Gehirn

Weihnachtswunder und mehr: Die Wunderfrage als Coaching-Tool

Mein Weihnachtsgeschenk

In den letzten Jahren habe ich meinen letzten Artikel vor Weihnachten immer dazu genutzt eine kleine Anleitung zum “Selbst-Coaching” zu verschenken. Diese Tradition möchte ich in diesem Jahr gerne fortsetzen und habe entschieden, dieses Mal eine meiner liebsten Coaching-Tools mit euch zu teilen, auch weil es um Wunder geht und diese doch so wunderbar zu Weihnachten passen.

Steve de Shazer - Meister der Wunder

Die Methode, die ich gerne mit euch teilen möchte, ist Steve de Shazers Wunderfrage, die so viel mehr als nur eine Frage ist. Gemeinsam mit Insoo Kim Berg hat de Shazer diese lösungsorientierte Methode für kurzzeittherapeutische Ansätze schon in den 1980er Jahren entwickelt. Über die systemische Therapie hat die Wunderfrage sehr schnell Einzug ins Coaching gehalten.

Lehne dich zurück und entspanne dich…

Vielleich hast du ja gerade ein Thema, das du gerne gelöst hättest, oder ein Ziel, das du unbedingt erreichen möchtest. Das darf etwas ganz Kleines sein, aber auch gerne etwas ganz Großes. Wäre ich eine gute Fee, was dürfte ich für dich über Nacht wegzaubern, verändern oder neu hinzufügen? Welche eigene Verhaltensweise würdest du gerne ändern. Oder gibt es diesen einen Mensch, der dich immer wieder auf die Palme bringt, ohne dass du das möchtest? Ich weiß, da ist etwas. Nimm dir gerne einen Moment Zeit während du dich entspannt zurück lehnst und dein Thema findest.

Nun stell dir vor, heute Nacht passiert ein Wunder. Du wachst morgen auf und dein Thema hat sich gelöst, du hast dein Ziel erreicht. Schließe gerne für einen kurzen Moment die Augen und gehe durch deine Morgenroutinen, um für dich festzustellen, woran du als allererstes spürst, dass das Wunder eingetreten ist. Stehe auf, gehe vielleicht ins Bad um dich fertig zu machen, oder koch dir erstmal einen Kaffee oder Tee. Du putzt die Zähne, ziehst dich an, vielleicht machst du dir ein Frühstück, oder du gehst ohne Frühstück aus dem Haus. Gehe Schritt für Schritt durch deine ganz eigenen Morgenroutinen und beobachte an welcher Stelle du merkst, dass das Wunder über Nacht eingetreten ist. Reise danach gedanklich weiter durch deinen Vormittag. Woran merken die Menschen um dich herum, dass das Wunder eingetreten ist? Wer merkt es als erstes?

Schau dir die Szenen deiner Vorstellung ganz genau an. Was siehst du um dich rum? Welche Farben sind vielleicht besonders präsent? Gibt es etwas, das du hörst oder riechst? Hast du einen bestimmten Geschmack auf der Zunge? - Vielleicht Kaffee oder Tee, oder das Nutella Brot?

Du hast dein Ziel erreicht. Nimm deinen Körper einmal ganz genau wahr. Wie genau fühlt er sich an, nun, da du dein Ziel erreicht hast? Wo genau spürst du, dass du dein Ziel erreicht hast? Was hat sich in deiner Körperwahrnehmung verändert?

Und nun schau voller Stolz zurück, um den Weg zu betrachten, den du gegangen bist. Was war dein allererster kleiner Schritt hin zur Realisierung deines Ziels? Was war die erste kleine Veränderung, die du initiiert hast?

Vielleicht möchtest du dir diesen ersten Schritt kurz aufschreiben und dir deine Notiz anschließen noch einmal bewusst, Wort für Wort, durchlesen… Gibt es etwas, das dich davon abhält, diesen ersten Schritt gleich morgen zu gehen? - Wenn “nein” dann los! Worauf wartest du!? Wenn “ja” kannst du genau mit diesem Thema nochmals in die Wunderfrage einsteigen!

Die Wunderfrage: Viel mehr als eine Frage!

