Amy Edmondson

Warum High Performance Teams besonders viele Fehler machen

Und wöchentlich Grüße das Murmeltier… Immer wieder High Performance

Ich weiß, schon in der letzten Woche ging es um High Performance… und diese Woche schon wieder! Nicht besonders innovativ. Aber das Thema High Performance lässt mich einfach nicht mehr los, ist es doch jetzt mein Job, die Teams, die sich mir anvertrauen, auf ihrem Weg von guten Performern zu High Performern zu begleiten, Impulse zu setzen und mit Rat und manchmal auch Tat zur Seite zu stehen. Und ganz unter uns, hierbei ist guter Rat manchmal wirklich teuer. Was ist er denn nun, der sagenumwobene Unterscheid zwischen uns “Normalos” und diesen Überfliegern, diesen Teams, die außergewöhnlich innovativ und leistungsstark sind? Einige Faktoren habe ich in den letzten Wochen und Monaten ja immer wieder beleuchtet. Erst in der letzten Woche ging es um Führung in High Performance Teams und auch mein letzter Blog zum Thema Feedback ist noch nicht allzu lange her. Ja, es gibt sie, diese Zutatenliste für High Performance und die allermeisten Punkte sind ausgesprochen einleuchtend und machen auch für Nicht-Psychologen und Nicht-Forscher Sinn. Hier und da stoße ich aber auch auf Statements, die mich durchaus überraschen.

Auf meiner Suche nach High Performance nutze ich immer wieder gerne eine Hand voll Quellen. Eine davon ist die Harvard Professorin Amy C. Edmondson, die sich bereits seit ihrem eigenen Studium damit beschäftigt hat, was Organisationen brauchen, um besonders erfolgreich zu sein. Als sich Amy schließlich auf die Suche nach einem Thema für ihre Doktorarbeit machte, führte sie ihr Weg zunächst ins Krankenhaus. Sie wurde Teil eines Forschungsteams, das medizinische Fehler in Krankenhäusern untersuchte. Zunächst ging es ihr darum, Erfahrungen zu sammeln, wie es Organisationen in einer zunehmend herausfordernden und schnelllebigen Welt gelingt, erfolgreich zu sein. Besonders die Idee, aus Fehlern zu lernen, um die eigene Leistung stetig zu verbessern, trieb die damals junge Doktorandin an.

Wie eine zufällige Entdeckung zum lebenslangen Forschungsprojekt wurde

Zu Beginn der Studie war Amys durchaus einleuchtende These, dass das effektivste und erfolgreichste Team auch die wenigsten Fehler macht. Es wurde eine Matrix entwickelt, die die Fehlerquote pro 1000 Patiententage darstellt und dann wurden für einen Zeitraum von sechs Monaten Daten gesammelt. Nach diesen sechs Monaten stellte Edmondson tatsächlich fest, dass es eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Effektivität eines Teams und dessen Fehlerrate gab. Allerdings kam unserer Forscherin das Ergebnis irgendwie falschherum vor… Es waren nicht die effektivsten Teams, die die wenigsten Fehler machen. Das Gegenteil war der Fall. Tatsächlich machten die effektivsten Teams sogar die meisten Fehler. Wie frustrierend, verwirrend und unfassbar muss sich das für eine junge Doktorandin anfühlen, wenn nach einem halben Jahr intensiver Grundlagenforschen die Einstiegshypothese im Nichts verpufft? Aber anstatt das Thema loszulassen und sich ein neues Thema für ihre Dissertation zu suchen, beschäftigte sich die junge Amy damit, ob es denn wirklich sein kann, dass erfolgreiche Teams mehr Fehler machen, als weniger erfolgreiche. Oder kommunizieren erfolgreiche Teams ihre Fehler einfach nur häufiger? Nach eigenen Angaben war es Amys persönlicher Heureka-Moment, als sie die These entwickelt, dass es in den erfolgreicheren Teams eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens gibt, die es erleichtert, über Fehler zu berichten und diese zu diskutieren, um dann im Team daraus zu lernen. Was zunächst nur eine Vermutung war, musste in der Folge mit Fakten gesichert werden.

