Gesellschaft

Warum ich heute keinen Blog schreibe: Über die Leere nach der Lehre

Diese sonderbare Leere, wo doch nur Freude sein sollte

Es ist Samstag, 18:40 Uhr, ich hatte eine tolle Woche, mit zwei für mich ausgesprochen wertvollen Meilensteinen und sollte zutiefst glücklich und zufrieden sein. -Beste Voraussetzungen, um einen wirklich guten Artikel zu schreiben. Doch da, wo eigentlich die pure Freude sein sollte, ist irgendwie nur Leere. Keine unangenehme Leere, ehrlich! Mehr so wie ein leeres, weißes Blatt und ein klein wenig Wehmut. Vielleicht kommt Euch dieses sonderbare Gefühl ja bekannt vor, wenn ich ein wenig darüber berichte.

Der Zauber des Besonderen

In letzter Zeit gab es zwei besondere Events, denen ich sehr entgegengefiebert und für die ich intensiv gearbeitet habe. Eines davon war ein großer zweitägiger Workshop mit einer tollen Gruppe von Menschen in einer super coolen Location über den Dächern Frankfurts. Am ersten Tag lag der Fokus auf Teamfindung, Definition der Identität als Team, der gemeinsamen Werte und dem Auftritt nach außen. Es handelte sich um ein Team von über dreißig Menschen, das während Corona stark gewachsen ist und sich am Donnerstag zum ersten Mal gemeinsam getroffen hat. Welch eine Ehre und welch eine Verantwortung für einen Coach, einen solchen Tag begleiten zu dürfen. Im Prinzip habe ich das Event seit Oktober letzten Jahres vorbereitet, da wir es auf Grund von Corona und Termin-Gedöns immer wieder verschieben mussten. Am zweiten Tag wurde die Gruppe noch größer, weil an diesem Tag auch die wichtigsten internen Stakeholder eingeladen waren, da der Fokus auf einer “silofreien” One-Team-Culture liegen sollte. Und was soll ich sagen, die Kollegen haben toll gemeinsam gearbeitet, mit Spaß, Respekt, Ehrlichkeit und Leichtigkeit. Hier und da durfte ich das wilde Treiben einfach nur aus der Distanz beobachten und war super happy und sehr stolz auf die Kollegen. So war auch ich dann weitestgehend mit meiner Leistung zufrieden. Natürlich werde ich nächste Woche nochmal in eine Manöverkritik mit mir selbst gehen. Jedoch war das Feedback gut und am Ende habe ich als Dankeschön einen wunderschönen Blumenstrauß, abgestimmt auf die Nagellackfarben meiner Zehen bekommen! Wie achtsam und wertschätzend. Ich war etwas verlegen, habe ich doch einfach nur meinen Job gemacht. - Den Job, den ich über alles liebe!

Zum Abschluss habe ich mir schließlich ganz in Ruhe einen Drink mit Blick auf die Frankfurter Skyline gegönnt. Die Sonne ging langsam unter und hüllte die Stadt in ein Licht, das die Hochhäuser wie Märchenschlösser aussehen ließ, von drinnen hörte ich Musik und Stimmen. Ich war so zufrieden, aber auch wehmütig, weil es nun vorbei war. Was kommt als nächstes? Das weiße Blatt war plötzlich leer und wartet darauf, neu bemalt zu werden.

