Selbstwert

Der Sinn des Lebens - Ein Weihnachts-Blog

Zeit inne zu halten?

Der Sinn des Lebens! Worüber könnte ich heute, am Heiligen Abend sonst schreiben? In meinem letzten Blog habe ich Euch mit auf meine rastlose Reise durch mein kleines Leben genommen. Ich habe Euch erzählt wie schnell und wie stetig sich meine Welt dreht. Keine Zeit inne zu halten! Aber es gibt diese Hand voll Tage, an denen meine kleine Welt stillsteht, an denen ich mir Zeit nehme, Zeit zu reflektieren, Zeit mich zu fragen wofür das Ganze! Was ist der Sinn meiner, Eurer, unserer Existenz? Ein gigantisches, fröhliches, erschreckendes, trauriges, erfolgreiches, verrücktes, schockierendes Jahr geht langsam zu Ende. Und die Frage muss erlaubt sein: Wofür das alles? Du wirst geboren, Du isst und trinkst und schläfst und rennst und lachst und weinst und zack ist alles auch schon wieder vorbei. Was ist der Sinn? Es ist Weihnachten, ich mache eine kurze Pause und denke nach.

Das ein oder andere Konzept

Auf meiner Suche nach dem Sinn bin ich über so einige Konzepte gestolpert. Ich suche ja auch schon eine Weile. Manche haben mir besser, andere weniger gut gefallen.

Aus evolutionärer oder biologischer Perspektive betrachtet, ist mein Leben ganz und gar sinnlos, denn ich habe es eindeutig versäumt, meine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. So gesehen wird von mir nichts übrigbleiben. Ich bin hier, verbrauche Ressourcen und doch werde ich nichts hinterlassen. -Ganz und gar sinnlos!

Schau ich auf meine wunderbaren Stiefkinder glaube ich jedoch nicht, dass so gar nichts von mir übrig bleibt. Ich bin mir sicher, es gibt Momente, die Laura und Daniel in ihren Herzen abgespeichert haben, die sicher deutlich länger Teil dieser Welt bleiben, als ich. Erst letztes Wochenende haben wir über diesen einen Urlaub in Amsterdam gesprochen… Das Lachen und die Liebe bleibt in ihren Herzen und ich bin mir sicher, sie werde beides irgendwie weitergeben. Was ist da schon Genetik? Liebe ist doch so viel mehr!

Mein Papa hielt es mit dem Sinn des Lebens wie Aristoteles: „Sein Leben hat nur Bedeutung, wenn er versucht etwas zu erreichen und nach seinen Zielen strebt.“ Für meinen Papa war der Sinn des Lebens, das Ziel seines Lebens, seinen Geist immer weiter zu entwickeln. Es war unglaublich wichtig für ihn, stetig zu lernen. Wissen war sein Sinn, sein Purpose. Er wollte begreifen und verstehen. Das gab er auch sehr konsequent an uns Kinder weiter. Es gab Momente, in denen habe ich es gehasst, heute glaube ich fest daran, dass das der Grundstein für meine Neugier war. Dann wurde Papa krank und es wurde sehr bald deutlich, dass er diese Krankheit nicht würde besiegen können. Er würde nicht gesund werden. Wie geht man damit um, wenn man seine eigene Endlichkeit so gnadenlos vor Augen geführt bekommt? Eine Weltreise, nochmal etwas ganz besonders tun, die Bucket List abhaken? Papa hat sich für Alltag und Normalität entschieden. Offensicht war es der Alltag, den er bewusst erleben wollte. Nichts hatte für ihn einen größeren Zauber, mehr Sinn. Ich erinnere mich an unser letztes Weihnachten. Am Morgen des Heiligen Abend hatten wir uns mal wieder gestritten. Wir waren und sind recht meinugsstabil! Das sorgt immer mal wieder für hitzige Diskussionen. Papa stand mit Tränen in den Augen vor meiner Tür und hat mich gebeten einfach nur Weihnachten zu feiern. Es war ein ganz normales, unspektakuläres Weihnachten. Alles wie immer und trotzdem so wertvoll. Ähnlich war es mit meiner Freundin Tracey: Der Krebs tobte schon überall in Tracey Körper, als wir nochmal einen Tag gemeinsam verbringen wollten. Es war kein außergewöhnlicher Tag. Wir waren an Orten, die wir nur zu gut kannten, schließlich gab es Wein und Käse in einem Weingut, in dem wir schon so oft waren und zum Abschluss haben wir einen Sonnenuntergang genossen, wie wir ihn schon so oft genossen haben. Noch ein Glas Wein, eine letzte Umarmung… Ein Tag voller Zauber, voller Zauber des Normalen! Ist das Normale also der Sinn? Geht es vielleicht um den Moment und um die Menschen mit denen wir diesen Moment teilen? Ist das der Sinn?