In ihrer initialen Studie fand Edmandson heraus, dass dieses Gefühl von Vertrauen und Offenheit, dass sie fortan als Psychological Safety bezeichnet, selbst zwischen einzelnen Teams innerhalb eines einzigen Krankenhauses unterschiedlich ausgeprägt und sehr stark durch die jeweiligen Führungskräfte geprägt war. Vielleicht habt ihr ja auch schon die Erfahrung gemacht, dass es selbst im gleichen Unternehmen Abteilungen oder Teams gibt, in denen es einfach und selbstverständlich ist, das Wort zu ergreifen und im Team nebenan ist genau das, wenn überhaupt, die absolute Ultima Ratio. Noch eine Tür weiter wird vielleicht sogar komplett geschwiegen. Bereits in ihrer ersten Studie konnte Edmondson nachweisen, dass die offenen Teams die erfolgreicheren waren und sind.

Edmondson wurde Professorin und forschte schließlich gemeinsam mit ihren Doktoranden weiter; in Krankenhäusern, Unternehmen, Regierungsorganisationen. Sie kam zum Ergebnis, dass Psychological Safety überall unterschiedlich stark ausgeprägt ist und großen Einfluss auf das Lernverhalten und der objektiv messbaren Leistung hat. Zwischenzeitlich haben sich dutzende von Forschern mit dem Phänomen der Psychological Safety beschäftigt und sind übereinkommend zu dem Ergebnis gekommen, dass Psychological Safety bessere Leistung (im Falle von Krankenhäusern sogar weniger Tote) und besseres Lernen hervorruft. Basis für dieses bessere Lernen ist vor allem eine offene Fehlerkultur, die die Grundlage dafür darstellt, dass Teams oder im besten Fall sogar ganze Organisationen in der Lage sind, sich stetig weiterzuentwickeln und auf ein sich permanent änderndes Umfeld zu reagieren. Edmondson nennt das schließlich eine Lernende Organisation, die beste Möglichkeit um auf das komplexe und dynamische Umfeld unserer Vuca-Welt zu reagieren. Außerdem nimmt das Gefühl der Psychological Safety die Angst und Unsicherheit, die die inzwischen allgegenwärtigen Veränderungsprozesse bei uns Menschen für gewöhnlich hervorrufen. So können sich Menschen auch während eines Veränderungsprozesses besser auf das Erreichen der gemeinsamen Ziele konzentrieren, anstatt vor allem auf Selbstschutz zu achten. Diese Erkenntnis ist übrigens noch ein ganzes Stück älter, als Amys Doktorarbeit. Bereits Mitte der 1960er Jahre hat Prof. Edgar Schein, der am Massachusetts Institute of Technology lehrte, eine diesbezügliche Arbeit veröffentlicht.

Fehlerkultur, Führung und Psychological Safety - Weil sich alles bedingt

Also, ich fasse zusammen: Fehler sind in High Performance Teams ein wichtiger Teil des natürlichen Entwicklungsprozesses und je offener Fehler kommuniziert werden dürfen, desto mehr Möglichkeiten hat man, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln… Und deshalb jetzt noch einmal zu den Führungskräften, die laut Amy diese Psychological Safety in ihren Teams und Organisationen maßgeblich beeinflussen: Liebe Führungskräfte, wie geht ihr mit Fehlern um, die in euren Teams oder Organisationen gemacht werden? Werden sie euch überhaupt mitgeteilt, oder werden sie aus Angst oder Unsicherheit lieber vertuscht und der Organisation somit auch die Möglichkeit genommen, sich weiterzuentwickeln und erfolgreicher zu werden? Ich erlebe immer wieder Führungskräfte, die von ihren Leuten völlig nachvollziehbar Höchstleistungen erwarten. Als Führungskraft würde ich das auch erwarten, unbedingt sogar. Allerdings würde ich es nicht mit Druck versuchen, sondern mit dem Vertrauen, dass jeder einzelne Mitarbeiter sein Bestes gibt, engagiert und nach bestem Wissen und wenn Fehler passieren, dann weil Fehler eben passieren! Niemand weiß alles und kann alles und auch die ganz besonders hellstrahlenden Führungskräfte sind nicht fehlerfrei und mögen es sicher auch nicht, dass man ihnen dabei Unwissenheit, Unachtsamkeit, Faulheit oder Schlampigkeit unterstellt. Also liebe Führungskräfte, Amy hat den wissenschaftlichen Beweis erbracht, dass eine offene Fehler- und Feedbackkultur zu High Performance führt und die Basis dazu ist diese sagenumwobene Psychological Safety. Also legt los in dem ihr vertraut! Übrigens macht Google das auch und Google darf ja durchaus als erfolgreiche Organisation bezeichnet werden. Julia Rozovsky, ihres Zeichens Manager of People Analytics, fasst das Thema der Psychological Safety wie folgt zusammen: “Psychological Safety war mit Abstand die wichtigste der fünf Schlüsseldynamiken, die wir gefunden haben. Sie war die Grundlage der anderen vier.”

