Gesellschaft

Neues aus der Forschung: Wie Stress unser Gehirn wachsen lassen kann

Am Ende doch Zauberei…

Mein Zugang zum Menschsein ist sicher einerseits über die Psyche, bzw. über Emotionen getragen, jedoch brauche ich gleichzeitig auch etwas Greifbareres, etwas Nachvollziehbareres, etwas Berechenbareres, um meine Orientierung als Coach, Berater und Mensch nicht zu verlieren. Meine treuen Leser wissen inzwischen, dass ich diesbezüglich beim menschlichen Gehirn fündig geworden bin. - Diese unglaubliche Black-Box, die über Impulse und Hormone selbst wildeste Emotionen greifbar machen kann. Und je tiefer ich mich auf das einlasse, was wir so banal Nervensystem nennen, desto sprachloser werde ich, desto größer wird mein Respekt vor meinem eigenen Körper. Diese unfassbaren Feinabstimmungen fühlen sich manchmal an wie Zauberei.

Am Donnerstag hatte ich ein kurzes Gespräch mit einer Führungskraft, die ich momentan begleite. Eigentlich war es nur eine Absprache, wie wir konkret weiterhin zusammenarbeiten möchten, was ihr Ziel für unsere Zusammenarbeit ist. Natürlich sind wir auch ins Plaudern gekommen und es ging um Stress. Aus ihrer Sicht sei Stress zu einer Art Modewort geworden und es erscheine ihr fast schon en vogue zu erklären, wie gestresst man sei. Alles sei immer ganz furchtbar und schwer! Das lasse einen natürlich auch immer gleich wichtig erscheinen. Ich wusste genau was sie meinte! Das Leben als ewiger Kampf…

Keine Zauberei, sondern Biochemie…

Im Verlauf des Gesprächs sagte ich nur, dass Stress doch eigentlich nicht mehr und nicht weniger ist, als eine körperliche Reaktion, die uns in bestimmten Situationen leistungsfähiger macht. Wichtig hierbei ist, dass sich Stressphasen und Erholungsphasen über den Tagesverlauf betrachtet abwechseln. Unser Körper ist so konzipiert, dass er selbst allerhöchsten Stress aushalten und verarbeiten kann. So gesehen ist Stress das positivste überhaupt, weil Stress unser Überleben, unser Durchsetzungsvermögen sichert. Stress ist ein elementarer Teil des Menschseins.

Zum Thema wird Stress jedoch, wenn die Erholung fehlt, wenn wir nicht mehr abschalten können und permanent Stresshormone wie Adrenalin oder Cortisol durch unseren Körper toben. Denn Teil des körperlichen Gesamtpakets ist, dass unser Herz im Stresszustand schneller schlägt, die Atmung flacher ist, die Durchblutung sich verändert und die Verdauung aussetzt. Schlägt das Herz permanent schneller wird es krank. Setzt die Verdauung aus und wir laden Essen nach, kommt es zu nervösen Reizmägen, Magengeschwüren, Reizdarm, etc. Aber es ist nicht der Stress, der schlecht ist. Schädlich ist, dass der Ausgleich fehlt.

Burnout oder Boreout?

“Du musst schon auch mal nach Dir schauen!” “Pass auf, dass Du nicht zu viel machst!” “Wenn Du so weitermachst…” - Viele gute Ratschläge, die ich immer wieder von Menschen bekomme, die sich um mich sorgen. Ja, ich arbeite sehr viel, sehr sehr viel! Und in meiner Freizeit bilde ich mich weiter, schreibe Artikel und träume von meinem Buch. Das ist ein verdammtes Pensum, jedoch fühlt es sich leicht an. Ich kann das alles mit Leichtigkeit leisten, weil ich meinem Körper Ausgleich gönne und meinen Stress als Freund betrachte, als Unterstützer und Befähiger. Somit habe ich keinen Stress davor, Stress zu haben und kann so sehr schnell vom Stressmodus in den Entspannungsmodus schalten. Würde man mir auch nur einen Teil meines Stresses nehmen, müsste ich mir wahrscheinlich eher Sogen vor einem Boreout machen.