In meinem beruflichen Umfeld spielt das Thema Purpose immer wieder eine zentrale Rolle. Was ist unser Purpose? Unser Sinn, der wie ganz selbstverständlich häufig eng mit einem Ziel verknüpft ist. Aber ist das Ziel wirklich der Sinn? Habt Ihr ein Lebensziel? Ich habe natürlich eines. Aber was ist, wenn ich aus welchen Gründen auch immer mein Ziel nicht erreiche? Was wenn mir die Zeit fehlt, oder mein Ziel zu groß ist? Wird mein Leben dann sinnlos gewesen sein? In einer ganz und gar zielversessenen Gesellschaft erscheint das Leben oft linear, wie eine Art Lebenslinie, ausgerichtet auf dies und das. Was aber wenn unser Leben gar keine Linie ist, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Punkte, einzelner Momente, jeder für sich mit Sinnhaftigkeit gefüllt? Ich glaube nicht, dass es um ein Ziel geht, dessen Erreichung mit so vielen Faktoren und einer guten Portion Glück zusammenhängt. Ja, ich habe meinen Purpose. Aber ist das mein Sinn? Bin ich hier um ein Ziel zu erreichen? Ich erinnere mich an dieses letzte große Gespräch mit meinem Papa, damals auf dem Krankenhausflur. Ich haben ihm versucht zu erklären, dass der Sinn für mich unabhängig vom Ziel sei. Leider fehlten mir damals noch die passenden Worte, die das was ich spürte beschreiben konnte. Ich habe meinem Papa versucht von all den einzelnen Punkten zu erzählen, die für mich Sinn ergaben. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass mein Lebenssinn all die zauberhaften Momente sind, die ich mit anderen Menschen teilen konnte… -Jede wilde Party, jedes gemeinsame Erlebnis. Mein Leben damals bestand daraus, Menschen kennenzulernen, Verbindungen einzugehen und gemeinsam unvergessliche Momente zu schaffen, die auf ewig in unseren Herzen bleiben. -So wie damals im Familienurlaub in Amsterdam!

Alfred Adler, der Psychologe der zum Philosophen wurde

Auf der Suche nach Worten, die meinen Sinn des Lebens bestmöglich beschreiben, bin ich vor einigen Jahren schließlich bei dem österreichischen Psychologen Alfred Adler fündig geworden. Der Begründer der Individualpsychologie, dessen Ansätze Einfluss auf so große Geister wie Viktor Frankl und Abraham Maslow hatten, entwickelte im Laufe seines Wirkens zunehmend auch einen geradezu philosophischen Anspruch. In seinem späten Werk “Der Sinn des Lebens”, das 1933 erschien, beschreibt Adler zwei unterschiedliche Bedeutungen des Sinns. Zum einen beschreibt er den Sinn, den ein Mensch in seinem Leben sucht und sicher auch findet und der sehr eng mit dem Selbstbild und den eigenen Meinungen und Perspektiven, aber auch mit den Meinungen und Perspektiven der anderen zusammenhängt. - Papas Verständnis, dass wir auf dieser Welt sind, um unseren Geist stetig weiterzuentwickeln, oder mein Purpose. Dieser Sinn ist recht greifbar, quasi “SMART”, kann deshalb aber auch verfehlt werden. Die KPIs unseres Lebens! -Ganz in Aristoteles‘ Sinn.

Die zweite Bedeutung hinter dem Sinn des Lebens beschreibt Adler als den “wahren” Sinn. Dieser Sinn liegt laut Adler jenseits von Erfahrungen oder Meinungen und kann deshalb auch nicht verfehlt werden. Jedoch muss man aufpassen, dass man ihn bei all dieser rastlosen Rennerei, die unser Leben heute oft mit sich bringt, nicht übersieht.

