Raum und man wusste nicht damit umzugehen. Problem erkannt! Lösung leider nicht! Denn unter den gegenwärtigen Umständen und auch in Hinblick auf die zukünftige Zusammenarbeit in vielen Unternehmen gibt es keine Lösung, die so einfach wäre, als dass die Führungskraft wieder Hände schütteln könnte, Teams sich bei Erfolgen abklatschen und in den Arm nehmen können, die unterstützende Hand im Rücken lässt sich nicht mehr so einfach darstellen.

Gemeinsam stellten wir fest, dass es etwas ganz Neues braucht, etwas Anderes, etwas, das es noch nicht gibt, um der Herausforderung der virtuellen Führung wirklich gerecht zu werden. Natürlich werde ich als Coach gerne fragend angeschaut. Jedoch weiß auch ich (noch) keinen Rat und keine Methode. Ich freue mich aber etwas ganz Neues zu erfinden, was für diesen einen Kontext passt und in diesem einen Kontext die Nähe aufbaut, für die es eigentlich Körperkontakt bräuchte. Ob und das gelingt? Keine Ahnung, aber einen Versucht ist es wert. Meine Pionier-Gruppe begibt sich jedenfalls ab nächster Woche auf eine zwölfwöchige Reise zum Thema “Kommunikation als Führungstool (in einer virtuellen Welt)”, die ich Leading out Loud Circle genannt habe. Ziel ist es, die subjektiv empfunden psychologische Sicherheit innerhalb der Organisationseinheit zu verbessern indem wir das Thema Kommunikation zum bewussten Aufbau von Nähe und Beziehungen in die “neue Welt” tragen. Ich bin mehr als gespannt und werde das ein oder andere sicher auf diesem Kanal mit euch teilen.

Für heute wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag und einen guten Start in die Woche, egal ob virtuell oder analog! Vielleicht werdet ihr ja auch an der ein oder anderen Stelle darüber nachdenken, ob es etwas Neues braucht!

Eure Constance

Körperkontakt - ein verdammt heißes Eisen

… und ein Grundbedürfnis, auch im Büro?!

Kommandostrukturen und Servant Leadership - die agile Transformation der US Army

Wo kommt VUCA eigentlich her?

Um zu verstehen, wie bestimmte Konzepte funktionieren ist es häufig hilfreich, sich einmal anzuschauen, wo sie ihren Ursprung haben. VUCA, dieses Akronym, das eine volatile, unsichere, komplexe und mehrdeutige Umwelt beschreibt und zum Synonym für unser Businessumfeld geworden ist, hat seinen Ursprung mit Nichten im Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Vielmehr entspringt es direkt der modernen Kriegsführung. Wer hätte gedacht, dass die US Army die erste Organisation war, die tatsächlich agil transformiert hat?!

Aber lasst uns mal von vorne anfangen: Bis zum Ende des Kalten Krieges bewegte sich die US Army in einem glasklaren und sehr eindeutigen Umfeld. Die Welt war unmissverständlich in Freund und Feind, Gut und Böse eingeteilt. Diese Einteilung war absolut stabil. Die Auseinandersetzung mit dem Feind war auf fast groteske Art und Weise ritualisiert: gemeinsames Wettrüsten, Drohgebärden, immer wiederkehrende Stellvertreterkonflikte oder -Kriege, Lehrbuchdiplomatie und so weiter und so fort. Mit dem Ende des Kalten Krieges begannen die Grenzen zu verschwimmen, die Rolle der USA veränderte sich und auch deren kriegerischen Auseinandersetzungen waren plötzlich von neuer Natur. Sie waren im Vergleich zu früher irgendwie VUCA! In den 90er Jahren wurden Kriege immer mehr zu einem multilateralen und asymmetrischen Szenario, dem es zu begegnen galt. Diese moderne Kriegsführung hat nichts mehr mit den Schlachten der Vergangenheit zu tun. Bis dato kannte man Staatenkriege und die klare Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden. Es gab eine Front und das Hinterland, in welches sich zurückgezogen werden konnte. Es gab Soldaten und Zivilisten. Schwarz und Weiß! Der Krieg, so wie der Gegner waren symmetrisch. Das betraf nicht nur die Art der Kriegsführung, sondern auch die Ausbildung der Soldaten und deren Bewaffnung. Das führte jedoch auch dazu, dass Armeen auf beiden Seiten durch ihre Gleichförmigkeit, die sich auch in den Kommandostrukturen widerspiegelte, zwar durchaus martialisch, aber auch ausgesprochen träge oder behäbig wurden. Da jedoch beide Seiten identisch aufgestellt waren, hatte diese Trägheit keinen Einfluss auf den Erfolg.