Gefühlt galt Workaholic lange als negativ belegt und ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, klipp und klar zu sagen, dass ich meinen Stress liebe und ich ihn keinesfalls reduzieren möchte. Dank der Gesundheitspsychologin Kelly McGonigal, die seit vielen Jahren an der Sanford University rund um das Thema Stress forscht, kann ich damit inzwischen entspannter umgehen. Ihren Forschungen folgend bin ich ein sogenannter Stressenthusiast, jemand, der Stress nicht negativ, sondern positiv bewertet und deshalb auch anders mit Stress umgehen kann. Kelly McGonigal schreibt, dass diejenigen, die ihre Stressreaktionen als hilfreich und positiv betrachten, die biologische Voraussetzung für Mut schaffen. -Spannender Satz, den man sich gerne nochmal auf der Zunge zergehen lassen darf. Bin ich mutig? -Ich denke schon! Es gibt keinen positiven und negativen Stress, so wie er immer wieder in Stressseminaren besprochen wird. Stress ist Stress, sagt McGonigal. Der Unterschied liegt in unserer generellen Bewertung, die uns mutig oder ängstlich werden lässt!

Betrachte ich nur meine körperlichen Reaktionen, dann spüre ich bei Stress vor einem großen Vortrag oder einem wichtigen Workshop, wie mein Herz etwas schneller schlägt, meine Hände vielleicht feucht werden, mein Mund dafür trocken und ganz sicher muss ich zur Toilette. Vielleicht kenn ihr ähnliche Reaktionen. Ist das nun beängstigend oder nicht? Für mich nicht. Ich nehme all das wahr und spüre, dass mein Körper da ist, bereit zu performen. Allerdings kenne ich auch Menschen, die eben diese Reaktionen beängstigend finden und große Vorträge deshalb meiden.

Lasst uns mal auf eine andere Situation schauen, um das Ganze zu verdeutlichen: Geht mal in eine Situation zurück, in der ihr unglaubliche Vorfreude empfunden habt, Vorfreude, die fast nicht mehr auszuhalten war. Überprüft nun kurz, was in eurem Körper los ist. Trockener Mund? Herzrasen? Flache Atmung? Feuchte Hände? Ja, es ist exakt die gleiche Reaktion, eine Stressreaktion des Körpers, die einmal positiv, als Vorfreude, und einmal negativ, als Angst bewertet wird.

Denn Mindset ist alles

Der für mich spannendste Aspekt in Hinblick auf unseren Körper ist, dass nicht nur der Körper Einfluss auf unser Mindset hat, sondern unser Mindset Einfluss auf tatsächlich messbare Körperfunktionen hat. Auch in Hinblick auf Stress gibt es wie ich finde hochinteressante Erkenntnisse, welchen konkreten Einfluss unser Mindset in Bezug auf Stress hat.

In ihrem Buch “Glücksfaktor Stress” berichtet McGonigal unter anderem von einer Versuchsreihe der Forscherin Alia Cums, die erforschte, welche konkreten körperlichen Auswirkungen die individuelle Bewertung von Stress hat.

Cums fand heraus, dass der jeweilige Stresshormon-Cocktail bei Menschen mit einem positive und bei Menschen mit einem negativen Stress-Mindset unterschiedlich war. Insgesamt habe wir natürlich alle die gleichen Hormone im Körper, wenn die Stressreaktion losgeht. Adrenalin und Noradrenalin gehören ebenso wie Cortisol zu den bekannteren Stresshormonen. Weniger bekannt ist vielleicht Dehydroepiandrosteron (DHEA). Wichtig ist, dass keines dieser Hormone ein gutes oder ein schlechtes Stresshormon ist. Jedes Hormon hat eine eigene wichtige Aufgabe. Interessant ist jedoch das Mengenverhältnis der Hormone.

Im Rahmen ihrer Studie hat Cums sich auf Cortisol und DHEA fokussiert. Während Cortisol bei der Umwandlung von Zucker und Fett in Energie hilft und gleichzeitig die in überlebenswichtigen Situationen unwichtigen Körperfunktionen wie Verdauung, Wachstum oder Fortpflanzung unterdrückt, ist DHEA ein sogenanntes Steroid, das nicht nur die Wundheilung und die Immunabwehr verbessert und die Wirkung von Cortisol in Teilen ausgleicht, sondern auch das Gehirnwachstum fördert! Ja, Stress lässt unsere Gehirne wachsen.

Herr, schick Hirn! - Oder lass es wenigstens wachsen…

Ausschlaggebend dafür, ob unser Gehirn tatsächlich bei Stress wächst oder nicht ist der sogenannte “Growth-Index”, das heißt das Verhältnis von Cortisol und DHEA. Überwiegt DHEA entwickelt sich unser Gehirn unter Stress weiter. Im akademischen Umfeld führt das laut Cums zu größerer Beharrlichkeit und Resilienz, bei Studenten sogar zu besseren Noten. Im militärischen Umfeld stellte Cums bei hohem “Growth-Index” zum einen eine höhere Konzentrations- und Problemlösefähigkeit fest, zum andern sinkt die Anfälligkeit für Posttraumatische Belastungsstörungen und dissoziativen Störungen mit ansteigendem “Growth-Index”.