“Nach einem Sinn des Lebens zu fragen hat nur Wert und Bedeutung, wenn man das Bezugssystem Mensch-Kosmos im Auge hat.” A. Adler

Die Anforderung des Kosmos an die Menschheit ist für Adler die stetige Entwicklung, und zwar die stetige gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer idealen, friedlichen und gerechten Gesellschaft der Zukunft, ganz nach dem Kant’schen Ideal. Und wie kommen wir dort hin? -In dem wir in Verbindung gehen, uns bewusst als Teil einer Gesellschaft sehen und unser Tun auch immer im gesellschaftlichen Kontext betrachten. Es geht nur gemeinsam! Dieses Mantra der New Work Bewegung ist so alt wie die Menschheit selbst und ist laut Adler eben der wahre Sinn des Lebens. Was das bedeutet: Ich liebe und ich werde geliebt! -Der Sinn des Lebens! Die Basis dafür ist laut Adler übrigens Selbstliebe, oder wie er es beschreibt: Die Überwindung unserer angeborenen Minderwertigkeitskomplexe.

Du liebst und Du wirst geliebt! - Das ist was wirklich zählt

So sitze ich also hier, am Morgen des Heiligen Abends. Im Radio läuft John Lennon. - War is over if you want it, war is over now… Wie weit entfernt könnten wir als Gesellschaft dieser Tage vom Kant’schen Ideal sein? - Ukraine, Afghanistan, Iran, Äthiopien… Und all der Hunger, der Hass, all die Ungerechtigkeiten, die mangelnde Nachhaltigkeit, die sterbende Natur… Aber Adler sagte ja ganz klar, es gehe nicht darum, diese Gesellschaft zu sein, sondern sich Schritt für Schritt zu eben dieser Gesellschaft zu entwickeln. Die Benchmark ist die Entwicklung selbst! Und wenn ich meine Augen und mein Herz öffne, sehe ich überall auch sehr viel Solidarität und Zusammenhalt, Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen und so für wunderschöne Momente, einzelne kleine Punkte auf unserer Reise durchs Leben, sorgen.

Ich wünsche Euch und Euren Liebsten wunderschöne, friedliche Weihnachten. Schafft Euch zauberhafte Momente, schöne Erinnerung und gebt Euren Leben so den wahren Sinn im Adler’schen Gedanke. Geht in Verbindung mit anderen, ob im kleinen Kreis, oder im großen und macht die Welt so ein wenig glücklicher.

Ich werde heute nur sehr klein feiern, den Abend genießen, aber auch all die leeren Stühle an meinem Tische betrachten und all die wertvollen Erinnerung der Vergangenheit wieder in mein Bewusstsein rufen. So viele zauberhafte Punkte! Und morgen wird dann groß gefeiert, mit Familie und vor allem mit vielen Freunden, die ich zum Teil schon aus Kindertagen kenne und die nun ihre eigenen Kinder mitbringen. Ich bin in Verbindung. Überall finde ich helfende Hände und ich selbst reiche meine eigene Hand wann immer ich kann. So wird jeder Tag sinnvoll und wertvoll. Was braucht es da noch an größeren Zielen?

Du liebst und Du wirst geliebt und das ist der Sinn…

Frohe Weihnachten.

Eure Constance

Der Sinn des Lebens

Denn Du liebst und Du wirst geliebt…

"Glaube nicht alles, was du denkst!"

Das Karussell unserer Gedanken

Ich habe sicher schon mehrfach über die Macht unserer Gedanken geschrieben. Diese ungreifbaren Realitätskonstruktionen, die wie Geister durch unser Bewusstsein schweben, sind tatsächlich machtvoll. Manchmal sind sie jedoch auch kleine Plagegeister, die uns das Leben ganz schön schwer machen. -Besonders wenn wir auch noch glauben, was wir den lieben langen Tag so denken. Dann fängt sich das Karussell manchmal ganz schön schnell an zu drehen und es scheint ausgesprochen schwer, die Notbremse zu finden. Eine Dame, die Menschen auf geradezu verblüffende Weise hilft, die Notbremse zu ziehen, ist die US-Amerikanerin Byron Katie, die ihr Format schlicht und ergreifend “The Work” nennt. Ihr Kerngedanke ist, einfach nicht alles zu glauben, was man denkt.

