Teamwork

Wie Psychologische Sicherheit High Performance auf Teamebene ermöglicht - Zwei Fallbeispiel aus der Luftfahrt

Der Faktor Mensch in der Dynamik und Komplexität der Luftfahrt

In meinem letzten Artikel habe ich euch das Thema Psychologische Sicherheit und insbesondere die Rolle, die Führung in diesem Kontext spielt, „in a nutshell“ umrissen. Ich habe dabei darauf hingewiesen, dass es in diesem Artikel nun darum gehen soll, die praktischen Auswirkungen von subjektiv empfundener Sicherheit zu betrachten. Dazu habe ich euch zwei Fallbeispiele aus der Luftfahrt mitgebracht. Das zweite Beispiel hatte ich auch dabei, als ich in dieser Woche zum nun schon dritten Mal an der Universität in Maastricht zu Gast war. Auch in meinem Workshop für Studierende im Masterstudiengang “Learning & Development in Organisations” ging es darum, welche Rolle Psychologische Sicherheit im Kontext von hochdynamischen und komplexen Umfeldern spielt und wie es der Luftfahrt als Vorreiter seit Jahrzehnten gelingt, dieses Phänomen so zu etablieren, dass Fliegen immer sicherer wird – weil es Menschen zunehmend gelingt, nicht nur in sich selbst, sondern auch in ihr Team zu vertrauen.

Sioux City – oder wie Hollywood-Helden entstehen

Für unser erstes Beispiel herausragender Führung in Kombination mit Vertrauen gehen wir zurück zum 19. Juli 1989. Wir befinden uns an Bord einer DC-10 der United Airlines auf dem Weg von Denver nach Philadelphia. Alles verläuft normal. Auffällig ist lediglich, dass an diesem Tag besonders viele Familien mit Kindern an Bord sind, da United zu dieser Zeit ein spezielles Familienprogramm anbot. Doch zurück zum Flug: Alles läuft unspektakulär ab, bis ein lauter Knall die Crew aus ihrer Routine reißt. Jedem ist klar, dass ein Problem vorliegen muss. Die Ernsthaftigkeit dieses Problems ahnt zu diesem Zeitpunkt neben der Besatzung höchstens einer der Passagiere – dazu gleich mehr.

Im Cockpit stellen die Piloten kurz nach dem Knall fest, dass alle drei Hydrauliksysteme ausgefallen sind, wodurch das Flugzeug nicht mehr steuerbar ist. Ein solches Problem war in Trainings nicht vorgesehen, da man es schlicht und ergreifend für unmöglich hielt, dass alle drei unabhängigen Systeme (von denen nur eines benötigt wird; die anderen zwei dienen der Redundanz) gleichzeitig ausfallen könnten. Doch an diesem Tag ist genau das passiert. Der Grund: Ein Fanlaufrad eines Triebwerks war gebrochen, und die Fragmente hatten die Leitungen aller drei Hydrauliksysteme durchschlagen.

Nun sitzt Kapitän Alfred „Al“ Haynes am Steuer eines nicht mehr steuerbaren Flugzeuges. Eine verdammt ernste Situation. Eine Flugbegleiterin kommt nach vorne und berichtet, dass ein Passagier sie angesprochen habe. Er sei DC-10-Fluglehrer und glaube, er könne bei diesem Problem vielleicht helfen.

Es ist äußerst ungewöhnlich, dass Kapitäne in derartigen Notfällen Passagiere ins Cockpit lassen. Doch Kapitän Haynes ist sich bewusst, dass er jede mögliche Ressource nutzen muss, um die Überlebenschancen zu wahren. So sitzen schließlich vier Personen im Cockpit: Kapitän Haynes, sein Erster Offizier, sein Flugingenieur und der fremde Fluglehrer. Gemeinsam entwickeln sie eine Möglichkeit, das Flugzeug mithilfe der Triebwerksschübe zu steuern: Mehr Schub auf der rechten Seite für eine Linkskurve, mehr Schub links für eine Rechtskurve. Das klingt einfach, ist aber extrem herausfordernd. Dennoch gelingt es diesem Team, den Flieger auf dem Flughafen von Sioux City zu landen. Bei der Landung zerbricht das Flugzeug in zwei Teile. 110 Passagiere und eine Flugbegleiterin sterben, 185 Menschen überleben.

