Gesellschaft

Wie merke ich dass ich ausbrenne? - Zwölf Phasen auf dem Weg ins Burnout

Die Sorgen scheinen breit gestreut…

„Wie merke ich denn nun, dass ich ein Burnout bekomme, also wie genau?“ Diese und ähnliche Fragen haben mich nach meinem letzten Blog-Artikel in erstaunlicher Menge erreicht. Es scheint eine berechtigte Frage zu sein, die viele umtreibt. Ja, auch mich! Wer mich kennt, weiß, dass ich mit absoluter Sicherheit das bin, was man als Workaholic bezeichnet. Ich frage mich regelmäßig, ob das alles für mich noch passt und okay ist. Bislang kam ich für mich selbst immer wieder zu der Erkenntnis, dass dem so ist und ich mir keine Burnout-Gefährdung zuschreibe. Ja, ich habe viel zu tun, tue dies mit einem recht hohen Perfektionsstreben, aber ich kann nach getaner Arbeit gut abschalten und nehme vor allem meine Selbstwirksamkeit und somit auch die Sinnhaftigkeit meines Tuns immer wieder wahr. Das verleiht mir Flügel und manchmal auch unglaubliche Superkräfte. Aber bin ich mir deshalb wirklich sicher, dass Burnout für mich kein Thema ist? Wahrscheinlich nicht.

Burnout – ein schleichender Prozess

Ein Burnout ist ein langsamer, schleichender Prozess, der häufig zunächst mit hohem Engagement und Enthusiasmus beginnt. Bin ich engagiert und enthusiastisch, wenn ich auf meinen Beruf, den ich gerne auch als Berufung bezeichne, blicke? Oh ja! Und wie! Genau hier beginnt der Ritt auf der Rasierklinge. Getrieben von Enthusiasmus und Engagement verzichtet man vielleicht auf einen pünktlichen Feierabend, auf Erholungsphasen, Hobbys, Dinge, die guttun.

Betrachtet man dies rein physiologisch, ist es nicht der Hochstress, der uns krank macht. Unser Körper ist sogar auf regelmäßige hohe Belastungen ausgelegt, jedoch nur im Wechsel mit Entspannung und Ruhephasen. Verzichte ich aus Freude und Übereifer (oder aus dem Gefühl, dringend gebraucht zu werden, unabdingbar zu sein, die Welt retten zu müssen oder aus Angst, den Job zu verlieren) auf diese Erholungsphasen, kann die Stimmung schnell umschlagen: Im Zuge allgemeiner körperlicher und geistiger Erschöpfung wird aus Engagement und Enthusiasmus Zynismus und Gleichgültigkeit und daraus vielleicht depressive Episoden oder eine Überlastungsdepression. Dieser Prozess kann sich über Jahre hinziehen und ist deshalb oft schwer greifbar.

Zwölf Phasen – Struktur im Gefühlschaos

Herbert Freudenberger und später auch Matthias Burisch beschreiben diesen oft langen Prozess ins Burnout mit einem Zwölf-Phasen-Modell, das ich recht hilfreich finde, um den Gesamtablauf zu betrachten. Auch nach dem Feedback auf meinen letzten Artikel teile ich es gern mit euch. Die Phasen laufen oft langsam und schleichend ab, und nicht alle treten bei jedem gleichermaßen auf. Dennoch bieten die zwölf Phasen wertvolle Orientierungspunkte:

  1. Zwang, sich beweisen zu müssen: Menschen starten oft hochmotiviert mit dem starken Bedürfnis, sich zu beweisen und Erwartungen zu erfüllen – häufig die eigenen hohen Erwartungen.

  2. Verstärkter Einsatz: Um diese Erwartungen zu erfüllen, steigern diese Menschen ihren Arbeitseinsatz, machen Überstunden und opfern Freizeit.

  3. Vernachlässigung eigener Bedürfnisse: Persönliche Bedürfnisse wie Pausen oder Hobbys werden vernachlässigt. Die Arbeit steht im Fokus.

  4. Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen: Anzeichen von Überforderung und Konflikte werden ignoriert. Man redet sich ein, die Situation im Griff zu haben.

  5. Umdeutung von Werten: Interessen und soziale Kontakte werden weniger wichtig. Arbeit wird zur obersten Priorität, andere Werte wie Geselligkeit und Genuss treten in den Hintergrund.

  6. Verleugnung der auftretenden Probleme: Probleme, besonders körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit oder emotionale Erschöpfung, werden geleugnet und als unwichtig abgetan.

