Führung und Vorbild - weil die Axt im Walde nur abholzen kann...

Vorbild - kurze Begriffsklärung

Was ist ein Vorbild? Wikipedia sagt dazu folgendes: “Vorbild ist eine Person oder Sache, die als richtungsweisendes und idealisiertes Muster oder Beispiel angesehen wird. Im engeren Sinne ist ein Vorbild eine Person, mit der ein -meist junger- Mensch sich identifiziert und dessen Verhaltensmuster er nachahmt oder nachzuahmen versucht.” So weit so gut. In wie fern Führungskräfte immer auch Vorbilder sind (ob sie wollen oder nicht) und dadurch das Verhalten ihrer Teams direkt beeinflussen, schauen wir uns im Folgenden an.

Von Siegmund Freud und Teenies außer Rand und Band

Sicher fallen euch einige Vorbilder ein, denen ihr im Laufe eures Lebens nachgeeifert habt. Das ist ganz normal. Der Mensch ist so gestrickt, dass er sich Vorbilder sucht. Sigmund Freud sah diese Identifizierung mit einem Vorbild als normalen psychodynamischen Prozess, dessen Ziel es sei, das eigene Ich dem zum Vorbild genommenen Ich anzugleichen. In der frühen Kindheit dienen vor allem Eltern oder andere primäre Bezugspersonen als Vorbilder, die komplett unreflektiert nachgeahmt werden. Später kommen Stars und Sternchen, Freunde, die coolsten Jungs oder Mädels der Schule oder andere Alpha-Tierchen dazu. Die meisten scheinen auch weiterhin komplett unreflektiert und unkritisch nachgeahmt zu werden. So verbringt man seine Pubertät und Jugend auf der stetigen Suche nach sich selbst, indem man versucht so zu sein wie ein anderer. Aber sei’s drum, wir kennen das sicher alle. Schön wäre, wenn man im Erwachsenenalter sagen könnte, man habe diesen Mechanismus hinter sich gelassen. Natürlich wird man dadurch, dass man im Laufe des Heranwachsens die individuelle kritische Urteilsfähigkeit schult, bei der Auswahl seiner Vorbilder kritischer. Mit der Zeit spielen bei der Auswahl unserer Vorbilder wahrgenommene Ähnlichkeiten in Hinblick auf die individuelle Einstellung oder auf Ziele und die wahrgenommenen Überzeugungen und vor allem auch Erfolge eine immer wichtigere Rolle. Und für Erfolg sind viele Menschen bereit, sich zu verbiegen, so wie die Teenager, die sein wollen, wie ihr liebster Influencer, völlig unreflektiert und unkritisch! Hier kommen die Führungskräfte ins Spiel. Der US-amerikanische Soziologe Robert K. Merton, der seinerzeit den Begriff des Role Models, bzw. des Lernens durch Role Modeling geprägt hat, stellte fest, dass besonders Role Models, oder Vorbilder mit hohem Ansehen und besonderem Erfolg ausgesprochen attraktive Vorbilder sind. Macht ja auch Sinn! Das sind die Alpha-Tiere, denen wir nacheifern, weil wir alle, jeweils in unserem individuellen Bereich, erfolgreich sein möchten. Das passiert nicht nur auf einer bewussten, sondern sehr häufig auch auf einer unbewussten Ebene. Wir beobachten also die Alpha-Tierchen in unserer Umgebung und armen deren Verhalten nach, weil es eben dieses Verhalten ist, was offenbar erfolgreich macht.

