Veränderung

Wer versucht sich alle Türen offen zu halten...

… der läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen!

Meine neue Website ist online und damit auch meine neues, schärferes Profil als Coach und Consultant. Die für mich größte Veränderung ist, dass ich nach exakt 25 Jahren Luftfahrt dieser unendlich spannenden Branche den Rücken kehre. Es war zugegeben ein Abschied auf Raten. Schon vor vier Jahren habe ich meine geliebte Condor verlassen und war heilfroh, dass ich weiterhin als Human Factors und Security Trainer nebenbei einen Fuß in der Tür der Luftfahrt hatte. So habe ich mir diese Tür vier Jahre lang erfolgreich offen gehalten. -Aus Wehmut, aus Angst, aus Spaß, aus Unsicherheit… Ich glaube die Gründe waren vielfältig.

Mit meinem Re-Branding habe ich mich entschieden das Kapitel Luftfahrt nun für mich zu schließen. Bin ich wehmütig? -Oh ja! Ist mir die Entscheidung leicht gefallen? -Oh nein! Aber eine kluge Frau und Mentorin hat mir vor einigen Jahren einen Satz mitgegeben, den ich nicht nur in meiner Rolle als systemischer Change Manager immer wieder zitiere: “Keine Veränderung ohne Preis!”. Der Preis, den ich nun zahle, um in meiner Rolle als Coach und Consultant den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, ist der endgültige Abschied aus der Welt der Flugzeuge, die ich jedoch sicher immer im Herzen tragen werde.

Über Risiken und Chancen

Wer versucht sich alle Türen offen zu halten, läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen. Dieser landläufige, flotte Spruch verdeutlicht den verzweifelten versuch, sich alle Optionen offen zu halten, ohne eine klare Entscheidung zu treffen. Letztlich verharrt man dadurch in einem Zustand der Unentschlossenheit oder Passivität, anstatt aktiv zu werden und seinen Weg zu gehen. Aber “Wege entsteh dadurch, dass man sie geht” (F. Kafka). Dieser Spruch ist inzwischen nicht nur zum Motto meines Coaching Instituts geworden, sondern auch zu meinem ganz persönlichen.

Klar, wer immer auf dem Flur bleibt, meidet Risiken. -Ein nicht unerhebliches Argument in unseren gefühlt unsicheren Zeiten. Allerdings verpasst man so auch Chancen und die Möglichkeit, tiefere Erfahrungen zu machen, oder etwas bedeutendes zu erreichen. Das Leben ist nun mal eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, die wiederum mutige Entscheidungen einfordern, auch wenn das bedeutet, manche Optionen aufzugeben. Ansonsten fliegen diese Möglichkeiten und somit unser Leben einfach so an uns vorbei.

Warum bleiben Menschen manchmal lieber auf dem Flur?

Es gibt sicher mehrere, vielleicht auch gute Gründe, warum Menschen lieber auf dem Flur bleiben, also in einem Zustand der Unentschlossenheit verweilen. Vielleicht kennt ihr diese Flurmomente ja auch aus dem eigenen Erleben. Woran lag es, oder liegt es, dass ihr euch auf dem Flur aufgehalten habt, nicht durch die Tür gegangen seid um euren Weg entstehen zu lassen? Hier eine kleine Liste der häufigsten Gründe für Unentschlossenheit:

  1. Angst vor Fehlern und Konsequenzen: Viele Menschen fürchten, eine falsche Entscheidung zu treffen, die negative Konsequenzen für sie haben könnte. Diese Angst vorm Scheitern oder einem möglichen Verlust lässt sie zögern und kann zu Vermeidungsverhalten führen.

  2. Perfektionismus: Perfektionismus lässt uns oft nach der bestmöglichen Entscheidung suchen. Da es in unserer komplexen Welt selten die eine perfekte Wahl gibt, bleiben Menschen manchmal in der Analysephase stecken, stets auf der Suche nach weiteren Informationen und besseren Optionen.

  3. Überforderung durch zu viele Möglichkeiten: In einer Welt voller Optionen kann die Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten überwältigend wirken. Dieser fast schon als “Tyrannei der Wahl” empfundene Zustand kann dazu führen, dass Menschen sich lieber gar nicht entscheiden, um nicht mit ihrer Wahl einer Option eine andere Möglichkeit auszuschließen.