Da uns allen sicher an großen, leistungsfähigen Gehirnen gelegen ist, stellt sich natürlich die Frage, woher ein hoher “Growth-Index” kommt. Die Antwort ist verblüffend: Von der individuellen Einstellung zu Stress. Cums stellte bei denjenigen Probanden, die Stress generell als positiv und unterstützend bewerteten, eine höhere DHEA-Konzentration im Speichel fest. Und noch verblüffender ist, dass sie mehrere Studienreihen begleitet hat, in welchen Menschen an ihrem Stress-Mindset gearbeitet haben um es von negativ in positiv zu wandeln. Auch bei ihnen stellte Cums nach der gemeinsamen Arbeit einen höheren DHEA-Spiegel fest.

Schließlich erklärte sich mir auch der Untertitel, den McGonigal ihrem Buch gab: Warum Stress erfolgreich und gesund macht!

Also auf geht’s: lasst uns am Mindset arbeiten!

Tja, was soll ich nun sagen, als Coach, der häufig nicht mehr und nicht weniger tut, als Menschen dabei zu unterstützen, ihre Haltung, ihr Mindset zu Rahmenbedingungen, die sie selbst nicht ändern können, zu ändern? Wenn unser Mindset, unsere innere Haltung die Kraft hat, Hormonkonzentrationen zu ändern und Gehirne messbar wachsen zu lassen, dann habe ich nicht nur den schönsten Job der Welt, sondern auch einen der wissenschaftlich nachweisbar zu messbaren Veränderungen führt. Maine Arbeit hat schon lange nichts mehr mit Soft Skills, sondern mit Hard Facts zu tun!

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen wunderschön stressigen Sonntag! Lasst die Gehirne wachsen. Unsere Welt kann es brauchen…

Eure Constance

Mindset

Wenn innere Haltung alles verändert…

Über die heilige Ordnung der Männer! - Und das Blut in den Schuhen der Frauen...

Rucke di gu, rucke di gu, Blut ist im Schuh…

Mein Instagram-Netzwerk hat bereits mitbekommen, dass ich mich zum Jahreswechsel mit Gerhard Schwarz’ Buch “Die heilige Ordnung der Männer” beschäftigt habe. - Eine absolute Leseempfehlung! Auf gut 300 Seiten beschreibt Schwarz wie sich evolutionshistorisch betrachtet Gruppen, Stämme und Gruppendynamiken entwickelt haben, die ihrerseits Hierarchien, Gesellschaftsordnungen, Organisationsstrukturen hervorgebracht haben. Es ist unmöglich, diese Flut an Informationen in nur einen einzigen Artikel zu pressen. Jedoch möchte ich mich heute mit einem kleinen Teil beschäftigen: Gemeinsam mit Euch möchte ich etwas tiefer in das Thema Hierarchie und Geschlechterproblematik einsteigen, da dies nicht nur auf Organisationsebene das Kernthema rund um unsere gegenwärtige Genderlogik zu sein scheint.

So beschreibt Schwarz, dass Hierarchie an sich eine Ordnung sei, die stärker von Männern als von Frauen getragen wird. Klassische, historische Hierarchieordnungen wie zum Beispiel Kirche oder Militär schließen oder schlossen Frauen sogar explizit aus. So wurde also die Hälfte der Menschheit beim Bau der allgemein gültigen Ordnungsprinzipien außen vorgelassen. Hierarchie wurde als Ordnungsprinzip unserer Gesellschaft zu einer Art Maßanzug für Männer, der perfekt sitzend nach ihrem Schnitt gefertigt wurde. Bei uns Frauen und der Hierarchie verhält es sich ähnlich wie mit Aschenputtels Schuh im Märchen: Der Fuß muss passend gemacht werden, ein Stück Ferse muss ab, damit der Schuh passt. So sei laut Schwarz der grundlegendste Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Hierarchien unserer Wirtschaftsunternehmen, dass sich die Idee der Hierarchie den Männern angepasst hat und die Frauen sich der Hierarchie als Ordnungsprinzip anpassen müssen. Recht ungleiche Voraussetzungen für Erfolg, wenn Ihr mich fragt!