Und jetzt?

Die Gretchenfrage ist und bleibt zu mindestens für mich wie man diese Psychological Safety jetzt in eine Organisation hineinträgt. Auf jeden Fall geht das nicht von heute auf morgen und man muss auf vielen Ebenen aktiv werden. Klar ist es sinnvoll, vor allem auf der Führungsebene anzufangen. Aber auch Führungskräfte brauchen Psychological Safety um zu Vertrauen und auch ihrerseits Fehler zuzugeben und ihren Mitarbeitern einen sicheren Rahmen zu bieten. Wer gibt Führungskräften diese Sicherheit? Klar könnte man sagen, die stehen so weit oben, die müssen diese Sicherheit in sich selbst finden. Aber hier sprechen wir von Emotionen und das Gefühl, besonders weit oben zu stehen, macht auch häufig Angst vor einem tiefen Fall, von der Last der Verantwortung ganz zu schweigen. Ich denke, mir als Coach bleibt nicht mehr und nicht weniger, als Menschen über Hierarchiegrenzen hinweg in den Austausch zu bringen, miteinander zu reden, Feedback nicht nur zu geben, sondern aus Feedback eine Feedbackkultur werden zu lassen und sich darüber die Sicherheit zu erarbeiten, die es bedarf, um auch über Fehler offen reden zu können, damit man daraus schließlich auch lernen kann um sich und sein Team weiterzuentwickeln… Das scheint irgendwie nicht viel, aber wenn es funktioniert ist es gewaltig!

Genießt den aufkommenden Frühling!

Eure Constance

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Fehler passieren

Deshalb muss man sich zusammensetzen und darüber reden!

Agil-hybride Wasserfälle und warum der Mensch dann doch immer macht was er will, oder was er fühlt

Über Komplexität und menschliche Grundbedürfnisse

Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Woche. Meine war komplex und ereignisreich und ich habe das Bedürfnis, meine persönliche Quintessenz daraus mit euch zu teilen. Für all jene, die sich auf meinen Exkurs in die Welt der systemischen Fragen gefreut haben: keine Sorge, nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Ja, was war los? Ich hatte die große Freude, endlich mal wieder im Lehrsaal stehen zu dürfen. Die Erkenntnis daraus ist und bleibt, dass das natürliche Habitat eines Trainers nicht der Schreibtisch sein kann. Aber abgesehen davon, hatte ich diese Woche auch wirklich großartige Teilnehmer, die mich nicht nur daran erinnert haben, warum ich Trainer geworden bin, sondern mir auch sehr deutlich vor Augen geführt haben, worauf es wirklich ankommt, wenn es darum geht, die Komplexität zu managen, die die Arbeitswelt so mit sich bringt. Liebe Grüße nach Leipzig! Ich freu mich schon darauf, euch am Donnerstag wiederzusehen.

Weil die Welt sich dreht und dreht und dreht

Nichts ist so gewiss wie der Wandel und in der Unternehmenswelt ist dieser Wandel sehr greifbar und allgegenwärtig. Was gestern noch der neuste heißeste Scheiß war, ist heute schon wieder Schnee von gestern und was morgen kommt, weiß man noch nicht, aber sicher wird es auch wieder einen ziemlich coolen Namen haben. Während eben noch alles “Lean” sein sollte, schreien heute alle nach Agilität, oder vielleicht dann doch schon “Hybrid”! Hört sich halbwegs klug an, oder?! Manchmal habe ich das Gefühl, dass zielgenaues “Slang Dropping” heutzutage eine der wichtigsten Kernkompetenzen für eine möglichst steile Karriere sein muss. Und natürlich hat jeder, der spontan zwischen Toilette und Kaffee-Küche eine Entscheidung trifft, ein agiles Mindset. Logisch, was auch sonst.