  4. Mangelndes Vertrauen in die eigene Urteilskraft: Wenn Menschen sich hinsichtlich ihrer Entscheidung unsicher sind, zweifeln sie oft auch an sich selbst. Sie wollen sich alle Optionen offen halten um nicht mit den Konsequenzen ihrer Unsicherheit konfrontiert zu werden.

  5. Verlustangst: Eine Entscheidung bedeutet auch immer sich auf etwas festzulegen und damit andere Möglichkeiten aufzugeben. Es gibt Menschen, die von einer tiefen Angst etwas zu verpassen oder zu verlieren getrieben sind und deshalb lieber in einem Zustand der Offenheit bleiben. Neuhochdeutsch bezeichnet man dieses Phänomen heute als FOMO - Fear of Missing Out.

  6. Sozialer Druck und Erwartungen: Der Wunsch die Erwartungen anderer zu erfüllen, oder wenigstens nicht negativ aufzufallen, kann ebenfalls dazu führen, dass Menschen Entscheidungen meiden oder hinauszögern. Sie wollen es allen recht machen und meiden deshalb klare Positionen,

  7. Unbewusster Gewinn: Manchmal hat das Vermeiden von Entscheidung den Vorteil, dass man keine Verantwortung übernehmen muss, man bleibt in einer bequemen Positionen und meidet das Risiko sich zu exponieren oder gar zu versagen.

Diese Faktoren können alleine oder in Kombination dazu führen, dass Menschen sich schwer tun, eine Tür zu durchschreiten und lieber auf dem Flur bleiben. Um diesen Zustand zu überwinden braucht es Selbstreflexion, Mut und die Akzeptanz, dass nicht jede Entscheidung perfekt sein muss. In meinen Trainings in der Luftfahrt habe ich den Teilnehmenden immer versucht mitzugeben, dass die einzige absolut falsche Entscheidung die ist, die nicht getroffen wird. Denn dafür fliegen Flugzeuge einfach zu schnell! Und wenn mir mal ehrlich sind fliegt auch unser Leben zu schnell an uns vorbei, als dass wir es uns wirklich leisten könnten in abwartender Passivität zu verharren.

Keine Veränderung ohne Preis!

Ich habe meine Entscheidung nun also getroffen und selbstverständlich gab es auch Faktoren, die es mir leichter gemacht haben, das Thema Training und vor allem die Luftfahrt hinter mir zu lassen, meinen Preis zu zahlen.

Ob ich das Fliegen vermisse, hat mich auf meinem Rückflug aus dem Urlaub vor einer Woche eine ehemalige Condor-Kollegin gefragt. Nein, gar nicht! Ich habe etwas gefunden, das mich mich heute so erfüllt, wie es vor einigen Jahren die Luftfahrt getan hat. In meinem Leben ging und geht es in erster Linie um Menschen. Flugzeuge waren hierbei nicht mehr und nicht weniger als ein unglaublich cooles Hilfsmittel. Es sind die Menschen um mich herum, die mich in all ihren Facetten faszinieren. Ich bin neugierig auf die Menschen um mich, möchte über sie lernen und ich möchte verstehen. Das ist es, was mich wirklich antreibt. Und das ist es, was es mir möglich macht, Türen hinter mir zu schließen. Ich kenne mein Ziel, ich weiß wo ich hin möchte, habe meinen Purpose gefunden. Das macht es einfacher, Dinge zurück zu lassen und sie gleichzeitig weiterhin im Herzen zu tragen. -Deshalb volle Kraft voraus in die Richtung, die ich vor 25 Jahren als junge Stewardess in meinem ersten Human Factors Training eingeschlagen habe.

Ich wünsche euch einen schönen, herbstlichen Sonntag.

Eure Constance

Schön, so ein Flur

Aber es wäre doch auch sicher spannend, in das ein oder andere Zimmer hineinzutretet, zu schauen, was es dort gibt!