Ich selbst durfte Byron Katie und “The Work” erst vor einigen Wochen im Rahmen eines Supervisionswochenendes kennenlernen und ich war mehr als beeindruckt. Seitdem lässt mich “The Work” nicht mehr los und ist somit geradezu prädestiniert dafür, es in diesem Rahmen mit Euch zu teilen.

Denn ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!?

Wer meinen Blog kennt, weiß dass ich ein großer Fan von Pippi Langstrumpf bin, erklärt sie doch auf erfrischend einfach Weise Watzlawicks Idee vom Radikalen Konstruktivismus: Wir machen uns die Welt, ganz so wie wir uns entscheiden, unsere Welt zu wollen! Es gibt jedoch einen kleinen aber nicht unbedeutenden Unterschied zwischen Pippi Langstrumpf und Paul Watzlawick, den ich in der Vergangenheit nie richtig beleuchtet habe. Denn Pippi ist eine fröhliche Optimistin und mit dieser Geisteshaltung offensichtlich in der Welt recht einsam. Dank ihrer uneingeschränkt positiven Grundhaltung macht Pippi sich ihre Welt tatsächlich so wie sie ihr auch wirklich gefällt, positiv und bunt! Unsereins hingegen macht sich die Welt ziemlich häufig so, wie sie uns eben nicht gefällt und katapultieren uns auf diese Weise in dieses immer schneller werdende Karussell aus fiesen und wenig hilfreichen Gedanken. Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in seiner Geschichte vom Mann mit dem Hammer ganz wunderbar zusammengefasst, die ich Euch an dieser Stelle gerne erneut mitbringen möchte:


Wie nun aussteigen aus dem Gedankenkarussell

Natürlich kennen wir ähnliche Geschichten, wie die vom Mann mit dem Hammer aus dem eigenen Erleben nicht! Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir doch einmal hineingeraten, in diese Achterbahn aus Emotion und Wirklichkeitskonstruktion, kann es hilfreich sein, das ein oder andere Tool zur Verfügung zu haben, mit dem wir unser Karussell anhalten und unsere Wirklichkeitskonstruktion neu bewerten können.

Ich nehme Euch mal kurz mit in mein Karussell:

  • Patricia ist wirklich nervig und komplett beratungsresistent!

  • Patricia sollte ihr eigenes Handeln wirklich einmal selbst kritisch hinterfragen!

  • Ich brauche von Patricia, dass sie mir endlich mal zuhört und sich das Gesagte dann auch zu Herzen nimmt.

  • Patricia ist ganz schön überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert!

Denn alles kann sein, auch das Gegenteil!

Patricia also! Nervensäge! Aber sind diese Gedanken, die gerade in meinem Kopf rumschwirren auch tatsächlich wahr? Ich meine, kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass Patricia wirklich überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert ist? - Natürlich kann ich das! Doofe Fragerei! Patricia mach mich mit ihrer Arroganz ganz verrückt!

Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken wirklich glaube? - Der Mann mit dem Hammer! - Gestresst, engstirnig und gefühlt im Kampf mit meiner Umwelt! Zeit sich zu fragen, wer ich ohne diese Gedanken in Hinblick auf Patricia wäre. Mmmmmm…. Ich glaube ich wäre entspannter! Vielleicht sollte ich einfach nicht alles glauben, was ich denke und mal schauen, ob denn auch das Gegenteil wahr sein könnte. So überlege ich mir drei konkrete Situationen, in denen Patricia NICHT überheblich und arrogant war, drei konkrete Situationen, in denen Patricia nicht beratungsresistent war, sondern vielleicht sogar eine Beratung dankbar angenommen hat. Und ist Patricia wirklich immer überfordert? Oder fallen mir vielleicht drei Situationen eine, in denen sie genau das eben nicht war, in denen sie alles im Griff hatte?

Die Situation, selbst die, in der ich mich wirklich über Patricia geärgert habe, stellt sich direkt etwas anders dar und gefühlt dreht sich das Karussell bereits etwas langsamer.

Der letzte Schritt, den “The Work” von Byron Katie vorschlägt, könnte etwas schmerzhaft werden, gleichzeitig aber auch heilsam. Ich überlege mir also, ob mir drei konkrete Situationen einfallen, in denen ich selbst überheblich und arrogant war und drei weitere, in denen ich selbst beratungsresistent war. Schließlich überlege ich mir drei Situationen, in denen ich selbst überfordert war.