Zwanzig Jahre Krieg gegen den Terror

Wie gesagt änderte sich das in den 90er Jahren rasch und spätestens seitdem vor fast genau zwanzig Jahren der Krieg gegen das Böse selbst, gegen den Terror ausgerufen wurde, ist ohnehin nichts mehr, wie es einmal war. Eigentlich ging diese neue Form der asymmetrischen Kriegsführung bereits in Vietnam los, denn schon damals sah sich die straff durchorganisierte, technisch hochgerüstete US Army vor allem durch kleine, autonom agierende Vietkong-Zellen herausgefordert. Wie das ausging, ist bekannt. Es folgten das Kosovo, Afghanistan und der Irak und die US Army musste sich selbst neu erfinden, um in Anbetracht der neuen Herausforderung erfolgreich agieren zu können. Der neue Gegner war viel abstrakter, ungreifbarer und spätestens mit Bin Laden wurde endgültig klar, dass Kriegsführung asymmetrisch geworden ist. Das heißt, der neue, technisch häufig unterlegene, Gegner greift nicht mehr in direkter Konfrontation an, sondern unerwartet, mit Nadelstichen, gleich dem Guerillakrieg, den Che Guevara propagierte. Nachschublinien wurden abgeschnitten, oder Kämpfer als Zivilisten verkleidet. Die Perversion findet ihre Klimax, indem selbst Kinder als Selbstmordattentäter herhalten sollen, oder Esel mit Sprengladungen beladen in Richtung Soldaten geschickt werden. Hier ist nichts mehr klar und eindeutig. Jederzeit kann überall die Hölle losbrechen. Jeder einzelne Soldat, jede noch so kleine Einheit muss ad hoc handlungsfähig sein. Warten auf den Befehl von oben bedeutet nicht mehr und nicht weniger als der mögliche Tod.

Neue Führungsstrukturen mussten her

In Anbetracht der neuen Situation wurde immer klarer, dass Verantwortung dezentralisiert werden musste. Auch Planung und Kontrolle der einzelnen Aktivitäten konnten nicht zentral geplant werden, hatte man zentral doch keine Vorstellung von der tatsächlichen Situation vor Ort. Geregelte Prozesse sorgten zwar für einheitliche Abläufe, allerdings waren es die Squadron, oder Squads (die kleinsten militärischen Einheiten vor Ort), die abschließend entscheiden konnte, ob es links oder rechts herum geht. Die Verantwortung der Armeeführung war es, genau das zu ermöglichen. So wurde Führung auf allen Ebenen neu definiert. Besonderen Stellenwert hatte fortan die Ausbildung der Führungskräfte, insbesondere der Squad Leader. Diese wurden und werden unter anderem darin geschult, analytische Entscheidungsfindungsprozesse auch in Hochstresssituationen zu leisten und so möglichst reflektiert auf Situationen zu reagieren, die in keinem Handbuch zu finden sind. Dabei wurde ihnen klar gemacht, dass ihr Team ihre wertvollste Ressource ist und ihnen wurde beigebracht, diese Ressource konsequent, auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen, zu nutzen. Die obersten Führungsebenen wiederum mussten das Teilen von Verantwortung lernen. Sie mussten hierarchisch orientiertes “Durchregieren” ab sofort unterlassen und stattdessen eine Atmosphäre kreieren, die diejenige Sicherheit schafft, die es für eigeninitiatives und eigenverantwortliches Handeln auf operativer Ebene unbedingt braucht, um erfolgreich zu sein! Tja, Amy C. Edmondsons Psychological Safety steckt eben überall drin!

Ganz schön viel Aufwand hat die US Army da betrieben. Aber in einem VUCA Umfeld hat man schlicht und ergreifend keine andere Chance, wenn man in irgendeiner Art erfolgreich sein möchte! Klingelt da was bei euch? Sind wir nicht alle ein bisschen VUCA?

Aber wer hat es denn nun wirklich erfunden?