Ich nutze diese Methode oder Frage tatsächlich recht häufig und schon mehr als einmal habe ich das Feedback von sehr ausführlich gecoachten Menschen bekommen, dass sie diese Wunderfrage schon mehrfach in anderen Coachings gestellt bekommen haben, sie bei mir aber nun zum ersten Mal zu funktionieren scheine. Woran liegt das? Weil die Wunderfrage keine Frage ist, die man kognitiv beantworten kann. Vielmehr ist die Wunderfrage eine Methode, die dabei helfen kann, den Fokus vom Problem weg hin zur Lösung zu richten. Das Wichtigste hierbei ist aus meiner Sicht, nicht nur rein kognitiv zu arbeiten, sondern meinen Coachee ins Ganzheitliche erleben zu bringen. Es geht darum Bilder und Sinneswahrnehmungen zu konstruieren, die ein Lösungserleben ermöglichen. So unterstütze ich nicht nur einen Perspektivwechsel, sondern erhöhe mit einem einfach Trick die Wahrscheinlichkeit. dass mein Coachee sein oder ihr Thema auch wirklich angeht.

Das Gehirn und seine Eigenarten

Warum ist es so hilfreich, den Zielzustand in der Vorstellung in allen Details zu erleben? Ganz einfach: Weil unser Gehirn Erfahrungen in Form von Bildern, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäcken und Körpergefühlen abspeichert. Unser Gehirn unterscheidet hierbei prinzipiell nicht zwischen tatsächlich gemachten Erfahrungen und gut und detailreich konstruierten oder vorgestellten Erfahrungen. Ich verankere also den wundersamen Zielzustand tief in meinem Erfahrungsschatz und mach den gewünscht Zielzustand so greifbarerer und klarer.

Ein weiterer interessanter Aspekt hinsichtlich unseres Gehirns ist, dass Zeit keine natürliche Rahmenbedingung ist, sondern ein menschgemachtes Konstrukt darstellt. Wir Menschen haben uns Zeit und Zeitmessung als Möglichkeit zur Kategorisierung geschaffen, um unsere dynamischen und komplexe Welt zu sortieren, um die Dynamik und Komplexität unseres Alltags für uns zu reduzieren. Unser Gehirn kennt keine Maßeinheiten für Zeit. Auch eine detailliert konstruierte Erfahrung aus der Zukunft wird das Gehirn als Erfahrung abspeichern, als Erfahrung ohne zeitliche Kategorisierung. Und nun dürft ihr selbst einmal kurz überlegen, was der Unterschied ist, wenn ich eine herausfordernde Aufgabe zum ersten oder zum zweiten Mal mache… Genau, beim zweiten Mal fühlt es sich einfacher an, wirkt weniger einschüchternd oder sogar beängstigend. Und nun stellt euch mal vor, ihr habe dieses große Ziel, diese große Aufgabe und anstatt Sorge davor zu haben sagt euch euer Gehirn “Hey, kein Thema, das haben wir doch schon einmal gemeistert!”.

Weihnachten - Zeit für Wunder

Mit diesen Gendanken verabschiede ich mich in meine Weihnachtspause. Ich bin am 14. Januar mit meinem nächsten Blog zurück. Bis dahin wünsche ich euch allen eine friedliche Weihnachtszeit voller Wunder. Vielleicht habt ihr ja nun Lust bekommen, auch euer ganz eigenes Wunder zu initiieren.

Eure Constance

Wunder zu Weihnachten…

Habt einen wunderbaren, wundervollen, wunderschönen dritten Advent!

Neues aus der Forschung: Wie Stress unser Gehirn wachsen lassen kann

Am Ende doch Zauberei…

Mein Zugang zum Menschsein ist sicher einerseits über die Psyche, bzw. über Emotionen getragen, jedoch brauche ich gleichzeitig auch etwas Greifbareres, etwas Nachvollziehbareres, etwas Berechenbareres, um meine Orientierung als Coach, Berater und Mensch nicht zu verlieren. Meine treuen Leser wissen inzwischen, dass ich diesbezüglich beim menschlichen Gehirn fündig geworden bin. - Diese unglaubliche Black-Box, die über Impulse und Hormone selbst wildeste Emotionen greifbar machen kann. Und je tiefer ich mich auf das einlasse, was wir so banal Nervensystem nennen, desto sprachloser werde ich, desto größer wird mein Respekt vor meinem eigenen Körper. Diese unfassbaren Feinabstimmungen fühlen sich manchmal an wie Zauberei.