Die Frage, die mich umtreibt, ist, warum man das Rad gefühlt jedes Jahr neu erfinden muss. Das ist super anstrengend und mega verwirrend! Ich denke, viele Unternehmen nehmen wahr, dass das Umfeld, in dem sie agieren immer komplexer wird. Die Anforderungen steigen, die Konkurrenz wird härter. Dankenswerterweise entdecken immer mehr Unternehmen die Bedeutung des Faktors Mensch, ihr sogenanntes Humanvermögen und suchen nach Möglichkeiten und Strategien, dieses Humanvermögen bestmöglich für sich zu nutzen. Als Human Factors Trainer gebe ich dafür natürlich zwei Daumen hoch. Allerdings stellt sich mir die Frage, was der Mensch denn nun wirklich braucht. Und ich bin da leider sehr wenig hip, um nicht zu sagen ich bin altmodisch. Ich hänge noch immer in der altbekannten Maslowschen Bedürfnispyramide fest. -Weil es so einfach und einleuchtend ist.

Von der Maslowschen Bedürfnispyramide zu agilen Strukturen

Im Jahr 1943 veröffentlichte der US-amerikanische Sozialpsychologe Abraham Maslow seine Pyramide der Grundbedürfnisse. Auf der ersten Stufe stehen die physiologischen Grundbedürfnisse: Hunger, Durst, Schlafen, Sexualität. Wenn ich mir Essen und Trinken leisten kann, weil ich ein angemessenes Gehalt habe und Arbeitszeiten, die es mir ermöglichen ausreichend Schlaf zu bekommen, steht schon mal die Basis (mit freundlichen Grüßen vom Mindestlohn!). Aus dem Thema Sexualität und Büroromanzen halte ich mich in diesem Zusammenhang raus, obwohl ich einen Kollegen geheiratet habe!

Kommen wir also zu Stufe zwei, mein Sicherheitsbedürfnis. Unternehmen können eine Menge dazu beitragen, dass ihre Angestellten sich sicher, oder eben total verunsichert fühlen. Eine besonderen Verantwortung entfällt hier auf die Führungskräfte, die wiederum maßgeblich Einfluss auf die Unternehmenskultur haben. Ich erlebe es leider immer wieder, dass es Führungskräfte (sogar Topmanager) gibt, die glauben, Angst würde zu Höchstleistungen führen. Ich glaube ich wiederhole mich hier, aber ich kann es nicht oft genug sagen: wenn die Höchstleistung, die ich brauche, um als Unternehmen erfolgreich zu sein, sehr schnelles Laufen oder sehr kraftvolles Zuschlagen ist, dann ist das richtig. Benötigt mein Unternehmen jedoch kreative, bzw. kognitive Höchstleistung um erfolgreich zu sein, kann ich den Laden an dieser Stelle auch dicht machen. Unter Stress (und Angst macht sehr viel Stress) kann meine Großhirnrinde nicht arbeiten. Naturwissenschaftlicher Fakt und nicht wegzudiskutieren!

Auf zu Stufe drei, den sozialen Bedürfnissen. Weil ich mich zugehörig fühlen möchte, sind Unternehmen gut beraten, großen Wert auf funktionierende Teamstrukturen und teambildende Maßnahmen zu legen. Ich persönlich denke, dass das eine der großen Herausforderungen im Homeoffice ist. Der Coffee-Kitchen-Talk ist super wichtig für das Wir-Gefühl. Schwierig über Teamspeak oder Zoom, oder?

Wenn das Wir-Gefühl passt, dürfen wir schließlich auf der vierten Stufe weitermachen. Sind unsere sozialen Bedürfnisse befriedigt, dürstet es uns Menschen nach Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Liebe Chefs, das altbekannte Motto “nicht getadelt ist doch schon gelobt” greift hier nicht! Im Gegenteil Wirklich schwer ist das doch auch nicht. Ein kleiner Anfang ist, dass die Chefs damit anfangen, ihre Mitarbeiter bewusst wahrzunehmen und das Wahrgenommene dann auch anzusprechen: “Ich habe heute mitbekommen, wie geduldig und strukturiert Sie vorhin mit dem Kunden am Telefon gesprochen haben. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich selbst so ruhig geblieben wäre. Respekt!”. Kleines Konkretes Tool zum Üben: Steckt euch je nach Teamgröße ein bis vier Steinchen in die rechte Hosentasche. Bei jedem konkreten positiven Feedback dürft ihr ein Steinchen in die linke Hosentasche wandern lassen. Ziel ist es, dass am Ende des Tages alle Steinchen links sind. Es wird dazu führen, dass ihr eure Kollegen wohlwollend bewusst wahrnehmen. Eure Kollegen werden das als sehr positiv empfinden.

Stufe zwei, drei und vier fasst die von mir sehr geschätzte Harvard-Professorin Amy Edmondson als Psychological Safety zusammen, die Basis für das, was sie als Lernende Organisation bezeichnet. Ihr seht, es ist immer der gleiche alte Kram in neuen Kleidern. Den Menschen wird keiner neu erfinden. Der ist einfach so wie er ist und das ist auch gut so.

