Was man so erzählt…
“Das Bessere ist der Feind des Guten!” -Klingt einleuchtend und wir hören ähnliche Aussagen immer wieder in unserer sich permanent verändernden Welt. Wie schnell ist so ein kluger Satz doch daher gesagt. Aber was bedeutet es, wenn das Bessere tatsächlich zum Feind des Guten erklärt wird? Betrachten wir uns das mal auf Organisationsebene, obgleich es ebenso Gültigkeit für Teamentwicklungen und sogar im Rahmen Deiner ganz individuellen Persönlichkeitsentwicklung hat. Wir sind also Teil einer Organisation. Im zitierten Satz steht das Gute metaphorisch für das Bisherige, die bisherige Zusammenarbeit, die bisherigen Ergebnisse. Wir stellen uns vor, dass dieses Bisherige, das Gute also, nicht schlecht war. Es war gut! Aus diesem Grund sind wir als Menschen in dieser Organisation im Prinzip mit dem Guten in einer positiven Verbindung, gegebenenfalls sogar in einer Allianz. Man könnte fast meinen, wir seien mit dem Guten befreundet. Nun kommt also mit viel Glamour, Glitzer und unter tosendem Beifall das Besser daher, das Neue. Konfetti fliegt! Es sieht ziemlich verlockend aus, verkündet jedoch breit grinsend: “Und ganz nebenbei, ich bin der Feind Eures Freundes, also quasi dann auch ein bisschen Euer Feind! Aber weil ich besser bin, möchte ich Euch bitten, mir ins Leben zu helfen.” Wie motiviert wärt Ihr in einer solchen Situation, dem Bessern tatsächlich in den Sattel zu helfen, es mit Leben zu füllen? -Wo es doch alles, was Ihr bisher geleistet habt, so konsequent zu seinem Feind erklärt. -Konfetti hin, Konfetti her…
Die Bedeutung der Veränderung ergründen
Was ist in unserem Beispiel passiert? Im Prinzip kam es durch dieses allseits beliebte Zitat zu einer Entwertung des Bisherigen, zu einer Entwertung der bisherigen Leistungen der Mitglieder der Organisation. Natürlich drückt das die intrinsische Motivation für die anstehende Veränderung ungemein und der Veränderungsprozess stagniert. Häufig setzten wir uns in Hinblick auf anstehende Veränderungen vor allem mit den Inhalten dieser Veränderungen auseinander. Wir erliegen dem Trugschluss, wenn der Inhalt ganz besonders toll glitzert, wird die Veränderung positive angenommen und gelingen. Das Zielbild muss eben inhaltlich nur schick genug sein. Es ist jedoch die Bedeutung der Veränderung, die letzten Endes entscheidend für die Umsetzung ist. -In unserem exemplarischen Fall wäre die Bedeutung in etwas folgendes: “Das was bisher war, war alles Käse. Erkennt also, dass Ihr bisher Blödsinn getrieben habt und schließt Euch dem Besseren an, das wird Euch schon zeigen, wie es geht!” Erkenne ich also das Bessere als solches an und setze es um, müsste ich mir gleichzeitig eingestehen, dass ich bisher auf dem Holzweg war. Tolle Bedeutung! Danke dafür. Ich befinde mich in einem Dilemma. Das Zielbild sieht vielleicht ganz gut aus, würde ich mich jedoch darauf einlassen, würde es bedeuten, dass ich bisher nicht gut (genug) war.
Diese Frage nach der Bedeutung bringt uns unweigerliche zu der weiterführenden Frage, wer diese Bedeutung gibt. Ich weiß, dass ich in den letzten Wochen Dr. Gunther Schmidt immer wieder zitiert habe. Was daran liegt, dass ich mich gerade in einer Weiterbildung befinde, in der er selbst und seine hypnosystemischen Ansätze sehr präsent sind. Ich fürchte, ich muss ihn auch an dieser Stelle wieder zu Rate ziehen. Dr. Gunther Schmidt würde die Frage, wer im Rahmen eines Veränderungsprozesses die Bedeutung gibt, ganz klar mit “der Sinnstifter” beantworten. Für Schmidt ist der Sinnstifter die machtvollste Person im Beratungssystem -Also der Chef.