Am Donnerstag hatte ich ein kurzes Gespräch mit einer Führungskraft, die ich momentan begleite. Eigentlich war es nur eine Absprache, wie wir konkret weiterhin zusammenarbeiten möchten, was ihr Ziel für unsere Zusammenarbeit ist. Natürlich sind wir auch ins Plaudern gekommen und es ging um Stress. Aus ihrer Sicht sei Stress zu einer Art Modewort geworden und es erscheine ihr fast schon en vogue zu erklären, wie gestresst man sei. Alles sei immer ganz furchtbar und schwer! Das lasse einen natürlich auch immer gleich wichtig erscheinen. Ich wusste genau was sie meinte! Das Leben als ewiger Kampf…

Keine Zauberei, sondern Biochemie…

Im Verlauf des Gesprächs sagte ich nur, dass Stress doch eigentlich nicht mehr und nicht weniger ist, als eine körperliche Reaktion, die uns in bestimmten Situationen leistungsfähiger macht. Wichtig hierbei ist, dass sich Stressphasen und Erholungsphasen über den Tagesverlauf betrachtet abwechseln. Unser Körper ist so konzipiert, dass er selbst allerhöchsten Stress aushalten und verarbeiten kann. So gesehen ist Stress das positivste überhaupt, weil Stress unser Überleben, unser Durchsetzungsvermögen sichert. Stress ist ein elementarer Teil des Menschseins.

Zum Thema wird Stress jedoch, wenn die Erholung fehlt, wenn wir nicht mehr abschalten können und permanent Stresshormone wie Adrenalin oder Cortisol durch unseren Körper toben. Denn Teil des körperlichen Gesamtpakets ist, dass unser Herz im Stresszustand schneller schlägt, die Atmung flacher ist, die Durchblutung sich verändert und die Verdauung aussetzt. Schlägt das Herz permanent schneller wird es krank. Setzt die Verdauung aus und wir laden Essen nach, kommt es zu nervösen Reizmägen, Magengeschwüren, Reizdarm, etc. Aber es ist nicht der Stress, der schlecht ist. Schädlich ist, dass der Ausgleich fehlt.

Burnout oder Boreout?

“Du musst schon auch mal nach Dir schauen!” “Pass auf, dass Du nicht zu viel machst!” “Wenn Du so weitermachst…” - Viele gute Ratschläge, die ich immer wieder von Menschen bekomme, die sich um mich sorgen. Ja, ich arbeite sehr viel, sehr sehr viel! Und in meiner Freizeit bilde ich mich weiter, schreibe Artikel und träume von meinem Buch. Das ist ein verdammtes Pensum, jedoch fühlt es sich leicht an. Ich kann das alles mit Leichtigkeit leisten, weil ich meinem Körper Ausgleich gönne und meinen Stress als Freund betrachte, als Unterstützer und Befähiger. Somit habe ich keinen Stress davor, Stress zu haben und kann so sehr schnell vom Stressmodus in den Entspannungsmodus schalten. Würde man mir auch nur einen Teil meines Stresses nehmen, müsste ich mir wahrscheinlich eher Sogen vor einem Boreout machen.

Gefühlt galt Workaholic lange als negativ belegt und ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, klipp und klar zu sagen, dass ich meinen Stress liebe und ich ihn keinesfalls reduzieren möchte. Dank der Gesundheitspsychologin Kelly McGonigal, die seit vielen Jahren an der Sanford University rund um das Thema Stress forscht, kann ich damit inzwischen entspannter umgehen. Ihren Forschungen folgend bin ich ein sogenannter Stressenthusiast, jemand, der Stress nicht negativ, sondern positiv bewertet und deshalb auch anders mit Stress umgehen kann. Kelly McGonigal schreibt, dass diejenigen, die ihre Stressreaktionen als hilfreich und positiv betrachten, die biologische Voraussetzung für Mut schaffen. -Spannender Satz, den man sich gerne nochmal auf der Zunge zergehen lassen darf. Bin ich mutig? -Ich denke schon! Es gibt keinen positiven und negativen Stress, so wie er immer wieder in Stressseminaren besprochen wird. Stress ist Stress, sagt McGonigal. Der Unterschied liegt in unserer generellen Bewertung, die uns mutig oder ängstlich werden lässt!