Sinn und Sinnlosigkeit von Zielen und die Suche nach Bedeutung in einer volatilen Welt

Denn nichts ist so Gewiss wie die Ungewissheit

Wir leben in einer geradezu obszön zielorientierten Zeit. Alles braucht Ziele, persönliche Ziele, Unternehmensziele, Jahresziele, ESG-Ziele, CO2-Ziele,Kriegsziele, Friedensziele... Und natürlich müssen diese Ziele auch alle messbar, um nicht zu sagen SMART sein. Dabei frage ich mich wieder und wieder, wie nachhaltig und erreichbar diese festen Ziele in einer Zeit sind, die vor allem durch ihre Volatilität, ihre Dynamik und Unberechenbarkeit hervorsticht. Das frage ich mich nicht nur, weil ich kurz vor meinem eigenen Mid-Year-Review stehe und ich eines meiner sechs gesetzten Jahresziele in meinem Hauptberuf als Consultant wohl gnadenlos revidieren muss, da sich die Welt seitdem ich meine Ziele vor gut drei Monaten festgelegt habe, gehörig weitergedreht hat. Welchen Sinn haben langfristige Ziele in einer Zeit in der nichts so sicher ist, wie die stetige Veränderung?

Von den Polynesiern lernen

Mit Nichten behaupte ich, dass Ziele keinen höheren Zweck erfüllen. Allerdings kann dieser Zweck in einer dynamischen Umwelt eben nicht sein, die gesetzten Ziele auf Gedeih und Verderb zu erreichen. Vielmehr ist der Zweck von Zielen in einer so volatilen Umwelt aus meiner Sicht in erster Linie in Bewegung zu kommen. -Nicht mehr aber auch vor allem nicht weniger. Auf diese Art und Weise ist es den frühen polynesischen Seefahrern gelungen, sich quasi den gesamten Pazifik zu erschließen. Und der ist ganz schön groß.

In Zeiten, in denen Navigationssysteme bestenfalls die Sterne über uns waren, konnten diese mutigen Seefahrer nicht wissen, dass sie, wenn sie dort und dort lang segelten, irgendwann in Hawaii rauskämen. Trotzdem sind sie einfach losgesegelt. Dabei haben sie sich natürlich ein Ziel gegeben, eine Richtung. Während sie also in Richtung ihres zunächst gesetzten Zieles unterwegs waren, haben sie permanent geprüft ob die Richtung noch immer stimmte, oder ob sie diese ändern müssen. Hierbei zogen die alten Polynesier neben den Sternen unter anderem auch Fischschwärme, Strömungen und Wetterphänomene zu Rat und hatten keine Angst davor, die Richtung zu ändern, wann immer die Parameter ein entsprechendes Indiz darstellten. So ging es im Zickzack durch den Pazifik, den dieses kleine Inselvolk Schritt für Schritt erobert hat. Wer neue Welten entdecken möchte, der muss offensichtlich in der Lage sein, die Richtung zu wechseln.

Und apropos Segeln und neue Welten entdecken: Christoph Columbus hat sein ursprüngliches Ziel, Indien, unendlich weit verfehlt und ist dank dieser Verfehlung in die Geschichtsbücher eingegangen. Was wiederum bedeutet, dass gerade ein nicht erreichtes Ziel die Welt nachhaltig verändern kann. Denn wäre er ohne das Ziel Indien vor Augen losgesegelt? Wohl kaum!

Viktor Frankl und der Sinn hinter den Zielen

Ziele an sich seien sinnlos hat dieser österreichischer Neurologe und Psychiater in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts selbstbewusst in die Welt hinausgerufen und damit die Disziplinen der Existenzanalyse und Logotherapie, also der Therapie durch Sinn, begründet. Erst das “Wofür” des Ziels schafft seinen Wert und somit Motivation. Einfach mal so rechtsherum nach Indien segeln war wahrscheinlich nicht Columbus’ primärer Antrieb. Vielmehr wollte er wahrscheinlich Handel vereinfachen um leichter und besser leben zu können. Und vielleicht wollte er als Pionier neues entdecken und hat sich dafür entschieden, ausgetretene Pfade zu verlassen. Denn dort ist ja zu meist schon alles entdeckt.