Die Führungskraft, das heimliche Vorbild

Liebe Führungskräfte - und damit meine ich euch alle, auch die, die sich selbst für kleine Lichter halten - was denkt ihr gerade? Und was könnt ihr aus dem Wissen, dass ihr alle Vorbilder seid, machen? Ich kann euch sagen, was ich daraus gemacht habe, als ich eine ganz kleine unbedeutende Führungskraft wurde: weil ich mir der Tatsache bewusst war, dass ich jetzt Vorbild sein würde, ob ich das nun will oder nicht, habe ich mich dazu entschieden, dies zu nutzen, um mein Team so zu formen, wie ich es für gut und richtig gehalten habe. Ich habe mir ein Team gewünscht, dass sich untereinander und auch mir vertraut, also habe ich zuerst meinen Kollegen vertraut. Laut Sigmund Freud und Robert K. Merton sollten alle anfangen, mich nachzuahmen. Ich wollte ein Team, dass fleißig und hart arbeitet, also war ich selbst fleißig. Ich brauchte Kollegen, die den Mut haben, Fehler oder Wissenslücken zuzugeben, deshalb habe ich damit angefangen. Ich habe mir eine Atmosphäre gewünscht, die von Fröhlichkeit, Nähe und Wärme geprägt war, deshalb habe ich mich nicht unnahbar über mein Team gestellt, sondern neben meine Kollegen. Hatte ich trotzdem die nötige Autorität und das nötige Standing? Ich denke schon! Ja, und dann gab es noch die unschönen Aufgaben, die gerne ignoriert wurden, aber trotzdem gemacht werden mussten. Ich habe sie erledigt und in Folge wurde ich natürlich nachgeahmt.

Selbstverständlich kann man jede Vorbildfunktion als Belastung empfinden. In Hinblick auf Führung kann man seine Vorbildfunktion jedoch auch wirklich gut nutzen. Ich persönlich empfand es immer als deutlich einfacher, Dinge kurz vorzuleben, als mein Team gebetsmühlenartig zu diesem und jenen zu gängeln. Klar darf und soll man als Führungskraft auch klare Ansagen machen, man sollte das jedoch nicht überstrapazieren (zumal wir es ja mit erwachsenen, mündigen Menschen zu tun haben), sonst nutzt sich dieser Effekt auch ganz schnell ab! - Wie damals, zuhause, bei Mutti!

Wie man über Vorbildfunktion Unternehmenskultur schafft

Wenn wir die Karriereleiter jetzt weiter nach oben klettern, sagen wir mal auf A oder B Ebene, werden wir automatisch zu einem noch attraktiveren Vorbild für noch viel mehr Kollegen. Unser Verhalten wird also von noch mehr Kollegen als nachahmenswert empfunden, hat es uns doch dahin gebracht, wo so viel gerne noch hinmöchten. Spätestens an dieser Stelle sollte ich mir der Tatsache bewusst sein, dass ich, wenn ich möchte, dass in meinem Unternehmen etwas geschaffen wird, etwas kreativ erarbeitet wird und durch kollegiales und effektives Teamwork Erfolge geschaffen werden, mich keinesfalls aufführen sollte wie die sprichwörtliche Axt im Walde, denn diese kann nur abholzen und zerstören. Ich verspreche euch, liebe Führungskräfte, eure Leute werden es euch gleichtun und sich nach unten hin ebenso verhalten, wie ihr das tut. Das führt zu einer absolut destruktiven Unternehmenskultur, wie sie damals die extrem erfolgreiche Mobilfunksparte von Nokia fast in den Ruin getrieben hätte. Wer wissen möchte, was genau passiert ist, findet hier den Link zum entsprechenden Blog: Human Factors Tod eines Weltmarktführers! Man kann den Karren als Führungskraft eben auch blind in den Graben fahren, weil sich eine Unternehmenskultur an mein Verhalten anpasst und ich total unreflektiert erstmal nicht mitbekomme, was ich anrichte. Fakt ist, bin ich an der Spitze angekommen, wird kein anderer mehr mein Verhalten korrigieren. Ich habe die Macht, zu sein, wie ich will. Allerdings halte ich es für ausgesprochen sinnvoll, sich über die möglichen Konsequenzen bewusst zu sein. Auch als Top-Führungskraft bin ich keineswegs außen vor und komplett über den Dingen schwebend. Ich bin immer auch Teil eines fragilen Systems, das sich Unternehmenskultur nennt. -Ein ausgesprochen großer, wichtiger, einflussreicher Teil!