Jagende Männer und mütterliche Versorgungsgemeinschaften…

Was ist der Ursprung dieses Dilemmas? Reisen wir zurück in die Zeit, in denen Menschen in Höhlen lebten (wobei, eigentlich reicht es schon in Zeiten vor Alice Schwarzer zurückzukehren!). Es waren Männer, die sich zu straff organisierten (hierarchischen) Jagdgruppen zusammengefunden haben, den Vorläufern unserer Unternehmen. Die Frauen fanden sich in mütterlichen Versorgungsgemeinschaften (mit den eigenen Müttern, Schwiegermüttern, ggf. noch Schwestern) zusammen, die sich um Haus, Hof und den Nachwuchs kümmerten. Diese natürliche, aber auch sehr stringente Geschlechtertrennung brachte selbstverständlich auch unterschiedliches Rollenverhalten hervor. Männer netzwerkten im großen Stil um schlagfertige Jagdgruppen zu formieren und Frauen lebten in einem eher kleinen Mikrokosmos und kümmerten sich um sich selbst und die engste Familie. Während die Jagd strategisches Vorgehen erforderte, bedeutete kümmern häufig, sich flexibel an eine neue Situation anzupassen. So weit so einleuchtend! Die aus diesen unterschiedlichen Alltagsrealitäten resultierenden Rollen wurden über die Jahrtausende zu einem immer festeren Korsett. So wurde und wird ein nicht geschlechterspezifisches Handeln von Frauen bis heute in den unterschiedlichsten Formen bestraft. Insgesamt dauerte es ohnehin recht lange, bis man uns Frauen eine größere Rollenflexibilität zugestanden hat, bzw. bis wir Frauen begonnen haben, uns aus unserer untergeordneten Rolle zu befreien. Es gibt Länder und Kulturen, in denen das bis heute nicht möglich ist. Schauen wir nach Afghanistan, werden Frauen und Mädchen wieder zunehmend in den Mikrokosmos der mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zurückgedrängt. Im Iran hingegen kämpfen Frauen todesmutig für mehr Freiheit, bzw. eine größere Rollenflexibilität wie Schwarz es nennt.

Von den Trümmerfrauen zurück zu den Hausmütterchen

Dass Frauen keineswegs nur auf die ihnen zugestandene Rolle beschränkt sind, hat die Geschichte immer und immer wieder bewiesen. Als der Opa meines Mannes im Krieg war, war es seine Oma, liebevoll Oma-Häuschen genannt, die einen großen Bauernhof mit Land und Leuten alleine führte, Entscheidungen traf und nebenbei auch noch ihre Mutterrolle ausfüllte. Kaum war der Krieg zu Ende waren es die legendären Trümmerfrauen, die damit begonnen haben, das Land wieder aufzubauen. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese großartigen, starken Frauen ihre Positionen bereitwillig aufgaben, sobald die Männer wieder zurück waren… Es dauerte noch eine Weile, bis sich Frauen hier in Deutschland unter dem Protest und der Häme der Männer politisch engagierten, oder eine Karriere anstrebten. Verrückt eigentlich. Ein ganz schöner Kampf. Aber immerhin ist es inzwischen “normal”, dass auch Frau arbeitet. Auf den Führungsetagen sind sie jedoch nach wie vor ausgesprochen rar, trotz Frauenquoten, Förderprogrammen, etc. Warum eigentlich? Liegt es am Maßanzug “Hierarchie”, der Brüste und Taille nicht abbildet? Oder sind Frauen vielleicht nicht klug oder nicht fleißig genug?

Können Frauen Karriere machen?

Eine Frage die in Anbetracht der gesellschaftlichen Realität und des evolutionshistorischen Rollenverständnisses durchaus erlaubt sein darf. Lange Zeit stand das schlechtere Bildungsniveau von Mädchen und Frauen der Karriere im Weg. Inzwischen haben Mädchen den Jungs längst den Rang abgelaufen. Offensichtlich braucht es für Karriere jedoch mehr als eine gute Ausbildung.

Gleich mehrere Untersuchungen ergaben, dass Frauen aufgrund einer stärker empfundenen Loyalität und dem Gefühl ihr Umfeld nicht im Stich lassen zu dürfen, seltener den Arbeitsplatz wechseln. Allerdings ist ein regelmäßiger Jobwechsel häufig ein wahrer Karriere Booster.

Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen eine größere Leistung erbringen, wenn sie Erfüllung und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Beides finden Frauen deutlich häufiger als Männer darin Verantwortung für andere zu übernehmen und Beziehungen auch auf der Arbeit aufzubauen. Auch das macht loyal. Hinzu kommt, dass Frauen weniger Sinn darin sehen, ein klares Ranking zu erstellen, als Männer. Frauen fällt es mehrheitlich schwer, offen in Konkurrenz zu anderen zu gehen, was ihnen häufig als Schwäche ausgelegt wird. Tja, der Hierarchie-Maßanzug passt Frau eben nicht! Außerdem denken Frauen weniger in Positionen, als in Personen und natürlich fühlt es sich für viele kalt an, Personen zu ersetzen. Allerdings ist es für die Karriere unabdingbar Positionen zu ersetzen oder zu übernehmen. So und nur so geht es eben voran!

Hinter all dem steckt natürlich der Kerngedanke, dass Frauen das Beziehungsgeflecht häufig wichtiger ist, als die Aufgabe. Auch das lässt sich mit den uralten, fast naturgegebenen Rollen erklären. Bei der Jagd war es immanent wichtig, dass ein jeder seine individuelle Aufgabe oder Position erfüllt oder ausfüllt und damit zum Erfolg beiträgt. In mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zuhause hat man im kleinen, familiären Kreis geschaut, was ansteht und sich dementsprechend gemeinsam gekümmert. Für dieses “gemeinsam” war eine stabile und positive Beziehung und Anpassungsfähigkeit das A und O. Zum Jagen reichte strategisches Verständnis, klar verteilte Positionen und Disziplin.

Und trotzdem, oder gerade deshalb können Frauen Karriere machen

Diese andere Rolle, die Frauen Jahrtausende geübt haben, bring jenseits des Unbehagens mit Hierarchien jedoch auch knallharte Vorteile mit, die Frauen zu wertvollen Ressourcen machen und ihnen den Weg hin zu einer glänzenden Karriere ebenen sollten. - Und meine Herren, die folgenden Liste ist nicht von mir, sondern wissenschaftlich evaluiert und von Gerhard Schwarz zusammengetragen:

  • Frauen sind gesundheitlich belastbarer (Anm. der Autorin: Bis hierher keine Überraschung!)

  • Frauen sind Multitasking-fähiger

  • Frauen haben eine höhere emotionale Intelligenz

  • Frauen sind loyaler

  • Frauen haben eine höhere Risikobereitschaft im Sinne von Widerspruchsbereitschaft, geben also offener Feedback und hinterfragen eher

Auch das dumme Argument, junge Frauen nicht einzustellen, weil sie schwangerschaftsbedingt ausfallen könnten, zieht nicht mehr. Denn junge Männer wechseln statistisch bewiesen deutlich häufiger das Unternehmen, was sicher auch nicht der Traum eines jeden Chefs ist!

Und doch hat Frau es häufig schwer: Warren Buffets “Lucky Sperm Club”

Diesem Phänomen der Männergesellschaften, das Warren Buffet süffisant als “Lucky Sperm Club” beschreibt, habe ich ja bereits einen eigenen Artikel gewidmet allerdings muss ich diese exklusiven Männergesellschaften auch hier wieder einmal in unser aller Gedächtnis rufen, tragen sie doch maßgeblich dazu bei, dass Frau trotz all ihrer wertvollen Ressourcen häufig nicht bis an die Spitze vordringt! Diese Männer-Gangs haben ihren Ursprung in den alten Jagdgruppen, in denen klare Hierarchien, Positionen und Gleichschaltung hinter dem Anführer stark zum Erfolg beigetragen haben. Frauen kennen diese Form von Verschworenheit nicht, weil sie evolutionshistorisch betrachtet keinen Nutzen aus Gleichschaltung und Einheitlichkeit hinter der Führung ziehen konnten. Das stammesgeschichtliche Erbe der Frauen sei es laut Schwarz auf individuelle Unterschiede zu reagieren, Beziehungen aufzubauen und mikrosoziale Netzwerke (also Familien) zu pflegen. Frauen haben stets ihr Überleben und das ihrer Kinder gesichert und mussten zu diesem Zweck ausgesprochen flexibel agieren, mit Fokus auf ein sehr kleines soziales Umfeld. Es gibt sogar Ansätze, die behaupten, dass Frauen gemeinsam nicht so stark seien, wie allein. Wenn das stimmt, erklärt sich von allein, dass Frauen sich in ihren Verhaltensmustern von Männern unterscheiden und sich zum Beispiel auch weniger stark unterstützen, als Männer es untereinander tun, um bestimmte hierarchische Positionen zu erreichen. Den “Lucky Ovum Club” gibt es eben nicht!