  7. Rückzug: Betroffene ziehen sich zunehmend sozial zurück, fühlen sich von anderen unverstanden und isoliert.

  8. Verhaltensveränderungen: Zynismus und Gereiztheit nehmen zu, und Dinge, die früher Freude bereitet haben, verlieren an Bedeutung.

  9. Depersonalisierung: Die Betroffenen entfremden sich zunehmend von sich selbst und ihrer Umgebung, verlieren das Gefühl für ihre Bedürfnisse und Identität.

  10. Innere Leere: Eine anhaltende innere Leere und Gefühllosigkeit machen sich breit. Manche Menschen versuchen, diese innere Leere durch exzessives Verhalten zu füllen, etwa durch übermäßiges Essen, Alkoholkonsum oder übermäßiges Joggen.

  11. Depression: Anhaltende Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Apathie treten auf. Die Betroffenen fühlen sich wertlos und ohne jede Perspektive.

  12. Völlige Erschöpfung: Dies ist das Endstadium des Burnouts, das als körperlicher und psychischer Zusammenbruch erlebt wird. Ein normaler Alltag ist hier nicht mehr möglich.

Wo stehe ich? Wo stehst du?

Diese Phasen lesen sich klar, doch steht hinter jeder eine komplexe Gefühlswelt, die es situativ zu beachten gilt. Eine zwölfte Phase, den Zusammenbruch, habe ich einmal von außen miterlebt und war völlig überrascht, überfordert und hilflos. Deshalb ist es mein Ziel, frühe Anzeichen zu erkennen und gegenzusteuern – nicht nur als Coach oder systemischer Berater, sondern auch für mich selbst. Ich kenne Momente, in denen ich sicher schon in der dritten Phase unterwegs bin und eigene Bedürfnisse zurückstelle. Nicht, weil ich glaube, das tun zu müssen, sondern weil ich es so entscheide, weil mir meine Arbeit so viel Spaß macht, so wichtig ist. Nicht nur äußerer Druck bereitet den Weg ins Burnout, auch hohes Engagement und Euphorie können in Überlastung führen.

New Work – ein Turbolader für Burnouts?

Dass hohes individuelles Engagement und der Wunsch, sich zu beweisen, den Einstieg in die Burnout-Spirale erleichtern, lässt mich besonders mit Blick auf „New Work“ aufmerksam werden. Agiles Arbeiten und das, was wir als “New Work” bezeichnen, basieren auf Eigenverantwortung und Selbststeuerung der Mitarbeitenden. Wie schön: Wir haben mehr Freiraum! Wie gefährlich: Da ist kein Chef mehr, der darauf achtet, was ich wann, wie und in welchem Umfang tue… Diese neue Realität in Organisationen öffnet die Tür zur Überlastung, besonders für hochmotivierte Top-Performer.

Jede Führungskraft sollte diese zwölf Phasen kennen und mit Argusaugen darauf achten, dass die Mitarbeitenden eine Balance zwischen Leistung und Entspannung finden. Das ist heute eine Kernaufgabe von Führungskräften. Wir können das Rad nicht zurückdrehen. Arbeitswelten verändern sich. Die Komplexität und Dynamik unserer Zeit erfordern ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbststeuerung. Die gute alte Zeit, in der der Chef wusste, wie es geht, die Lösung hatte und bis ins Detail steuern konnte (und so für ausgewogene Auslastung sorgte), ist vorbei. Führung muss sich weiterentwickeln und an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anpassen. Manchmal habe ich die Ehre, Führungskräfte zu begleiten, die dies erkannt haben und die Erkenntnis wirksam in die Tat umsetzen. Diese Aufklärungsarbeit ist aus meiner Sicht eine wichtige und wertvolle Form der Burnout-Prävention, bei der Business Coaches unterstützen können. Das alte Motto, die Zitrone auszupressen, so gut und so lange es geht, ist überholt. Heute geht es darum, die Zitrone zu pflegen und den Baum, an dem sie hängt, zu wässern und zu düngen. Unternehmen sind mehr denn je auf gesunde und leistungsfähige Mitarbeitende angewiesen.

Auf der Ebene der Mitarbeitenden ist es wiederum wichtig, sie dabei zu unterstützen, nicht nur Eigenverantwortung für ihr Arbeitsumfeld und ihre Aufgaben zu übernehmen, sondern auch für sich selbst, für ihre Belastungskurve und ihre emotionale Gesundheit. Häufig sind die Themen Abgrenzungsfähigkeit und Selbstwert oder Selbstliebe dabei zentrale Punkte, an denen ich immer wieder mit meinen Kunden arbeite.

