Diversity - denn ett mutt watt mutt…
Diversity! Das Thema! Es ist so wichtig und auch so politisch korrekt, divers zu sein, vielfältig, bunt, tolerant; hinsichtlich Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht, körperlicher Besonderheiten, etc… Als Unternehmen von Welt ist es schon rein aus PR Gesichtspunkten unabdingbar, das Thema Diversity möglichst prominent zu platzieren. Und natürlich muss mindestens eine Frau in den Vorstand…
Alles irgendwie etwas viel Politik für den Coach. Nicht falsch verstehen, ich liebe die Welt in bunt und finde, man sollte noch nicht einmal darüber nachdenken müssen, was uns Menschen unterscheidet. Man sollte alle und jeden, die gesamte Bandbreite, wohlwollend und dankbar annehmen. So gesehen sollte Diversity einfach kein Thema sein, getreu dem Motto: “appreciating the difference - vive la difference “!
Aber sei’s drum! Aus der Coach-Perspektive interessiere ich mich im Zusammenhang mit Diversität für zwei Aspekte:
Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation als Voraussetzung für High Performance.
Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aus Voraussetzung für Konflikte und der damit verbundenen Low Performance.
Diversität als Chance
In unserer dynamischen, sich stetig verändernden, unübersichtlichen, vernetzten und verrückten Welt ist es inzwischen in weiten Teilen der Wirtschaft zum gemeinsamen Verständnis geworden, dass ein Mensch allein nicht in der Lage ist, sich den Überblick zu verschaffen, den es für möglichst gute Entscheidungen unbedingt benötigt. So wurde und wird das Team zunehmend zum Star unserer Arbeitswelt. Warum einer für gewöhnlich immer weniger sieht, als zwei? Das hat erst einmal rein physiologische Gründe: Dankenswerterweise hat die Evolution uns mit einer Vielzahl an Wahrnehmungsfiltern ausgestattet, die dafür sorgen, dass wir nicht vor lauter Reizüberflutung wahnsinnig werden und uns verloren fühlen. De Facto werden sogar nur etwa fünf Prozent all dessen, was unsere Sinne einsammeln, von unserem Gehirn auf eine bewusste Wahrnehmungsebene verarbeitet. Oder anders herum: 95 Prozent all dessen, was ist, wird rausgefiltert. Ganz schön viel, oder? Da könnte man doch wirklich froh und dankbar sein, wenn man ein Team hat, in dem jede und jeder ein bisschen was anderes wahrnimmt, damit wir uns gemeinsam ein größeres Bild puzzeln können. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir alle unterschiedliche Wahrnehmungsfilter haben. Hier kommt Diversität ins Spiel, denn wenn wir uns sehr vereinfacht anschauen möchte, wie sich unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter entwickeln, dann kommen hier Einflussfaktoren, wie Erziehung, Werte, Erfahrungen, soziokultureller Hintergrund, Bevorzugungen, Dinge, die wir ablehnen, ethisch-moralische Einstellungen, etc. ins Spiel. Tja, und je unterschiedlicher wir sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter voneinander abweichen und wir uns so im Team eine breitere Wahrnehmung der Situation erarbeiten können, als wir es als Individuum könnten. -Ganz nebenbei ist das auch bei aller Technisierung ein guter Grund dafür, nach wie vor mindestens zwei Piloten in ein Cockpit zu setzen.
Diversität als Gefahr
So weit so gut. Nun hat man also ein kognitiv diverses Team, in dem ein jeder Dinge unterschiedlich wahrnimmt, einordnet und dann wohl auch sehr “divers” agiert, wenn es um das weitere Vorgehen geht. Ein riesiges Konfliktpotenzial innerhalb des Teams, aber auch mit möglichen Schnittstellen oder Stakeholdern. Im besten Fall irritiert es nur, wenn A links herum und B rechts herum möchte. Zusätzlich zur Irritation kann ein von außen betrachtet unkoordiniertes Vorgehen aber auch schnell zur allgemeinen Verunsicherung führen. -Ein absoluter Performance-Killer! Das sagt unter anderem auch die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson, die immer wieder ausführlich erklärt, dass eine subjektiv empfundene psychologische Sicherheit die Grundvoraussetzung für Höchstleistungen ist. Tja, dann eben nur Mittelmaß! Vielleicht reicht das ja sogar!