Über Kant, Servant Leader und Influencer

Wie sollte Führung also sein? Eigentlich ganz einfach und sicher auch nichts bahnbrechend Neues. Der visionäre und große Denker Immanuel Kant hat das in seinem Kategorischen Imperativ ganz formidabel zusammengefasst: “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zu gleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.” Will ich also eine Unternehmenskultur, in der Menschen sich sicher und unterstützt fühlen und dadurch schließlich ihr volles Potenzial entfalten können, dann fange ich als Führungskraft damit an, zu unterstützen. Ich werde zum Servant Leader, denn mein Verhalten als Führungskraft wird zum “allgemeinen Gesetz” der Unternehmenskultur, ganz egal, was im Code of Conduct steht.

Die Gründerin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter Barbara Liebermeister geht in ihrem Ansatz des Führens ohne Macht noch einen Schritt weiter: sie beschreibt den Influencer Leadership. - Ein Ansatz, den ich persönlich sehr gerne mag, geht es doch einerseits darum, sich bewusst zu sein, dass man unter Beobachtung steht und seine Follower einem nacheifern und andererseits kann ich genau das proaktiv nutzen, um eine konstruktive, kreative und erfolgreiche Unternehmenskultur zu gestalten. Genauso, wie eben die klassischen Influencer Einfluss nehmen: auf Menschen, auf Kultur und darauf was gerade angesagt ist.

Und am Ende sind wir alle Vorbilder…

Das wirklich schöne an diesem menschlichen Bedürfnis, sich bewusst oder unbewusst Vorbilder zu suchen, ist dass wir letzten Endes alle für irgendjemanden ein Vorbild sein können. Vielleicht bin ich keine Führungskraft, aber sein zwanzig Jahren im Job und die junge, neue Kollegin schaut zu mir auf und ahmt mich nach, weil sie alles richtig machen möchte. Dessen sollten wir uns bewusst sein. Natürlich ist der Einfluss der Managementebene besonders groß, aber auch das vermeintlich kleinste Licht kann durch sein (Vorbild-) Verhalten Einfluss nehmen. Und wollen heutzutage nicht alle irgendwie Influencer sein?

Sitzen und denken, denken und sitzen - einen schönen dritten Advent

Vielleicht überlegt der ein oder andere von euch jetzt gerade darüber nach, wer seine Vorbilder sind, oder für wen sie selbst Vorbild sein könnten. Gut so! Ich wünsche euch auf jeden Fall einen wunderschönen und friedlich dritten Advent. Ich weiß nicht, was ihr so vorhabt. Wahrscheinlich habt ihr genau so viel Zeit, zum Nachdenken, wie ich. Die großen Adventspartys werden ja eher nicht stattfinden. Vielleicht ist es aber auch gar nicht schlecht, diesen Dornröschenschlaf unserer Corona-Welt zu nutzen um Kräfte zu sammeln und sich selbst zu reflektieren. Ich werde mir sicher die Frage stellen, wo ich geradestehe und wo es jetzt hin gehen soll, werde ich doch am Montag meinen letzten offiziellen Arbeitstag mit meinen lieben Kollegen bei der guten alten Condor haben. Ganz ehrlich, es fühlt sich alles noch ein wenig unwirklich an, auch wenn mein gigantisches Abschiedsgeschenk seit heute mitten im Wohnzimmer steht und ich mich darauf freue, meine neuen Kollegen schon in dieser Woche im Rahmen einer virtuellen Weihnachtsfeier kennenlernen zu dürfen. Es braucht eben Zeit, bis Veränderung im Kopf und im Herzen ankommen und die gebe ich mir gerne. Ich kann euch nur empfehle, ebenso großzügig mit euch selbst zu sein. Der Mensch ist wie er ist und er ist das, was die einen als träge bezeichnen und die anderen vorsichtig nennen. Und es war sicher auch diese Vorsicht, die uns zu einem Erfolgsmodell der Evolution gemacht hat.

Eure Constance

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Wer bin ich?

Und welche Art Vorbild möchte ich sein?