Gut, zurück zu Maslow: wenn ihr es geschafft habt, diese ersten vier Stufen als feste Basis zu implementieren, dann dürft ihr vorsichtig anfangen, an Ideen wie Agilität zu denken. Stufe fünf der Maslowschen Bedürfnispyramide ist schließlich die kreative Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung. Genau hierbei sollen agile Methoden oder Strukturen den Menschen unterstützen.

Ich persönlich finde Agilität äußerst spannend und faszinierend. Ich denke sogar darüber nach, auch noch mal eine Ausbildung zum agilen Coach zu machen. Aber ich glaube nicht, dass Agilität ein Allheilmittel ist. Es gibt einige wirklich großartige agile Methoden, die Menschen toll bei ihrer Arbeit unterstützen können, ihnen Struktur und Freiraum für Kreativität schaffen. Aber eine agile Transformation löst per se keine Probleme. Im Gegenteil: Wenn die Basis nicht passt, hat eine solche Transformation das Potenzial, sogar mehr Probleme zu schaffen, als zu lösen.

Über agile Mindsets, agile Strukturen und warum Menschen keine Computer sind

Allein wenn wir uns vor Augen führen, dass Agilität ursprünglich mal eine kluge Strategie zur Softwareentwicklung war, die plötzlich zur Managementmethode wurde, muss doch klar sein, dass man hier mit sehr offenem Geist und einiger Vorsicht zu Werke schreiten sollte, denn Menschen sind keine Softwareprogramme. Menschen sind deutlich komplexer. Die Grundidee von Agilität als Managementmethode ist, den Menschen Raum zu schaffen, sich eigenverantwortlich und selbstständig zu organisieren, um schließlich Höchstleistung zu erbringen. Bis hierher klatscht der Human Factors Trainer laut Beifall. Allerdings hat Agilität an dieser Stelle einen nicht unbedeutenden blinden Fleck: zwar sind Verantwortung und Mitgestaltung wichtige Komponenten für Zufriedenheit und Selbstverwirklichung (wir sind bei Stufe fünf!). Allerdings setzt Maslow hier voraus, dass der Mensch sein Maß an Verantwortung selbst wählen darf. Agilität zwingt zur Eigenverantwortung. Dieser Zwang kann leicht zu Verunsicherung führen, besonders bei all jenen, die eigentlich gar nicht so viel Verantwortung übernehmen möchten, die lieber einen Chef haben, der zwar sagt, wo es lang geht, der aber auch die Verantwortung dafür übernimmt. Zack bricht uns die Basis unserer Pyramide weg. Das war es dann auch erstmal mit kreativen Höchstleistungen.

Nun ist guter Rat teuer, denn wenn ich im Training letzte Woche mal wieder an eines sehr deutlich erinnert wurde, dann daran, dass Menschen unterschiedlich sind, unterschiedliche Bedürfnisse haben, was ja auch gut und richtig so ist. Nein, wir sind keine Computer oder berechenbare Softwaresysteme. Menschen sind komplex wie die Welt, die sie umgibt. Aus diesem Grund sind gerade in Strukturen, in denen man Führung auflöst, meiner Meinung nach ganz besonders die Führungskräfte gefragt. Gefragt ist eine neue Form der Führung, in der ich nicht mehr die abschließende Entscheidung treffe, oder sage in welche Richtung es geht. Viel mehr sind es meine Aufgaben, darauf zu achten, dass die Basisbedürfnisse meiner Mitarbeiter gestillt sind und dass ich diejenigen Mitarbeiter erkenne und unterstütze, die gar nicht so viel Verantwortung übernehmen möchten oder noch eine Extraportion Sicherheit benötigen, denn auch diese Mitarbeiter stellen sich häufig als besonders wertvolle Ressource für das Team heraus. Vielleicht ist man dann auf einem hybriden Weg unterwegs, was meiner Meinung nach jedoch viel agiler ist, als auf Teufel komm raus Strukturen um deren selbst Zweck einzuführen, um auf dem Papier agil, oder was auch immer zu sein. Man darf eben denn Sinn und Zweck seines Handelns nicht vergessen: es geht darum, den Menschen als Schlüssel zum Erfolg die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Das geht eben nur über Maslows Pyramide und ganz unter uns, es gibt auch traditionell hierarchische Strukturen, die es schaffen, ihren Mitarbeitern genügend Raum für Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung zu schaffen. Vielleicht hat man in diesen Strukturen ja auch ein agiles Mindset, ohne auf dem Papier agil zu sein.