Frau Master und ihre Träume

Das zweite Event, auf das ich noch deutlich länger hingearbeitet habe, als auf diesen wundervollen Workshop, war der Abschluss meiner NLP-Master-Ausbildung. Tja, und was soll ich sagen? Heute habe ich meine Arbeit abgegeben und morgen werde ich mein Master-Zertifikat in Händen halten. Eigentlich wollte ich and dieser Stelle inhaltlich von meiner Masterarbeit berichten, allerdings habe ich während der Supervision heute gemerkt, dass sich das nicht passend anfühlt. Diese Masterarbeit, mein Leading out Loud Circle, ist während der letzten eineinhalb Jahre zu meinem liebsten Baby geworden und jetzt ist es offiziell auf der Welt. Ich werde es im Rahmen meines Masters nicht mehr revidieren, nicht mehr abändern und auch nicht mehr weiterentwickeln können. Es ist fertig und draußen in der Welt. Es wird sich beweisen müssen, aber ich bin sicher, es wird erfolgreich dabei sein, mein Baby. Und die Mama hat gemerkt, dass in dem Moment, in dem ich die Arbeit meiner Ausbilderin in die Hand gedrückt habe, etwas zu Ende ging. Was zurückgeblieben ist, war ein leeres, weißes Blatt, das wartet, neu bemalt zu werden und diese Portion Wehmut, die bei mir jedes Mal gemeinsam mit der Frage “und was jetzt?” aufkommt. Ich muss wohl in die Vermarktung gehen und als ersten Schritt dachte ich mir, ich schreibe einen Blog über mein Baby. Aber im Moment ist da nur Leere… Leere und die Gedanken, die zurück zum Anfang meiner Reise gehen, als ich meine Ausbilderin Anita zum ersten Mal angerufen habe: Ich brauche diesen NLP-Master, weil ich das mit den Glaubenssätzen lernen muss. Ich habe so viel mehr gelernt, als nur Glaubenssatzarbeit. Klar, dieser Moment, in dem ich tatsächlich damit anfangen konnte, am wahrscheinlich toxischsten meiner Glaubenssätze zu arbeiten ist und bleibt das Highlight dieser Reise. Nein, der Glaube, als Mensch nicht gut zu sein, ist noch nicht ganz weggezaubert, aber er rückt von Tag zu Tag in ein neues, weicheres Licht und ich traue mich immer größere Träume zu träumen. Wenn mich NLP eines lehrt, dann dass man alles, was man träumen kann, auch erreichen kann, in “Baby-Steps”, wie es der wundervolle Ben Furman erklärt. Dieses Wissen möchte ich nicht nur als Coach in der Arbeit mit meinen Coachees nutzen, sondern auch in der Arbeit mit mir selbst!

Alles ist möglich, wenn aus Träumen Visionen werden. Deshalb freue ich mich darauf, nach einer kurzen Kreativpause das Blatt neu zu bemalen (und ja, ich bemale es anstatt es zu beschreiben!). Ideen und Pläne habe ich schon. Allerdings muss ich zugeben, dass es auch an der Zeit ist, etwas neue Kraft zu sammeln! Ich glaube ich werde mir den ein oder anderen Moment auf dem heimischen Sofa gönnen und nichts tun! Aus diesem Grund habe ich mir selbst zum Master-Abschluss Hausschuhe von Karl Lagerfeld geschenkt! Dekadent aber cool! Diese Schuhe werden mich jetzt erstmal unter die die Dusche und dann auf die Couch führen, eh es morgen in die finale Supervision geht. Und dann ist es wirklich vorbei…

Habt einen wunderschönen Sonntag.

Eure Constance

Ab auf die Couch

Denn wenn die Leere nach der Lehre kommt, braucht es eine Pause!

Glücklich und zufrieden ganz ohne Purpose? -Die Frage nach dem Sinn des (Arbeits-) Lebens

Ave Purpose!

Der Purpose, das Hochgebet aller New Work-Jünger… Ein Job ohne Purpose, ohne höhere Sinnhaftigkeit, ist sowas von old-school und unsinnig, überflüssig. Der Purpose, dieser übergeordnete Sinn und Zweck allen Tuns und Handelns scheint so etwas wie der heilige Gral einer ganzen Generation zu werden. Selbst Personaler bestätigen, dass vor allem jüngere Bewerber auf Jobs mit Purpose stärker anspringen. Aber macht dieser Purpose tatsächlich so glücklich, so zufrieden, dass er diese zentrale Rolle derart uneingeschränkt verdient hat, die wir ihm in unserer schönen neuen Welt der New Work einräumen? Oder kann man auch ganz ohne Purpose glücklich sein? Gute Frage! Ich habe meinen ganz eigenen Purpose schon sehr lange für mich gefunden. Er ist mein leuchtender Fixstern, der selbst in den düstersten Nächten hell und unbeirrbar strahlt und mir den Weg zeigt. “Ich verändere die Welt!” Ich weiß, nicht gerade bescheiden, aber so ist es nun mal! Die Gewissheit die Welt zu verändern, sie besser zu machen, treibt mich Tag für Tag an, trägt mich wie eine Welle, schiebt mich voran wie ein Schneepflug, oder zieht mich mit wie ein Drache, der eine Windbö erwischt hat.