Vielleicht ist es sogar hilfreich, sich das alles kurz zu notieren, schwarz auf weiß vor sich zu sehen, wie die Grenzen langsam anfangen zu verschwimmen und vielleicht sehe ich dann Patricia mit anderen Augen und kann ihr mit einer anderen Haltung begegnen. Vor allem aber hilft es mir dabei, mir selbst mit anderen Augen und einer anderen Haltung zu begegnen, meine eigene Wirklichkeit weniger kategorisch zu konstruieren, mich weniger über Dinge zu ärgern, die vielleicht nur meine eigene Gedankenkonstruktion sind. Und vielleicht entscheide ich für mich tatsächlich etwas mehr wie Pippi zu sein und mir die Welt eben so zu machen, wie sie mir wirklich gefällt, wenn ich mir meine Wirklichkeit schon selbst gestalte und alles sein kann, auch das Gegenteil!

Ich weiß, dass ist eine Form der Gedankenreise, die vielleicht zunächst etwas befremdlich wirken kann. Aber mal ehrlich, mit welchen Gedanken machst Du Dir denn Dein Leben hin und wieder nicht gerade leichter und fröhlicher? Vom Liebeskummer geplagt, sitzt da die junge Frau, die fest davon überzeugt ist, dass der Typ, der sie belogen und betrogen hat und jetzt weg ist, der Mann ihres Lebens war und kein Besserer mehr nachkommt - Ist das wirklich wahr? Im Ernst? Kein Besserer? Der Beste ist also ein Idiot, der lügt und betrügt? Komische Welt!

Du hältst Dich hier und da und dort nicht für gut genug? - Ist das wirklich wahr? Könnte nicht auch das Gegenteil wahr sein und Du bist nicht nur gut genug, sondern auch großartig? Wer bist Du, wenn Du diesen Gedanken wirklich glaubst? Wer wärst Du, wenn Du den Gedanken, nicht gut genug zu sein, nicht hättest?

“Ich kann das nicht!” - Ist das absolut wahr? Kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass dieser Gedanke wahr ist? Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken glaube? Und wer könnte ich ohne diesen Gedanken sein?

Zum Abschluss gibt es noch ein Pippi Langstrumpf Zitat, um Euch eine Idee davon zu geben, wie jemand sprich, der diesen Gedanken einfach nicht glaubt, sondern der das Gegenteil glaubt:

“Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”

Heute ist Sonntag und vielleicht habt Ihr ja ein wenig Zeit, einmal zu beobachten, was Ihr denkt und für wahr haltet. Und vielleicht habt Ihr ja Lust, Euch einmal zu fragen, ob nicht auch das Gegenteil wahr sein könnte!

Die Realität ist freundlich, werte Leserschaft! - Wenigstens meine Realität!

Eure Constance


“Glaube nicht alles, was Du denkst!”

Raus aus dem Gedankenkarussell und rein in eine freundliche Welt

Konflikte - keiner will sie, jeder hat sie und manchmal möchte man einfach nur laut schreien

Bekenntnisse eines Konflikt-Profis

Also, wie fange ich an…??? Vielleicht mit einer kleinen Beichte: ich bin Mediator, quasi Konflikt-Profi. Außerdem bin ich Human Factors Trainer und weiß, dass Konflikte für gewöhnlich daher rühren, dass zwei Parteien ein und dieselbe Situation einfach nur unterschiedlich wahrnehmen. Also alles kein Drama! Ich habe sogar gelernt, dass diese unterschiedlichen Wahrnehmungen super wichtig in einem High Performance Team sind, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Also alles kein Drama. Ich könnte mich ganz entspannt zurücklehnen und alle möglichen Konflikte auf mich zukommen lassen und sie in aller Ruhe und im Gespräch lösen und dann (etwas klüger als vorher) einfach weitermachen im Text. Ja, das alles könnte ich… Leider gibt es in meinem Gehirn diesen schon mehrfach von mir beschriebenen Party-Pooper namens Amygdala (oder gerne auch Angsthirn genannt), der rasend schnell agiert und das ganz anders sieht. Meine Amygdala schert sich einen feuchten Kehricht um die vernünftigen und positiven Nebeneffekte, die Konflikte so mit sich bringen. Meine Amygdala kennt nur Schwarz und Weiß, Freund oder Feind. In ihrer, zugegebenen etwas veralteten Vorstellung von der Welt leben wir noch in Höhlen und ein jeder, der nicht unserer Meinung ist, bedeutet Lebensgefahr. Meiner Amygdala ist es in solchen Situationen super wichtig, dass ich nicht unter die Räder komme. Deshalb versetzt sie mich auf sehr fürsorgliche Art und Weise sofort entweder in einen Kampf- oder in einen Fluchtmodus. Da die Amygdala schon sehr lang Zeit hatte, zu üben, ist sie dabei deutlich schneller, als meine modernen Mediatoren-Hirnteile, die natürlich wissen, dass eine andere Meinung heutzutage nicht unbedingt Lebensgefahr bedeutet. Das macht mich manchmal fertig! Deshalb will ich keine Konflikte, obwohl ich weiß welch großes Potenzial sie auch für meine Weiterentwicklung mit sich bringen. Nein, ich will sie nicht, ich versuche sie manchmal sogar aktiv zu meiden.

