Stress

Volkskrankheit Burnout? - Tabuthema Depression

Für Ralf…

Kevin Kühnert tritt nicht nur als Generalsekretär der SPD zurück, sondern zieht sich offenbar für den Moment komplett aus der Politik zurück.

Die Spekulationen beginnen sofort. Ein junger Mann, noch keine 40 Jahre alt, ist auf absehbare Zeit offenbar nicht arbeitsfähig. Krebs? Oder eine andere schwere körperliche Erkrankung? Die tatsächliche Antwort bleibt offen. Allerdings werden die Hinweise deutlicher, dass es sich um eine emotionale oder psychische Erkrankung handeln könnte. Burnout heißt es im Volksmund. Ein Begriff, der immer präsenter wird. Dabei ist Burnout, rein psychotherapeutisch betrachtet, keine Diagnose. Diese Form der Erkrankung ist im aktuellen ICD-10-Katalog zur Klassifikation psychischer Störungen nicht aufgeführt. In der reinen Diagnostik muss man sich im Bereich der depressiven Episoden bedienen – Überlastungsdepression? Doch offen bleibt die Frage, was genau Burnout eigentlich ist.

Burnout – ein Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung

Ein Burnout wird als Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung durch anhaltenden Stress, insbesondere im beruflichen Umfeld, beschrieben. Menschen, die unter einem Burnout leiden, fühlen sich oft überfordert, ausgebrannt und nicht in der Lage, ihre täglichen Aufgaben zu bewältigen. Typische Symptome sind:

  • Anhaltende Müdigkeit

  • Rückzug von sozialen und beruflichen Verpflichtungen

  • Negative Einstellung gegenüber der Arbeit

  • Konzentrationsschwierigkeiten

  • Geringe Motivation und Kreativität

Ein Burnout entwickelt sich häufig über einen längeren Zeitraum, wenn Stress dauerhaft und ohne ausreichende Erholung oder Unterstützung anhält.

Was lässt uns ausbrennen?

Schauen wir uns genauer an, welche Faktoren die Entstehung eines Burnouts begünstigen. Diese lassen sich in vier Felder einteilen:

Im ersten Feld finden wir den wahrscheinlich offensichtlichsten Punkt, der ein Burnout begünstigt: chronische Überforderung im Beruf. Dazu gehören eine hohe Arbeitsbelastung, also zu viele Aufgaben, womöglich in Kombination mit hohem Zeitdruck und unrealistischen Zielen. Dies führt zum Gefühl ständiger Überforderung. Hinzu kommt das Gefühl mangelnder Kontrolle, also der fehlende Einfluss auf Entscheidungen und Arbeitsprozesse, oft gepaart mit mangelnder Anerkennung oder Wertschätzung sowie einem negativen Arbeitsklima oder einer ungünstigen Unternehmenskultur. Inzwischen spricht man offen über toxische Arbeitsumfelder, da diese unglücklicherweise keinen Seltenheitswert haben.

Das zweite Feld betrifft eine mangelhafte oder fehlende Work-Life-Balance, also zu wenig Freizeit und zu kurze Erholungsphasen. Insbesondere in Zeiten von Homeoffice oder hybridem Arbeiten verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend, was das Gefühl von Stress verstärken kann. Wenn das Wohnzimmer zum Arbeitsplatz wird, greift man schnell mal auch abends um neun zur Tastatur, um noch schnell eine E-Mail zu beantworten.

Im dritten Feld sehe ich persönliche Faktoren: familiäres Umfeld, Geldsorgen, persönliche Krisen, Einsamkeit… Dazu gehören aber auch Perfektionismus und das ständige Streben nach den eigenen, oft gnadenlosen Ansprüchen an sich selbst. Einige Menschen haben nie gelernt, eigene Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.

Das vierte Feld ist aus meiner Sicht als Coach besonders interessant: das Gefühl der Sinnlosigkeit oder der Mangel an Sinnhaftigkeit. Wenn wir das Gefühl haben, unsere Arbeit ist bedeutungslos oder trägt nichts Positives bei, kann das zur Entfremdung in Bezug auf die eigene Tätigkeit führen und Frustration auslösen. Man sollte sein Bedürfnis nach einem größeren „Wofür“ nicht unterschätzen. Unsere Seele, unser Unterbewusstsein, schätzt es gar nicht, wenn wir unsere kostbare Zeit sinnlos vergeuden – und das zu Recht!