Welchen Sinn haben also feste Jahresziele für Organisationen und vor allem für deren Mitarbeitende? Gefühlt ist die Dynamik unserer Zeit so groß, dass ein Jahresplan schon wie Planwirtschaft im sozialistischen Sinne anmutet. Als ich meine diesjährigen Ziele im Februar formuliert und mit meiner Chefin besprochen habe, war ich zumindest bei zwei meiner Ziele so frei direkt anzukündigen, dass wir uns Mitte des Jahres anschauen müssten, ob diese Ziele wirklich sinnvoll und für ein ganzes Jahr tragbar sind. Polynesisches Segeln also. Mit Blick auf eines der beiden Zielen kann ich jetzt schon sagen, dass alle Fischschwärme, die Sterne und diverse Wetterphänomene sehr deutlich darauf hinweisen, unbedingt eine neue Richtung einzuschlagen. Dieses Ziel endet nach momentanen Kenntnisstand irgendwo im nirgendwo. Für die Polynesier hätte so etwas wahrscheinlich den Tod auf hoher See bedeutet. In modernen Organisationen sind die Auswirkungen, die es hat auf ein leeres, nicht hilfreiches oder kontraproduktives Ziel hinzuarbeiten nicht so unmittelbar katastrophal. Sinnvoll ist es dennoch nicht! Zum Glück gibt es inzwischen in vielen Organisationen die Möglichkeit, Ziele zur Jahresmitte noch einmal zu schärfen oder zu revidieren, um der extremen Dynamik unserer Zeit Rechnung zu tragen.

Wofür braucht es sie dann, diese Art von Zielen? Fragt ihr eine Seite von mir, sagt diese euch ganz klar für nichts! Ich arbeite ohnehin so, dass es dem Wohlergehen meiner Organisation dienlich ist. -Zum einen, weil ich eine hohe intrinsische Motivation habe im positivsten Sinne produktiv zu sein, zum anderen aber auch, weil mein Gehalt und somit meine wirtschaftliche Existenz zu einem großen Teil vom Wohlergehen dieser Organisation abhängt. Ich brauche keine Karotte vor der Nase, ganz so wie ein Eselchen, das den Karren ziehen soll. Fragt ihr eine andere Seite in mit versteht diese natürlich auch das Bedürfnis einer Organisation die individuellen Leistungen der Mitarbeitenden messbar zu machen. Und natürlich ist es in einer Organisation immer hilfreich, wenn alle Beteiligten in eine Richtung ziehen. Wenn man entscheidet, diese Richtung über gemeinsame und abgestimmte Ziele zu geben, ist aus meiner Sicht dagegen erst einmal nichts einzuwenden. Nun folgt jedoch das große Aber: Hierbei ist es aus meiner Sicht unendlich wichtig, Ziele oder Richtungen auch wieder loszulassen und zu revidieren. Denn nur so gelingt es wirklich neue Welten zu entdecken, zu wachsen, sich erfolgreich weiterzuentwickeln. Leider erlebe ich es in ganz unterschiedlichen Kontexten noch immer zu häufig, dass der Mut, einmal gesetzte Ziele loszulassen oder zu revidieren fehlt. Damit fehlt dann auch diejenige Fehlerkultur, die wirkliches Wachstum und wirkliche Entwicklung erst ermöglicht. Was kann ein solches Verhalten im Organisationskontext bedeuten? Es wird nicht nur auf einen lahmen Esel gesetzt. Vielmehr ist es dann sogar so, dass alle Ressourcen in diesen lahmen Esel gesteckt werden und die anderen heißblütigen Rennpferde mit Potenzial verhungern am ausgestreckten Arm der Priorisierung. Natürlich bekommen das dann auch irgendwann alle Beteiligten mit und spätestens an dieser Stelle verliert das alte Ziel aus deren Sicht an Sinn und sie somit auch an Motivation und der arme lahme Esel wird nur noch halbherzig gepflegt. -Gerade so intensiv, dass man stets behaupten kann, man agiere der vorgegebenen Priorisierung folgend… Er fällt nicht um, aber rennen ist auch nicht mehr drin!

Was braucht der polynesische Segler?

Was braucht es also nun, beruflich und privat, um in einer dynamischen Welt die Segel stetig neu zu setzen ohne daran zu verzweifeln?

Zunächst muss ich wissen, wer ich bin. Wenn es keinen Kompass im Außen gibt, navigiere ich nach meinem inneren Kompass. Kenne ich meine Werte, meinen eigenen tiefen Sinn und meine damit verbundenen höheren Ziele, weiß ich intuitiv in welche Richtung ich (weiter)gehe. Sie sind mir vielleicht das, was den alten Polynesiern die Fischschwärme, Meeresströmungen, Sterne und Wetterphänomene waren, an denen sie im scheinbar endlosen Ozean Orientierung und Richtung finden konnten.