Der Agile Coach, der keiner ist, aber verrückt genug ist, als solcher arbeiten zu wollen! -Über die Macht der eigenen Ressourcen und Kompetenzen

Der Agile Coach, der keiner ist, es aber trotzdem einfach tut…

Der geneigte Stammleser hat ja zwischenzeitlich sicher mitbekommen, dass ich mich ab Januar beruflich auf komplett neue Füße stellen werde. Noch nicht erzählt habe ich euch, was ich zukünftig mit meiner Arbeitskraft vorhabe: ich werde als Agile Coach arbeiten. Das Verrückte ist, dass ich gar kein Agile Coach bin. Darüber darf ich gar nicht zu genau nachdenken, nicht, dass ich auf den letzten Drücker doch noch auf die Idee komme, zu glauben, dass ich das, was ich machen werde, gar nicht kann!

Wie um alles in der Welt kommt man also dazu, als etwas arbeiten zu wollen, das man gar nicht ist! Ganz einfach: man entscheidet sich einfach das zu tun, was man kann, weil man sich seiner Fähigkeiten und Ressourcen bewusst ist! Für mich war das ein großer Schritt, da ich mir eigentlich immer eher dessen bewusst war, was ich alles (noch) nicht kann! Mitte November hatte ich dann jedoch einen echt hellen Moment, den sich jeder von Zeit zu Zeit gönnen sollte. Aber ich fange mal von vorne an…

Hilfe, kein Toilettenpapier…

Damals, als Corona gerade angefangen hat, um sich zu greifen und ich noch fest daran glaubte, dass dieses Virus so schnell wieder verschwindet, wie seinerzeit das Toilettenpapier aus den Regalen unserer Supermärkte, hatte ich eines dieser Gespräche mit meiner Kollegin, Chefin, Mentorin Annette. Nachdem ich nun einige Jahre von einer Weiterbildungsmaßnahme zur nächste gestolpert bin, fragte sie mich eher beiläufig, wo ich denn mit all diesen Zertifikaten hinmöchte und meinte schließlich, dass man irgendwann auch mal schauen muss, was man denn alles schon kann und was man damit anfangen möchte. Ja, stimmt schon, ABER die und die Weiterbildung müsste ich doch noch dringend machen, weil ich ja wie so oft das Gefühl hatte, noch immer nicht gut genug zu sein. Zunächst verpuffte das Gespräch zwischen Corona, Kurzarbeit und wilden Plänen meinerseits.

Die Rückkehr des Toilettenpapiers

Das Toilettenpapier kehrte schließlich langsam aber sicher wieder in die Supermarktregale zurück. Blöderweise war das Virus noch immer da und ich hatte in Folge mehr Zeit als mir lieb war, um über Annettes Worte nachzudenken! Als erstes musste ich mir die Frage stellen, wohin die Reise für mich gehen sollte. Eine Antwort war recht schnell gefunden: was mich am meisten berührt und antreibt, ist das Menschenbild, dass ich als Human Factors Trainer in der Luftfahrt kennenlernen durfte. Der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme und dabei ist jeder Akteur gleichermaßen wertvoll und macht so das Team zum Star! Wundervoll! Mit diesem Leitbild möchte ich unbedingt weiterhin durchs Leben gehen. Außerhalb der Luftfahrt ist mir ein vergleichbares Mindset immer wieder in agilen Strukturen begegnet und irgendwie wuchs in mir der Wunsch, mich in Richtung agiles Coaching weiterzuentwickeln. Die alte, stets vom Weiterentwicklungswahn getriebene Constance hätte sich an dieser Stelle eine berufsbegleitende Ausbildung zum Agile Coach gesucht, weil sie natürlich gedachte hätte, keine Ahnung zu haben und deshalb alles von die Pieke auf lernen zu müssen. Allerdings hallten in meinem Kopf schließlich die Worte meiner Chefin wider und ich entschied mich dazu, zu schauen, was ich schon alles kann, um danach zu schauen, was mir noch fehlt, um mein Ziel zu erreichen. Das war eine für mich eher ungewohnte Herangehensweise und ich gebe zu, ich habe erstmal Meister Google gefragt, was in Zeiten der um sich greifenden Digitalisierung ein völlig probates Mittel ist. Tja, und was soll ich sagen, Meister Google hat geholfen, in dem er mir das Agile Coaching Competency Framework von Lyssa Adkins auf mein Handy gespült hat. Ich hatte nun also eine Auflistung aller Fähigkeiten, die ein Agile Coach mitbringen sollte und musste im Prinzip nur noch abgleichen. Dabei stellte ich fest, dass ich die meisten Punkte ganz entspannt für mich abhaken konnte:

  • Coaching - Haken dran!