Wie sich schützen?

Um ein Burnout zu vermeiden, geht es immer auch darum, die eigene Resilienz zu stärken. Es gibt sieben Bereiche, in denen man aktiv werden kann. Allerdings lesen sich diese Empfehlungen oft einfach und leuchten sofort ein. Doch bei der Umsetzung im Alltag wird es schwieriger. Hier kommt oft die Unterstützung durch Coaches wie mich ins Spiel.

Es ist wichtig, sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben Maßnahmen zu ergreifen, die das Stressempfinden reduzieren und die eigene Achtsamkeit steigern. Hier also sieben wirksame Strategien, an denen es sich zu arbeiten lohnt – ob allein oder mit Unterstützung eines Coaches:

  1. Gesunde Work-Life-Balance aufbauen: Es ist wichtig, klare Grenzen zu setzen. Arbeit und Freizeit sollten getrennt werden, und auch die eigene Erreichbarkeit sollte kritisch beleuchtet werden. Regelmäßige Pausen während der Arbeit und längere Erholungsphasen in Form von Urlaub sind essenziell. Auch Zeit für Hobbys und die Pflege sozialer Kontakte sind wichtig.

  2. Stressbewältigungstechniken erlernen: Stressmanagement geht mit gutem Zeitmanagement einher. Achtsamkeitsübungen und Meditation helfen, den Fokus im Hier und Jetzt zu halten und Stress zu reduzieren. Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Atemübungen oder Yoga können ebenfalls hilfreich sein.

  3. Persönliche Grenzen respektieren: Lernt, „Nein“ zu sagen, und akzeptiert, dass ihr nicht alles schaffen könnt. Legt Perfektionismus ab. Fehler sind in Ordnung, überzogene Erwartungen an sich selbst nicht!

  4. Gesunde Lebensweise pflegen: Körper und Geist bilden eine Einheit. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf sind die Grundlage für einen gesunden Geist.

  5. Sinn in der Arbeit finden: Identifiziert die Aspekte eurer Arbeit, die euch Freude bereiten oder Sinn geben. Falls das schwerfällt, ist ein Jobwechsel möglicherweise eine Option. Berufliche Weiterentwicklung schützt uns davor, in eine Routine der Sinnlosigkeit zu verfallen.

  6. Soziale Unterstützung suchen: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Offene Gespräche über individuelle Themen ermöglichen Reflexion und bieten Unterstützung. Neben Freunden und Familie können auch Coaches oder Therapeuten hilfreich sein.

  7. Frühwarnzeichen ernst nehmen: Je früher man gegensteuert, desto leichter lässt sich ein Burnout verhindern. Achte auf Anzeichen von Überlastung wie ständige Müdigkeit, Gereiztheit oder das Gefühl, nicht abschalten zu können.

Raus aus der Schmuddelecke?

Die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Burnout und Depressionen verändert sich langsam zum Besseren. Dennoch sind beide oft noch Tabuthemen, insbesondere in (Arbeits-)Umfeldern, in denen Leistung und Belastbarkeit hoch geschätzt werden. Burnout wird oft als Schwäche ausgelegt und ist mit Scham behaftet. Menschen zögern, über ihre Erschöpfung und psychische Belastung zu sprechen, aus Angst, als schwach wahrgenommen zu werden. Dieses Stigma führt dazu, dass Betroffene ihre Symptome ignorieren und erst spät nach Hilfe suchen.

Es wird Zeit, Burnout und Depression auf allen Ebenen unserer Gesellschaft als ernsthafte Erkrankungen anzuerkennen, die ebenso wie körperliche Leiden behandelt werden müssen. Ein offener Diskurs baut die Stigmatisierung dieser Erkrankungen ab und schärft das Bewusstsein für die Problematik.

Etwa ein Drittel von uns erkrankt im Laufe unseres Lebens an Depressionen. Jährlich erkranken etwa fünf Prozent der Deutschen an einer depressiven Episode. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher liegt, da viele Fälle nicht diagnostiziert und somit nicht behandelt werden.