Kommen euch die Situationen bekannt vor, in denen ihr alles versucht, um einen Konflikt zu meiden? -In denen euch eine andere Meinung dazu bringt, euch innerlich zurückzuziehen, um bloß nicht mehr mit dem Gegenüber zu sprechen? -In denen ihr sofort und unüberlegt zurückschießt? Glückwunsch! Auch ihr habt eine gut ausgebildete und wachsame Amygdala, die im Zustand permanenter Aufmerksamkeit aufpasst, dass ihr nicht aus Versehen von einem Säbelzahntiger gefressen werdet. Soll heißen, euer Gehirn funktioniert ganz normal. Wut, Angst und Angriffslust (und auch der Wunsch manchmal laut zu schreien), aber auch innerer Rückzug und Bockigkeit sind ganz normale menschliche Gefühlsregungen. Soweit die gute Nachricht.

Weil die Welt sich weiterdreht

Jetzt kommt die schlechte Nachricht: ihr habt es sicher mitbekommen, die Säbelzahntiger sind ausgestorben und wir leben nicht mehr in Höhlen. Genau das müssen wir unseren Amygdalas behutsam beibringen, sonst wird das Leben in unserer modernen Welt echt anstrengend. Bei jeder abstrakten Bedrohung kämpfen oder flüchten zu müssen ist echt kräftezehrend. Wie man das ändern kann? Gute Frage! Zunächst einmal ist es wichtig, zu verstehen, wie diese Amygdala funktioniert, um zu verstehen, was mit einem selbst passiert, wenn man mal wieder rotsieht. In meinen Workshops fange ich zumeist erstmal damit an, zu erklären, woher das Wörtchen Konflikt überhaupt kommt. Seinen Ursprung hat das Wort im Lateinischen: confligere bedeutet so viel wie zusammenstoßen oder zusammenprallen. Das beschreibt es ganz gut. Die Amygdala wertet diesen abstrakten Zusammenstoß nämlich als konkreten, körperlichen Zusammenstoß und glaubt kämpfen zu müssen, um zu überleben. Diesen Umstand zu akzeptieren ist zunächst einmal die Basis, um daran arbeiten zu können. Denn Fakt ist, hat die Amygdala erstmal Gas gegeben, nimmt ein jeder Konflikt eine Eigendynamik auf, die sich auch durch den Versuch, den Konflikt und die damit verbundenen Gefühle zu ignorieren, nicht aufhalten lässt.

Zur Dynamik von Konflikten

Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl hat 1980 sein Modell zur Konflikteskalation veröffentlich. Er hat dargestellt, dass alle Konflikte (auch die ignorierten) immer weiter eskalieren. Das tun sie in den stets gleichen Phasen. Ich halte es für wichtig, sich einmal mit diesen Phasen beschäftigt zu haben, um sich selbst in einem Konflikt besser zu verstehen und um zu wissen, wo es noch Ausgänge oder Notausgänge gibt. Deshalb hier in aller Kürze die Konflikteskalation nach Glasl:

  1. Es wird kälter: jeder kennt dieses Gefühl. Man merkt, dass etwas nicht stimmt. Es gibt Spannungen und Sticheleien, kein wirklicher Streit, aber genug um sich unwohl zu fühlen.

  2. Debatten und Polarisation: kurzgefasst; es wird diskutiert und debattiert wann immer es geht. Der jeweils andere wird dabei langsam zum Gegner.