Ich wünsche euch auf jeden Fall einen entspannten Sonntag – ganz ohne Leistungsgedanken und mit ganz viel Spaß, Geselligkeit und Genuss!

Eure Constance

Der lange Weg in den Nebel

Denn Burnouts treten nicht über Nacht auf

Volkskrankheit Burnout? - Tabuthema Depression

Für Ralf…

Kevin Kühnert tritt nicht nur als Generalsekretär der SPD zurück, sondern zieht sich offenbar für den Moment komplett aus der Politik zurück.

Die Spekulationen beginnen sofort. Ein junger Mann, noch keine 40 Jahre alt, ist auf absehbare Zeit offenbar nicht arbeitsfähig. Krebs? Oder eine andere schwere körperliche Erkrankung? Die tatsächliche Antwort bleibt offen. Allerdings werden die Hinweise deutlicher, dass es sich um eine emotionale oder psychische Erkrankung handeln könnte. Burnout heißt es im Volksmund. Ein Begriff, der immer präsenter wird. Dabei ist Burnout, rein psychotherapeutisch betrachtet, keine Diagnose. Diese Form der Erkrankung ist im aktuellen ICD-10-Katalog zur Klassifikation psychischer Störungen nicht aufgeführt. In der reinen Diagnostik muss man sich im Bereich der depressiven Episoden bedienen – Überlastungsdepression? Doch offen bleibt die Frage, was genau Burnout eigentlich ist.

Burnout – ein Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung

Ein Burnout wird als Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung durch anhaltenden Stress, insbesondere im beruflichen Umfeld, beschrieben. Menschen, die unter einem Burnout leiden, fühlen sich oft überfordert, ausgebrannt und nicht in der Lage, ihre täglichen Aufgaben zu bewältigen. Typische Symptome sind:

  • Anhaltende Müdigkeit

  • Rückzug von sozialen und beruflichen Verpflichtungen

  • Negative Einstellung gegenüber der Arbeit

  • Konzentrationsschwierigkeiten

  • Geringe Motivation und Kreativität

Ein Burnout entwickelt sich häufig über einen längeren Zeitraum, wenn Stress dauerhaft und ohne ausreichende Erholung oder Unterstützung anhält.

Was lässt uns ausbrennen?

Schauen wir uns genauer an, welche Faktoren die Entstehung eines Burnouts begünstigen. Diese lassen sich in vier Felder einteilen:

Im ersten Feld finden wir den wahrscheinlich offensichtlichsten Punkt, der ein Burnout begünstigt: chronische Überforderung im Beruf. Dazu gehören eine hohe Arbeitsbelastung, also zu viele Aufgaben, womöglich in Kombination mit hohem Zeitdruck und unrealistischen Zielen. Dies führt zum Gefühl ständiger Überforderung. Hinzu kommt das Gefühl mangelnder Kontrolle, also der fehlende Einfluss auf Entscheidungen und Arbeitsprozesse, oft gepaart mit mangelnder Anerkennung oder Wertschätzung sowie einem negativen Arbeitsklima oder einer ungünstigen Unternehmenskultur. Inzwischen spricht man offen über toxische Arbeitsumfelder, da diese unglücklicherweise keinen Seltenheitswert haben.

Das zweite Feld betrifft eine mangelhafte oder fehlende Work-Life-Balance, also zu wenig Freizeit und zu kurze Erholungsphasen. Insbesondere in Zeiten von Homeoffice oder hybridem Arbeiten verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend, was das Gefühl von Stress verstärken kann. Wenn das Wohnzimmer zum Arbeitsplatz wird, greift man schnell mal auch abends um neun zur Tastatur, um noch schnell eine E-Mail zu beantworten.

Im dritten Feld sehe ich persönliche Faktoren: familiäres Umfeld, Geldsorgen, persönliche Krisen, Einsamkeit… Dazu gehören aber auch Perfektionismus und das ständige Streben nach den eigenen, oft gnadenlosen Ansprüchen an sich selbst. Einige Menschen haben nie gelernt, eigene Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.

Das vierte Feld ist aus meiner Sicht als Coach besonders interessant: das Gefühl der Sinnlosigkeit oder der Mangel an Sinnhaftigkeit. Wenn wir das Gefühl haben, unsere Arbeit ist bedeutungslos oder trägt nichts Positives bei, kann das zur Entfremdung in Bezug auf die eigene Tätigkeit führen und Frustration auslösen. Man sollte sein Bedürfnis nach einem größeren „Wofür“ nicht unterschätzen. Unsere Seele, unser Unterbewusstsein, schätzt es gar nicht, wenn wir unsere kostbare Zeit sinnlos vergeuden – und das zu Recht!