In der Diagnostik unterschiedet man zwischen leichter, mittlerer und schwerer Depression. Etwa 50 bis 60 Prozent der Menschen, die an einer schweren Depression erkranken, haben suizidale Gedanken. 10 bis 15 Prozent sind akut Suizid gefährdet. Bei Depressionen handelt es sich um eine potenziell lebensgefährliche Erkrankung, insbesondere wenn diese nicht diagnostiziert und behandelt wird. - Und niemals um Schwäche!

Ein offener Umgang mit dem Thema kann Leben retten.

Lasst uns darüber sprechen und den Erkrankten die Wertschätzung und Unterstützung entgegenbringen, die sie verdienen. Die dunkle Jahreszeit steht bevor, und ja, ein Mangel an Sonnenlicht kann depressive Episoden begünstigen. Lasst uns aufeinander achten, ohne einander zu be- oder verurteilen.

Eure Constance

Tabuthema Burnout

Von der Scham der Traurigkeit und Erschöpfung...

Stressmanagement im Business Coaching: Neues von den Neurowissenschaftlern Teil 2

“Wenn sie sich dazu entscheiden, Ihre Stressreaktionen als hilfreich zu betrachten, schaffen Sie die biologische Voraussetzung für Mut.” Kelly McGonigal

Bäm! Das Zitat hat gesessen, als ich es zum ersten Mal gelesen habe. Jahrzehnte war es das Ziel Stress zu reduzieren, Stress in positiven und negativen Stress aufzuteilen und zu versuchen ruhig zu bleiben oder ruhig zu werden. Bis heute hat das eine Daseinsberechtigung und in meinem letzten Artikel bin deshalb auf die sogenannte Polyvagal Theorie eingegangen, die eine wertvolle Grundlage für tolle Möglichkeiten bietet, mit Stress im Business Coaching (oder in der Arbeit mit sich selbst) so zu arbeiten, dass er gefühlt weniger wird. Jedoch ist unsere Welt komplex und auch das Thema Stress sollten wir unbedingt aus mehreren Brillen betrachten und ein Repertoire parat haben, um auf Stress zu reagieren, oder eben nicht.

Ein Grund, weshalb ich mit klassischen Stressmanagement à la “reduziere deinen Stress!” stets ein wenig gefremdelt habe, ist weil ich meinen Stress liebe und unbedingt brauche! Mehr als einmal habe ich gehört, dass das eine ausgesprochen ungesunde Haltung sei. Bis Kelly McGonigal daher kam und ich dank ihr nun weiß, dass ich schlicht und ergreifend einfach nur eine Stress-Enthusiastin bin und dass das gar nicht ungesund ist! Ganz im Gegenteil… Es lässt sogar min Gehirn wachsen!

Es ist die Bewertung und nicht die Hormonausschüttung

Aber mal von vorne: Wenn wir über Stress sprechen, sprechen wir zunächst von einer körperlichen Reaktion, die man im ersten Schritt neutral als Arousal bezeichnen darf. Es kommt also zu einem physiologischen Erregungszustand gesteuert durch unser vegetatives Nervensystem als Reaktion auf einen Reiz. Es werden bestimmte Hormone ausgeschüttet. Das bekannteste ist sicher Adrenalin, aber auch Cortisol und das Wachstumshormon DHEA sind Teil dieses Cocktails, der unser Herz schneller schlagen und unserem Atem flacher werden lässt. Die Handflächen werden vielleicht feucht, oder es stellt sich ein flaues Gefühl im Magen ein. Vielleicht wird der Mund trocken und wir haben das Bedürfnis uns zu bewegen. Alles ganz normale und absolut nicht besorgniserregende körperliche Reaktionen. Spannend wird jedoch unsere Bewertung dieser körperlichen Reaktionen. Es gibt Momente, da empfinden wir ein und das selbe Gefühl im Bauch entweder als Schmetterling und sind der Meinung wir sind erregt, weil wir uns auf etwas freuen. Und in anderen Momenten bewerten wir diese Empfindung als flaues Gefühl im Magen und sind der Meinung wir haben Angst vor etwas. McGonigal konnte nachweisen, dass die körperlichen Reaktionen bei Angst und Vorfreude die gleichen sind. Der Unterschied entsteht durch unsere Bewertung.