Warum Kapitän Haynes als Held gefeiert wurde und Hollywood die Ereignisse dieses Fluges unter dem Namen „Katastrophenflug 232“ mit Charlton Heston als Kapitän Haynes verfilmte? Nach dem Unglück versuchten viele Piloten, darunter Werkspiloten des Flugzeugherstellers, im Simulator diese beschädigte DC-10 zu landen – alle ohne Erfolg. An diesem Tag wurden die 185 Menschenleben nicht durch das fliegerische Können eines einzelnen Piloten, sondern durch außergewöhnliches Teammanagement und das Vertrauen von Kapitän Haynes in einen Fremden gerettet. Manchmal ist Vertrauen eine Entscheidung – und diese hat oft mit Demut zu tun.

Kapitän Haynes ist im September 2019 im Alter von 87 Jahren verstorben. Nach diesem 19. Juli 1989 erzählte er, dass es seine ersten Crew-Ressource-Management- oder Human-Factors-Schulungen waren, durch die er begriff, dass er nicht alles besser kann, nur weil er der Chef ist. Er verstand, dass Chef-Sein bedeutet, alle Ressourcen seines Teams zu nutzen, um erfolgreich zu sein. An diesem einen Tag hat Al Haynes sich entschieden, zu vertrauen. Und wenn eine Führungskraft sich entscheidet, zu vertrauen, legt sie den Grundstein für eine Kultur des Vertrauens im Team – und damit für weit überdurchschnittliche Leistungen.

Wie gut seid ihr, insbesondere die Führungskräfte unter euch, bedingungslos zu vertrauen? -Und damit den Grundstein für eine Kultur der Psychologischen Sicherheit zu legen?

Wenn Bauchgefühl den Computer schlägt

Für unser zweites Beispiel überspringen wir jetzt gute 20 Jahre Luftfahrtgeschichte. Wir schreiben den 4. November 2010 und befinden uns gemeinsam mit Kapitän Richard De Crespigny und seiner Besatzung an Bord des fast nagelneuen Airbus A380 der Qantas Airways, auf dem Weg von Singapur nach Sydney. Neben den 440 Passagieren befindet sich eine 29-köpfige Besatzung an Bord. Allein im Cockpit sind an diesem Tag fünf Personen, da Kapitän De Crespigny einer Überprüfung unterzogen wird, bei der ein sogenannter Check-Kapitän seine Arbeit bewertet. Interessanterweise wird auch der Check-Kapitän selbst überprüft, ob er die Überprüfung korrekt durchführt. Man kann sich vorstellen, wie angespannt die Atmosphäre im Cockpit ist: eine doppelte Überprüfungssituation und Hierarchiestrukturen, die leicht bedrohlich wirken können. Als Co-Pilot oder Erster Offizier würde man auf diesem Flug wahrscheinlich versuchen, so wenig wie möglich aufzufallen. Der Second Officer, ein Pilot in Ausbildung, betrachtete die Situation sicher auch interessiert, aber eher zurückhaltend.

Bereits kurz nach dem Start gibt es einen lauten Knall, und auf einen Schlag gehen im Cockpit mehr als zehnmal so viele Fehlermeldungen ein, wie normalerweise in Notfallsimulationen geübt werden. In der Luftfahrt gilt die Regel, dass in Notfällen ausschließlich der Kapitän des Fluges die Entscheidungsgewalt hat, selbst wenn ranghöhere Piloten anwesend sind. Die herausragende Führungsleistung der beiden überprüfenden Kapitäne bestand darin, dass sie sich sofort unterordneten und in die Fähigkeiten ihres Kollegen vertrauten. So hatte Kapitän De Crespigny den Raum, den er brauchte, um frei und bestmöglich agieren zu können.