Wie sich schützen?

Um ein Burnout zu vermeiden, geht es immer auch darum, die eigene Resilienz zu stärken. Es gibt sieben Bereiche, in denen man aktiv werden kann. Allerdings lesen sich diese Empfehlungen oft einfach und leuchten sofort ein. Doch bei der Umsetzung im Alltag wird es schwieriger. Hier kommt oft die Unterstützung durch Coaches wie mich ins Spiel.

Es ist wichtig, sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben Maßnahmen zu ergreifen, die das Stressempfinden reduzieren und die eigene Achtsamkeit steigern. Hier also sieben wirksame Strategien, an denen es sich zu arbeiten lohnt – ob allein oder mit Unterstützung eines Coaches:

  1. Gesunde Work-Life-Balance aufbauen: Es ist wichtig, klare Grenzen zu setzen. Arbeit und Freizeit sollten getrennt werden, und auch die eigene Erreichbarkeit sollte kritisch beleuchtet werden. Regelmäßige Pausen während der Arbeit und längere Erholungsphasen in Form von Urlaub sind essenziell. Auch Zeit für Hobbys und die Pflege sozialer Kontakte sind wichtig.

  2. Stressbewältigungstechniken erlernen: Stressmanagement geht mit gutem Zeitmanagement einher. Achtsamkeitsübungen und Meditation helfen, den Fokus im Hier und Jetzt zu halten und Stress zu reduzieren. Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Atemübungen oder Yoga können ebenfalls hilfreich sein.

  3. Persönliche Grenzen respektieren: Lernt, „Nein“ zu sagen, und akzeptiert, dass ihr nicht alles schaffen könnt. Legt Perfektionismus ab. Fehler sind in Ordnung, überzogene Erwartungen an sich selbst nicht!

  4. Gesunde Lebensweise pflegen: Körper und Geist bilden eine Einheit. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf sind die Grundlage für einen gesunden Geist.

  5. Sinn in der Arbeit finden: Identifiziert die Aspekte eurer Arbeit, die euch Freude bereiten oder Sinn geben. Falls das schwerfällt, ist ein Jobwechsel möglicherweise eine Option. Berufliche Weiterentwicklung schützt uns davor, in eine Routine der Sinnlosigkeit zu verfallen.

  6. Soziale Unterstützung suchen: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Offene Gespräche über individuelle Themen ermöglichen Reflexion und bieten Unterstützung. Neben Freunden und Familie können auch Coaches oder Therapeuten hilfreich sein.

  7. Frühwarnzeichen ernst nehmen: Je früher man gegensteuert, desto leichter lässt sich ein Burnout verhindern. Achte auf Anzeichen von Überlastung wie ständige Müdigkeit, Gereiztheit oder das Gefühl, nicht abschalten zu können.

Raus aus der Schmuddelecke?

Die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Burnout und Depressionen verändert sich langsam zum Besseren. Dennoch sind beide oft noch Tabuthemen, insbesondere in (Arbeits-)Umfeldern, in denen Leistung und Belastbarkeit hoch geschätzt werden. Burnout wird oft als Schwäche ausgelegt und ist mit Scham behaftet. Menschen zögern, über ihre Erschöpfung und psychische Belastung zu sprechen, aus Angst, als schwach wahrgenommen zu werden. Dieses Stigma führt dazu, dass Betroffene ihre Symptome ignorieren und erst spät nach Hilfe suchen.

Es wird Zeit, Burnout und Depression auf allen Ebenen unserer Gesellschaft als ernsthafte Erkrankungen anzuerkennen, die ebenso wie körperliche Leiden behandelt werden müssen. Ein offener Diskurs baut die Stigmatisierung dieser Erkrankungen ab und schärft das Bewusstsein für die Problematik.

Etwa ein Drittel von uns erkrankt im Laufe unseres Lebens an Depressionen. Jährlich erkranken etwa fünf Prozent der Deutschen an einer depressiven Episode. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher liegt, da viele Fälle nicht diagnostiziert und somit nicht behandelt werden.