Ich gebe euch mal ein konkretes Beispiel aus meinem Alltag: Ich liebe es auf großen Bühnen zu stehen! Es fühlt sich einfach toll an. Es gibt Menschen, die mögen es überhaupt nicht und müssen sich überwinden, den Schritt nach vorne zu machen. Frage ich diese Menschen, wie sich ihre Bühnenangst genau anfühlt, höre ich sehr häufig Aussagen wie: Ich bekomme Herzrasen und feuchte Hände. Mein Mund wird ganz trocken. Ich habe das Gefühl nicht tief einatmen zu können. Diese Reaktionen befeuern ihre Angst. Fragt ihr mich, was bei mir körperlich los ist, bevor ich auf die Bühne darf, wird mein Mund ganz trocken und ich spüre meinen Herzschlag ganz deutlich, meine Hände werde manchmal feucht, ich muss auf jeden Fall nochmal auf die Toilette und meine Atmung ist schnell und flach. Diese Reaktion interpretiert mein System als Vorfreude und Ungeduld, bis es endlich losgeht! Vor meiner Hochzeit war es so heftig, dass ich vor der Kirche am Arm meines Bruders fast ohnmächtig geworden wäre. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, ich hätte Angst!

McGonigals Idee folgend geht es nicht darum, Stress per se zu reduzieren, sondern zunächst einmal an seinem Bewertungssystem zu arbeiten. Und an Bewertungssystemen arbeiten wir Coaches mit unseren Kunden ja immer und immer wieder. Warum also nicht auch in diesem Kontext?

Denn Stress lässt Gehirne wachsen…

Insgesamt konnte McGonigal im Rahmen ihrer Forschung, die sie übrigens an der ehrwürdigen Stanford University betreibt, feststellen, dass sich die Menschheit tatsächlich in eine Gruppe bestehend aus Menschen mit positivem Stress-Mindset und in eine Gruppe bestehend aus Menschen mit negativem Stress-Mindset aufteilen lässt. Unter anderem hat sie dabei festgestellt, dass Menschen mit einem positiven Stress-Mindset seltener an Posttraumtischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankten, was für die US-Army sehr interessant wurde. Studenten mit positiven Stress-Mindset scheinen generell besser durch ihr Studium zu kommen, auch mit Fokus auf die Noten, als ihre Mitstreiter mit einem negativen Stress-Mindset. Die Definition von Mindset in diesem Zusammenhang ist übrigens wie folgt: Eine Überzeugung, die unser Denken, Fühlen und Handeln im Voraus bestimmt. - Im Prinzip eine Art Filter durch den wir die Welt betrachten.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Alia Crum hat McGonigal herausgefunden, dass die unterschiedlichen Mindsets zwar keinen Einfluss darauf haben, dass Stresshormone, ausgeschüttet werden, sehr wohl aber auf die Zusammensetzung des jeweiligen Hormoncocktails. Relevant sind hierbei vor allem zwei Hormone: Cortisol und Dehydroepiandrosteron (DHEA). Cortisol hilft und dabei Zucker und Fett in Energie umzuwandeln und unterdrückt Körperfunktionen, die bei Stress eher unwichtig sind (z.B. Verdauung, Fortpflanzung und Wachstum). DHEA hingegen gehört zu der Gruppe der sogenannten Steroide oder Wachstumshormone und fördert das Wachstum unseres Gehirns. -Ähnlich wie Testosteron unsere Muskeln wachsen lässt. Außerdem gleicht es die Wirkung von Cortisol in einigen Bereich aus. Beide dieser Hormone sind wichtig, allerdings ist das Verhältnis dieser beiden Hormone zueinander ebenfalls wichtig um McGonigals Ansatz zu verstehen.