Rucke di gu, rucke di gu, kein Blut mehr im Schuh?

Viele Erklärungsversuche, weshalb Frauen deutlich seltener in Führungspositionen kommen, als Männer orientieren sich an vermeintlichen Defiziten von Frauen. Um diese Defizite zu überwinden, werden Frauenquoten eingeführt, da Frauen selbstverständlich eine Bereicherung für jede Führungsetage darstellen. Kognitive Diversität schadet eben nie. Jedoch möchte ich nach der Lektüre von Schwarz’ wunderbarer Abhandlung gerne die Frage in den Raum stellen, ob nicht das System selbst das Problem darstellt! Vielleicht ist die Hierarchie selbst der größte Hinderungsgrund für Frauen in Führungspositionen zu gehen… Laut Schwarz ist uns Ladies dabei immer Blut im Schuh gewiss. Im Rahmen von männlich geprägten Hierarchien kommen Frauen nicht umhin, sich einen Schuh anzuziehen, der ihnen nicht passt. Das ist auf die ein oder andere Art immer schmerzhaft. Ein Preis, den nicht jede bereit ist zu zahlen! Aber wie wäre es dann mal mit neuen Organisationsformen und wirklich neuen Führungsansätzen?

Ich versprechen das Thema in den nächsten Wochen noch einmal aufzugreifen und davon zu berichten, was Führung jenseits von hierarchiebedingter “Positional Power” ausmachen kann.

Ich freue mich auf Euer Feedback und wünsche Euch einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Rucke di gu rucke di gu…

Zieh Dir den Schuh an, wenn er Dir passt… Und wenn nicht, dann trotzdem!

Der Sinn des Lebens - Ein Weihnachts-Blog

Zeit inne zu halten?

Der Sinn des Lebens! Worüber könnte ich heute, am Heiligen Abend sonst schreiben? In meinem letzten Blog habe ich Euch mit auf meine rastlose Reise durch mein kleines Leben genommen. Ich habe Euch erzählt wie schnell und wie stetig sich meine Welt dreht. Keine Zeit inne zu halten! Aber es gibt diese Hand voll Tage, an denen meine kleine Welt stillsteht, an denen ich mir Zeit nehme, Zeit zu reflektieren, Zeit mich zu fragen wofür das Ganze! Was ist der Sinn meiner, Eurer, unserer Existenz? Ein gigantisches, fröhliches, erschreckendes, trauriges, erfolgreiches, verrücktes, schockierendes Jahr geht langsam zu Ende. Und die Frage muss erlaubt sein: Wofür das alles? Du wirst geboren, Du isst und trinkst und schläfst und rennst und lachst und weinst und zack ist alles auch schon wieder vorbei. Was ist der Sinn? Es ist Weihnachten, ich mache eine kurze Pause und denke nach.

Das ein oder andere Konzept

Auf meiner Suche nach dem Sinn bin ich über so einige Konzepte gestolpert. Ich suche ja auch schon eine Weile. Manche haben mir besser, andere weniger gut gefallen.

Aus evolutionärer oder biologischer Perspektive betrachtet, ist mein Leben ganz und gar sinnlos, denn ich habe es eindeutig versäumt, meine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. So gesehen wird von mir nichts übrigbleiben. Ich bin hier, verbrauche Ressourcen und doch werde ich nichts hinterlassen. -Ganz und gar sinnlos!

Schau ich auf meine wunderbaren Stiefkinder glaube ich jedoch nicht, dass so gar nichts von mir übrig bleibt. Ich bin mir sicher, es gibt Momente, die Laura und Daniel in ihren Herzen abgespeichert haben, die sicher deutlich länger Teil dieser Welt bleiben, als ich. Erst letztes Wochenende haben wir über diesen einen Urlaub in Amsterdam gesprochen… Das Lachen und die Liebe bleibt in ihren Herzen und ich bin mir sicher, sie werde beides irgendwie weitergeben. Was ist da schon Genetik? Liebe ist doch so viel mehr!