Muss sie wirklich sein, die Frage nach dem Sinn?

Wäre die Sinnfrage tatsächlich die zentralste bei unserer Berufswahl, dann müssten Jobs in der Pflege, Kinderbetreuung und bei der Müllabfuhr einen absoluten Run erleben. Die Realität sieht anders aus. Ganz oben auf der Wunschliste: Influencer. Wot the f****? Sinnfreier geht es fast nicht. So müssen wir aufpassen, dass wir uns mit dieser Überbetonung der absoluten Sinnhaftigkeit nicht anfangen selbst zu belügen. Wenn Internetplattformen für Katzenvideos und Selbstdarsteller mit „To give everyone a voice and show them the world!“ wirbt, könnte man meinen, das sei etwas dick aufgetragen. Der Purpose von Starbucks ist übrigens „To inspire and nurture the human spirit“! -Mit Hilfe von Pappbechern und Zuckersirup! Ist klar! Mich würde tatsächlich sehr interessieren, welche Rolle dieser Purpose bei den hart arbeitenden Leuten hinterm Kaffeetresen spielt. Ich glaube ich frage mal nach, wenn ich das nächste Mal Lust habe auf Kaffeegetränke mit endlos langen Namen habe.

Offensichtlich scheint es gegenwärtig immanent wichtig zu sein, die eigene Bedeutung herauszustellen. Ein möglichst großer moralischer Überbau scheint hierbei ausgesprochen hilfreich. Aber kann dieser Purpose tatsächlich für Motivation, Bindung, Leistung und Zufriedenheit sorgen? Ich habe da so meine Zweifel. -Zumal die Psychologie, die “Lehre von der Seele“, welche das menschliche Erleben und Verhalten empirisch erforscht, keinen Purpose kennt.

Was den Menschen antreibt

Was uns Menschen tatsächlich antreibt, motiviert, zufrieden sein lässt, glücklich macht, ist gemäß einer Studie der Herren Ryan und Deci aus dem Jahr 2000 etwas anderes. Diesen beiden Herren zufolge strampeln wir uns tagtäglich ab, um folgende drei psychologischen Basisbedürfnisse zu stillen:

Als erstes gilt es das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit zu stillen. Wir alle wollen Teil einer Gruppe sein und ein integratives soziales Umfeld hilft, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Neben diesem Wunsch nach Verbindung gilt es jedoch auch das Bedürfnis nach Autonomie zu stillen, denn es erfüllt uns mit Zufriedenheit, selbstbestimmt leben und arbeiten zu können, im Einklang mit unseren Werten und Zielen. Der kontrollierende Chef kann dabei ausgesprochen hinderlich sein. Da hilft auch kein Purpose! Außerdem treibt uns das Bedürfnis nach Kompetenzerleben an. Wir mögen es nicht, wenn wir etwas nicht hinbekommen. Wir wollen uns als kompetent und effektiv erleben. Gut strukturierte, klare Rahmenbedingungen und Prozesse unterstützen uns hierbei ausgesprochen gut.

Es gibt unzählige Theorien, die denen von Deci und Ryan ähnlich sind, keine jedoch bezieht den Purpose als Motivator ein. In einer noch relativ neuen Publikation von Veronika Brandstätter aus dem Jahr 2013 werden vier Grundmotive dargestellt, die uns antreiben: die Leistungsmotivation, die Anschlussmotivation (soziale Eingebundenheit), die Erwartungsmotivation (was wir uns auf Grund unserer Erfahrungen erhoffen) und die Machtmotivation.

Ein weiterer Faktor, der laut Claudia Harzer und Willibald Ruch eine wichtige Rolle für uns Menschen spielt, ist, ob wir unsere sogenannten Signaturstärken, die wir im Laufe unseres Lebens ausgebildet haben, in unser tägliches Tun einbringen können oder nicht. Von Purpose ist wieder keine Rede!

Der Sinn des Lebens?