Richtig unschön wird es, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen diverser Protagonisten zu handfesten Konflikten führen. Dann reicht es noch nicht mal mehr für Mittelmaß.
Und nun? Diversität managen!
Die Frage, die sich nun stellt, ist wie man als Organisation mit diesem Dilemma umgehen kann. Wir brauchen unterschiedliche, vielseitige, diverse Mitarbeiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch gut funktionierende Teams, die sich vertrauen, offen miteinander umgehen und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen.
Bei all dieser Unterschiedlichkeit, die zwar für Farbe im Alltag sorgt, jedoch auch trennend wirken kann, braucht es etwas, das eint, etwas gemeinsames, eine gemeinsame Identität. Und nein, ein gemeinsamer Unternehmenskodex, der irgendwo an der Wand hängt, ist dabei nicht ausreichend. Es muss auf jeden Fall transparent gemacht werden, wie Teams diese häufig sehr abstrakten Leitfäden umsetzen möchten, konkret, auf Arbeitsebene. Darüber gilt es zu sprechen! Welche Werte einen uns? Wie setzen wir diese im täglichen Tun gemeinsam um?
Der Teamidentitätsprozess
In der letzten Woche durfte ich eine Gruppe von Führungskräften durch diesen wie ich finde sehr spannenden, aber auch fröhlichen Prozess begleiten. Der Teamidentitätsprozess stellt den Abschluss meines dreimonatigen Leading out Loud Circles dar, den die Gruppe gerade durchlaufen hat. In diesem Zirkel geht es über drei Monate hinweg zum einen darum, Kommunikation als Führungs-Tool in einem hybriden Setting kennenzulernen. Vor allem aber sollen die Teilnehmenden lernen, ihre Kolleginnen und Kollegen als Ressource wahrzunehmen. Der Fokus des Zirkels liegt auf der Unterschiedlichkeit und auf der Chance, die aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren, und die die Gruppe aus Führenden zu einem Team von Führungskräften werden zu lassen, bzw. um die Teambildung weiter zu tiefen. Nach drei Monaten mit Fokus auf Diversität soll es abschließend um eine gemeinsame Team- und auch Führungskultur gehen.
Der Teamidentitätsprozess beginnt damit, dass jeder Teilnehmende sich eine Metapher, ein Bild für das Team einfallen lässt. Diese unterschiedlichen Metaphern werden nun Schritt für Schritt konsolidiert, diskutiert, neu geformt, bis am Ende diese eine Metapher übrigbleibt, mit der sich jeder und jede aus dem Team identifiziert. Im nächsten Schritt wird diese Metapher mit Leben gefüllt: Wie sind wir? Was macht uns aus? Was sind unsere Teamwerte? Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie diese Werte gelebt werden, welche es noch klarer und deutlicher zu leben gilt. Hier hat das Team die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, was sie in Zukunft konkret tun möchten, um diese Werte nicht nur zu leben, sondern auch, in Falle von Führungsteams, transparent zu machen, welche Werte ihre jeweilige Führungskultur ausmachen. Das hat den zauberhaften Nebeneffekt, dass die Führungskräfte auch nach außen bei aller Diversität als geschlossenes Team auftreten. -Ein wahrer Booster für die psychologische Sicherheit, das Level an Vertrauen, innerhalb eines Teams.
Denn es geht nicht nur um Diversität!
Wenn ich einen Wunsch hätte, dann wäre dieser, dass nicht nur in Organisationen, sondern auch gesellschaftlich nicht nur die Bedeutung von Diversität, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaft immer wieder in den Fokus gerückt wird. Lasst uns nicht nur darauf schauen, was uns unterscheidet, sondern auch darauf, was uns eint. Gibt es momentan denn etwas Wichtigeres? Bei aller Diversität sind wir doch Kinder dieser Erde, Ethnie: Mensch, Kultur: Menschlichkeit! Unser aller Tränen sind salzig, die, die wir vor lauter Glück weinen ebenso wie die, die unsere Traurigkeit ausdrücken. Wir wollen lieben, geliebt werden und wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder… Sollte das nicht ausreichend sein für ein echtes Wir-Gefühl? - Für Nähe und Solidarität?
Genießt diesen warmen, sonnigen Sonntag. Genießt die Unterschiede und freut Euch über die Gemeinsamkeiten!
Eure Constance