Unternehmenskultur

Feedback... Immer diese alte Leier

Feedbackkultur und kulturelle Veränderungen

Wenn man mich fragt, womit ich mich dieser Tage am intensivsten beschäftige, dann sind es Teamdynamiken und die damit zusammenhängende Feedbackkultur innerhalb des Teams oder einer gesamten Organisationseinheit. Hierbei gilt die kluge Erkenntnis einer Führungskraft, mit der ich zu diesem Thema in den Austausch gegangen bin, dass ja auch die Abwesenheit von Feedback eine Feedbackkultur ist. Was soll ich sagen? Recht hat er! Die Art und Weise, wie Feedback in das alltägliche Tun integriert wird, oder eben auch nicht, ist Teil des kulturellen Miteinanders innerhalb eines Teams, einer Organisationseinheit oder sogar einer kompletten Organisation. Dementsprechend ist der Wandel hin zu mehr offenem und selbstverständlichem Feedback nicht mehr und nicht weniger, als ein kultureller Wandel. Diese kulturellen Veränderungen gehen sehr tief und brauchen Zeit. Es ist sicher nicht damit getan, anzuordnen, dass es ab jetzt anders zu sein hat.

Über Selbstbild, Fremdbild und Persönlichkeitsentwicklung

Ich habe einige Führungskräfte getroffen, die genau einen solchen Wandel angeordnet haben. -Und gerade zu empört waren, dass sich nichts getan hat! Sie haben verstanden, wie wichtig Feedback für ein erfolgreiches Miteinander ist. Sie haben verstanden, dass es oft eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Selbst- und dem Fremdbild gibt und man nur über Feedback erfährt, wie andere einen wahrnehmen. Sie haben verstanden, dass so ziemlich jeder immer sein Bestes gibt, dass unsere Welt jedoch so komplex und dynamisch ist, dass Menschen trotzdem Fehler machen, in die falsche Richtung abbiegen. Oft bekommen viele Menschen mit, dass da einer falsch abbiegt. Sie sagen jedoch nichts und der Betroffene ist fest davon überzeugt, den richtigen Weg einzuschlagen. In einer lebendigen Feedbackkultur passen Menschen aufeinander auf, schützen sich gegenseitig vor Fehlern und lösen Probleme gemeinsam, falls doch mal etwas schiefgegangen ist.

Auch Führungskräfte profitieren von einer offenen, ehrlichen und lebendigen Feedbackkultur. In der letzten Woche habe ich vom Eisberg der Ignoranz berichtet, auf dem der ein oder andere Manager recht selbstzufrieden saß, im festen Vertrauen darauf, dass der Laden läuft. Leider haben diese Herren dann erst zu spät gemerkt, dass es in eine völlig falsche Richtung ging. Was ihnen fehlte, waren die notwendigen Informationen von vorderster Front. Über Probleme wurde in ihren Organisationen nämlich nicht offen gesprochen. Fataler Fehler!

Kleine Notiz am Rande: In den mir bekannten Fällen waren es tatsächlich immer Männer, die auf diese Art und Weise Unternehmen bis an den Rand des Abgrundes managten. Ein Schelm wer da Böses denkt! Es muss primär daran liegen, dass Frauen einfach noch nicht genügend Chancen hatten, um als Managerinnen zu versagen!

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Das Ding mit dem Feedback! Ja, viele Führungskräfte haben sehr viel verstanden, wenn es um Feedback geht. Was die meisten jedoch noch nicht verstanden haben, ist dass es nicht ausreicht, den Mitarbeitern gebetsmühlenartig zu erklären, wie es geht und warum es wichtig ist. Irgendwie braucht es mehr! Selbst ich ertappe mich immer wieder dabei, zu erklären, was der Benefit einer offenen, hierarchieübergreifenden Feedbackkultur ist. Zusätzlich erkläre ich auch noch ganz ausführlich, wie man rein technisch gesehen Feedback gibt. Und jedes Mal komme ich an den Punkt, an dem ich mir halbwegs doof vorkomme, denn meine für gewöhnlich klugen und sehr gut ausgebildeten Zuhörer wissen doch bereits warum Feedback wichtig ist. Ich kann diesbezüglich allerhöchstens noch meinen geliebten Impuls in Hinblick auf die Physiologie der menschlichen Wahrnehmung und Watzlawicks Radikalen Konstruktivismus geben, oder auf das Johari Fenster und das Phänomen von Selbstbild und Fremdbild hinweisen. Für gewöhnlich wissen meine Teilnehmer auch wie man Feedback rein technisch gibt und auf was es dabei ankommt. Ich freue mich immer , wenn der ein oder andere mein geliebtes WWW-Prinzip noch nicht kennt. Aber in den meisten Fällen ist selbst das für meine Teilnehmer eine Wiederholung. Fast etwas frustrierend!