Ich betrachte Wirtschaftsorganisationen gerne als lebendige Konstrukte, die komplex und einzigartig sind und die besonders flexiblen und besonders lebendigen unter ihnen schaffen es, innerhalb kürzester Zeit auf die sie umgebende Komplexität zu reagieren. Erfolg hat hierbei weniger mit den Organigrammen, sondern viel mehr mit der Unternehmenskultur zu tun. Wenn ein agiles Mindset das ist, was es braucht, um den Mut aufzubringen, seinen Mitarbeitern Raum zu geben und zu vertrauen und wenn es agile Methoden sind, die diesen Mitarbeitern den Rahmen für ihr Tun geben, ist das doch ganz wunderbar. Wenn Unternehmen zu diesem Zweck etwas anderes für sich gefunden haben, ist das genau so gut. Es ist der Mensch, der im Zentrum all unserer Mühen stehen sollte.

Das Kernthema meiner Schulung in der letzten Woche war übrigens “Komplexität managen”! Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger. Und ich persönlich glaube, dass die Welt nach Corona vielleicht noch etwas komplexer und der Druck auf Unternehmen, um zu überleben, noch etwas größer werden wird. Aber Manager, die gebetsmühlenartig Horrorszenarien zeichnen, werden sich schwer tun, erfolgreich aus der Krise hervorzugehen. Vielmehr werden es diejenigen Unternehmen und Organisationen sein, die es, obwohl die Welt um sie grade im Chaos liegt, schaffen, ihren Mitarbeitern das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit zu vermitteln.

Eure Constance

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Agilität als Mangementmethode

Ein großes Geschenk oder doch die Büchse der Pandora?

Über Followership! -Weil alle immer nur von Leadership sprechen

Führung, Führung, überall Führung

Mir fällt immer wieder auf, dass sich alle Welt (ich selbst eingeschlossen) permanent Gedanken um “gute” Führung macht. Unmengen von Büchern wurden darüber geschrieben, Modelle entwickelt und mit Leadership-Seminaren und Führungs-Coachings verdient eine ganze Industrie ihr Geld. Jeder hat eine Meinung dazu, wie eine gute Führungskraft sein muss.

Gefolgschaft? Was?

Hat sich von euch schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, was denn guter Followership ist? Allein die deutsche Übersetzung fühlt sich irgendwie sperrig an: Gefolgschaft! Total unmodern! Und überhaupt, was soll an Gefolgschaft denn so schwer sein? Hinterherlaufen, nicht auffallen und schön machen, was der Chef sagt! Dann läufts, dann ist das gute Gefolgschaft. Da der Mensch evolutionshistorisch ein hierarchisch geprägtes Wesen ist, kann er das schon seit Millionen Jahren ziemlich gut. Das Problem, werte Leserschaft, ist jedoch, dass wir inzwischen nicht mehr in Höhlen wohnen, sondern uns in einem sehr komplexen Umfeld zurecht finden müssen. Das, was in den Höhlen unser Überleben gesichert hat, ist inzwischen weitestgehend kontraproduktiv geworden. Das Problem hierbei ist, dass die läppischen paar tausend Jahre mehr oder weniger moderner Zivilisation die Jahrmillionen Evolution nicht auslöschen können. Wenn wir Menschen nicht beibringen, wie gute Gefolgschaft oder guter Followership geht, dann machen Menschen das, was sich über Jahrmillionen bewährt hat, zum Teil mit fatalen Folgen. Wer meinen letzten Blog mitverfolgt hat, hat dort über einen Flugingenieur gelesen, der evolutionshistorisch betrachtet gerade zu perfekt gefolgt ist: Er ist dem Chef im übertragenem Sinne brav hinterher gelaufen. Um nicht weiter aufzufallen, hat er brav den Mund gehalten und vor allem hat er den Chef zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. All das hat irgendwann mal das Überleben der Menschheit gesichert. Aber am 27. März 1977 hat dieses ganz normal menschliche Verhalten auf einen Schlag 583 Menschen das Leben gekostet.