  3. Taten statt Worte: jetzt geht es darum, den jeweils anderen konkret unter Druck zu setzen. Im Arbeitsumfeld könnte das bedeuten, den anderen vielleicht einfach mal zu vergessen, in einer wichtigen Mail nicht anzukopieren. Soll passieren, habe ich gehört! Ups!

  4. Jeder soll sehen, dass der andere der Schuft ist: natürlich geht es darum, Allianzen zu knüpfen, Unterstützung und Verbündete zu finden. Klar, wenn mir noch drei andere bestätigen, dass das Verhalten des anderen “gar nicht geht” wird meine subjektive Empfindung jetzt zur objektiven Wahrheit! Victory!

  5. Gesichtsverlust: nun geht es darum, den jeweils anderen moralisch zu entwerten. Es geht langsam aber sicher nicht mehr um das eigentliche Konfliktthema, sondern um den anderen als Person, um den Feind! Eine differenzierte Perspektive wird immer schwieriger.

  6. Drohstrategien: Mein Lieblingspunkt! Ja, wir Menschen drohen unglaublich gerne, weil wir glauben, dass der andere tut was wir wollen, wenn wir ihn nur gehörig unter Druck setzen. Dass wir uns dabei immer selbst am meisten unter Druck setzen, merken wir meistens erst zu spät! Kurze Geschichte gefällig? -Eine hochgeschätzte Trainerkollegin berichtet an dieser Stelle gerne von ihren beiden Söhnen, die nicht so gerne aufräumen. Das nervt Mama natürlich sehr. Mal wieder herrschte Chaos in den Kinderzimmern. Es war Wochenende, die ganze Familie freute sich auf ein Straßenfest. Mama freute sich am meisten, weil sie sich da mit Freundinnen zum Sektchen treffen wollte. Die unaufgeräumten Zimmer ihrer Jungs am Morgen erzürnte sie jedoch so sehr, dass sie sich zu folgendem Satz hinreißen ließ: “Wenn ihr das nicht sofort aufräumt, gehen wir nachher nicht auf das Straßenfest!”. Sie sprach es und bereute postwendend! Was wenn die beiden nicht aufräumten? Dann würde sie selbst entweder ihre Freundinnen nicht zum Sektchen treffen können, oder sie würde ihre Autorität bis zur Volljährigkeit der beiden verspielen müssen… Ich bin mir sicher, jeder kann von ähnlich gelagerten Situationen berichten und trotzdem tun wir es immer wieder! Es menschelt halt ungemein, wenn die Amygdala Gas gibt!

  7. Begrenzte Vernichtungsschläge: ab hier gibt es langsam aber sicher kein Halten mehr. Man fängt an, eigene moralische Grenzen zu überschreiten, nur um dem anderen zu schaden.

  8. Zersplitterung: jetzt geht es auch darum, den anderen zu isolieren, indem man seine Netzwerke zu zerstören versucht. Dabei macht man sogar vor der Manipulation Dritter keinen Halt.

  9. Gemeinsam in den Abgrund: nun ist schließlich der Punkt erreicht, an dem man selbst eigene Verluste billigend in Kauf nimmt, solange der andere noch ein klitzekleines bisschen mehr verliert. Wer kennt den Film “Rosenkrieg”? Genau so!

Und? habt ihr euch an der ein oder anderen Stelle an eine konkrete Situation zurückerinnert? Perfekt! Um einen Konflikt lösen zu können, muss man sich trotz all der Emotionen, die in uns toben, erstmal orientieren. Das funktioniert zunächst in der Retrospektive einfacher als in der akuten Situation.

Die Suche nach dem Exit Sign

Was jetzt noch bleibt ist die Frage, wie man wo aussteigen kann. Da Konflikte ja wie gesagt nicht einfach so verschwinden, ist es sinnvoll, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auszusteigen. Friedrich Glasl und ich sind uns darin einig, dass wir einen Ausstieg noch während der ersten drei Stufen empfehlen. Aus zwei Gründen: zum einen lässt sich der Konflikt auf dieser Ebene meist in einer Win-Win-Situation klären und zum anderen auch ohne fremde Hilfe, weil noch nicht wirklich viel Porzellan zerschlagen wurde. Das einzige was es dafür braucht, ist die Achtsamkeit den aufkommenden Konflikt zu erkennen, die Akzeptanz, dass er eskalieren wird, wenn ich nicht einschreite und schließlich den Mut, das ganze anzusprechen. Ich spreche eine solche Situation gerne nach dem WWW-Prinzip an. In meinem Artikel Rund um das Thema Feedback habe ich diese Möglichkeit kurz beschrieben (hier der Link zum Artikel).