Im zweiten Schritt ist es hilfreich mir bewusst zu sein auf welche Fähigkeiten und Ressourcen ich zurückgreifen kann. -Zunächst in mir selbst. Häufig wissen Menschen recht gut was ihnen fehlt, was sie nicht können, wo sie eigenen Defizite sehen. Die wenigsten führen sich regelmäßig vor Augen, was sie können und auf welche Ressourcen sie sich tief in sich selbst verlassen können.

Habe ich diese inneren Ressourcen geklärt, richte ich meinen Blick ins Außen um zu sehen welche sozialen Unterstützungsnetzwerke es gibt, die ich nutzen kann oder deren Teil ich bin. Die Polynesier sind auch nicht allein, sondern in einer Gruppe losgesegelt.

Ist auch das geklärt, schaue ich mir an welche unterschiedlichen Ziele ich mit allen vorhandenen Ressourcen im Innen wie im Außen erreichen kann und welches dieser Ziel am Ende am meisten Sinn ergibt. Denn das als am sinnvollsten empfundene Ziel ist immer auch das, das die größte Motivation auslöst.

Diese vier Ebenen funktionieren aus meiner Sicht nicht nur für Individuen, beruflich wie privat, sondern auch für ganze Teams oder Organisationen, da sie für mich diese sagenumwobenen Change Kompetenzen unserer Zeit darstellen.

In diesem Sinne möchte ich euch ermutigen einfach loszusegeln. Habt keine Angst, ein falsches Ziel zu setzen, da es nichts gibt, das euch zwingt daran festzuhalten. Und wenn ihr nach Indien wollt, dabei aber aus Versehen eine neue Welt entdeckt, ist das doch vielleicht auch kein Drama. Der große Vaclav Haven hat einmal gesagt: “ Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.”

Ich wünsche euch ein wunderbar sinnvolles Pfingstwochenende.

Eure Constance

Segel setzen und erst einmal los

Nicht nur dem Ziel, sondern auch der Sinnhaftigkeit entgegen…

Die Macht der Schwachen - oder eine Arschbombe ins Tabu!

Weiterbildung bildet eben weiter…

Mein letztes Wochenende habe ich in Köln verbracht und mich in einem Vertiefungs-Workshop mit provokativer systemsicher Arbeit oder provokativem Coaching beschäftigt. Nach meinem Basiskurs Ende Februar habe ich Feuer gefangen und ich bin mir sicher ich werde mich in dieser Arbeitsweise noch weiter fortbilden. Vielleicht bin ich irgendwann ja mal so weit, um sie in einem Artikel auf den Punkt genau vorzustellen. Es ist ziemlich verrücktes Zeug!

Seit dem Basis-Workshop haben wir nun alle Fälle, Patienten oder Coachings-Prozesse gesammelt, die es im Vertiefungs-Workshop zu besprechen galt um den Schritt von der Theorie in die Praxis zu gehen. Ein besonderer Fokus lag auf denjenigen Fällen, in denen wir entweder gefühlt feststecken oder in denen wir uns nicht trauen, provokative Tools anzuwenden. Im Prinzip war es eine gigantische Supervision.

Irgendwie alle verrückt…

So haben wir uns also voll Fall zu Fall gearbeitet, Ideen, Vorschläge und Feedbacks unterbreitet. In diesen Settings bekomme ich gerne mal das Gefühl, die ganze Welt ist ein bisschen verrückt. Aber wahrscheinlich ist das auch so. Was ist schon normal?! Plötzlich tauchte in einem der Fälle dieser zarte, zerbrechliche und verunsicherte junge Mann auf, dem das Leben übel mitspielt. Viel zu viel hat er zu tun. Keine Unterstützung auf der Arbeit, alle Last liegt auf seinen Schultern und im Privatleben ist er fast ganz allein. - Ein Stereotype, der auch eine junge Frau sein könnte. Hilfsbedürftig, ein Opfer der Umstände, vielleicht auch noch depressiv. Die Einladung an den Coach ist groß, vom Mitgefühl ins Mitleid abzugleiten, helfen zu wollen, in Watte packen zu wollen, schützen zu wollen. Ja, ich kenne diesen Stereotypen aus meinem eigenen Erleben. Auch in mir kommt immer mal wieder ein gewisses Helfersyndrom hoch, das in letzter Konsequenz das Potenzial hat, mich daran zu hindern, meinen Job als Coach angemessen zu erfüllen, wenn mein gegenüber allzu zerbrechlich wirkt. Ich laufe also Gefahr, mein gegenüber in Watte zu packen, frage viel vorsichtiger und bohre vielleicht auch nicht so tief um schmerzhafte Reflexionsschleifen zu umschiffen. Das arme zarte Wesen braucht Schutz und Samthandschuhe… Und ganz sicher braucht das Gegenüber kein provokatives Coaching… Oder doch?