Feedback: Vom Können zum Tun

Genau das wird in den nächsten Wochen meine Herausforderung an allen Ecken und Enden sein. Ich habe es mit Menschen zu tun, die wissen, wie wichtig Feedback ist, die sich wünschen, in einen besseren Austausch mit ihren Kollegen zu sein. Ich treffe auf Führungskräfte, die sich offenere, ehrlichere und ruhig auch ungemütlichere Mitarbeiter wünschen. Ich darf mit ganzen Organisationseinheiten arbeiten, die sich im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen eine lebendigere Feedbackkultur wünschen. Sie wollen es und doch tun sie es nicht! Und hier ist guter Rat teuer! Dann fangt doch einfach an, möchte man ihnen zurufen. Aber so leicht ist es eben nicht. Immerhin reden wir hier von einer Veränderung im kulturellen Miteinander. Hierzu braucht es mehr als ein “macht mal!”. Spannend für mich als Coach und Trainer ist es, herauszufinden, warum es die betroffenen Kollegen nicht schaffen, ins Tun zu kommen. Die Antworten können hierbei sehr unterschiedlich sein und reichen von einer allgemeinen Verunsicherung, bzw. fehlender Psychological Safety, wie Prof. Amy C. Edmondson das nennt, bis hin zu einem zu hohen Stresslevel, welcher einen schlicht und ergreifend vergessen lässt, sich auch noch um das Miteinander im Team zu kümmern. Für mich gilt es nun Brücken zu bauen, die so unterschiedlich aussehen, wie die Organisationseinheiten, mit welchen ich zusammenarbeite. Klar sind da Bereiche dabei, mit welchen ich am Thema der Psychological Safety arbeiten werden. Hier geht es darum, Menschen mutiger zu machen. Die Brücke, die ich hier gerne baue, ist die, mit positivem Feedback nach dem WWW-Prinzip anzufangen und wenn es doch einmal zu einer Situation kommt, in der es nicht nur darum geht, dem anderen zu sagen, wie toll er ist, sich mit Hilfe des WWW-Prinzips und dem Drei-Welten-Modell von Bernd Schmid durch die Situation zu hangeln. -Im festen Vertrauen darauf, dass es einem von Mal zu Mal leichter fällt. So steigt mit jedem gegebenem und erhaltenen Feedback das subjektiv empfundenen Sicherheitsgefühl. Weiß man doch, dass man in einer Kultur unterwegs ist, in der nicht über- sondern miteinander gesprochen wird.

Findet Feedback nicht statt, weil alle in ihren Hamsterrädern gefangen sind, zu gestresst um sich mit Dingen zu beschäftigen, die über das eigentliche Arbeiten hinausgehen, dann braucht es Brücken in Form von Ankern und Unterstützern (hier legt dann der NLPler in Ausbildung in mir los!). Ich brauche eine konkrete Erinnerung, eine die ich sehen und fühlen kann, um das, was ich mir vorgenommen habe, umsetzen zu können, ohne dass mich der tägliche Wahnsinn dabei überholt. Lacht nicht, ich verteile hierbei gerne Steine, die sich wahlweise auf dem Schreibtisch rechts oder rechts in der Hosentasche befinden. Für jeden Stein muss ein (positives) Feedback nach dem WWW-Prinzip gegeben werden. Für jedes Feedback wandert ein Stein von rechts nach links und am Ende des Tages sollen sich alle Steine links befinden. So einfach und so kompliziert! Der gute alte Knoten im Taschentuch! Zusätzlich formiere ich gerne kleine Gruppen, die sich gegenseitig unterstützen und daran erinnern, Feedback zu geben. Für gewöhnlich sind wir alle deutlich besser darin, andere zu unterstützen und andere an etwas zu erinnern, als wir es sind, wenn es um uns selbst geht.

So ermuntere ich meine Teilnehmer, zwei bis drei Monate die Steine zur Orientierung dabei zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen, hoffend, dass Feedback geben so mit der Zeit zu einem Automatismus und somit auch zu einer neuen Kultur wird.

Und dann?