Mein Papa hielt es mit dem Sinn des Lebens wie Aristoteles: „Sein Leben hat nur Bedeutung, wenn er versucht etwas zu erreichen und nach seinen Zielen strebt.“ Für meinen Papa war der Sinn des Lebens, das Ziel seines Lebens, seinen Geist immer weiter zu entwickeln. Es war unglaublich wichtig für ihn, stetig zu lernen. Wissen war sein Sinn, sein Purpose. Er wollte begreifen und verstehen. Das gab er auch sehr konsequent an uns Kinder weiter. Es gab Momente, in denen habe ich es gehasst, heute glaube ich fest daran, dass das der Grundstein für meine Neugier war. Dann wurde Papa krank und es wurde sehr bald deutlich, dass er diese Krankheit nicht würde besiegen können. Er würde nicht gesund werden. Wie geht man damit um, wenn man seine eigene Endlichkeit so gnadenlos vor Augen geführt bekommt? Eine Weltreise, nochmal etwas ganz besonders tun, die Bucket List abhaken? Papa hat sich für Alltag und Normalität entschieden. Offensicht war es der Alltag, den er bewusst erleben wollte. Nichts hatte für ihn einen größeren Zauber, mehr Sinn. Ich erinnere mich an unser letztes Weihnachten. Am Morgen des Heiligen Abend hatten wir uns mal wieder gestritten. Wir waren und sind recht meinugsstabil! Das sorgt immer mal wieder für hitzige Diskussionen. Papa stand mit Tränen in den Augen vor meiner Tür und hat mich gebeten einfach nur Weihnachten zu feiern. Es war ein ganz normales, unspektakuläres Weihnachten. Alles wie immer und trotzdem so wertvoll. Ähnlich war es mit meiner Freundin Tracey: Der Krebs tobte schon überall in Tracey Körper, als wir nochmal einen Tag gemeinsam verbringen wollten. Es war kein außergewöhnlicher Tag. Wir waren an Orten, die wir nur zu gut kannten, schließlich gab es Wein und Käse in einem Weingut, in dem wir schon so oft waren und zum Abschluss haben wir einen Sonnenuntergang genossen, wie wir ihn schon so oft genossen haben. Noch ein Glas Wein, eine letzte Umarmung… Ein Tag voller Zauber, voller Zauber des Normalen! Ist das Normale also der Sinn? Geht es vielleicht um den Moment und um die Menschen mit denen wir diesen Moment teilen? Ist das der Sinn?

In meinem beruflichen Umfeld spielt das Thema Purpose immer wieder eine zentrale Rolle. Was ist unser Purpose? Unser Sinn, der wie ganz selbstverständlich häufig eng mit einem Ziel verknüpft ist. Aber ist das Ziel wirklich der Sinn? Habt Ihr ein Lebensziel? Ich habe natürlich eines. Aber was ist, wenn ich aus welchen Gründen auch immer mein Ziel nicht erreiche? Was wenn mir die Zeit fehlt, oder mein Ziel zu groß ist? Wird mein Leben dann sinnlos gewesen sein? In einer ganz und gar zielversessenen Gesellschaft erscheint das Leben oft linear, wie eine Art Lebenslinie, ausgerichtet auf dies und das. Was aber wenn unser Leben gar keine Linie ist, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Punkte, einzelner Momente, jeder für sich mit Sinnhaftigkeit gefüllt? Ich glaube nicht, dass es um ein Ziel geht, dessen Erreichung mit so vielen Faktoren und einer guten Portion Glück zusammenhängt. Ja, ich habe meinen Purpose. Aber ist das mein Sinn? Bin ich hier um ein Ziel zu erreichen? Ich erinnere mich an dieses letzte große Gespräch mit meinem Papa, damals auf dem Krankenhausflur. Ich haben ihm versucht zu erklären, dass der Sinn für mich unabhängig vom Ziel sei. Leider fehlten mir damals noch die passenden Worte, die das was ich spürte beschreiben konnte. Ich habe meinem Papa versucht von all den einzelnen Punkten zu erzählen, die für mich Sinn ergaben. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass mein Lebenssinn all die zauberhaften Momente sind, die ich mit anderen Menschen teilen konnte… -Jede wilde Party, jedes gemeinsame Erlebnis. Mein Leben damals bestand daraus, Menschen kennenzulernen, Verbindungen einzugehen und gemeinsam unvergessliche Momente zu schaffen, die auf ewig in unseren Herzen bleiben. -So wie damals im Familienurlaub in Amsterdam!