“Die Macht der Schwachen!” tönte es durch den Raum mitten in mein Mitleidskonstrukt. Ich komme aus meinem Gedankenfilm zurück und ja, da ist etwas dran. In diesen Situationen haben meine Kunden mich total in der Hand, so sehr, dass ich ihnen tatsächlich die potenziell unangenehme Reflexionsschleife erspare. Ganz schön clever von ihnen!

Die Macht der Schwachen führt im Alltag dazu, dass wir Menschen, die wir für schwach halten, in Watte packen, Konflikte oder negative Thematiken bestmöglich von ihnen fernhalten, wie als klebt ihnen dieser “Vorsicht! Zerbrechlich!-Aufkleber” auf der Stirn. In einem konkreten Fall habe ich es erlebt, dass die Kollegen der schwachen Person sogar tagtäglich das Frühstück für diese Kollegin mit zur Arbeit gebracht haben, weil sie sich ja unmöglich nicht auch noch darum kümmern könne, sich etwas zu essen vorzubereiten. Es wird also Rücksicht genommen und Vorsicht wird walten gelassen. Die Schwachen werden umsorgt und natürlich wird genau darauf geachtet nichts Falsches zu tun. Wie toll für die Schwachen! Es läuft bei ihnen könnte man sagen. Verrückt wären sie doch, würden sie plötzlich stark werden. Selbst Frühstück machen, weniger Aufmerksamkeit, dafür mehr unangenehme Themen? Nein danke. Dann doch lieber schwach und zerbrechlich und die Fäden der Manipulation fest in den unterbewussten Fingerchen. Alles andere könnte mit der Zeit ganz schön anstrengend werden. Eine Betrachtungsweise, die gefühlt eine Art Tabu darstellt, weil sie unsere Idee von Schwarz und Weiß irgendwie auf den Kopf stellt. Das macht man doch nicht! Man kümmert sich um die, die weniger fit oder stark oder stabil sind…

Der sekundäre Krankheitsgewinn oder keine Veränderung ohne Preis

In der Psychologie spricht man hier vom sekundären Krankheitsgewinn. Oft hat eine bestimmte Symptomatik Vorteile oder Vorzüge, die auf unterbewusster oder unbewusster Ebene dazu führen, dass an der Symptomatik festgehalten wird.

Auch im Coaching erlebe ich immer wieder, dass Veränderungen, die meine Kunden selbst wollen, nicht umgesetzt werden, weil die unerwünschte Thematik auf unbewusster Ebene gewisse Vorzüge mit sich bringt, die das Unbewusste nicht verlieren möchte. Aus diesem Grund finden im Rahmen professioneller und nachhaltig wirksamer Coaching-Prozesse immer wieder sogenannte Ökologie-Checks statt. Denn es gibt keine Veränderung ohne Preis. Bereits zu Beginn des Prozesses erarbeite ich mit meinen Kunden den primären und sekundären Gewinn der unerwünschten Symptomatik oder des unerwünschten Verhaltens um festzustellen, ob sie bereit sind, diesen Preis für die Veränderung zu zahlen. Passiert das nicht, kann der Mensch noch so hart am neuen Verhalten arbeiten, das Unterbewusste wird immer und immer wieder dazwischenfunken, weil es den Benefit resultierend aus dem Verhalten nicht aufgeben möchte. Getreu dem Motto: Ich will es ja nicht, aber ES macht es einfach mit mir…

So machtvoll schwach…

So haben die Schwachen ihr Umfeld also ziemlich machtvoll im Griff, nicht selten sogar Coaches oder Therapeuten und irgendwo tief in ihnen ist da eine Stimme, die sich dieses Mechanismus auch sehr deutlich bewusst ist.