Ja, dann hat der Coach geholfen, Brücken zu bauen. Das heißt, jetzt muss er gleichzeitig loslassen und für Nachhaltigkeit sorgen, das heißt ein System implementieren, dass die Feedbackkultur am Laufen hält, ganz ohne ihn! Denn machen wir uns nichts vor, ein Coach sollte nie Teil des Systems sein, sondern vielmehr immer aus der Metaebene agieren. Die richtig guten Coaches machen sich ganz schnell überflüssig. Solltet ihr mal auf der Suche nach einem guten Coach für euch selbst sein, nehmt euch einen, der Zeit hat und nicht einen, der euch auf eine ewig lange Warteliste setzt. -Nur so am Rande!

Zurück zum Thema Feedback und einem klitzekleinen Mini-Coaching, dass ich euch an diesem Sonntag gerne als Anregung mitgeben möchte: Ihr habt doch sicher auch schon die ein oder andere Feedbackschulung gehabt, oder! Und? Seitdem gebt ihr immer Feedback! Wirklich immer? Oder gehört ihr auch zu denen, die es manchmal vergessen, weil so viel los ist, oder zu denen, die sich manchmal einfach nicht trauen? Keine Sorge, das ist total normal und absolut menschlich. Vielleicht nehmt ihr ja meinen kleinen Artikel zum Anlass, um mal ganz für euch selbst darüber nachzudenken, was euch hier und da davon abhält, Feedback zu geben und welche Brücken ihr euch bauen könnt, um es trotzdem zu tun! Denn wie Feedback geht, warum es wichtig ist und weshalb nicht nur die Organisation, sondern auch ihr selbst davon profitiert, wisst ihr sicher ganz genau!

Viel Spaß beim Bauen eurer eigenen Brücken!

Eure Constance

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Feedback geben!

Denn wir alle brauchen Brücken!

Winterkorn und der Eisberg der Ignoranz

“Dass ich erkenne was die Welt im Innersten zusammen hält…”

Diese weisen Worte der allumfassenden Neugier legte dereinst Johann Wolfgang von Goethe seinem tragischen Helden Faust in den Mund. Denke ich darüber nach, warum ich Coach oder Berater oder wie auch immer man das nennen mag, geworden bin, ist es genau das! Zunächst wollte ich wissen, warum der Mensch so ist, wie er ist, warum es an allen Ecken und Enden menschelt, egal wie sehr wir uns bemühen, professionell zu sein. -Was auch immer das ist! Erste Antworten fand ich im Human Factors Training. -Erst als Teilnehmer, schließlich als Trainer. Meine Erkenntnisse waren jedoch nur in Teilen befriedigend. Eines ist ganz klar, der Mensch wurde für ein eindeutiges, wenig komplexes Umfeld gemacht und unsere schöne neue Welt stellt den Urmenschen in uns zuweilen vor fast unlösbare Herausforderungen. Tja, ein paar läppische Jahrtausende vermeidliche Zivilisation ist nichts im Vergleich zur Evolution als Ganzes. Aber gut, da unser Gehirn alles in allem am Ende ja doch halbwegs kooperativ ist, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Menschheit sich hier noch etwas besser anpassen wird.

Darüber hinaus bin ich mit meiner Suche nach Erklärungen relativ schnell an meine Grenzen gestoßen. “No man is an island”, schrieb dereinst John Donne und genau das scheint das Problem und auch gleichzeitig die Lösung zu sein. Es liegt in der Natur des Menschen, sich in Gruppen zu organisieren, von je her. Es scheint das natürlichste überhaupt. Es gibt Stämme, Familien, Dörfer, Städte, Länder, Allianzen aus Ländern und natürlich auch Wirtschaftsorganisationen, also Gruppen von Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam besser oder erfolgreicher durchs Leben zu kommen. Diese Erkenntnis hat mich dazu bewogen, systemisch zu denken. Alles hängt zusammen und ich mag die Vorstellung, dass Organisationen eine Art lebendiger Organismus sind, der nur als Ganzes zu verstehen ist. Um zu verstehen, wie der Mensch funktioniert, muss ich verstehen in welchem System er sich bewegt. Um das System, oder die Organisation zu verstehen, muss ich wiederum den Menschen verstehen. Nicht dass ich meinen ganz persönlichen Stein der Weisen diesbezüglich schon gefunden hätte. Mit Nichten! Aber immerhin habe ich einen brauchbaren Ansatz für meine Suche.