Das Verhältnis von Cortisol zu DHEA bezeichnet McGonigal als Growth Index der Stressreaktion. Je höher der Growth Index (das heißt je mehr DHEA im Verhältnis zu Cortisol im Speichel der Probanden messbar war), desto mehr kann der Mensch tatsächlich von Stress profitieren. Im akademischen Umfeld der Uni förderte das die Beharrlichkeit und Resilienz der Studierenden und beim Militär führte ein höherer Growth Index dazu, dass die Wahrscheinlichkeit nach einem kritischen Einsatz an einer PTBS zu erkranken geringer wurde.

Hirnwachstums-Chance Mindset Coaching

So stelle man sich nun also vor, McGonigal und Crum weisen mittels Speicheltest nach, dass ich ein negatives Stress-Mindset und einen sehr geringen Growth Index habe. Kann ich das ändern und in ein positives Mindset umwandeln? Die Forscherinnen sagen eindeutig ja und können das auch durch Versuchsreihen und Studien belegen. In ihren Mindset-Trainings unterstützen die beiden unter anderem über Wertereflexionen ihre Teilnehmenden ihren individuellen Sinn und finden. Das Verständnis seines eigenen großen “Wofürs” ist die Voraussetzung um die individuelle Stressbewertung nachhaltig zu verändern. Diese Veränderung findet durch drei Katalysatoren statt:

  1. Sich einlassen! Das bedeutet sich bewusst mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen und zu reflektieren worin die positive Kompetenz oder der positive Aspekt dieser Angst liegt. So lassen sich aus Bedrohungen Herausforderungen machen und es lassen sich absolute Angstgrenzen definieren, die natürlich auch eine Daseinsberechtigung haben und klare Grenzen ausweisen, was wiederum Sicherheit gibt..

  2. Sich verbinden! Stress verändert sich, wenn wir bewusst mit Menschen in Verbindung gehen. So kann aus Fürsorge Resilienz werden und wir knüpfen uns ganz automatisch ein soziales Auffangnetz.

  3. Wachsen! “Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker,” hat schon meine Oma gesagt. Aber so ist es. Widrigkeiten, die uns im Leben widerfahren haben das Potenzial uns stärker zu machen, uns wachsen zu lassen. Dafür ist es wichtig diese Situationen, die nicht selten als Schicksalsschläge empfunden werden, anzunehmen und aus ihnen zu lernen oder an ihnen zu wachsen. Und wer nun sagt, das sei ganz harter Tobak, dem empfehle ich Viktor Frankls Buch “Trotzdem Ja zu Leben sagen”. Frankel hat den Holocaust überlebt und gilt in der Psychologie als Vater der sogenannten Logotherapie, also der Sinn-Therapie. Womit wir wieder am Anfang sind: Um an seinem Mindset zu arbeiten muss man mit seinem Sinn beginnen!

Neugierig geworden? Dann lege ich euch Kelly McGonigals Buch “Glücksfaktor Stress” sehr ans Herz. Hier gibt es auch ein ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Arbeit am eigenen Stress-Mindset. Alternativ dürft ihr natürlich auch einen Coach wie mich kontaktieren. Ich freue mich jedes mal sehr darüber Menschen auf diesem Weg ein kleines Stückchen begleiten zu dürfen. Denn eines ist klar (und das sagt auch McGonigal sehr deutlich): Zu versuchen Stress zu vermeiden ist auch nicht die Lösung. -Ganz im Gegenteil! Häufig entsteht (negativer) Stress überhaupt erst durch den verzweifelten Versuch Stress zu meiden. Psychologen nennen diesen Teufelskreis, der durch dem Versuch Stress zu vermeiden Stress erzeugt “Stress Generation”. Den Preis den wir dafür zahlen ist nicht nur ein konstant hohes Stresslevel, sondern auch Isolation und eine Aneinanderreihung verpasster Möglichkeit. Je mehr wir uns dabei bemühen Stress zu vermeiden, desto stärker gelangen wir in diese Abwärtsspirale. Die Psycholog*innen Ryan, Huta und Deci beschreiben es in ihrem Sammelband “Die Erforschung des Glücks” so: “Je stärker man darauf abzielt, Genuss zu maximieren und Schmerz zu vermeiden, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich ein Leben errichtet, dem es an Tiefe, Bedeutung und Gemeinschaft fehlt.”