Ich frage natürlich immer mal wieder, ob diese Ideen der New Work tatsächlich so neu ist. Und bei der Frage, wer hat’s erfunden, könnte man, wenn man wollte, recht weit zurück gehen. Bereits Anfang der 70er Jahre hat der Zukunftsforscher Alvin Toffler gewarnt, dass es aufgrund zunehmender Dynamik und Komplexität, dringen flexibler Unternehmen bedarf, um auch weiterhin erfolgreich zu sein. In den 80er Jahren war plötzlich von innovativen Unternehmen die Rede, in den 90er Jahren wurde daraus die Lernende Organisation. Heute muss es eben agil sein. Gefühlt wird alle zehn Jahre eine neue Begrifflichkeit durchs Dorf gejagt, die im Kern doch immer das gleiche beschreibt: Eigentlich geht es um die Effekte, die sich einstellen, wenn bestimmte Managementprinzipien eingeführt werden. Momentan geht es eben um Selbstorganisation.

Als ich angefangen habe, mich mit Agilität zu beschäftigen, hatte dieses Managementprinzip eine geradezu magische Anziehungskraft auf mich. Eine ganz Weile war mir überhaupt nicht klar, warum ich so fasziniert war. Inzwischen habe ich es verstanden. Ich bin Human Factors Trainer und habe mein Wurzeln in der Luftfahrt. Und auch wenn die US Army der Meinung ist, Agilität erfunden zu haben, halte ich dagegen: Mein Zuhause, die Luftfahrt, hat als Reaktion auf ein schweres Flugzeugunglück in Teneriffa 1977 (!) angefangen, den Menschen, bzw. operative Teams aus Menschen (Crews) bewusst auf ein dynamisches und komplexes Umfeld vorzubereiten. Bereits 1977 wurde klar, dass der Mensch der Schlüssel zum Erfolg in unklaren Fahrwassern ist. Seitdem werden Crews im Rahmen des Human Factors- oder Crew Ressource Management Trainings bewusst in allen möglichen Softskills geschult. Im Kern geht es darum, seine Kollegen als Ressource zu sehen und sich als Team selbst organisieren zu können, wenn etwas Unerwartetes passiert. Auch Führung ist selbstverständlich dezentralisiert und Hierarchie soll nicht einschüchtern, sondern dazu ermutigen, eigenverantwortlich zu handeln, sich einzubringen und mitzudenken. Wichtig ist hierbei, den Menschen zu verstehen, seine Natur und seine übliche Art zu handeln, oder eben manchmal nicht zu handeln und alle Maßnahmen, Schulungen und Procedures dem anzupassen! Verdammt, der Mensch ist nun mal oft ungeduldig, stur, unsicher, in seiner Wahrnehmung eingeschränkt… Das ist nicht unprofessionell, sondern menschlich! Dem muss man das System anpassen! Andersherum funktioniert es nicht.

Und jetzt müssen wir über Agilität und Hierarchie sprechen, dringend!

Kürzlich ist mir eine Statistik von Haufe in die Finger gefallen, die dargestellt hat, dass kleine oder mittlere Unternehmen zwar ein ähnliches Verständnis von New Work haben, wie Großkonzerne, sie setzen Maßnahmen jedoch anders um. So vagen sich kleine und mittlere Unternehmen wohl eher an Machtstrukturen heran, als Großkonzerne. Die Frage, die ich hier in den Raum stellen möchte ist, ob es für eine erfolgreiche und “neue” Art der Zusammenarbeit denn zwangsläufig nötig ist, Machtstrukturen zu verändern? Oder ob es nicht viel mehr darum gehen sollte, sich zu überlegen was Macht bedeutet und wie sie ausgeübt wird. Die Frage, wie Führung gelebt wird, ist meines Erachtens tausend Mal wichtiger, als krampfhaft Strukturen verändern oder auflösen zu wollen, weil es so in irgendeinem Handbuch steht. Hinzu kommt, dass es gerade in international aufgestellten Großkonzernen durchaus Hierarchiestrukturen gibt, die zum Teil sogar regulatorisch bedingt sind. Schaut man sich die glasklare Hierarchie in der US Army an, geht Agilität auch innerhalb sogenannter Chains of Command. Hierbei ist es wichtig, nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Teams entsprechend vorzubereiten und entsprechend zu schulen. Nichts anderes habe ich in der sehr hierarchisch aufgebauten Luftfahrt viele Jahre getan und im Falle der Luftfahrt gibt der Erfolg diesem Prinzip recht. Die Unfallstatistiken belegen, dass ein entsprechendes Human Factors Training maßgeblich zum Erfolg der Luftfahrt beitragen. Erfolg heißt hier, dass die allermeisten Flugzeuge absolut sicher von A nach B fliegen. Ja, Erfolg in der Luftfahrt ist etwas anderes, als in der Armee, der Finanz- oder IT-Branche! Aber glaubt mir, in einem dynamischen und komplexen Umfeld sind die Faktoren auf menschlicher Ebene, die maßgeblichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg haben, immer die gleichen, überall!