Egal wie viele Theorien wir uns anschauen, sie machen klar, warum kein Mensch bei einer Organisation bleibt, weil er ihren Purpose liebt, seinen Job aber langweilig, doof, unangenehm findet. Sie erklären auch, warum es Menschen gibt, die gerne in Waffenfabriken arbeiten. Denn am Ende sehnen wir Menschen uns nach Selbstverwirklichung. Wir sehnen und danach, uns kreativ austoben zu dürfen und erfolgreich gute Arbeit abliefern zu dürfen. Nicht ausgeschlossen, dass die Mitarbeiter einer Waffenfabrik stolz darauf sind, dass ihre Panzer besonders verlässlich und treffsicher sind, sie also gemeinsam gute Arbeit abliefern.

Vielleicht müssen wir einsehen, dass es Menschen in Organisationen nicht um den Sinn des Lebens im philosophischen Sinne geht, sondern vielmehr darum, mit dem, was wir soundso viele Stunden pro Woche tun, unsere Bedürfnisse zu stillen.

Also Schluss mit all dem Purpose-Geschreie?

Klares nein! Ich verrate Euch, warum ich als Coach immer wieder Purpose-Sessions mit den Organisationseinheiten, die mit mir arbeiten, mache. - Und das gerne und aus Überzeugung: Ein gemeinsamer Purpose wirkt integrativ und fördert das Teamerleben, sorgt also für soziale Eingebundenheit. Außerdem gibt ein gut formulierter, klarer, gemeinsamer Purpose Richtung und Rahmen, den es braucht um in ein echtes Kompetenzerleben einzutauchen. Zusätzlich kann jeder und jeder, der/die neu ins Team kommt, an Hand des Purposes überprüfen, ob der Rahmen und die Richtung des Teams zum ihm oder ihr passt. Ein Purpose kann ein wunderbarer Fixstern sein, wenn er aus den Menschen herauskommt, die ihn leben möchten und wenn er im täglichen Tun eine Rolle spielt.

Was ein Purpose auf persönlicher Ebene bewirken kann, erfahre ich tagtäglich. Mein Gott, schenkt mein Purpose mir Energie! Unfassbar eigentlich. Für mich funktioniert es sehr gut! Und dennoch glaube ich, dass man auch ohne Purpose glücklich und erfolgreich sein kann. Ich war es viele Jahre und irgendwann war er eben da, mein Purpose, mit dem ich seitdem durchs Leben gehe.

Und diese Marketing-Purposes? Ich lächle drüber, denn am Ende tun sie keinem weh, es sei denn, das jeweilige Unternehmen glaubt, ein möglichst inhaltsschwangerer Purpose reiche aus, um Mitarbeiter zu motivieren und an sich zu binden.

Habt einen schönen, vielleicht sogar sinnhaften Sonntag.

Eure Constance

PS: Weil es dann doch so schön ist, hab ich hier noch einen für Euch: „To help the world run better and improve people‘s lives.“ -Ehrlich SAP, man könnte meinen, den habt Ihr bei Ärzte ohne Grenzen geklaut!? Der ist mindestens so großkotzig wie mein Purpose!

PPS: Der letzte Influencer, der die Welt mit einem moralischen Überbau und einen gesellschaftlich absolut korrekten und sozialen Purpose in radikalste Verzückung versetzt hat, wurde ja vor noch nicht allzu langer Zeit vom ZDF Magazin Royal komplett demontiert. In diesem Fall diente der Purpose wohl vor allem der absoluten Gewinnmaximierung. Man muss eben aufpassen, dass Purposes nicht zu inhaltsschweren Marketinginstrumenten verkommen.

Auf der Suche nach Sinn und Sinnhaftigkeit

Wie wichtig ist ein Purpose für mein berufliches Glück?

Diversität und Gemeinschaft - wieviel ich passt ins wir?