Der Coach und die Organisation

So “studiere” ich nun seit Jahren alle möglichen Organisationsformen, angefangen von kleinen Teams, über ganze Abteilungen, bis hin zu kompletten Wirtschaftsorganisationen. Natürlich gibt es hier gewisse Gesetzmäßigkeiten. Eine Sache, die überall auftaucht, sind Hierarchien. Auch das scheint mir ein menschliches Grundbedürfnis zu sein. Diese Hierarchien sind sehr präsent und haben einen großen Einfluss auf den Erfolg oder den Misserfolg eines Teams. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal geschrieben haben, dass der Fisch für gewöhnlich immer vom Kopf her stinkt! Omas Sprüche sind und bleiben einfach wahr!

Eine Organisation, die über Jahre hinweg unfassbar erfolgreich gewesen zu sein scheint, war Volkswagen unter der Führung des großen Martin Winterkorn. Als Manager von altem Schlag hatte Winterkorn das Steuerrad fest in der Hand und navigierte den Konzern durch die unruhigsten Fahrwasser. Was es hierzu braucht, ist Entscheidungsfreudigkeit und natürlich auch die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen. Ich leite Gott lob keinen Weltkonzern, aber auch ich muss immer wieder Entscheidungen treffen und stelle an mir selbst fest, dass meine Entscheidungen besser werden, je mehr Fakten mir zur Verfügung stehen. Nun habe ich einen halbwegs passablen Überblick über meine kleine Organisation, die ich mein Leben nenne. Ich weiß nicht, wie gut Winterkorns Übersicht über seine Organisation, die wir alle unter dem Namen Volkswagen kennen, war. Irgendwo scheint der große Steuermann falsch abgebogen zu sein, ohne es zu merken. Der Erfolg seines Unternehmens stürzte plötzlich in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Ob Winterkorn überrascht war? Ich denke schon!

Über Macht und Verantwortung

Dieser Tage beginnt die gerichtliche Aufarbeitung der Causa Diesel-Gate. Die Topmanager müssen sich vor Gericht verantworten. Dem großen Steuermann Winterkorn ist es jedoch gelungen, einen OP-Termin günstig zu legen und sich dem Tamtam zunächst einmal zu entziehen. Wie ich das finde, dazu später mehr! Zum Glück ist das ja mein Blog und kein seriöser Journalismus. Dementsprechend fühle ich mich frei, meine Meinung zu teilen!

Was derartige Gerichtsverfahren klären sollen, ist die Schuld, oder die Verantwortung. Was mich ein wenig ärgert ist, dass Winterkorn offensichtlich keinerlei Verantwortung zu übernehmen gedenkt. Schuld seien seine Ingenieure, diese Kriminellen! Er habe ja noch nicht einmal etwas gewusst, oder geahnt. Welche Informationen genau in diesem legendären Aktenköfferchen gesteckt haben, das Winterkorn jeden Freitag mit Nachhause nahm, wissen wir nicht. Nehmen wir jedoch zu seinen Gunsten an, er habe tatsächlich nichts gewusst, ist er trotzdem verantwortlich?

Hier beginnt das systemische Denken. Ich spekuliere mal und unterstelle den verantwortlichen Ingenieuren einfach mal, dass sie nicht eines morgens aufgewacht sind, und auf dem Weg zur Arbeit plötzlich die Idee hatten, einmal etwas Illegales zu tun, weil das ja vielleicht cool sein könnte. Irgendetwas muss sie angetrieben haben. Böse Zungen behaupten, es sei die Unternehmenskultur gewesen, die keinen Widerspruch duldete. Geht nicht gab es nicht, sonst drohte Jobverlust! Als Winterkorn nun das aus einem technologischen Blick Unmögliche forderte, fühlten sich die Ingenieure derart unter Druck, dass sie aus Angst zu schummeln begannen. Erste Erfolge traten ein, keiner traute sich, die Umstände aufzuklären, die Eigendynamik wurde zu einer Lawine, die schließlich den großen Martin Winterkorn mit sich gerissen hat. Und ja, er war sicher überrascht. Er hatte es nicht kommen sehen. Er wusste von nichts! Und schuld an seiner Unwissenheit waren nicht die bösen Ingenieure, sondern die Unternehmenskultur, die der alte Herr als absoluter Alpha maßgeblich gestaltete.

