Integration und Präzision: Zwei Seiten einer Medaille
In meinem letzten Artikel habe ich euch das sogenannte Milton-Modell oder die integrativen Kommunikationsmuster vorgestellt. Diese helfen dabei, Menschen in Bewegung zu bringen, indem man sie dort abholt, wo sie sich gerade befinden. Beim Milton-Modell geht es darum, Sprache möglichst weich zu zeichnen, damit das Gesagte für möglichst viele Menschen anschlussfähig ist.
Als Coach nutze ich das Milton-Modell, um Vertrauen aufzubauen und um meine Coachees zu „pacen“, das heißt, um eine positive, vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Diese Beziehung ist die Basis, um schließlich gemeinsam arbeiten zu können. Ähnlich können auch Führungskräfte das Milton-Modell nutzen: um Vertrauen und Anschlussfähigkeit aufzubauen.
In meiner Rolle als Coach muss ich, um eine Entwicklung voranzutreiben – ähnlich wie eine Führungskraft – jedoch irgendwann proaktiver gestalten. Im Coaching nennt sich das tatsächlich „Leading“, also die Führung übernehmen, nicht inhaltlich, aber den Prozess betreffend. Ein Coach, der sich ausschließlich auf Pacing fokussiert, ist wenig wirksam – ähnlich wie eine Führungskraft, die ausschließlich weichzeichnet, um das Vertrauen zu fördern. Eine der Methoden, die ich als Coach gerne nutze, um in Führung zu gehen, eignet sich auch ganz wunderbar für Führungskräfte und all jene, die es einmal werden wollen, um das zu schaffen, was jeder Mensch sucht: Klarheit.
Das Meta-Modell der Sprache
Das Meta-Modell wurde als eines der Kernmodelle im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) bereits in den 1970er-Jahren von den Herren Bandler und Grinder entwickelt. Es ist eine Art Werkzeug, das hilft, unklare oder verzerrte Sprachmuster zu erkennen und zu präzisieren, um eine tiefere und genauere Kommunikation zu ermöglichen. Ziel des Meta-Modells ist es, ungenaue und vage Sprache zu hinterfragen und so unbewusste Denkmuster sichtbar zu machen und einschränkende Glaubenssätze zu erkennen.
Im Rahmen des Modells gibt es drei Hauptprozesse: Tilgung, Generalisierung und Verzerrung. Wir alle nutzen diese drei kleinen Teufelchen der Kommunikation permanent – manchmal bewusst, meistens jedoch unbewusst. An sich ist das auch völlig fein, würde es im menschlichen Miteinander dadurch nicht immer wieder zu Missverständnissen kommen, die nicht selten in Konflikte münden. Mithilfe präzisierender Fragen deckt das Meta-Modell diese Ungenauigkeiten in der Sprache auf. Wie genau das funktioniert, möchte ich euch mithilfe einiger Beispiele aufzeigen.
Lasst uns mit der Tilgung beginnen. Hier ein paar handelsübliche Tilgungen, wie wir sie alle nutzen, und die dazugehörigen Fragen, um diese Tilgungen aufzudecken:
„Ich bin verwirrt!“ – Worüber?
„Die Leute fühlen sich unter Druck gesetzt!“ – Wer genau ist mit „die Leute“ gemeint?
„Ich bin bei diesem Projekt gescheitert.“ – Worin genau bist du im Rahmen des Projekts gescheitert?
Natürlich habe ich auch einige Verzerrungen und Möglichkeiten, diese aufzudecken, dabei:
„Er macht mich wütend!“ – Wie / in welcher Weise macht er dich wütend?
„Ich habe kein Studium. Hier werde ich nie befördert!“ – Wieso bedeutet ein fehlendes Studium, dass du nicht befördert wirst?
„Die anderen fühlen sich nicht wertgeschätzt!“ – Woher weißt du das?
Und last but not least ein paar Verallgemeinerungen:
„Alle sagen, dass früher alles besser war!“ – Gibt es jemanden, der das nicht sagt?
„Dieses Projekt wird niemals fertig!“ – Woher weißt du das?