  • Facilitating, was in diesem Zusammenhang bedeutet, Teams als neutraler Begleiter und Moderator durch alle möglichen Prozesse zu begleiten. - Hey, ich bin Mediator und Moderator! Dicker fetter Haken dran!

  • Teaching - noch dickerer Haken dran!

  • Mentoring - ich mache seit Jahren Supervisionen! Also noch einen Haken dran!

  • Transformation Mastery, also Change Management - hmmmm, große Transformationsprozesse in großen Organisationen habe ich noch nicht initiiert, aber wenn ich an dieser Stelle großzügig das Thema “Organisationsgröße” ignoriere und mich nur frage, ob ich Erfahrung im Begleiten von Veränderungsprozessen auf Human Factors Ebene habe, würde ich mir auch hier ein Häkchen dran machen.

So waren auf der Haben-Seite schließlich fünf Haken zu finden. Allerdings musste ich feststellen, dass noch drei offene Punkte übrig waren, die es sich anzuschauen gilt:

  • Technical Mastery - klares deutliches Nein! Wobei ich mir bis heute die Frage stelle, wie tiefgreifend meine Technical Mastery als Coach am Ende sein muss. Ich werde kein Entwickler sein. Klar würde ich sicher Verständnis für bestimmte Prozesse benötigen. Aber hey, ich schule Piloten im Human Factors Bereich (und das mache ich, wie ich finde, verdammt gut) und kann selbst keine Flugzeuge fliegen. Also habe ich entschieden, an dieser Stelle etwas Mut zur Lücke haben zu dürfen. Ich werde schon lernen, was ich wissen muss…

  • Business Mastery - kommt halt aufs Business an…

  • Agile Practitioner - klares Nein! Hier stellte sich mir die Frage, wie ich denn zu einem Agile Practitioner werden könnte. Also wieder Meister Google fragen! Nach etwas Recherche stolperte ich über Scrum als agiles Framework. Davon hatte ich bereits gehört und auch über die Rolle des Scrum Masters habe ich schon gelesen, weil sie mir als Moderator, Mediator, Trainer und Teamentwickler irgendwie recht nah schien. Die Frage, die daraus resultierte, war, wie ich Scrum Master werden könnte, wie das mit der Zertifizierung abläuft und ob ich das hinbekomme. Es stellte sich heraus, dass sich dieser Weg selbst unter Corona-Bedingungen recht einfach gestaltet und so nutzte ich meine viel zu viele Freizeit, um “remote” zu lernen und um schließlich auch meine Prüfung zum Professional Scrum Master zu machen.

Und wieder kein Toilettenpapier…

So wurde es Herbst in Deutschland, das Toilettenpapier wurde wieder knapper und ich habe festgestellt, wie recht Annette hatte: lebenslanges Lernen ist großartig, aber bitte mit Sinn und Verstand und nicht weil man glaubt, noch nicht gut genug zu sein. Ich denke, die meisten von uns können so viel mehr, als sie sich eingestehen. Deshalb soll dieser Blog auch ein klein wenig ein Aufruf sein, euch eure Kompetenzen und Ressourcen bewusst zu machen. Das ist weder arrogant, noch überheblich. Es tut einfach nur gut und in meinem Fall hat das sogar Ordnung und Struktur in mein Leben und mein Selbstbild gebracht… -So viel Ordnung und Struktur, dass ich jetzt alles auf den Kopf stelle! Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass man seine Ressourcen auch nutzen möchte, wenn sie einem erstmal bewusst sind!