Der Eisberg der Ignoranz

Bereits 1989 stellte Sydney Yoshida auf einem Symposium in Mexiko den sogenannten Eisberg der Ignoranz vor. Das spannende an Eisbergen ist sicher der Umstand, dass sie größtenteils im Verborgenen, unter der Wasseroberfläche, liegen. Yoshida hat beschrieben, dass dem Topmanagement für gewöhnlich nur etwa vier Prozent der zur Verfügung stehenden Fakten, bzw. der auf Arbeitsebene vorhandenen Problemen, bekannt sind. Der Rest liegt unter Wasser! Basierend auf diesen vier Prozent werden schließlich die großen strategischen Entscheidungen getroffen. Ganz ehrlich, das kann nicht gut gehen! Warum es die allermeisten Informationen nicht an die Spitze schaffen? Beantwortet es euch gerne selbst! Warum machen wir Dinge “chef-tauglich”? Das hat immer etwas mit der Unternehmenskultur zu tun, die maßgeblich von oben geprägt wird. In einem Klima der Unsicherheit, oder gar Angst, ziehe auch ich es vor zu schweigen, oder Probleme zu beschönigen! Man könnte meinen, dass dieser Umstand auch einem Herrn Winterkorn hätte bekannt sein können, zumal einige Jahre zuvor Nokia hieran fast zugrunde gegangen ist. Aber es schien ihm egal! Führung ohne Widerspruch ist einfach viel cooler und einfacher! So behaupte ich jetzt einfach ganz frech, dass Herr Winterkorn sich bewusst für den einfachen Weg entschieden hat. Kann man machen! Jeder Mensch ist frei in seiner Entscheidung. Ich finde jedoch auch, dass jeder die jeweiligen Konsequenzen tragen sollte. Das hat etwas mit eigenverantwortlichem Handeln zu tun! Und dass bei dem Schmerzensgeld, das ein VW Topmanager über die Jahre eingestrichen hat, die Fallhöhe eine andere ist, als bei einem einfachen Ingenieur, versteht sich vielleicht von allein. Natürlich möchte ich den Betrug dieser ausführenden Ingenieure keineswegs gutheißen, allerdings muss man in Betracht ziehen, dass sie vielleicht aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes keine andere Möglichkeit gesehen haben. “No man is an island!” Wir bewegen uns in einem komplexen System, das es uns manchmal leichter und manchmal eben schwerer macht. Für mich als Coach ist die primäre Aufgabe von Führung, es leichter zu machen! Ja, Führen ist unglaublich schwer. Ich finde es sogar beängstigend schwer! Strategische Entscheidungen zu treffen, die direkten Einfluss auf das Leben so vieler Menschen haben, ist der Wahnsinn. Müsste ich eine solchen Entscheidung treffen, würde ich sehr gerne alle Einflussfaktoren kennen, um bestmöglich agieren zu können. Ich würde mir wünschen, nicht alleine auf einem Eisberg zu sitzen. Ich würde an einer Kultur der Sicherheit, die die Harvard Professorin Amy C. Edmondson Psychological Safety nennt, arbeiten, hoffend, dass meine Mitarbeiter mir erzählen würde, was nicht läuft. Alles das, damit ich nicht irgendwann eine Überraschung erleben müsste, wie Martin Winterkorn, oder vor ihm Olli-Pakka Kallasvou, der unglückliche und ausgesprochen dominante Nokia-Boss, der nicht gemerkt hat, wie sein Unternehmen langsam zu Grunde ging, weil ihm alle aus Unsicherheit und Angst erzählten, dass alles selbstverständlich gut laufe!

Liebe Führungskräfte, fordert eure Leute heraus, seid kritisch und klar, aber gebt ihnen Gleichzeit das Gefühl, vertrauen zu können, offen sprechen zu dürfen, macht sie mutig und setzt euch mit ihnen auseinander, auch wenn diese “andere Art” der Führung leichter zu sein scheint. Ihr braucht die Augen und Ohren eurer Kollegen auf Arbeitsebene, um wirklich gute (strategische) Entscheidungen treffen zu können!