Warum Berater die Leads als erstens ins Boot holen sollten
Nicht selten erlebe ich Führungskräfte, die das Etablierte, das Altbewährte in ihrem positiven Ansinnen Teams, Prozesse oder Organisationen weiterzuentwickeln, konsequent herabwürdigen. Das passiert in den aller wenigsten Situationen tatsächlich bewusst oder aus einer gefühlten Respektlosigkeit heraus. -Im Gegenteil. Häufig macht der Chef sich ausführlich Gedanken über eine Kommunikationsstrategie, die mitreißend wirkt, motivierend und positiv sein soll. Glitzernd, verführerisch, bunt, am besten mit einer Party zur Verkündung! Und ja, ich liebe Konfetti und Partys. -Allerdings nicht, wenn ich antreten soll, um das Konfetti wieder zusammen zu kehren. Hat von Euch schon mal jemand versucht, Konfetti zusammen zu kehren. Das ist ausgesprochen mühsam. Ebenso, wie es mühsam für mich als Coach und Berater ist, das Konfetti bunter Change-Kommunikationen wieder zusammen zu kehren. Ja, man kann auch Teams, die nach einer eben solchen Kommunikation in eine aus ihrer Sicht völlig nachvollziehbaren Verweigerungs- oder Enttäuschungshaltung geraten sind, wieder an Bord holen. Das funktioniert, dauert aber seine Zeit, hält auf und ist doch eigentlich nicht nötig.
Wer also keine Lust hat, Konfetti zu kehren, der sollte sich bereits im Vorfeld mit dem Sinnstifter seines jeweiligen Beratungssystems sehr intensiv auseinandersetzen. Im Idealfall habe ich die Möglichkeit, den relevanten Lead oder das relevante Leadership-Team bereits im Vorfeld abzuholen. Somit kann ich meinen Auftrag für mich gut im Vorfeld klären und gebe mir selbst innerhalb des Systems auch das Standing, das ich brauche. Zusätzlich habe ich vielleicht noch die Möglichkeit, die Leads dabei zu unterstützen, eine Kommunikationsstrategie zu wählen, die eine achtungsvolle Wertschätzung des Guten beinhaltet und das Bessere zum Freund des Guten erklärt. Das macht es doch für alles Seite viel einfacher.
Und was, wenn doch Konfetti gekehrt werden muss?
Natürlich sieht die Realität meistens so aus, als dass ich keinen Einfluss auf die Kommunikation der relevanten Leads habe, auch wenn ich natürlich unaufhörlich daran arbeite und inzwischen auch verdammt innovativ dabei geworden bin. Meistens muss ich eben doch Konfetti kehren. Meine wichtigste Erkenntnis der letzten zehn Monate ist jedoch, dass ich das allein nicht schaffe. Ich komme nicht umhin den Leads einen Besen in die Hand zu drücken. Wenn die achtungsvolle Wertschätzung der vergangenen Leistung nicht direkt im Rahmen der ersten Kommunikation von Veränderungsplänen erfolgt ist, ist es immanent wichtig, dass dies schleunigst nachgeholt wird. -Und zwar nicht vom Coach, sondern vom Sinnstifter.
Und was bleibt ist Abraham Maslow
Während ich mich also weiterhin wie Sisyphos mühsam, aber hoch motiviert in meinen Organisationen voran taste, ist es auch an dieser Stelle interessant, dass das, was immer wieder auftaucht, diese zutiefst menschlichen Grundbedürfnisse, wie sie Abraham Maslow seiner Zeit in einer Pyramide zusammengefasst hat, sind. Wir suchen nach Sicherheit, die wir häufig auch in den jeweiligen “Alphas” unserer Systeme zu finden hoffen. Ja, eine Aufgabe von Führung ist und bleibt, Sicherheit zu geben. Und Sicherheit gebe ich natürlich nicht, indem ich verkünde, dass das, was bisher gemacht oder geleistet wurde, Käse ist und deshalb alles anders werden muss. Selbst wenn ich parallel Konfetti werfe und Luftschlangen fliegen lasse. Die Message wird trotzdem klar sein. Nein, wir Menschen möchten hören, dass unsere Bemühungen der Vergangenheit wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Wir möchten Respekt für unsere bisherige Leistung. Das hat schon Maslow gewusst. Und ich weiß ganz sicher und erfahre immer wieder aufs Neue, dass von diesem Respekt auf der Seite der Sinnstifter ausgesprochen viel vorhanden ist, jedoch selten darüber gesprochen wird. So muss ich eigentlich nur Bühnen bauen, auf denen dieser Respekt auch verkündet werden kann! -Unglaublich einfach und doch so unfassbar schwer!
In diesem Sinne wünsche ich Dir jetzt einen schönen Sonntag und möchte mit der Frage beschließen, wie regelmäßig Du Dich in achtungsvoller Wertschätzung übst und den Respekt, den Du für die Menschen um Dich herum empfindest, auch kommunizierst? Am Ende ist er der “Schmierstoff” unseres sozialen Miteinanders und ganz nebenbei ist auch eine Familie oder ein Freundeskreis ein System von Menschen, denen es ausgesprochen guttut, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden.
Also auf geht’s: Wertschätzung üben!
Eure Constance