Warum Followership heutzutage ebenso komplex ist wie Leadership

Es ist also an der Zeit, umzudenken und den Menschen im Rahmen von Schulungen auf die Herausforderungen dieses modernen, schnellen Lebens vorzubereiten. Denn Fakt ist, die Evolution hat das nicht getan. Wir sind für ganz eindeutige Schwarz-Weiß-Situationen gemacht, für Gut und Böse, Freund und Feind. In einer Welt, in der die Übergänge inzwischen fließend sind, müssen wir tatsächlich ein wenig Energie darauf verwenden, uns neu zu orientieren. Dabei hilft uns diese unfassbare Black-Box, die wir als Gehirn bezeichnen. Mit schier unendlichen Kapazitäten ist unser Gehirn in der Lage immer weiter dazu zu lernen, durch Verständnis, Einsicht und gesammelten Erfahrungen. So wurden viele moderne Führungskräfte inzwischen zu recht kooperativen und umgänglichen Zeitgenossen. Der Mehrwert für sie selbst, die Unternehmen und ihre Mitarbeiter ist enorm. Man stelle sich den Mehrwert vor, wenn Unternehmen ihre Follower genauso auf ihre Rolle vorbereiten würden, wie sie es mit ihren Leadern tun?

Die von mir immer und immer und immer wieder zitierte Harvardprofessorin Amy C. Edmondson kam mal mit der These daher, dass kein Mensch morgens aufwache, aus dem Bett springe und zur Arbeit gehe, weil er es nicht abwarten könne, unwissend, inkompetent, aufdringlich und negativ zu wirken. Ich denke, damit hat sie recht. Keiner von uns will aus der Masse hervorstechen, schon gar nicht negativ. Immerhin waren es die, die aus der Masse hervor gestochen sind, die getötet oder gefressen wurden. In der Tierwelt sichern viele Beutetiere so noch immer noch das Überleben ihrer Art. Aber zurück zu Amy und uns, die wir alle nicht unwissend, inkompetent, aufdringlich und negativ wirken wollen. Lasst mich mal aufdröseln, was dieser nachvollziehbare menschliche Wunsch denn eigentlich bedeutet:

  • Was darf ich also auf keinen Fall tun, um dadurch nicht unwissend zu wirken? Erst selbst nachdenken, dann weiterlesen… Genau, bloß keine Fragen stellen. Schon in der Sesamstraße lernen Kinder weltweit “wer nicht fragt bleibt dumm”, was dann aber auch heißt: wer noch Fragen hat ist dumm!

  • Inkompetent: böses Wort! Was tun Menschen, die auf uns inkompetent wirken? - Auch bitte erst wieder selbst nachdenken - Schwächen zugeben! Auf keinen Fall! Macht das nicht. Das macht euch angreifbar und lässt euch inkompetent wirken.

  • Und was sollten wir tunlichst unterlassen, damit andere uns im Job nicht für aufdringlich halten? … Und? Ja, genau, die Schlaubi-Schlümpfe, die ständig das Rad neu erfinden wollen, weil sie permanent neue Ideen haben, die sind anstrengend, so wollen wir nicht sein! Also auf keinen Fall neue Ideen proaktiv anbieten.

  • Abschießend haben wir dann noch die Negativen! Was tun die, damit sie als negativ wahrgenommen werden und was sollte ich dann also auf keinen Fall tun? Ganz einfach: Kritisiere nie den Status Quo! Voll negativ!

Zack, und schon hat sich dieser Satz von Amy, den wir alle zunächst abnicken konnten, total relativiert, weil wir eben nicht mehr in Höhlen sitzen, sondern in höchst komplexen Umfeldern unterwegs sind, die einer allein gar nicht mehr überblicken kann. Um das Schiff trotzdem sicher durchs Packeis zu lenken, brauchen unsere Führungskräfte Menschen, die Fragen, wenn sie sich nicht sicher sind, die Schwächen zugeben, um so entweder ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden zu können, oder weiterentwickelt werden. Alles zum Wohle und zum Erfolg des Teams und der Organisation. Außerdem brauchen Chefs Leute mit neuen Ideen, die auch den Mut haben, diese zu kommunizieren und Menschen, die den Status Quo nicht einfach so hinnehmen und dadurch zur permanenten Weiterentwicklung beitragen. So unglaublich wertvolle Qualitäten, die wir aber nicht von alleine abrufen können, weil die Evolution uns ursprünglich anders gepolt hat!