Was bleibt ist die Frage nach der Schuld…

Noch vor einigen Wochen sagte ich, wann immer man mal wieder auf der Suche danach war, wer denn Schuld habe, dass Schuld ein Ort in der Eifel sei… Alter Mediatoren-Witz! Das ist überholt und unangemessen geworden. Aber es bleibt dabei, dass es nicht um Schuld geht, sondern um Verantwortung! Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass der Hauptgrund, warum Menschen, die die Karriereleiter immer weiter nach oben klettern, ihr zusätzliche Gehalt dafür bekommen, dass sie ein immer größeres Maß an Verantwortung tragen. Und das finde ich völlig gerechtfertigt. Es ärgert mich jedoch, wenn diese Damen und Herren an den Punkt kommen, an dem sie Verantwortung mit Macht verwechseln. In meiner Welt, in meiner inneren Ordnung von Moral und Ethik, wäre es eine Katastrophe, wenn ein Herr Winterkorn unbehelligt davonkommt, auch weil das ein fatales Zeichen für all diese ambitionierten Jung-Manager senden würde. Ich würde mich in tiefstem Respekt verneigen, würde Martin Winterkorn erklären, vollumfänglich verantwortlich zu sein und schließlich die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Man kann nicht nur vom System profitieren und sich, wenn es eng wird, hinter Unwissenheit verstecken! -Also wenigstens nicht in meiner Welt! Aber wer bin ich schon und was weiß ich schon! Selbst Faust stellte fest, dass er nun hier stehe, er, armer Thor und sei dabei so klug als wie zu vor… Und wahrscheinlich muss auch ich noch sehr viel lernen, über Menschen, Systeme und Organisationen, eh ich wirklich anfange zu verstehen. Zum Glück kann ich heute damit beginnen!

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Vergesst nicht, wählen zu gehen, auch wenn das für den ein oder anderen sicher keine einfache Entscheidung sein wird.

Eure Constance

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Die Spitze des Eisbergs

Wie man ein Pferd reitet, ohne zu merken, dass es bereits tot ist…

Kommandostrukturen und Servant Leadership - die agile Transformation der US Army

Wo kommt VUCA eigentlich her?

Um zu verstehen, wie bestimmte Konzepte funktionieren ist es häufig hilfreich, sich einmal anzuschauen, wo sie ihren Ursprung haben. VUCA, dieses Akronym, das eine volatile, unsichere, komplexe und mehrdeutige Umwelt beschreibt und zum Synonym für unser Businessumfeld geworden ist, hat seinen Ursprung mit Nichten im Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Vielmehr entspringt es direkt der modernen Kriegsführung. Wer hätte gedacht, dass die US Army die erste Organisation war, die tatsächlich agil transformiert hat?!

Aber lasst uns mal von vorne anfangen: Bis zum Ende des Kalten Krieges bewegte sich die US Army in einem glasklaren und sehr eindeutigen Umfeld. Die Welt war unmissverständlich in Freund und Feind, Gut und Böse eingeteilt. Diese Einteilung war absolut stabil. Die Auseinandersetzung mit dem Feind war auf fast groteske Art und Weise ritualisiert: gemeinsames Wettrüsten, Drohgebärden, immer wiederkehrende Stellvertreterkonflikte oder -Kriege, Lehrbuchdiplomatie und so weiter und so fort. Mit dem Ende des Kalten Krieges begannen die Grenzen zu verschwimmen, die Rolle der USA veränderte sich und auch deren kriegerischen Auseinandersetzungen waren plötzlich von neuer Natur. Sie waren im Vergleich zu früher irgendwie VUCA! In den 90er Jahren wurden Kriege immer mehr zu einem multilateralen und asymmetrischen Szenario, dem es zu begegnen galt. Diese moderne Kriegsführung hat nichts mehr mit den Schlachten der Vergangenheit zu tun. Bis dato kannte man Staatenkriege und die klare Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden. Es gab eine Front und das Hinterland, in welches sich zurückgezogen werden konnte. Es gab Soldaten und Zivilisten. Schwarz und Weiß! Der Krieg, so wie der Gegner waren symmetrisch. Das betraf nicht nur die Art der Kriegsführung, sondern auch die Ausbildung der Soldaten und deren Bewaffnung. Das führte jedoch auch dazu, dass Armeen auf beiden Seiten durch ihre Gleichförmigkeit, die sich auch in den Kommandostrukturen widerspiegelte, zwar durchaus martialisch, aber auch ausgesprochen träge oder behäbig wurden. Da jedoch beide Seiten identisch aufgestellt waren, hatte diese Trägheit keinen Einfluss auf den Erfolg.