Liebe Führungskräfte unter ich euch, ich frage euch erneut: Ist euer Vertrauen groß genug um den Raum für Höchstleistungen zu geben?

Zurück zu den Fehlermeldungen und Systemausfällen: Kapitän De Crespigny unterbricht schließlich die endlose Aufzählung seines Co-Piloten und sagt, er müsse jetzt wissen, was noch funktioniere, um herauszufinden, womit man arbeiten (sprich fliegen) könne. Gemeinsam entwickelt die Crew einen Plan, um das Flugzeug sicher zurück nach Singapur zu bringen. Da auch das System zum Kerosinablassen defekt war, musste der Flieger mit einem viel zu hohen Gewicht landen. Ein sogenanntes Overweight Landing stand bevor.

Die beiden Check-Kapitäne errechnen mithilfe eines Computerprogramms die dafür erforderlichen Landedaten und geben diese weiter um sie in die Bordsysteme einzugeben. Doch der Co-Pilot meldet sich zu Wort und äußert, dass die berechneten Zahlen falsch sein müssten. Trotz seines „untergeordneten“ Ranges wird ihm zugehört – und er hat recht. Der Computer hatte falsche Daten ausgegeben, die beinahe zu einer Katastrophe geführt hätten. Kapitän De Crespigny berät sich mit seinen Kollegen und vertraut schließlich auf die Einschätzung des Co-Piloten. Die Zahlen werden angepasst, und der Airbus A380 kann sicher landen. 469 Menschen verlassen das Flugzeug gesund und unverletzt. Nachdem sich der Erste Offizier oder Co-Pilot diese Szenen in den Cockpit Voice Records angehört hat, war er selbst erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit er zwei Check-Kapitänen und der Software von Airbus widersprach. Er sagt, er habe keine Sekunde gezögert, weil er sich absolut sicher gefühlt hatte, kritisch sein zu dürfen.

De Crespigny erklärte später bescheiden, dass es sich um eine Teamleistung handelte, bei der mehrere Gehirne zu einem verschmolzen seien. Doch die Basis für diese Teamleistung war eine Kultur des Vertrauens und der Psychologischen Sicherheit, die jedem Crew-Mitglied ermöglichte, offen und ehrlich zu kommunizieren.

Führung in einer komplexen Welt

Die Luftfahrt ist seit Jahrzehnten ein Vorreiter darin, wie Vertrauen und Teamarbeit außergewöhnliche Leistungen ermöglichen. Vertrauen, das Gefühl subjektiv empfundener Sicherheit im Arbeitskontext, ist die absolute Basis dafür, in einer immer dynamischeren und komplexeren Welt erfolgreich agieren zu können. Auch außerhalb der Luftfahrt ist Erfolg in einer immer dynamischeren und komplexeren Welt nicht mehr von Einzelkämpfern abhängig, sondern von Teams, die gemeinsam besser sind als jede Einzelperson. Die Basis für Gemeinsamkeit ist Vertrauen.

Deshalb meine erneute Frage an alle Führungskräfte: Wie viel Vertrauen habt ihr in euer Team? Lebt ihr eine Kultur des Vertrauens – oder sprecht ihr nur davon?

Eure

Constance

Wer hoch hinaus will braucht Vertrauen

… Nicht nur in der Luftfahrt!