„Ich sollte alle Mails täglich beantworten!“ – Was passiert, wenn du das nicht tust?
Insbesondere für mich als Coach ist es interessant, dass wir diese Tilgungen, Verzerrungen und Verallgemeinerungen nicht nur in der Kommunikation mit anderen nutzen, sondern auch in unserem inneren Dialog – also in der Kommunikation mit uns selbst. Zum Teil mit gravierenden Auswirkungen. Nicht nur, dass wir uns manchmal selbst nicht richtig verstehen. Hinzu kommt, dass niemand so wundervoll Druck auf uns ausüben kann wie wir selbst.
„Ich müsste mich auf der Arbeit noch mehr in meinem Team engagieren!“
„Ich muss meinen Haushalt besser in den Griff bekommen!“
„Ich sollte unbedingt wieder mehr Sport machen!“
Hört euch gerne selbst einmal genauer zu und fragt euch dann – ganz im Stil des Meta-Modells –, wer das sagt und was passiert, wenn ihr das nicht tut. So könnt ihr auch ganz ohne Coach-Begleitung Denkmuster, Glaubenssätze und innere Blockaden selbst aufdecken. Vielleicht wird es euch an der ein oder anderen Stelle ziemlich verblüffen, wie sich eure Gefühlslage verändert, während ihr euch zu des Pudels Kern vorarbeitet.
Das Meta-Modell der Sprache in der Business-Welt
Neben der Anwendung im Coaching, in der Therapie und in der Beratung ist das Meta-Modell auch im beruflichen Kontext ein echtes Geschenk. Im Rahmen von Verhandlungen hilft es, präziser zu verstehen und punktgenau zu hinterfragen. Mit Blick auf Führung und Teamwork schafft das Meta-Modell Klarheit – in Bezug auf Ziele, Erwartungen und das gemeinsame Verständnis einer ggf. komplexen Situation. Insbesondere während Veränderungsprozessen unterstützt das Meta-Modell Führungskräfte dabei, ihre Teams in Bewegung zu halten – und vor allem in eine gemeinsame Richtung zu bringen. Und mit Blick auf potenzielle Konflikte ist das Meta-Modell ein Geschenk um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Allerdings ist die Voraussetzung dafür, das Meta-Modell erfolgreich zu nutzen, dass es euch im Vorfeld gelungen ist, eine positiv belegte, vertrauensvolle Beziehung zu etablieren. Probiert die präzisierenden Meta-Fragen gerne mal bei Menschen aus, mit denen ihr keine positive und vertrauensvolle Beziehung pflegt – hier werden diese Fragen wie pures TNT auf euer Miteinander wirken. Also immer beide Seiten der Medaille nutzen und wohl orchestriert den Wechsel zwischen Pacing und Leading zelebrieren!
Vor eineinhalb Jahren hatte ich das große Glück und die große Ehre, einige Tage lang vom großen Richard Bandler selbst zu lernen. Er war damals schon deutlich über 70 Jahre alt und hat sich für ein Seminar auf den weiten Weg von Florida nach Mainz gemacht. Es war faszinierend zu sehen, wie er immer wieder zwischen Pacing und Leading wechselte und welche Effekte das in den unterschiedlichen Demonstrationen auf seine jeweiligen Coachees hatte. Die Macht der Sprache und die Kraft der Kommunikation faszinieren mich von jeher. Richard Bandler dabei zu erleben, wie er mit Sprache spielt und sie unglaublich zielgerichtet einsetzt, um Menschen auf deren Weg zu bringen, hat mich tief beeindruckt.
Vielleicht habt ihr ja auch Lust bekommen, bewusst ein wenig mit der Sprache zu spielen – zu präzisieren, weichzuzeichnen, um zu integrieren, und danach wieder in die Präzision zu gehen. Ihr werdet erstaunt sein, welche Türen bewusst genutzte Sprache zu öffnen in der Lage ist.
Habt einen schönen, entspannten Sonntag! Ich hoffe für euch, die Sonne strahlt heute ähnlich hell wie für mich. Ich finde, es riecht langsam nach Frühling…
Eure Constance
Bandler & ich
… und die Macht von Pacing & Leading