In diesem Sinne, seid erfolgreich!

Eure Constance

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Zwanzig Jahre Krieg gegen den Terror

Wie auch das Konzept von Gut und Böse plötzlich VUCA wurde

Kann konsequente Agilität das Ende von Innovation bedeuten?

Zum Einstieg geliehene Worte eines klugen Mannes:

“Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde.”

Das sprach Henry Ford vor mehr als einem Jahrhundert. Seitdem hat sich viel getan. Inzwischen erobern Elektroautos, hybride Autos und was weiß ich was die Welt! Überhaupt spielt Mobilität eine große Rolle, auch wenn die Bedeutung des Autos selbst in der Veränderung begriffen zu sein scheint.

Aber heute soll es keinesfalls um Autos oder Mobilität gehen! Fords Zitat bietet mir lediglich einen formidablen Einstieg in das Thema Innovation und Kundenzentrierung. Beides spielt im Business-Umfeld eine zunehmend große Rolle und besonders die Kundenzentrierung sollte mir als Agile Coach und Scrum Master ganz besonders am Herzen liegen! Und ja, es ist super wichtig, dass wir uns mit dem, was wir tun, an unseren Kunden orientieren, denn immerhin tun wir es ja für sie. Aber ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Mit dieser Frage habe ich mich in der letzten Woche immer wieder beschäftigt und möchte meine Gedanken an dieser Stelle gerne mit euch teilen.

Und alle sind ja so agil!

Die Bezeichnung agil ist inzwischen im geschäftlichen Umfeld gefühlt omnipräsent geworden! Unternehmen sind agil, Teams sind es, Menschen sind es, sogar Mindsets sind inzwischen agil geworden. Aber was bedeutet das überhaupt? Als vor gut zwanzig Jahren das sogenannte Agile Manifest Einzug in Wirtschaftsorganisationen hielt, handelte es sich dabei um eine neue, effiziente Art der Softwareentwicklung. Es ging darum, im Gegensatz zu den bis dato üblichen Wasserfallmodellen, Software besser und schneller ausliefern zu können, um den Kunden dementsprechend schneller zufrieden zu stellen. Software wird seitdem inkrementell, das heißt in vielen kleinen funktionalen Teilstücken, ausgeliefert. So ist der Kunde intensiv in den Entwicklungsprozess eingebunden, gibt die Richtung vor und ist sogar im laufenden Prozess in der Position diese Richtung zu ändern oder anzupassen. Eines der Kernziele agiler Softwareentwicklung ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierlich Lieferung von funktionsfähiger und wertvoller Software zufrieden zu stellen. -Kundenzentrierung eben!

Schauen wir uns also an, für wen Agilität in ihrer ursprünglichen Form entwickelt wurde, stellen wir schnell fest, dass es sich hierbei um “Zulieferer” handelt, deren Ergebnis im Vorfeld vom Kunden möglichst detailliert definiert und umrissen wurde. Genau dafür ist Agilität großartig! Scrum ist in diesem Zusammenhang ein unglaublich wertvolles Tool.

Allerdings war Agilität im Allgemeinen und Scrum im Speziellen derart erfolgreich, dass es inzwischen zu einer scheinbar inflationären Modeerscheinung geworden ist. Als Coach würde ich mir an der ein oder anderen Stelle tatsächlich wünschen, Agilität nicht auf Teufel komm raus umsetzen zu wollen, sondern sich bewusst zu hinterfragen, macht Agilität hier Sinn? Was sind die Vor- und Nachteile? Brauchen wir vielleicht etwas ganz anderes, um auch weiterhin am Markt erfolgreich bestehen zu können? Und bedeutet Agilität die Umsetzung agiler Modelle und Methoden?

Lässt man sich dieses Zitat von Henry Ford nochmals ganz genüsslich auf der Zunge zergehen, stellen wir fest, dass wir den Erfolg ganzer Unternehmen und Unternehmenssparten keinesfalls ausschließlich in die Hände von “Auftragsarbeitern” legen sollten. Ich denke weder ein Steven Jobs noch ein Elon Musk haben ihre großen Innovationen Hand in Hand mit deren Kunden entwickelt. Denn Kunden können häufig gar nicht einschätzen, was möglich ist. Kunden können Ideen zu stetigen Optimierungen einbringen, um das Produkt bestmöglich an deren Bedürfnisse anzupassen. Kunden können den Entwicklern helfen, zu verstehen, was sie wirklich brauchen und wofür. So sind Entwickler permanent in der Lage, ihr Produkt zu verbessern! “Inspect and adapt” nennt das der Agilist von Welt! Aber ist das wirklich innovativ? -Oder wie es der großartige Oren Hariri einmal beschrieben hat: “Elektrisches Licht entstand nicht durch die permanente Verbesserung der Kerze.” Recht hat er!