Sicherheit und Vertrauen in Phasen der Veränderung - Psychological Safety in a Nutshell

Halt in haltlosen Zeiten

In den letzten Wochen habe ich immer wieder mit Führungskräften und Führungsteams gearbeitet, die ein zentrales Thema beschäftigt: Veränderungen überholen sich gegenseitig. Die Dynamik hat auf allen Ebenen stark zugenommen. Führungskräfte fragen sich zunehmend, wie sie ihre Teams oder Organisationen mitnehmen und „bei Laune“ halten können. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass viele von ihnen die Sorgen und Ängste ihrer Mitarbeitenden nicht nur nachvollziehen können, sondern oft selbst spüren. Denn was bei all diesen Veränderungen häufig auf der Strecke bleibt, ist das Gefühl von Sicherheit.

Was braucht es also, um in einer scheinbar unberechenbaren Welt aktiv, erfolgreich und zielorientiert zu agieren? Es braucht sichere Räume, aus denen heraus man sich den Herausforderungen des Lebens stellen und in die man sich immer wieder zurückziehen kann. Solche sicheren Räume sind auch im beruflichen Kontext unverzichtbar. Die Suche nach diesen führt mich zu einem meiner Lieblingsthemen: psychologische Sicherheit. Diese sicheren Räume, die uns mutig, kreativ und leistungsfähig machen und uns helfen, äußere Veränderungen zu bewältigen, finden wir im Arbeitsumfeld vor allem in unseren Teams – in den Menschen, mit denen wir direkt zusammenarbeiten.

Mir ist aufgefallen, dass ich schon viel zu lange nicht mehr über dieses wichtige Thema geschrieben habe. Es ist also höchste Zeit!

Psychological Safety in a Nutshell

Psychologische Sicherheit beschreibt ein Klima innerhalb einer Gruppe oder eines Teams, in dem sich die Mitglieder sicher fühlen, ihre Meinung zu äußern, Ideen zu teilen, Fehler zuzugeben und Bedenken anzusprechen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen wie Zurückweisung, Bloßstellung oder Bestrafung. Der Begriff und das dahinterstehende Konzept wurden vor allem durch die Arbeit der Harvard-Professorin Amy C. Edmondson geprägt.

Laut Edmondsons aktueller Forschung ist eine Kultur der psychologischen Sicherheit der zentrale Bestandteil effektiver Teamarbeit. Und effektive Teamarbeit ist das wichtigste Instrument, um erfolgreich mit einem dynamischen und komplexen Umfeld umzugehen. Dadurch entsteht nicht nur der sichere Raum, den wir alle brauchen. Psychologische Sicherheit fördert auch die Innovationskraft, die essenziell ist, um mit der Dynamik unserer Zeit Schritt zu halten. Zudem bildet eine vertrauensvolle Zusammenarbeit die Basis für eine offene Fehlerkultur, die dazu führt, dass Fehler frühzeitig erkannt und behoben werden können – bevor sie größere Schäden anrichten. Nicht zuletzt steigert eine Kultur des Vertrauens das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden.

Wie erkennt man psychologische Sicherheit?

In meiner Arbeit als Beraterin werde ich oft gefragt, wie ich das Maß an psychologischer Sicherheit in einem Team oder einer Organisationseinheit einschätze. Kann man psychologische Sicherheit erkennen? Für mich gibt es vier zentrale Bereiche, die ich bei einer solchen Einschätzung besonders betrachte:

  1. Offenheit
    Ist es erlaubt, Fehler zu machen? Wird bei Problemen nach Schuldigen gesucht oder nach gemeinsamen Lösungen? Dürfen der Status quo hinterfragt und neue Ideen eingebracht werden?

  2. Konfliktkultur
    Werden Konflikte vermieden, weil sie als negativ wahrgenommen werden? Oder werden sie als Chance für Weiterentwicklung und Diskurs gesehen?

  3. Respekt
    Wird den Unterschieden im Team mit Respekt begegnet?

  4. Lernkultur
    Entwickelt sich das Team gemeinsam weiter – aus Fehlern oder externen Impulsen?

Wie entsteht psychologische Sicherheit?