Zwanzig Jahre Krieg gegen den Terror

Wie gesagt änderte sich das in den 90er Jahren rasch und spätestens seitdem vor fast genau zwanzig Jahren der Krieg gegen das Böse selbst, gegen den Terror ausgerufen wurde, ist ohnehin nichts mehr, wie es einmal war. Eigentlich ging diese neue Form der asymmetrischen Kriegsführung bereits in Vietnam los, denn schon damals sah sich die straff durchorganisierte, technisch hochgerüstete US Army vor allem durch kleine, autonom agierende Vietkong-Zellen herausgefordert. Wie das ausging, ist bekannt. Es folgten das Kosovo, Afghanistan und der Irak und die US Army musste sich selbst neu erfinden, um in Anbetracht der neuen Herausforderung erfolgreich agieren zu können. Der neue Gegner war viel abstrakter, ungreifbarer und spätestens mit Bin Laden wurde endgültig klar, dass Kriegsführung asymmetrisch geworden ist. Das heißt, der neue, technisch häufig unterlegene, Gegner greift nicht mehr in direkter Konfrontation an, sondern unerwartet, mit Nadelstichen, gleich dem Guerillakrieg, den Che Guevara propagierte. Nachschublinien wurden abgeschnitten, oder Kämpfer als Zivilisten verkleidet. Die Perversion findet ihre Klimax, indem selbst Kinder als Selbstmordattentäter herhalten sollen, oder Esel mit Sprengladungen beladen in Richtung Soldaten geschickt werden. Hier ist nichts mehr klar und eindeutig. Jederzeit kann überall die Hölle losbrechen. Jeder einzelne Soldat, jede noch so kleine Einheit muss ad hoc handlungsfähig sein. Warten auf den Befehl von oben bedeutet nicht mehr und nicht weniger als der mögliche Tod.

Neue Führungsstrukturen mussten her

In Anbetracht der neuen Situation wurde immer klarer, dass Verantwortung dezentralisiert werden musste. Auch Planung und Kontrolle der einzelnen Aktivitäten konnten nicht zentral geplant werden, hatte man zentral doch keine Vorstellung von der tatsächlichen Situation vor Ort. Geregelte Prozesse sorgten zwar für einheitliche Abläufe, allerdings waren es die Squadron, oder Squads (die kleinsten militärischen Einheiten vor Ort), die abschließend entscheiden konnte, ob es links oder rechts herum geht. Die Verantwortung der Armeeführung war es, genau das zu ermöglichen. So wurde Führung auf allen Ebenen neu definiert. Besonderen Stellenwert hatte fortan die Ausbildung der Führungskräfte, insbesondere der Squad Leader. Diese wurden und werden unter anderem darin geschult, analytische Entscheidungsfindungsprozesse auch in Hochstresssituationen zu leisten und so möglichst reflektiert auf Situationen zu reagieren, die in keinem Handbuch zu finden sind. Dabei wurde ihnen klar gemacht, dass ihr Team ihre wertvollste Ressource ist und ihnen wurde beigebracht, diese Ressource konsequent, auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen, zu nutzen. Die obersten Führungsebenen wiederum mussten das Teilen von Verantwortung lernen. Sie mussten hierarchisch orientiertes “Durchregieren” ab sofort unterlassen und stattdessen eine Atmosphäre kreieren, die diejenige Sicherheit schafft, die es für eigeninitiatives und eigenverantwortliches Handeln auf operativer Ebene unbedingt braucht, um erfolgreich zu sein! Tja, Amy C. Edmondsons Psychological Safety steckt eben überall drin!

Ganz schön viel Aufwand hat die US Army da betrieben. Aber in einem VUCA Umfeld hat man schlicht und ergreifend keine andere Chance, wenn man in irgendeiner Art erfolgreich sein möchte! Klingelt da was bei euch? Sind wir nicht alle ein bisschen VUCA?

Aber wer hat es denn nun wirklich erfunden?

Ich frage natürlich immer mal wieder, ob diese Ideen der New Work tatsächlich so neu ist. Und bei der Frage, wer hat’s erfunden, könnte man, wenn man wollte, recht weit zurück gehen. Bereits Anfang der 70er Jahre hat der Zukunftsforscher Alvin Toffler gewarnt, dass es aufgrund zunehmender Dynamik und Komplexität, dringen flexibler Unternehmen bedarf, um auch weiterhin erfolgreich zu sein. In den 80er Jahren war plötzlich von innovativen Unternehmen die Rede, in den 90er Jahren wurde daraus die Lernende Organisation. Heute muss es eben agil sein. Gefühlt wird alle zehn Jahre eine neue Begrifflichkeit durchs Dorf gejagt, die im Kern doch immer das gleiche beschreibt: Eigentlich geht es um die Effekte, die sich einstellen, wenn bestimmte Managementprinzipien eingeführt werden. Momentan geht es eben um Selbstorganisation.