Denn Visionen passen nicht in Scrum Zyklen

Sind wir mal ehrlich, Kunden hätten sich weder Elektrizität, noch Autos, das iPhone oder den PC vorstellen können! Was es braucht, wenn wir von Innovationen sprechen, sind Menschen, die sich nicht fragen was der Kunde will, sondern womit man den Kunden überraschen kann. Es braucht Menschen, die sich Fragen welche Innovationen globale Probleme lösen, selbst Probleme, die der potenzielle Kunde Stand heute noch nicht sehen kann. Danach kann man gerne irgendwann im Rahmen des Entwicklungsprozesses anfangen mit agilen Methoden zu arbeiten (macht Apple ja auch).

Schauen wir uns an, was in dieser digitalisiert und globalisierten Welt los ist, in der alle Krisen und Katastrophen früher oder später auch Einfluss auf unser ganz individuelles Leben haben, bin ich fest davon überzeugt, dass es zukünftig nicht darum gehen wird, Bestehendes zu optimieren oder weiterzuentwickeln. Vielmehr wird es darum gehen, Dinge neu zu denken und diesen großen Geistern, die dazu in der Lage sind, den Raum und die Möglichkeiten zu geben, genau das zu tun. Agilitätsmodelle können natürlich auch hier eine Rolle spielen, aber sicher ist, dass sie nicht die Lösung sein werden. Aus meiner Sicht sind Unternehmen gut beraten, sich nicht blindlings auf alle möglichen Agilitätsmodelle zu stürzen, im festen Glauben, dass die dadurch zukunftsfähig werden. Es gehört mehr dazu. Der reinen Lehre von Agilität (selbst Teilen des klassischen agilen Mindsets) sind klare Grenzen gesetzt. In einer post-agilen Welt, so wie ich sie mir wünsche, werden diese Grenzen auch gesehen und verstanden und agile Methoden werden da genutzt, wo sie einen Mehrwert bringen. In meiner post-agilen Welt müssen Organisationen nicht mehr zu komplett agilen Organisationen transformiert werden. Ich stelle mir lernende Organisationen nach der Idee der Harvard Professorin Amy C. Edmondson vor, die sich stetig aus sich heraus entwickeln und selbst sehen, wann es wo und wie Sinn macht, auf agile Methodik zurückzugreifen.

Es sind lernende Organisationen, die durch eine gut funktionierende und ehrlich Feedbackkultur ihren Mitarbeiten das Sicherheitsgefühl geben, dass diese brauchen, um frei und “out of the box” zu denken, um kreativ und verrückt zu sein, innovativ und offen für alle Veränderungen die tagtäglich auf einen einprasseln. Aus Sicherheit entsteht Mut und aus Mut entsteht Innovation!

Es gibt sie, diese Organisationen...

Natürlich bin ich gefühlt permanent auf der Suche nach Organisationen, die Agilität frei umsetzen; genauso eben, wie sie es benötigen, um in ihrem Bereich zu High Performern zu werden. Diese Suche treibt mich zuweilen in komplett ungewöhnlich Ecken. Gegenwärtig lese ich über die agile Transformation der US Army! Ja, ihr lest richtig! Und wer jetzt glaubt, dass Servant Leadership und die steilen Hierarchien von Streitkräften nicht zusammenpassen, der darf nächste Woche gerne reinlesen. Ich denke bis dahin weiß ich genug, um darüber zu berichten! Sicher spannend für all jene, die in hierarchischen, ggf. sogar international aufgestellten, traditionellen Großkonzernen das Wagnis Agilität durchdenken oder sogar durchleben!

Habt einen schönen Sonntag! Ich beschließe mit den weisen Worten Immanuel Kants, der da postulierte: “Sapere Aude!” -Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Seid innovativ und mutig genug, über den Tellerrand hinaus zu denken und lasst euch nicht in Formen stecken, die euch nicht passen!

Eure Constance

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Schnellere Pferde…

Perfekt als Hobby, aber kein Ersatz für wirkliche Innovation