Diversity - denn ett mutt watt mutt…

Diversity! Das Thema! Es ist so wichtig und auch so politisch korrekt, divers zu sein, vielfältig, bunt, tolerant; hinsichtlich Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht, körperlicher Besonderheiten, etc… Als Unternehmen von Welt ist es schon rein aus PR Gesichtspunkten unabdingbar, das Thema Diversity möglichst prominent zu platzieren. Und natürlich muss mindestens eine Frau in den Vorstand…

Alles irgendwie etwas viel Politik für den Coach. Nicht falsch verstehen, ich liebe die Welt in bunt und finde, man sollte noch nicht einmal darüber nachdenken müssen, was uns Menschen unterscheidet. Man sollte alle und jeden, die gesamte Bandbreite, wohlwollend und dankbar annehmen. So gesehen sollte Diversity einfach kein Thema sein, getreu dem Motto: “appreciating the difference - vive la difference “!

Aber sei’s drum! Aus der Coach-Perspektive interessiere ich mich im Zusammenhang mit Diversität für zwei Aspekte:

  1. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation als Voraussetzung für High Performance.

  2. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aus Voraussetzung für Konflikte und der damit verbundenen Low Performance.

Diversität als Chance

In unserer dynamischen, sich stetig verändernden, unübersichtlichen, vernetzten und verrückten Welt ist es inzwischen in weiten Teilen der Wirtschaft zum gemeinsamen Verständnis geworden, dass ein Mensch allein nicht in der Lage ist, sich den Überblick zu verschaffen, den es für möglichst gute Entscheidungen unbedingt benötigt. So wurde und wird das Team zunehmend zum Star unserer Arbeitswelt. Warum einer für gewöhnlich immer weniger sieht, als zwei? Das hat erst einmal rein physiologische Gründe: Dankenswerterweise hat die Evolution uns mit einer Vielzahl an Wahrnehmungsfiltern ausgestattet, die dafür sorgen, dass wir nicht vor lauter Reizüberflutung wahnsinnig werden und uns verloren fühlen. De Facto werden sogar nur etwa fünf Prozent all dessen, was unsere Sinne einsammeln, von unserem Gehirn auf eine bewusste Wahrnehmungsebene verarbeitet. Oder anders herum: 95 Prozent all dessen, was ist, wird rausgefiltert. Ganz schön viel, oder? Da könnte man doch wirklich froh und dankbar sein, wenn man ein Team hat, in dem jede und jeder ein bisschen was anderes wahrnimmt, damit wir uns gemeinsam ein größeres Bild puzzeln können. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir alle unterschiedliche Wahrnehmungsfilter haben. Hier kommt Diversität ins Spiel, denn wenn wir uns sehr vereinfacht anschauen möchte, wie sich unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter entwickeln, dann kommen hier Einflussfaktoren, wie Erziehung, Werte, Erfahrungen, soziokultureller Hintergrund, Bevorzugungen, Dinge, die wir ablehnen, ethisch-moralische Einstellungen, etc. ins Spiel. Tja, und je unterschiedlicher wir sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter voneinander abweichen und wir uns so im Team eine breitere Wahrnehmung der Situation erarbeiten können, als wir es als Individuum könnten. -Ganz nebenbei ist das auch bei aller Technisierung ein guter Grund dafür, nach wie vor mindestens zwei Piloten in ein Cockpit zu setzen.

Diversität als Gefahr

So weit so gut. Nun hat man also ein kognitiv diverses Team, in dem ein jeder Dinge unterschiedlich wahrnimmt, einordnet und dann wohl auch sehr “divers” agiert, wenn es um das weitere Vorgehen geht. Ein riesiges Konfliktpotenzial innerhalb des Teams, aber auch mit möglichen Schnittstellen oder Stakeholdern. Im besten Fall irritiert es nur, wenn A links herum und B rechts herum möchte. Zusätzlich zur Irritation kann ein von außen betrachtet unkoordiniertes Vorgehen aber auch schnell zur allgemeinen Verunsicherung führen. -Ein absoluter Performance-Killer! Das sagt unter anderem auch die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson, die immer wieder ausführlich erklärt, dass eine subjektiv empfundene psychologische Sicherheit die Grundvoraussetzung für Höchstleistungen ist. Tja, dann eben nur Mittelmaß! Vielleicht reicht das ja sogar!

Richtig unschön wird es, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen diverser Protagonisten zu handfesten Konflikten führen. Dann reicht es noch nicht mal mehr für Mittelmaß.

Und nun? Diversität managen!