In der Diagnostik unterschiedet man zwischen leichter, mittlerer und schwerer Depression. Etwa 50 bis 60 Prozent der Menschen, die an einer schweren Depression erkranken, haben suizidale Gedanken. 10 bis 15 Prozent sind akut Suizid gefährdet. Bei Depressionen handelt es sich um eine potenziell lebensgefährliche Erkrankung, insbesondere wenn diese nicht diagnostiziert und behandelt wird. - Und niemals um Schwäche!

Ein offener Umgang mit dem Thema kann Leben retten.

Lasst uns darüber sprechen und den Erkrankten die Wertschätzung und Unterstützung entgegenbringen, die sie verdienen. Die dunkle Jahreszeit steht bevor, und ja, ein Mangel an Sonnenlicht kann depressive Episoden begünstigen. Lasst uns aufeinander achten, ohne einander zu be- oder verurteilen.

Eure Constance

Tabuthema Burnout

Von der Scham der Traurigkeit und Erschöpfung...

Wer versucht sich alle Türen offen zu halten...

… der läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen!

Meine neue Website ist online und damit auch meine neues, schärferes Profil als Coach und Consultant. Die für mich größte Veränderung ist, dass ich nach exakt 25 Jahren Luftfahrt dieser unendlich spannenden Branche den Rücken kehre. Es war zugegeben ein Abschied auf Raten. Schon vor vier Jahren habe ich meine geliebte Condor verlassen und war heilfroh, dass ich weiterhin als Human Factors und Security Trainer nebenbei einen Fuß in der Tür der Luftfahrt hatte. So habe ich mir diese Tür vier Jahre lang erfolgreich offen gehalten. -Aus Wehmut, aus Angst, aus Spaß, aus Unsicherheit… Ich glaube die Gründe waren vielfältig.

Mit meinem Re-Branding habe ich mich entschieden das Kapitel Luftfahrt nun für mich zu schließen. Bin ich wehmütig? -Oh ja! Ist mir die Entscheidung leicht gefallen? -Oh nein! Aber eine kluge Frau und Mentorin hat mir vor einigen Jahren einen Satz mitgegeben, den ich nicht nur in meiner Rolle als systemischer Change Manager immer wieder zitiere: “Keine Veränderung ohne Preis!”. Der Preis, den ich nun zahle, um in meiner Rolle als Coach und Consultant den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, ist der endgültige Abschied aus der Welt der Flugzeuge, die ich jedoch sicher immer im Herzen tragen werde.

Über Risiken und Chancen

Wer versucht sich alle Türen offen zu halten, läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen. Dieser landläufige, flotte Spruch verdeutlicht den verzweifelten versuch, sich alle Optionen offen zu halten, ohne eine klare Entscheidung zu treffen. Letztlich verharrt man dadurch in einem Zustand der Unentschlossenheit oder Passivität, anstatt aktiv zu werden und seinen Weg zu gehen. Aber “Wege entsteh dadurch, dass man sie geht” (F. Kafka). Dieser Spruch ist inzwischen nicht nur zum Motto meines Coaching Instituts geworden, sondern auch zu meinem ganz persönlichen.

Klar, wer immer auf dem Flur bleibt, meidet Risiken. -Ein nicht unerhebliches Argument in unseren gefühlt unsicheren Zeiten. Allerdings verpasst man so auch Chancen und die Möglichkeit, tiefere Erfahrungen zu machen, oder etwas bedeutendes zu erreichen. Das Leben ist nun mal eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, die wiederum mutige Entscheidungen einfordern, auch wenn das bedeutet, manche Optionen aufzugeben. Ansonsten fliegen diese Möglichkeiten und somit unser Leben einfach so an uns vorbei.

Warum bleiben Menschen manchmal lieber auf dem Flur?

Es gibt sicher mehrere, vielleicht auch gute Gründe, warum Menschen lieber auf dem Flur bleiben, also in einem Zustand der Unentschlossenheit verweilen. Vielleicht kennt ihr diese Flurmomente ja auch aus dem eigenen Erleben. Woran lag es, oder liegt es, dass ihr euch auf dem Flur aufgehalten habt, nicht durch die Tür gegangen seid um euren Weg entstehen zu lassen? Hier eine kleine Liste der häufigsten Gründe für Unentschlossenheit:

  1. Angst vor Fehlern und Konsequenzen: Viele Menschen fürchten, eine falsche Entscheidung zu treffen, die negative Konsequenzen für sie haben könnte. Diese Angst vorm Scheitern oder einem möglichen Verlust lässt sie zögern und kann zu Vermeidungsverhalten führen.