Als ich angefangen habe, mich mit Agilität zu beschäftigen, hatte dieses Managementprinzip eine geradezu magische Anziehungskraft auf mich. Eine ganz Weile war mir überhaupt nicht klar, warum ich so fasziniert war. Inzwischen habe ich es verstanden. Ich bin Human Factors Trainer und habe mein Wurzeln in der Luftfahrt. Und auch wenn die US Army der Meinung ist, Agilität erfunden zu haben, halte ich dagegen: Mein Zuhause, die Luftfahrt, hat als Reaktion auf ein schweres Flugzeugunglück in Teneriffa 1977 (!) angefangen, den Menschen, bzw. operative Teams aus Menschen (Crews) bewusst auf ein dynamisches und komplexes Umfeld vorzubereiten. Bereits 1977 wurde klar, dass der Mensch der Schlüssel zum Erfolg in unklaren Fahrwassern ist. Seitdem werden Crews im Rahmen des Human Factors- oder Crew Ressource Management Trainings bewusst in allen möglichen Softskills geschult. Im Kern geht es darum, seine Kollegen als Ressource zu sehen und sich als Team selbst organisieren zu können, wenn etwas Unerwartetes passiert. Auch Führung ist selbstverständlich dezentralisiert und Hierarchie soll nicht einschüchtern, sondern dazu ermutigen, eigenverantwortlich zu handeln, sich einzubringen und mitzudenken. Wichtig ist hierbei, den Menschen zu verstehen, seine Natur und seine übliche Art zu handeln, oder eben manchmal nicht zu handeln und alle Maßnahmen, Schulungen und Procedures dem anzupassen! Verdammt, der Mensch ist nun mal oft ungeduldig, stur, unsicher, in seiner Wahrnehmung eingeschränkt… Das ist nicht unprofessionell, sondern menschlich! Dem muss man das System anpassen! Andersherum funktioniert es nicht.

Und jetzt müssen wir über Agilität und Hierarchie sprechen, dringend!

Kürzlich ist mir eine Statistik von Haufe in die Finger gefallen, die dargestellt hat, dass kleine oder mittlere Unternehmen zwar ein ähnliches Verständnis von New Work haben, wie Großkonzerne, sie setzen Maßnahmen jedoch anders um. So vagen sich kleine und mittlere Unternehmen wohl eher an Machtstrukturen heran, als Großkonzerne. Die Frage, die ich hier in den Raum stellen möchte ist, ob es für eine erfolgreiche und “neue” Art der Zusammenarbeit denn zwangsläufig nötig ist, Machtstrukturen zu verändern? Oder ob es nicht viel mehr darum gehen sollte, sich zu überlegen was Macht bedeutet und wie sie ausgeübt wird. Die Frage, wie Führung gelebt wird, ist meines Erachtens tausend Mal wichtiger, als krampfhaft Strukturen verändern oder auflösen zu wollen, weil es so in irgendeinem Handbuch steht. Hinzu kommt, dass es gerade in international aufgestellten Großkonzernen durchaus Hierarchiestrukturen gibt, die zum Teil sogar regulatorisch bedingt sind. Schaut man sich die glasklare Hierarchie in der US Army an, geht Agilität auch innerhalb sogenannter Chains of Command. Hierbei ist es wichtig, nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Teams entsprechend vorzubereiten und entsprechend zu schulen. Nichts anderes habe ich in der sehr hierarchisch aufgebauten Luftfahrt viele Jahre getan und im Falle der Luftfahrt gibt der Erfolg diesem Prinzip recht. Die Unfallstatistiken belegen, dass ein entsprechendes Human Factors Training maßgeblich zum Erfolg der Luftfahrt beitragen. Erfolg heißt hier, dass die allermeisten Flugzeuge absolut sicher von A nach B fliegen. Ja, Erfolg in der Luftfahrt ist etwas anderes, als in der Armee, der Finanz- oder IT-Branche! Aber glaubt mir, in einem dynamischen und komplexen Umfeld sind die Faktoren auf menschlicher Ebene, die maßgeblichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg haben, immer die gleichen, überall!

In diesem Sinne, seid erfolgreich!

Eure Constance

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Zwanzig Jahre Krieg gegen den Terror

Wie auch das Konzept von Gut und Böse plötzlich VUCA wurde