Eine weitere häufige Frage in meiner Zusammenarbeit mit Führungskräften ist: „Wie kann man psychologische Sicherheit schaffen?“

Die Wahrheit ist: Psychologische Sicherheit kann man nicht mit Maßnahmen A, B, und C initiieren. Sie lässt sich nicht einfach „erschaffen“. Aber es ist möglich, Rahmenbedingungen zu gestalten, die ihre Entstehung fördern. Hier tragen Führungskräfte eine besondere Verantwortung, denn ihr Verhalten beeinflusst das Sicherheitsgefühl der Mitarbeitenden direkt. In stürmischen Zeiten blicken Teams auf die Führung – auf ihre „Kapitänin“ oder ihren „Kapitän“.

Wenn ich an meine Zeit als Flugbegleiterin zurückdenke, kenne ich dieses Gefühl nur zu gut. Es gab Kapitäne, denen ich ohne Zögern in jeden Sturm gefolgt wäre – und ich war damit nicht allein. Die Strahlkraft guter Führung kann ein ganzes Team prägen, besonders in herausfordernden Situationen. Schon damals habe ich mich gefragt, was genau diese Führungspersönlichkeiten auszeichnete und was mich so bedingungslos vertrauen ließ.

Mit Blick auf die Gestaltung psychologisch sicherer Teamkulturen sehe ich acht zentrale Handlungsfelder, die ich gerne mit euch teilen möchte:

Acht Handlungsfelder für Führungskräfte

  1. Vorbildfunktion der Führungskraft
    Offenheit zeigen: Eigene Fehler und Unsicherheiten zugeben.
    Empathie leben: Zuhören, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen.
    Respekt vorleben: Wertschätzend auf andere Meinungen reagieren.

  2. Fehlerkultur etablieren
    Fehler als Lernchancen betrachten, statt Schuld zuzuweisen.
    Offen und ehrlich über Herausforderungen und Schwächen kommunizieren.
    Eine „Blame Culture“ vermeiden.

  3. Kommunikationsregeln festlegen
    Aktives Zuhören sicherstellen: Jedes Teammitglied fühlt sich gehört.
    Eine konstruktive Feedback-Kultur etablieren.

  4. Vertrauen aufbauen
    Verlässlichkeit, Integrität und Diskretion vorleben.

  5. Diversität wertschätzen
    Unterschiedliche Perspektiven fördern.
    Konflikte als Chance für Wachstum sehen.

  6. Gemeinsame Ziele und Werte betonen
    Werte aktiv vorleben, nicht nur in Leitbilder schreiben.

  7. Raum für Fragen und Ideen schaffen
    Formate schaffen, in denen Meinungen und Ideen offen geteilt werden können.
    Experimentierfreude fördern.

  8. Regelmäßige Reflexionen
    Zeiträume für Meta-Gespräche über Zusammenarbeit, Erfolge und Misserfolge schaffen.

Psychologische Sicherheit zu etablieren ist ein fortlaufender Prozess. Eine Kultur des Vertrauens erfordert Pflege, und Führungskräften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Doch auch die Teammitglieder tragen Verantwortung – sowohl als Individuen als auch als Gemeinschaft.

In einer Zeit voller Dynamik und Komplexität ist eine Kultur des Vertrauens überlebenswichtig. Ohne sie droht eine Kultur der Angst, die Innovation und Zusammenarbeit lähmt und letztlich den Erfolg von Organisationen gefährdet.

In zwei Wochen werde ich euch ein Beispiel aus der Luftfahrt mitbringen, um die Bedeutung von psychologischer Sicherheit in High-Performing-Teams noch greifbarer zu machen.

Bis dahin freue ich mich auf meinen letzten Einsatz als Human-Factors-Trainerin in der Luftfahrt und auf zwei wunderbare Tage in Maastricht, wo ich erneut an der wirtschaftspsychologischen Fakultät der Universität einen Workshop für Master-Studierende leite. Beide Veranstaltungen stehen ganz im Zeichen psychologisch sicherer Teamkulturen.