  2. Perfektionismus: Perfektionismus lässt uns oft nach der bestmöglichen Entscheidung suchen. Da es in unserer komplexen Welt selten die eine perfekte Wahl gibt, bleiben Menschen manchmal in der Analysephase stecken, stets auf der Suche nach weiteren Informationen und besseren Optionen.

  3. Überforderung durch zu viele Möglichkeiten: In einer Welt voller Optionen kann die Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten überwältigend wirken. Dieser fast schon als “Tyrannei der Wahl” empfundene Zustand kann dazu führen, dass Menschen sich lieber gar nicht entscheiden, um nicht mit ihrer Wahl einer Option eine andere Möglichkeit auszuschließen.

  4. Mangelndes Vertrauen in die eigene Urteilskraft: Wenn Menschen sich hinsichtlich ihrer Entscheidung unsicher sind, zweifeln sie oft auch an sich selbst. Sie wollen sich alle Optionen offen halten um nicht mit den Konsequenzen ihrer Unsicherheit konfrontiert zu werden.

  5. Verlustangst: Eine Entscheidung bedeutet auch immer sich auf etwas festzulegen und damit andere Möglichkeiten aufzugeben. Es gibt Menschen, die von einer tiefen Angst etwas zu verpassen oder zu verlieren getrieben sind und deshalb lieber in einem Zustand der Offenheit bleiben. Neuhochdeutsch bezeichnet man dieses Phänomen heute als FOMO - Fear of Missing Out.

  6. Sozialer Druck und Erwartungen: Der Wunsch die Erwartungen anderer zu erfüllen, oder wenigstens nicht negativ aufzufallen, kann ebenfalls dazu führen, dass Menschen Entscheidungen meiden oder hinauszögern. Sie wollen es allen recht machen und meiden deshalb klare Positionen,

  7. Unbewusster Gewinn: Manchmal hat das Vermeiden von Entscheidung den Vorteil, dass man keine Verantwortung übernehmen muss, man bleibt in einer bequemen Positionen und meidet das Risiko sich zu exponieren oder gar zu versagen.

Diese Faktoren können alleine oder in Kombination dazu führen, dass Menschen sich schwer tun, eine Tür zu durchschreiten und lieber auf dem Flur bleiben. Um diesen Zustand zu überwinden braucht es Selbstreflexion, Mut und die Akzeptanz, dass nicht jede Entscheidung perfekt sein muss. In meinen Trainings in der Luftfahrt habe ich den Teilnehmenden immer versucht mitzugeben, dass die einzige absolut falsche Entscheidung die ist, die nicht getroffen wird. Denn dafür fliegen Flugzeuge einfach zu schnell! Und wenn mir mal ehrlich sind fliegt auch unser Leben zu schnell an uns vorbei, als dass wir es uns wirklich leisten könnten in abwartender Passivität zu verharren.

Keine Veränderung ohne Preis!

Ich habe meine Entscheidung nun also getroffen und selbstverständlich gab es auch Faktoren, die es mir leichter gemacht haben, das Thema Training und vor allem die Luftfahrt hinter mir zu lassen, meinen Preis zu zahlen.

Ob ich das Fliegen vermisse, hat mich auf meinem Rückflug aus dem Urlaub vor einer Woche eine ehemalige Condor-Kollegin gefragt. Nein, gar nicht! Ich habe etwas gefunden, das mich mich heute so erfüllt, wie es vor einigen Jahren die Luftfahrt getan hat. In meinem Leben ging und geht es in erster Linie um Menschen. Flugzeuge waren hierbei nicht mehr und nicht weniger als ein unglaublich cooles Hilfsmittel. Es sind die Menschen um mich herum, die mich in all ihren Facetten faszinieren. Ich bin neugierig auf die Menschen um mich, möchte über sie lernen und ich möchte verstehen. Das ist es, was mich wirklich antreibt. Und das ist es, was es mir möglich macht, Türen hinter mir zu schließen. Ich kenne mein Ziel, ich weiß wo ich hin möchte, habe meinen Purpose gefunden. Das macht es einfacher, Dinge zurück zu lassen und sie gleichzeitig weiterhin im Herzen zu tragen. -Deshalb volle Kraft voraus in die Richtung, die ich vor 25 Jahren als junge Stewardess in meinem ersten Human Factors Training eingeschlagen habe.

Ich wünsche euch einen schönen, herbstlichen Sonntag.

Eure Constance

Schön, so ein Flur

Aber es wäre doch auch sicher spannend, in das ein oder andere Zimmer hineinzutretet, zu schauen, was es dort gibt!