In diesem Zusammenhang erzählt McGonigal von einer Nacht, in der sich ihre Kollegin Alia Crum von Selbstzweifeln zerfressen allein im Keller der psychologischen Fakultät der Yale University versteckt hat und über Forschungsergebnissen im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit brütete. Plötzlich schaute ein Mitarbeiter der IT rein und sagte: “Wieder eine dieser kalten, dunklen Nächte an der Flanke des Mount Everest!”, und ging wieder. Wochen später wachte sie nachts auf und ihr wurde klar, dass da natürlich recht ungemütliche, dunkle und bitterkalte Nächte wären, würde sie den Mount Everest besteigen. Aber sie wären Teil der Reise und voraussetzende Rahmenbedingung für das Hochgefühl, das sich neben dem Gipfelkreuz einstellt. Klar fragt man sich immer mal wieder wofür. Aber wenn der Purpose klar ist, schafft man es auch durch die dunkelsten Nächte und die tiefsten Stresstäler. Crum hat den Zusammenhang zwischen Stress und Sinn erkannt und ihre Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen wunderschön stressigen Sonntag, egal ob ihr auf einen Berg steigt, die Kinder hütet, die Wäsche bügelt oder den Garten frühlingsfertig macht.

Eure Constance

Manchmal reicht ein Kaffee in der Sonne einfach nicht…

Stress: Wir haben ihn, wir brauchen ihn, wir suchen ihn, wir meiden ihn…

Neues aus der Forschung: Wie Stress unser Gehirn wachsen lassen kann

Am Ende doch Zauberei…

Mein Zugang zum Menschsein ist sicher einerseits über die Psyche, bzw. über Emotionen getragen, jedoch brauche ich gleichzeitig auch etwas Greifbareres, etwas Nachvollziehbareres, etwas Berechenbareres, um meine Orientierung als Coach, Berater und Mensch nicht zu verlieren. Meine treuen Leser wissen inzwischen, dass ich diesbezüglich beim menschlichen Gehirn fündig geworden bin. - Diese unglaubliche Black-Box, die über Impulse und Hormone selbst wildeste Emotionen greifbar machen kann. Und je tiefer ich mich auf das einlasse, was wir so banal Nervensystem nennen, desto sprachloser werde ich, desto größer wird mein Respekt vor meinem eigenen Körper. Diese unfassbaren Feinabstimmungen fühlen sich manchmal an wie Zauberei.

Am Donnerstag hatte ich ein kurzes Gespräch mit einer Führungskraft, die ich momentan begleite. Eigentlich war es nur eine Absprache, wie wir konkret weiterhin zusammenarbeiten möchten, was ihr Ziel für unsere Zusammenarbeit ist. Natürlich sind wir auch ins Plaudern gekommen und es ging um Stress. Aus ihrer Sicht sei Stress zu einer Art Modewort geworden und es erscheine ihr fast schon en vogue zu erklären, wie gestresst man sei. Alles sei immer ganz furchtbar und schwer! Das lasse einen natürlich auch immer gleich wichtig erscheinen. Ich wusste genau was sie meinte! Das Leben als ewiger Kampf…

Keine Zauberei, sondern Biochemie…

Im Verlauf des Gesprächs sagte ich nur, dass Stress doch eigentlich nicht mehr und nicht weniger ist, als eine körperliche Reaktion, die uns in bestimmten Situationen leistungsfähiger macht. Wichtig hierbei ist, dass sich Stressphasen und Erholungsphasen über den Tagesverlauf betrachtet abwechseln. Unser Körper ist so konzipiert, dass er selbst allerhöchsten Stress aushalten und verarbeiten kann. So gesehen ist Stress das positivste überhaupt, weil Stress unser Überleben, unser Durchsetzungsvermögen sichert. Stress ist ein elementarer Teil des Menschseins.

Zum Thema wird Stress jedoch, wenn die Erholung fehlt, wenn wir nicht mehr abschalten können und permanent Stresshormone wie Adrenalin oder Cortisol durch unseren Körper toben. Denn Teil des körperlichen Gesamtpakets ist, dass unser Herz im Stresszustand schneller schlägt, die Atmung flacher ist, die Durchblutung sich verändert und die Verdauung aussetzt. Schlägt das Herz permanent schneller wird es krank. Setzt die Verdauung aus und wir laden Essen nach, kommt es zu nervösen Reizmägen, Magengeschwüren, Reizdarm, etc. Aber es ist nicht der Stress, der schlecht ist. Schädlich ist, dass der Ausgleich fehlt.