Die Verantwortung der Führungskräfte

“So so,” denkt sich also die gewiefte Führungskraft, “dann kaufe ich halt mal flott ein paar Workshops für meine Leute ein und alles wird gut!”. Hier muss ich leider enttäuschen! Denn Unternehmenskultur verspeist Workshops gerne mal zum Frühstück (Unternehmenskodexe und Strategien übrigens auch). Was das heißt? Klar ist es nicht schwer, allen Mitarbeitern das bislang Erzählte beizubringen. Aber nach der Schulung erwarten wir dann, dass diese Menschen das Gegenteil von dem tun, was irgendwann mal das Überleben der Menschheit gesichert hat. Unser Angsthirn begibt sich in solchen Situationen in Lebensgefahr, weil es nicht zwischen konkreter und abstrakter Gefahr unterscheiden kann. Das macht das Hirn nur mit, wenn sich der Mensch ansonsten absolut sicher fühlt. Diese Sicherheit können Führungskräfte und eine entsprechende Unternehmenskultur ihren Mitarbeitern geben. So lernt das Hirn mit der Zeit dann auch, dass Stop sagen, Fragen stellen, Schwächen zugeben und aus der grauen Masse hervorstechen doch nicht lebensgefährlich ist und es wird von mal zu mal einfacher.

Die Lehren der Geschichte

Ich sehe die “Gefolgschaft” applaudieren und sich entspannt zurücklehnen. “Dann sollen die Führungskräfte halt erstmal vorlegen und wenn ich mich dann sicher genug fühle, lege ich nach!” Aber so läuft es auch nicht liebe Nicht-Führungskräfte, denn Verantwortung tragen wir alle. Klar ist es einfacher, Veränderungen von oben her zu implementieren, aber wer sich mal die Geschichte anschaut und sich in Erinnerung ruft, wer die wirklich großen gesellschaftlichen Veränderungen bewirkt hat, war das dann doch immer das Fußvolk. Die Französische Revolution ist da nur ein Beispiel von vielen. Es braucht nur alles ganz viel Mut. Bezogen auf unseren holländischen Flugingenieur in Teneriffa hätte das bedeutet, dass, wenn er Verantwortung übernommen hätte, er nicht nur viele andere Menschenleben hätte retten können, sondern auch sein eigenes. Wenn das mal kein Grund ist!

Wer mich kennt, kennt meine Verbundenheit zu Südafrika und wer mich etwas besser kennt, weiß, dass ein Südafrikaner mich trotz all seiner Fehler und Unzulänglichkeiten besonders beeindruckt hat: Nelson Mandela, von Terroristen zum demokratisch gewählten Führer eines Landes im Umbruch. Diese großartigste Führungskraft seines Landes war ursprünglich auch nur Gefolgschaft. Die eigentliche große Führungspersönlichkeit des Widerstandes war der hier eher unbekannte Walter Sisulu. In seinem Schatten wurde Nelson Mandela zur besten Gefolgschaft, die Sisulu sich wahrscheinlich hätte wünschen können. Und als der Tag kam, an dem sich die Ära der Apartheid in Südafrika ihrem Ende zuneigte (übrigens auch eher weil es ein unbedingter Wille des Fußvolkes war, nicht der Mächtigen), entschied Sisulu, dass er zu alt war, um als erster schwarzer Präsident die Regenbogennation zu einen. Er überließ das Feld Mandela. Ob Mandela das überhaupt so wollte, das wurde er nie gefragt. Manchmal entwickeln sich die Dinge auf einzigartige Weise. In jedem Fall zeigt es, dass eine natürliche Wechselwirkung zwischen Leadership und Followership am Ende zu echter Teamwork wird.

Poesie am Sonntag Nachmittag

Am Tag seines Amtsantritts rezitierte Mandela im Rahmen seiner Rede ein Gedicht der Schriftstellerin Marianne Williamson, das in tausend mal schöneren Worten unser Angst aus der Masse hervor zu treten zusammenfasst, als ich es je könnte. Und weil man an Sonntagen meiner Ansicht nach auch immer ein bisschen Poesie gebrauchen kann, möchte ich diese Blog auch mit einem Auszug aus eben diesem Gedicht beschließen:

“Unsere Größte Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere größte Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, die uns am meisten Angst macht. Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert, phantastisch zu nennen?”

Ich wünsche Euch einen phantastischen Sonntag! Und seid brillant!

Eure Constance

Persönlichkeitsentwicklung… Ein verdammt langer Weg, den man zeitlebens nicht zu Ende bringt! Also nur Mut!

Persönlichkeitsentwicklung… Ein verdammt langer Weg, den man zeitlebens nicht zu Ende bringt! Also nur Mut!