Was bedeutet das alles für mich? Zum einen spüre ich in meiner Rolle als Coach immer mal wieder das Bedürfnis, mich zu kümmern oder helfen zu müssen. Aber es gibt hier noch eine andere Seite in mir. Seit frühster Kindheit triggern mich diese zarten, schwachen, kleinen, süßen Wesen auch immer wieder. Schon seit dem Kindergarten falle ich durch eine anständige Portion Selbstbewusstsein und den Fakt, dass ich gut einen Kopf größer bin, als die meisten, auf. Schon im zarten Alter von drei habe ich wohl unbewusst verstanden, dass diese Attribute jedoch mit Nichten zu meiner Überlegenheit beitragen. Kaum heulte eines dieser zarten Wesen, musste ich das Spielzeug abgeben. Begleitet wurde das von den wohlmeinenden Worten von Tante Eva: “Du bist doch schon so groß!”

Die Macht der Schwachen! Seitdem triggert sie mich und mit der Zeit hat sie mich fast neidisch gemacht. In mir drin gibt es eine Seite, die auch so gerne Schwach wäre, damit sich liebevoll und gut um mich gekümmert wird. Meine Schattenpersönlichkeit taucht tatsächlich hier und da, ganz heimlich und im ganz sicheren Rahmen auf und zeigt mich in all meinem Schwachsein, um unbewusst vielleicht dann doch die Macht, die diese Schwäche hat, auszuspielen. Ich befürchte mein Mann kann davon ein Lied singen, springt in ihm doch sofort Mitleid und Hilfsbereitschaft an. Es tut mir so leid Schatz! Das ist wahrscheinlich ganz schön manipulativ von mir! Manchmal möchte sich die Schattenpersönlichkeit einfach zeigen… Ich dachte mit dem Coach-Sein käme auch die persönliche Erleuchtung, aber dem ist offensichtlich (noch) nicht so.

Ich frage mich, ob ihr diese Macht der Schwachen auch kennt? Vielleicht sogar wie ich aus beiden Perspektiven? Wann nutzt ihr die eigene Schwäche selbstverständlich nur unbewusst aus um ein Ziel zu erreichen? Und wann lasst ihr euch durch die Schwäche anderer in eine bestimmt Aktion drücken? Keine Angst, alles das sind völlig normal Verhaltensweisen, die zum Menschsein dazugehören. Wenn ich darüber nachdenke ist es für mich in meiner Rolle als Coach ein großer Vorteil beide Seiten zu kennen. So weiß ich aus eigenem Erleben, wieviel Stärke sich in der Schwäche versteckt. Auch deshalb gelingt es mir in meinen Coaching-Prozessen inzwischen recht verlässlich nicht durch Mitleid getrieben an der Schwäche meiner Kundinnen und Kunden anzudocken, sondern an deren Stärke, an deren Ressourcen. Denn ich weiß, dass die Momentaufnahmen, die nichts als Schwäche oder Ohnmacht vermuten lassen, zum einen Momentaufnahmen sind und zum anderen war und ist es die Macht der eigenen Ressourcen, die meine Kundinnen und Kunden zu mir kommen lässt. Wirkliche Ohnmacht gibt es wahrscheinlich nur im Märchen und selbst Hänsel und Gretel haben die Hexe am Ende in den Ofen gesteckt!

Vielleicht hast du ja beim Lesen Lust bekommen gemeinsam mit mir an deinen eigenen Themen, Verhaltensweisen, deinem Stark- oder Schwachsein zu arbeiten. Gerne auch provokativ. Dann melde dich. Ab Mai wird bei mir wieder ein Platz auf meinen großartigen Coaching-Sesseln frei und ich habe gegenwärtig keine Wartelist! Wahrscheinlich sollte ich mich mal um mein Marketing kümmern…

Habt einen schönen Sonntag, ob stark oder schwach… Völlig egal.

Eure Constance

Unser Leben ist eine Reise, ein Weg immer dem Horizont entgegen

Keiner außer uns selbst geht diesen Weg, auch wenn wir manchmal ganz fest davon überzeugt werden, dass er einfach nur mit uns gegangen wird und wir keinen Einfluss auf die Richtung haben! -Stimmt nicht! Es ist und bleibt unser Weg!