Burnout oder Boreout?

“Du musst schon auch mal nach Dir schauen!” “Pass auf, dass Du nicht zu viel machst!” “Wenn Du so weitermachst…” - Viele gute Ratschläge, die ich immer wieder von Menschen bekomme, die sich um mich sorgen. Ja, ich arbeite sehr viel, sehr sehr viel! Und in meiner Freizeit bilde ich mich weiter, schreibe Artikel und träume von meinem Buch. Das ist ein verdammtes Pensum, jedoch fühlt es sich leicht an. Ich kann das alles mit Leichtigkeit leisten, weil ich meinem Körper Ausgleich gönne und meinen Stress als Freund betrachte, als Unterstützer und Befähiger. Somit habe ich keinen Stress davor, Stress zu haben und kann so sehr schnell vom Stressmodus in den Entspannungsmodus schalten. Würde man mir auch nur einen Teil meines Stresses nehmen, müsste ich mir wahrscheinlich eher Sogen vor einem Boreout machen.

Gefühlt galt Workaholic lange als negativ belegt und ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, klipp und klar zu sagen, dass ich meinen Stress liebe und ich ihn keinesfalls reduzieren möchte. Dank der Gesundheitspsychologin Kelly McGonigal, die seit vielen Jahren an der Sanford University rund um das Thema Stress forscht, kann ich damit inzwischen entspannter umgehen. Ihren Forschungen folgend bin ich ein sogenannter Stressenthusiast, jemand, der Stress nicht negativ, sondern positiv bewertet und deshalb auch anders mit Stress umgehen kann. Kelly McGonigal schreibt, dass diejenigen, die ihre Stressreaktionen als hilfreich und positiv betrachten, die biologische Voraussetzung für Mut schaffen. -Spannender Satz, den man sich gerne nochmal auf der Zunge zergehen lassen darf. Bin ich mutig? -Ich denke schon! Es gibt keinen positiven und negativen Stress, so wie er immer wieder in Stressseminaren besprochen wird. Stress ist Stress, sagt McGonigal. Der Unterschied liegt in unserer generellen Bewertung, die uns mutig oder ängstlich werden lässt!

Betrachte ich nur meine körperlichen Reaktionen, dann spüre ich bei Stress vor einem großen Vortrag oder einem wichtigen Workshop, wie mein Herz etwas schneller schlägt, meine Hände vielleicht feucht werden, mein Mund dafür trocken und ganz sicher muss ich zur Toilette. Vielleicht kenn ihr ähnliche Reaktionen. Ist das nun beängstigend oder nicht? Für mich nicht. Ich nehme all das wahr und spüre, dass mein Körper da ist, bereit zu performen. Allerdings kenne ich auch Menschen, die eben diese Reaktionen beängstigend finden und große Vorträge deshalb meiden.

Lasst uns mal auf eine andere Situation schauen, um das Ganze zu verdeutlichen: Geht mal in eine Situation zurück, in der ihr unglaubliche Vorfreude empfunden habt, Vorfreude, die fast nicht mehr auszuhalten war. Überprüft nun kurz, was in eurem Körper los ist. Trockener Mund? Herzrasen? Flache Atmung? Feuchte Hände? Ja, es ist exakt die gleiche Reaktion, eine Stressreaktion des Körpers, die einmal positiv, als Vorfreude, und einmal negativ, als Angst bewertet wird.

Denn Mindset ist alles

Der für mich spannendste Aspekt in Hinblick auf unseren Körper ist, dass nicht nur der Körper Einfluss auf unser Mindset hat, sondern unser Mindset Einfluss auf tatsächlich messbare Körperfunktionen hat. Auch in Hinblick auf Stress gibt es wie ich finde hochinteressante Erkenntnisse, welchen konkreten Einfluss unser Mindset in Bezug auf Stress hat.