Bewege ich mich bereits auf den Stufen 4, 5, oder 6 wird es deutlich schwieriger einen Ausgang zu finden. Häufig ist es sinnvoll hierbei einen unparteiischen Mediator (das darf auch gerne ein neutraler Kollege oder der Vorgesetzte sein) einzuschalten, da man den Konflikt ab der vierten Stufe meist nur in einer Win-Lose-Situation lösen kann, weil bereits Dritte involviert sind. Im Business-Umfeld können gut vorbereitete Führungskräfte übrigens sehr wertvolle Beiträge dazu leisten, dass sich selbst “Lose” nicht allzu schmerzhaft anfühlt. Es geht um die Möglichkeit, sein Gesicht wahren zu können.

Ab Stufe 7 kann man höchstens noch von einem Notausgang sprechen, da die Lösung immer in einer Lose-Lose-Situation enden wird. Auch ist ein Mediator (der dann nicht selten ein Jurist, bzw. Richter sein kann) unumgänglich. Und ganz ehrlich, all euer Bestreben rund um das Thema Konflikt sollte stets sein, es nicht so weit kommen zu lassen.

Achtsamkeit und Selbstführung - mal wieder

So weit in aller Kürze zu den Weisheiten des Konfliktmanagement-Trainers. Der Coach in mir hat noch einen anderen Ansatz. Ich komme nochmal auf die Amygdala zurück. Denn am sinnvollste wäre es doch, wenn wir einfach weniger Konflikte hätten, bzw. unsere Amygdala weniger Situationen als bedrohlich wahrnimmt, weil sie langsam aber sicher in unserer modernen, abstrakten Welt ankommt. Hierzu müssen wir zunächst einmal einsehen, dass die Konflikte, die wir haben, zumeist deutlich mehr mit uns selbst, als mit unserem gegenüber zu tun haben. Den gefühlten Konflikt verursacht nämlich für gewöhnlich unsere ureigenste Bewertung der Situation. Wir müssen einfach davon loskommen, alles als Bedrohung wahrzunehmen. Das funktioniert, ist aber ein verdammt langer Weg. Vor etwa zwei Wochen habe ich bei Instagram (unbezahlte) Werbung für ein Buch gemacht: “… und ständig tickt die Selbstwertbombe” von H. H. Stavemann. Mit Hilfe dieses Buches kann man eine wirklich spannende Reise in sein eigenes Bewertungssystem unternehmen und gaaaaanz langsam, Schritt für Schritt, mittels des ABC-Modells an diesem Bewertungssystem arbeite. A steht hierbei für die Ausgangssituation, B für die Bewertung und C für die Konsequenzen. Wenn der ein oder andere diesbezüglich an sich arbeiten möchte und gerade keinen Coach an seiner Seite hat, ist Stavemanns Buch, das übrigens ausdrücklich für den Endverbraucher und psychologischen Laien geschrieben ist, eine tolle Alternative.

Egal welchen Weg ihr für euch wählt, Stavemann, einen Coach oder eine andere Möglichkeit zu Achtsamkeit und Selbstreflexion, am Ende bedeutet das immer zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen: entweder ich unterwerfe mich meiner Amygdala und lasse sie uneingeschränkt meine gesamte Umwelt als bedrohlich einschätzen. Vielleicht ist das ja wirklich weniger kräftezehrend, als Selbstreflexion und bewusste Selbstführung. Oder ich arbeite an mir, meinen Mustern, versuche auch mal die Perspektive zu wechseln und das Thema Konflikt für mich um zu bewerten. Ich habe mich für zweites entschieden. Das lässt mich viel entspannter durchs Leben gehen. Natürlich gelingt es mir nicht immer. Manchmal passiert einfach etwas und meine Amygdala sieht rot. Aber das gönne ich mir dann auch. So ist der Mensch und manchmal ist es völlig OK, auch mal laut zu schreien, finde ich und freue mich gleichzeitig darüber, dass meine Amygdala in den letzten Jahren deutlich cooler geworden ist.

Eure Constance

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Gemeinsam in den Abgrund?

Weil Konflikte irgendwann nur noch Verlierer kennen