Und aus dem Condor wird eine Löwin

So dreht sich die Welt immer weiter und manchmal passieren die Dinge genau zum richtigen Zeitpunkt. Hätte ich nur ein halbes Jahr früher die Möglichkeit gehabt, als Agile Coach zu arbeiten, hätte ich sie wahrscheinlich nicht ergriffen, weil ich mir gesagt hätte, du kannst ja nicht als etwas arbeiten, das du formal gar nicht bist. Im November war mir schließlich und endlich klar, dass es nicht nur um Formalitäten geht, sondern auch um das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und Kompetenzen. Deshalb sag ich jetzt tschüss zu meinen Flugzeugen und der guten alten Condor, die mir so lange ein tolles Job-Zuhause war. Denn ab Januar werde ich Löwin. Ist ja auch irgendwie cool Es ruft also das Haus des Geldes, ich wechsle in die Finanzbranche und werde zukünftig für die Bank mit dem Löwen arbeiten! Über das Thema Business Mastery denke ich an dieser Stelle besser nicht nach! Eigentlich kann ich ja nur Flugzeuge, aber das wird schon. Ich lerne ja gerne dazu und bin offen für Neues!

Eure Constance

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Kompetenzen und Ressourcen

Alles was zählt???

Veränderungsstress und das Missverständnis der Zeit

Abschiedsstress und Zeitmangel

Puh, das war eine Woche… Ich gebe zu, dass ich mich zwischenzeitlich tatsächlich gefragt habe, ob meine Ankündigung, euch auf meine Veränderungsreise mitzunehmen, klug war. Bis gestern hatte ich keinen Schimmer, was ich erzählen sollte. Nachdem ich letzte Woche meinen Rückzug aus der Luftfahrt angekündigt und auch schon einmal Abschied genommen hatte, hat mich das Feedback schlicht und ergreifend überrollt. So waren die letzten Tage geprägt vom Abschiednehmen. Es sind Tränen geflossen, aber gleichzeitig wurde ich von einer unglaublich wohlwollenden, warmen Welle durch meine Tage getragen. Sowohl als Trainer, als auch als Purser habe ich immer mein Bestes gegeben und auch immer gehofft, dass ich dabei in der Lage war, meine Kollegen und Teilnehmer zu erreichen. Wirklich sicher war ich mir dabei nie. Umso mehr habe ich mich jetzt über das Feedback gefreut und komme nicht umhin zu denken, dass wir uns alle noch regelmäßiger Rückmeldung geben sollten. - Aber das nur am Rande!

Wie ihr euch verstellen könnt, hatte ich ganz schön viel zu tun. Es gab und gibt noch einiges zu regeln und so bin ich durch meine Tage gehetzt, permanent mit dem Gefühl, keine Zeit zu haben. So auch gestern: nachhause gekommen, schnell noch den Adventskalender für mein Patenkind gepackt, einen schnellen Kaffee und dann wieder der obligatorische Blick auf die Uhr! -Sch***, in einer guten halben Stunde ist schon Yoga! Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich mein Yoga liebe und auch ausgesprochen diszipliniert zur Tat schreite. Gestern ging das nicht. Plötzlich war da so eine innere Stimme, die mich dazu gezwungen hat, meine Yoga-Stunde zu schwänzen und mir ein Bad einzulassen! Während ich schließlich halbwegs schockiert von meiner Disziplinlosigkeit in der Badewanne lag, hatte ich endlich das, was mir die ganze Woche gefehlt hat: ich hatte endlich NICHTS zu tun!

Während ich also meine Gedanken ordnete, kam ich zu der Erkenntnis, dass eine Sache, die mich immer wieder davon abgehalten hat zu wachsen, mich weiterzuentwickeln und dabei besser, zufriedener und glücklich zu werden, mein fehlendes Verständnis für das Konzept der Zeit war. Wir Menschen sind wirklich verrückt: einerseits liest man überall, dass das Hier und Jetzt unser wertvollster Schatz ist, andererseits leben wir unser Leben, als würde es mit absoluter Sicherheit noch viele Jahrzehnte weitergehen, und zwar genau so, wie es gerade ist… Veränderung nicht vorgesehen!