In ihrem Buch “Glücksfaktor Stress” berichtet McGonigal unter anderem von einer Versuchsreihe der Forscherin Alia Cums, die erforschte, welche konkreten körperlichen Auswirkungen die individuelle Bewertung von Stress hat.

Cums fand heraus, dass der jeweilige Stresshormon-Cocktail bei Menschen mit einem positive und bei Menschen mit einem negativen Stress-Mindset unterschiedlich war. Insgesamt habe wir natürlich alle die gleichen Hormone im Körper, wenn die Stressreaktion losgeht. Adrenalin und Noradrenalin gehören ebenso wie Cortisol zu den bekannteren Stresshormonen. Weniger bekannt ist vielleicht Dehydroepiandrosteron (DHEA). Wichtig ist, dass keines dieser Hormone ein gutes oder ein schlechtes Stresshormon ist. Jedes Hormon hat eine eigene wichtige Aufgabe. Interessant ist jedoch das Mengenverhältnis der Hormone.

Im Rahmen ihrer Studie hat Cums sich auf Cortisol und DHEA fokussiert. Während Cortisol bei der Umwandlung von Zucker und Fett in Energie hilft und gleichzeitig die in überlebenswichtigen Situationen unwichtigen Körperfunktionen wie Verdauung, Wachstum oder Fortpflanzung unterdrückt, ist DHEA ein sogenanntes Steroid, das nicht nur die Wundheilung und die Immunabwehr verbessert und die Wirkung von Cortisol in Teilen ausgleicht, sondern auch das Gehirnwachstum fördert! Ja, Stress lässt unsere Gehirne wachsen.

Herr, schick Hirn! - Oder lass es wenigstens wachsen…

Ausschlaggebend dafür, ob unser Gehirn tatsächlich bei Stress wächst oder nicht ist der sogenannte “Growth-Index”, das heißt das Verhältnis von Cortisol und DHEA. Überwiegt DHEA entwickelt sich unser Gehirn unter Stress weiter. Im akademischen Umfeld führt das laut Cums zu größerer Beharrlichkeit und Resilienz, bei Studenten sogar zu besseren Noten. Im militärischen Umfeld stellte Cums bei hohem “Growth-Index” zum einen eine höhere Konzentrations- und Problemlösefähigkeit fest, zum andern sinkt die Anfälligkeit für Posttraumatische Belastungsstörungen und dissoziativen Störungen mit ansteigendem “Growth-Index”.

Da uns allen sicher an großen, leistungsfähigen Gehirnen gelegen ist, stellt sich natürlich die Frage, woher ein hoher “Growth-Index” kommt. Die Antwort ist verblüffend: Von der individuellen Einstellung zu Stress. Cums stellte bei denjenigen Probanden, die Stress generell als positiv und unterstützend bewerteten, eine höhere DHEA-Konzentration im Speichel fest. Und noch verblüffender ist, dass sie mehrere Studienreihen begleitet hat, in welchen Menschen an ihrem Stress-Mindset gearbeitet haben um es von negativ in positiv zu wandeln. Auch bei ihnen stellte Cums nach der gemeinsamen Arbeit einen höheren DHEA-Spiegel fest.

Schließlich erklärte sich mir auch der Untertitel, den McGonigal ihrem Buch gab: Warum Stress erfolgreich und gesund macht!

Also auf geht’s: lasst uns am Mindset arbeiten!

Tja, was soll ich nun sagen, als Coach, der häufig nicht mehr und nicht weniger tut, als Menschen dabei zu unterstützen, ihre Haltung, ihr Mindset zu Rahmenbedingungen, die sie selbst nicht ändern können, zu ändern? Wenn unser Mindset, unsere innere Haltung die Kraft hat, Hormonkonzentrationen zu ändern und Gehirne messbar wachsen zu lassen, dann habe ich nicht nur den schönsten Job der Welt, sondern auch einen der wissenschaftlich nachweisbar zu messbaren Veränderungen führt. Maine Arbeit hat schon lange nichts mehr mit Soft Skills, sondern mit Hard Facts zu tun!

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen wunderschön stressigen Sonntag! Lasst die Gehirne wachsen. Unsere Welt kann es brauchen…

Eure Constance

Mindset

Wenn innere Haltung alles verändert…