Faktor Mensch

Was die Business-Welt von der Luftfahrt lernen kann

Ich habe 21 Jahre meines Berufslebens in der Luftfahrt verbracht – zunächst als Stewardess und später als Human Factors- bzw. Crew Resource Management (CRM)-Trainerin. Ich erinnere mich noch sehr genau an meine eigene Grundausbildung im Bereich CRM. Ich war zwanzig Jahre alt, unsicher und unerfahren, als man mir zum ersten Mal sagte, dass ich nicht trotz meiner Jugend und Unerfahrenheit wertvoll sei, sondern WEGEN meiner Jugend und Unerfahrenheit. Ein Schlüsselmoment, der mein gesamtes Berufsleben prägen sollte.

Bereits Ende der 1970er Jahre erkannte die Luftfahrt, dass der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg in einem dynamischen und komplexen Umfeld die agierenden Menschen sind – jedes Individuum, aber insbesondere auch deren Zusammenwirken als Team. Warum? Weil unsere individuelle Wahrnehmung sehr beschränkt und subjektiv ist. Diese Beschränkung ist physiologisch bedingt: Unsere stark ausgeprägten Wahrnehmungsfilter filtern etwa 95 Prozent aller von unseren Sinnen aufgenommenen Reize aus. Was übrig bleibt, sind fünf Prozent dessen, was tatsächlich vorhanden ist: unsere individuelle Realität.

Was unser Gehirn ausfiltert, hängt von unseren Werten und Normen, von persönlichen Vorlieben und Abneigungen, von gemachten Erfahrungen und von den prägenden Umständen unserer Kindheit und Jugend ab. Diese Einflüsse sind so individuell, dass selbst eineiige Zwillinge unterschiedliche Wahrnehmungsfilter entwickeln können.

Die Kraft der kognitiven Diversität nutzen

Durch den Ansatz der Human Factors macht sich die Luftfahrt diese kognitive Diversität aller Crew-Mitglieder gezielt zunutze, um in einem High-Risk-Environment erfolgreich – das heißt sicher – operieren zu können. Jeder Akteur wird stets als wertvolle Ressource betrachtet. Natürlich ist Erfahrung ein großer Vorteil. Allerdings kann Erfahrung auch zu einer Art Betriebsblindheit führen, die in der Luftfahrt als „Complacency“ bezeichnet wird. Eine junge, unerfahrene Stewardess ist wachsamer und nimmt Abweichungen von der Norm eher wahr, weil ihr Gehirn noch nicht gelernt hat, dass „eh nichts passieren wird“.

Die junge Stewardess von damals wurde älter und stellte fest, dass die restliche Business-Welt oft eine ganz andere Herangehensweise hat. Wie nachlässig und unklug, dachte sie. Schritt für Schritt entstand die Idee, diesen über Jahrzehnte erprobten Ansatz der Luftfahrt auch in andere Branchen zu tragen – zunächst nebenbei als Keynote Speaker und Team-Trainerin, inzwischen in Vollzeit als systemische Coach und Beraterin.

Der Weg zur High-Performance-Organisation

Die zentrale Frage lautet: Wie werden Organisationen oder Teams zu High-Performance-Organisationen oder -Teams? Die theoretische Antwort darauf ist wissenschaftlich fundiert und umfassend evaluiert. Die Praxis zeigt uns die Luftfahrt mit ihrem Konzept des Human Factors Training.

Was braucht es also? Die Basis für High Performance ist eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens, die die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson als „Psychological Safety“ bezeichnet.

Aus einer Kultur des Vertrauens entstehen die zarten Pflänzchen einer ehrlichen Konflikt- und offenen Fehlerkultur. In diesem Kontext nehmen Menschen zunehmend bewusst ihre Selbstwirksamkeit wahr und beginnen, Verantwortung zu übernehmen. So stellen die einzelnen Mitglieder die Grundlage für ein High-Performance-Team dar.

Feedback und eine ausgeprägte Feedbackkultur werden in diesem Zusammenhang zum sprichwörtlichen „Huhn und Ei“ für das Entstehen psychologischer Sicherheit. Feedback gibt Sicherheit und fördert eine entsprechende Kultur. Allerdings wird Feedback häufig erst frei und offen gegeben, wenn bereits ein Gefühl der Sicherheit besteht. Genau an dieser Stelle setze ich in meiner Arbeit mit Führungskräften an – sowohl in individuellen Leadership-Coachings als auch in meinem Peer-Coaching-Programm für Führungskräfte, dem Leading out Loud Circle.

Psychologische Sicherheit als Erfolgsfaktor

Auch in meiner Keynote zum Thema „Psychologische Sicherheit“ stelle ich diesen Zusammenhang mit praxisnahen Fallbeispielen aus der Luftfahrt und der Business-Welt dar. Diese Keynote darf ich regelmäßig als Workshop für Studierende im Masterjahr der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Maastricht anbieten. Dort schließt sich für mich auf wunderbare Weise der Kreis: Das Leuchten in den Augen dieser jungen Menschen, wenn ich ihnen anhand von Fallbeispielen erkläre, warum sie nicht trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit wertvoll sind, sondern WEGEN ihrer Jugend und Unerfahrenheit, ist jedes Mal aufs Neue der Zauber, der meinem Wirken Sinn verleiht.

Sollten Sie mehr Informationen rund um die Schnittmengen von Luftfahrt und Business-Welt wünschen, lade ich Sie ein, in meinem Human Factors Blog „Food for Thought“ vorbeizuschauen. Hier stelle ich regelmäßig Fallbeispiele und Lernangebote aus der Luftfahrt vor.

Sollten Sie Interesse an einer Keynote zum Thema „Psychologische Sicherheit“ oder an einem Leadership-Coaching mit besonderem Fokus darauf haben, wie Führung psychologische Sicherheit nachhaltig stärkt und somit zur Entwicklung von Hochleistung beiträgt, kontaktieren Sie mich gerne für ein erstes unverbindliches Gespräch zur Evaluierung Ihres Anliegens.