Das erste große Missverständnis

Aber mal von vorne: mein erstes großes Missverständnis der Zeit ist, dass ich permanent glaube, zu wenig davon zu haben, obwohl da doch ausreichend Zeit ist. Ich müsste sie mir eben nur proaktiv nehmen, so wie gestern. Als Trainer bin ich mir sicher, dass ich damit nicht allein bin. Ich arbeite gerne mit praktischen Lernzielübungen und natürlich habe ich diese eine liebste Übung, in deren Vorbereitung ich mehrfach darauf aufmerksam mache, dass Zeit keine Rolle spielt. Es gibt keine Deadline! Es dauert so lange wie es eben dauert! Und zack, nach spätestens fünfzehn Minuten höre ich in so ziemlich jeder Gruppe, dass es an der Zeit sei, sich mal ein wenig zu beeilen! So hetzt der Mensch durch sein Leben, erlebt die wunderbarsten Momente, die viel zu oft im Nichts verpuffen, weil er sich keine Zeit nimmt, sie zu reflektieren, zu verstehen und sie bewusst wahrzunehmen. Genau das steht uns auch im Job und in Hinblick auf unsere eigene Entwicklung im Weg. Wir begeben uns in unser Hamsterrad, dass wir all zu oft mit Bravour meistern. Aber wirklich befriedigend ist das nicht, denn während diese Rennerei zum Selbstläufer wird, vergessen wir zum einen, wohin wir denn eigentlich möchten und zweitens verlieren wir den Blick auf unser Potenzial und unsere Fähigkeiten. In den letzten Wochen habe ich immer wieder viel Bewunderung für meinen Mut, diesen großen Schritt nun zu gehen, geerntet. Ja, klar gehört da auch Mut dazu. Aber ehrlich gesagt kam ich mir gar nicht so mutig vor, wie das auf Außenstehende wirkt. Ich hatte einfach im Frühjahr und im Sommer sehr viel Zeit, um darüber nachzudenken was mir wichtig ist, wo ich im Leben hinmöchte und vor allem, was ich kann und was ich gegebenenfalls noch lernen muss. Im vollen Bewusstsein meiner Ziele und Ressourcen hat sich diese mutige Entscheidung einfach nur wie der nächste konsequente Schritt angefühlt.

Und die Moral von der Geschicht’: Wer schnell vorankommen möchte, muss zwischendurch auch mal anhalten und schauen, wo er hinrennt. Die Zeit dafür ist vorhanden, man muss sie sich nur nehmen!

Das zweite große Missverständnis

“Und so wie es war, soll es nie wieder sein. So wie es ist, darf es nicht bleiben. Wie es dann wird, kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden…”

Gisbert zu Knyphausen, Seltsames Licht

Denke ich an mein zweites großes Missverständnis der Zeit, denke ich immer auch an dieses Zitat aus einem Lied des großartigen Gisbert zu Knyphausen (unbezahlte Schleichwerbung!). Nichts bleibt so wie es ist oder war und die Welt dreht sich immer weiter. In Krisensituationen greifen wir auf derartige Gedanken nur zu gerne zurück, lassen sie uns doch auf bessere Zeiten hoffen. Was wir jedoch nur ungerne auf dem Schirm haben, ist dass der Zahn der Zeit, der Lauf der Welt, das Rad des Lebens nicht nur in schwierigen Situationen greifen, sondern auch in allen positivsten Phasen. Dass Glück ausgesprochen vergänglich ist, haben wir alle sicher schon einmal schmerzlich erfahren dürfen. Aber auch Zufriedenheit ist ausgesprochen fragil und verschwindet, wenn wir nicht aufpassen.

Das vielleicht schwierigste an meiner Entscheidung war, dass ich happy mit meiner Situation war. Ich hatte einen Job, den ich sehr geliebt habe (und auch noch weitere vier Wochen lieben werde), tolle Kollegen, ich fühlte mich respektiert und akzeptiert und zudem hatte ich Spaß an dem was ich tue. Aus einer derart komfortablen Position heraus einen Veränderungsprozess anzustoßen, der alles auf den Kopf stellen wird, scheint auf den ein oder anderen geradezu töricht zu wirken, begibt der Mensch sich doch nur höchst ungern und auch nur wenn es unbedingt sein muss, auf unsicheres Terrain…