Eure Constance

Safety First!

Je stürmischer die See, desto wichtiger das Gefühl, dass da im Notfall ein Rettungsring ist.

Richtige Kommunikation im Business: Wieviel Klarheit und wieviel Taktgefühl sollten es sein?

Kognitive Diversität immer und überall…

Kommunikation ist gefühlt immer Teil des Problems. - Und natürlich auch immer elementarer Teil der Lösung. Wir interpretieren, wir verallgemeinern, wir lassen Dinge weg, fügen Dinge hinzu, wir gehen davon aus, dass das, was für uns völlig klar ist, auch für alle anderen klar sein muss und öffnen somit Tür und Tor für Missverständnisse. Wir reden aneinander vorbei, laufen im festen Glauben an einem Strang zu ziehen in völlig unterschiedliche Richtungen! Tolle Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Team.

Die Gründe für dieses Tohuwabohu im kommunikativen Miteinander sind so vielfältig wie die Tiere des Meeres oder die Vögel am Himmel. Würde man diese Gründe auf einen gemeinsamen Nenner bringen, würde ich diesen mit der kognitiven Diversität von uns Menschen umschreiben. Wir alle nutzen ein und die selbe Sprache ganz unterschiedlich. Wir kommunizieren auf unterschiedlichen Ebenen, haben unterschiedliche Ansätze, wie wir Information kodieren und dekodieren. Bücher wurden darübergeschrieben und ich denke manchmal wir haben das Phänomen der Kommunikation noch immer nicht gänzlich umrissen. Somit ist mein Ansatz, in kleine Bereiche tiefer einzutauchen und sie etwas isolierter zu betrachten, auch wenn eine isolierte Betrachtung natürlich immer auch lückenhaft ist. Für diesen Artikel habe ich mir vorgenommen dem Phänomen “Taktgefühl vs. Klarheit” im Business-Kontext ein klein wenig auf den Grund zu gehen.

Kulturelle Aspekte treffen auf individuelle Bedürfnisse

Besonders auffällig ist der Hang zu Klarheit oder verklausulierte Höflichkeit, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe aufeinandertreffen. Wir Deutschen gelten hierbei als sehr klar und Klartext-freudig, werden deshalb gerne auch mal als unhöflich, taktlos oder unfreundlich wahrgenommen, während beispielsweise in England sehr verklausuliert, vorsichtig und ritualisiert vorgegangen wird, wenn es um ein konstruktives Feedback geht, oder darum auszudrücken, dass man mit Etwas nicht zufrieden ist. Auf uns Deutsche wirkt das häufig wie eine Art nebulöses um den heißen Brei herumreden. Ich erinnere mich an einen Vorfall bei einem internationalen Unternehmen, in dem ein deutsches Projektteam nach England berichtete und auf alle Updates die Rückmeldung “quite good!” erhalten hat. Also arbeiteten sie weiter in die gleiche Richtung. In England wuchs der Unmut, weshalb die Deutschen das taten. “Quite good!”, also ziemlich gut, ist die landläufig höflich angemessene Art zu erklären, dass einem eine Entwicklung missfällt. Das Ding eskalierte schließlich. In Deutschland war man empört, dass die Engländer immer nur so nebulös rumschwafelten und in England war man sich einig, dass die Unhöflichkeit der Deutschen komplett unangemessen sei…

Was irgendwo unterwegs auf der Stecke geblieben war, war das Bewusstsein, dass die Deutschen einfach nur klar und deutlich sein wollten, um das Projekt voran zu bringen und die Engländer taktvoll sein wollten, um Niemandem auf persönlicher Ebene vor den Kopf zu stoßen. Beides aus meiner Sicht sehr lobenswerte Ansätze im Businesskontext. Leider treibt unser Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit uns Menschen häufig dazu uns als Vertreter unserer jeweiligen Gruppen zu sehen. Ein Die-und-Wir entsteht fast automatisch. Das heißt wir empfinden das Verhalten der anderen als direkten Angriff unserer Identität. Die jeweils andere Herangehensweise wird nur noch in einer Art entwertender Übertreibung wahrgenommen. So gibt es hier wie auf der schönen Insel jenseits des Ärmelkanals gar wundervolle Karikaturen des unhöflichen Deutschen und des nebulös steif herumdrucksenden Engländers…

Wieviel Taktgefühl sollte es denn nun sein?