Die Frage, die sich nun stellt, ist wie man als Organisation mit diesem Dilemma umgehen kann. Wir brauchen unterschiedliche, vielseitige, diverse Mitarbeiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch gut funktionierende Teams, die sich vertrauen, offen miteinander umgehen und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen.

Bei all dieser Unterschiedlichkeit, die zwar für Farbe im Alltag sorgt, jedoch auch trennend wirken kann, braucht es etwas, das eint, etwas gemeinsames, eine gemeinsame Identität. Und nein, ein gemeinsamer Unternehmenskodex, der irgendwo an der Wand hängt, ist dabei nicht ausreichend. Es muss auf jeden Fall transparent gemacht werden, wie Teams diese häufig sehr abstrakten Leitfäden umsetzen möchten, konkret, auf Arbeitsebene. Darüber gilt es zu sprechen! Welche Werte einen uns? Wie setzen wir diese im täglichen Tun gemeinsam um?

Der Teamidentitätsprozess

In der letzten Woche durfte ich eine Gruppe von Führungskräften durch diesen wie ich finde sehr spannenden, aber auch fröhlichen Prozess begleiten. Der Teamidentitätsprozess stellt den Abschluss meines dreimonatigen Leading out Loud Circles dar, den die Gruppe gerade durchlaufen hat. In diesem Zirkel geht es über drei Monate hinweg zum einen darum, Kommunikation als Führungs-Tool in einem hybriden Setting kennenzulernen. Vor allem aber sollen die Teilnehmenden lernen, ihre Kolleginnen und Kollegen als Ressource wahrzunehmen. Der Fokus des Zirkels liegt auf der Unterschiedlichkeit und auf der Chance, die aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren, und die die Gruppe aus Führenden zu einem Team von Führungskräften werden zu lassen, bzw. um die Teambildung weiter zu tiefen. Nach drei Monaten mit Fokus auf Diversität soll es abschließend um eine gemeinsame Team- und auch Führungskultur gehen.

Der Teamidentitätsprozess beginnt damit, dass jeder Teilnehmende sich eine Metapher, ein Bild für das Team einfallen lässt. Diese unterschiedlichen Metaphern werden nun Schritt für Schritt konsolidiert, diskutiert, neu geformt, bis am Ende diese eine Metapher übrigbleibt, mit der sich jeder und jede aus dem Team identifiziert. Im nächsten Schritt wird diese Metapher mit Leben gefüllt: Wie sind wir? Was macht uns aus? Was sind unsere Teamwerte? Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie diese Werte gelebt werden, welche es noch klarer und deutlicher zu leben gilt. Hier hat das Team die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, was sie in Zukunft konkret tun möchten, um diese Werte nicht nur zu leben, sondern auch, in Falle von Führungsteams, transparent zu machen, welche Werte ihre jeweilige Führungskultur ausmachen. Das hat den zauberhaften Nebeneffekt, dass die Führungskräfte auch nach außen bei aller Diversität als geschlossenes Team auftreten. -Ein wahrer Booster für die psychologische Sicherheit, das Level an Vertrauen, innerhalb eines Teams.

Denn es geht nicht nur um Diversität!

Wenn ich einen Wunsch hätte, dann wäre dieser, dass nicht nur in Organisationen, sondern auch gesellschaftlich nicht nur die Bedeutung von Diversität, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaft immer wieder in den Fokus gerückt wird. Lasst uns nicht nur darauf schauen, was uns unterscheidet, sondern auch darauf, was uns eint. Gibt es momentan denn etwas Wichtigeres? Bei aller Diversität sind wir doch Kinder dieser Erde, Ethnie: Mensch, Kultur: Menschlichkeit! Unser aller Tränen sind salzig, die, die wir vor lauter Glück weinen ebenso wie die, die unsere Traurigkeit ausdrücken. Wir wollen lieben, geliebt werden und wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder… Sollte das nicht ausreichend sein für ein echtes Wir-Gefühl? - Für Nähe und Solidarität?

Genießt diesen warmen, sonnigen Sonntag. Genießt die Unterschiede und freut Euch über die Gemeinsamkeiten!

Eure Constance

Die Welt ist bunt…

Und doch ist sie eine Welt, unsere Welt, unsere gemeinsame Welt!