Meine Eltern sind schon eine ganze Weile tot und natürlich kam aus der ein oder anderen Richtung die Frage, was die beiden denn wohl zu meiner Entscheidung sagen würden. Die Antwort ist recht eindeutig: mein alter Herr hätte mich total darin bestärkt, das zu tun, was ich jetzt tue und meine Mutter hätte mich sicher darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht so klug ist, einen sicheren Job, den ich gerne mache, für einen unbekannten Job und einen zu dem noch zeitlich begrenzten Vertrag aufzugeben… Da man einen mütterlichen Rat niemals einfach so in den Wind schlagen sollte, habe ich im Rahmen meines Entscheidungsfindungsprozesses natürlich auch diese Aspekte versucht so analytisch wie möglich zu beleuchten, wobei ich mir eingestehen musste, dass dieses Sicherheitsbedürfnis natürlich etwas ausgesprochen Emotionales ist. Denn auf welche Fakten fußen denn die potentiellen Aussagen meiner Mutter? Darauf, dass alles so bleibt, wie es ist! -Mein Arbeitsumfeld, meine Persönlichkeit, die ganze Welt! Tja, und so kam ich unweigerlich wieder auf Gisbert zurück: so wie es ist, kann es nicht bleiben. Alles ist in einem stetigen Wandel begriffen und wenn ich an die Zukunft denke, darf ich nicht davon ausgehen, dass sie so sein wird, wie die Gegenwart. Die Dinge werden sich verändern und wenn ich auch dann noch glücklich und zufrieden sein möchte, muss ich mich eben auch verändern. In welche Richtung ich gehen möchte, hat mir mein innerer Kompass bereits während des ersten Lockdowns aufgezeigt. Danke Corona! Aber jetzt ist’s gut! Du darfst wieder verschwinden!

Ich fasse mal zusammen: Zukunft heißt Zukunft, weil es Zukunft ist und nicht das Gleiche wie heute, nur in zwei Jahren!

Der Blick in die Glaskugel

Wenn ich jetzt den Blick in die Glaskugel meiner eigenen Zukunft wage, sehe ich da ein Unternehmen, dass sich vor kurzer Zeit selbst gefragt hat, wo es denn steht und wo es hinmöchte. Dieses Unternehmen hatte offensichtlich den Mut inne zu halten und nachzudenken. Es hat sich Zeit genommen, obwohl es ihm wirtschaftlich gut ging und eigentlich, so wie bei mir, keine Notwendigkeit bestand, die Dinge, die gut laufen, zu ändern. Allerdings hat dieses Unternehmen verstanden, dass die Welt sich immer weiter verändern wird und man nur erfolgreich und glücklich bleiben kann, wenn man sich neu aufstellt, um die Mitarbeiter in eine Position zu bringen, ihr Potenzial optimal nutzen zu können. Ich würde sagen das passt doch wie Arsch auf Eimer, oder was sagt ihr?

Denn eigentlich war ich gar nicht mutig…

Glaubt jetzt tatsächlich noch irgendjemand, dass ich wirklich so mutig war oder bin? Oder habe ich einfach nur einen verdammt analytischen Entscheidungsfindungsprozess durchgemacht, der unter anderem dazu geführt hat, meine Perspektive auf dieses Konzept der Zeit neu zu durchdenken? Ich weiß es nicht. Ich marschiere einfach nur weiter in eine Zukunft, die wir alle nicht sicher kennen und dabei versuche ich immer wieder innezuhalten, mir Zeit zu nehmen, auch wenn ich mir mal wieder einbilde, keine zu haben, um mich zu fragen, wo ich stehe und wo ich hinrennen möchte. Was in zwei Jahren, wenn mein Vertrag auslaufen wird, sein wird, kann mir ohnehin niemand sagen. Was ich aber sicher weiß, ist dass ich auch dann noch über alle diese Ressourcen verfügen werde, mit denen ich heut schon recht gut durchs Leben komme. Im Zweifelsfall werden es eher noch mehr werden, weil ich ein kluges Köpfchen mit schneller Auffassungsgabe bin! Sorry Mama, Papa hat recht! Was soll denn schon schief gehen?

Eure Constance

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Tik Tak Tik Tak…

Zeit: in Stein gemeißelt und am Ende doch relativ