Nun ist das Beispiel Deutschland-England ein recht drastisches. Wenn wir über Diversität sprechen, neigen wir häufig dazu, uns auf die plakativen Themen wie Geschlecht oder Herkunftskultur zu stürzen, dabei gibt es auch bei Menschen gleichen Geschlechts und gleicher Herkunft unterschiedliche Bewertungen zum Thema Klarheit vs. Höflichkeit. Ich erlebe hierbei unternehmenskulturelle Färbungen, teamkulturelle Färbungen und selbstverständlich erlebe ich auch auf Ebene des Individuums unterschiedliche Bedürfnisse was Klarheit und Achtsamkeit im Umgang miteinander anbelangt. Aus diesem Grund lässt sich eine Grenze zwischen Klarheit und Unhöflichkeit, zwischen taktvoller Achtsamkeit und unklarem Herumdrucksen nicht eindeutig ziehen. Die Bedeutung der Nachricht bestimmt am Ende immer der Empfänger, weshalb es wichtig ist, über Themen wie Feedbackkultur bereits auf Teamebene zu sprechen. Wieviel Klarheit braucht es? Auch an wichtigen Schnittstellen jenseits des eigenen Teams ist es in einem komplexen Umfeld unabdingbar, mit dieser Thematik transparent umzugehen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist es jedoch zu verstehen, dass keiner dieser beiden Pole absolut gut oder absolut schlecht ist. Zum Problem wird beides, wenn es in meiner Wahrnehmung zu einer entwertenden Übertreibung wird. - Wird aus dem positive Ansinnen achtsam und respektvoll mit mir als Mensch umgehen zu wollen ein unklares, nebulöses Herumschwafeln und wird aus einer ergebnisorientierten Klarheit kränkende Direktheit haben wir plötzlich ein Thema. Aber wie gesagt, zum Glück bestimmt die Bedeutung der Nachricht wie gesagt immer der Empfänger und da wir ja alle wohlwollend und großzügig sind, wird uns eine derartige Fehldeutung natürlich nicht unterlaufen. -Oder doch?

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen harmonisch klaren Sonntag gespickt mit Taktgefühl und Klartext! Ich habe mich entschieden, es heute bei einem ganz kurzen Impuls zu belassen. Es müssen ja nicht immer Tausende von Worten sein um den ein oder anderen Perspektivwechsel anzuregen. Vielmehr wünsche ich mir heute noch etwas Zeit, mich auf meine Couch zurückzuziehen, denn dieses Wochenende steht für mich ausnahmsweise mal nicht unter dem Stern des Coachings und der Weiterentwicklung. Mein kleiner Bruder hat an diesem Wochenende geheiratet und da ist mir spontan mal wieder aufgefallen, dass es Wichtigeres gibt, als das Big Business. Ist da nur ausreichend Liebe in unseren Herzen machen wir uns über diese Feinheiten zwischen Taktgefühl und Klarheit ohnehin keinen Kopf, denn dann ist alles ganz einfach, ganz klar und taktvoll empathisch!

Vielleicht habt ihr ja in der nächsten Woche Lust, euer ganz persönliches Spannungsfeld zwischen Klarheit und kränkender Direktheit, zwischen Taktgefühl und nebulösem Geschwafel ein wenig zu erforschen und macht es heute wie ich: Ab auf die Coach und den Sonntag genießen…

Eure Constance

Kommunikation ist immer Teil des Problems

Wieviel Klarheit darf es sein?