Alfred Adler, der Psychologe der zum Philosophen wurde

Auf der Suche nach Worten, die meinen Sinn des Lebens bestmöglich beschreiben, bin ich vor einigen Jahren schließlich bei dem österreichischen Psychologen Alfred Adler fündig geworden. Der Begründer der Individualpsychologie, dessen Ansätze Einfluss auf so große Geister wie Viktor Frankl und Abraham Maslow hatten, entwickelte im Laufe seines Wirkens zunehmend auch einen geradezu philosophischen Anspruch. In seinem späten Werk “Der Sinn des Lebens”, das 1933 erschien, beschreibt Adler zwei unterschiedliche Bedeutungen des Sinns. Zum einen beschreibt er den Sinn, den ein Mensch in seinem Leben sucht und sicher auch findet und der sehr eng mit dem Selbstbild und den eigenen Meinungen und Perspektiven, aber auch mit den Meinungen und Perspektiven der anderen zusammenhängt. - Papas Verständnis, dass wir auf dieser Welt sind, um unseren Geist stetig weiterzuentwickeln, oder mein Purpose. Dieser Sinn ist recht greifbar, quasi “SMART”, kann deshalb aber auch verfehlt werden. Die KPIs unseres Lebens! -Ganz in Aristoteles‘ Sinn.

Die zweite Bedeutung hinter dem Sinn des Lebens beschreibt Adler als den “wahren” Sinn. Dieser Sinn liegt laut Adler jenseits von Erfahrungen oder Meinungen und kann deshalb auch nicht verfehlt werden. Jedoch muss man aufpassen, dass man ihn bei all dieser rastlosen Rennerei, die unser Leben heute oft mit sich bringt, nicht übersieht.

“Nach einem Sinn des Lebens zu fragen hat nur Wert und Bedeutung, wenn man das Bezugssystem Mensch-Kosmos im Auge hat.” A. Adler

Die Anforderung des Kosmos an die Menschheit ist für Adler die stetige Entwicklung, und zwar die stetige gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer idealen, friedlichen und gerechten Gesellschaft der Zukunft, ganz nach dem Kant’schen Ideal. Und wie kommen wir dort hin? -In dem wir in Verbindung gehen, uns bewusst als Teil einer Gesellschaft sehen und unser Tun auch immer im gesellschaftlichen Kontext betrachten. Es geht nur gemeinsam! Dieses Mantra der New Work Bewegung ist so alt wie die Menschheit selbst und ist laut Adler eben der wahre Sinn des Lebens. Was das bedeutet: Ich liebe und ich werde geliebt! -Der Sinn des Lebens! Die Basis dafür ist laut Adler übrigens Selbstliebe, oder wie er es beschreibt: Die Überwindung unserer angeborenen Minderwertigkeitskomplexe.

Du liebst und Du wirst geliebt! - Das ist was wirklich zählt

So sitze ich also hier, am Morgen des Heiligen Abends. Im Radio läuft John Lennon. - War is over if you want it, war is over now… Wie weit entfernt könnten wir als Gesellschaft dieser Tage vom Kant’schen Ideal sein? - Ukraine, Afghanistan, Iran, Äthiopien… Und all der Hunger, der Hass, all die Ungerechtigkeiten, die mangelnde Nachhaltigkeit, die sterbende Natur… Aber Adler sagte ja ganz klar, es gehe nicht darum, diese Gesellschaft zu sein, sondern sich Schritt für Schritt zu eben dieser Gesellschaft zu entwickeln. Die Benchmark ist die Entwicklung selbst! Und wenn ich meine Augen und mein Herz öffne, sehe ich überall auch sehr viel Solidarität und Zusammenhalt, Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen und so für wunderschöne Momente, einzelne kleine Punkte auf unserer Reise durchs Leben, sorgen.

Ich wünsche Euch und Euren Liebsten wunderschöne, friedliche Weihnachten. Schafft Euch zauberhafte Momente, schöne Erinnerung und gebt Euren Leben so den wahren Sinn im Adler’schen Gedanke. Geht in Verbindung mit anderen, ob im kleinen Kreis, oder im großen und macht die Welt so ein wenig glücklicher.

Ich werde heute nur sehr klein feiern, den Abend genießen, aber auch all die leeren Stühle an meinem Tische betrachten und all die wertvollen Erinnerung der Vergangenheit wieder in mein Bewusstsein rufen. So viele zauberhafte Punkte! Und morgen wird dann groß gefeiert, mit Familie und vor allem mit vielen Freunden, die ich zum Teil schon aus Kindertagen kenne und die nun ihre eigenen Kinder mitbringen. Ich bin in Verbindung. Überall finde ich helfende Hände und ich selbst reiche meine eigene Hand wann immer ich kann. So wird jeder Tag sinnvoll und wertvoll. Was braucht es da noch an größeren Zielen?

Du liebst und Du wirst geliebt und das ist der Sinn…

Frohe Weihnachten.

Eure Constance

Der Sinn des Lebens

Denn Du liebst und Du wirst geliebt…