Betrachte ich nur meine körperlichen Reaktionen, dann spüre ich bei Stress vor einem großen Vortrag oder einem wichtigen Workshop, wie mein Herz etwas schneller schlägt, meine Hände vielleicht feucht werden, mein Mund dafür trocken und ganz sicher muss ich zur Toilette. Vielleicht kenn ihr ähnliche Reaktionen. Ist das nun beängstigend oder nicht? Für mich nicht. Ich nehme all das wahr und spüre, dass mein Körper da ist, bereit zu performen. Allerdings kenne ich auch Menschen, die eben diese Reaktionen beängstigend finden und große Vorträge deshalb meiden.

Lasst uns mal auf eine andere Situation schauen, um das Ganze zu verdeutlichen: Geht mal in eine Situation zurück, in der ihr unglaubliche Vorfreude empfunden habt, Vorfreude, die fast nicht mehr auszuhalten war. Überprüft nun kurz, was in eurem Körper los ist. Trockener Mund? Herzrasen? Flache Atmung? Feuchte Hände? Ja, es ist exakt die gleiche Reaktion, eine Stressreaktion des Körpers, die einmal positiv, als Vorfreude, und einmal negativ, als Angst bewertet wird.

Denn Mindset ist alles

Der für mich spannendste Aspekt in Hinblick auf unseren Körper ist, dass nicht nur der Körper Einfluss auf unser Mindset hat, sondern unser Mindset Einfluss auf tatsächlich messbare Körperfunktionen hat. Auch in Hinblick auf Stress gibt es wie ich finde hochinteressante Erkenntnisse, welchen konkreten Einfluss unser Mindset in Bezug auf Stress hat.

In ihrem Buch “Glücksfaktor Stress” berichtet McGonigal unter anderem von einer Versuchsreihe der Forscherin Alia Cums, die erforschte, welche konkreten körperlichen Auswirkungen die individuelle Bewertung von Stress hat.

Cums fand heraus, dass der jeweilige Stresshormon-Cocktail bei Menschen mit einem positive und bei Menschen mit einem negativen Stress-Mindset unterschiedlich war. Insgesamt habe wir natürlich alle die gleichen Hormone im Körper, wenn die Stressreaktion losgeht. Adrenalin und Noradrenalin gehören ebenso wie Cortisol zu den bekannteren Stresshormonen. Weniger bekannt ist vielleicht Dehydroepiandrosteron (DHEA). Wichtig ist, dass keines dieser Hormone ein gutes oder ein schlechtes Stresshormon ist. Jedes Hormon hat eine eigene wichtige Aufgabe. Interessant ist jedoch das Mengenverhältnis der Hormone.

Im Rahmen ihrer Studie hat Cums sich auf Cortisol und DHEA fokussiert. Während Cortisol bei der Umwandlung von Zucker und Fett in Energie hilft und gleichzeitig die in überlebenswichtigen Situationen unwichtigen Körperfunktionen wie Verdauung, Wachstum oder Fortpflanzung unterdrückt, ist DHEA ein sogenanntes Steroid, das nicht nur die Wundheilung und die Immunabwehr verbessert und die Wirkung von Cortisol in Teilen ausgleicht, sondern auch das Gehirnwachstum fördert! Ja, Stress lässt unsere Gehirne wachsen.

Herr, schick Hirn! - Oder lass es wenigstens wachsen…

Ausschlaggebend dafür, ob unser Gehirn tatsächlich bei Stress wächst oder nicht ist der sogenannte “Growth-Index”, das heißt das Verhältnis von Cortisol und DHEA. Überwiegt DHEA entwickelt sich unser Gehirn unter Stress weiter. Im akademischen Umfeld führt das laut Cums zu größerer Beharrlichkeit und Resilienz, bei Studenten sogar zu besseren Noten. Im militärischen Umfeld stellte Cums bei hohem “Growth-Index” zum einen eine höhere Konzentrations- und Problemlösefähigkeit fest, zum andern sinkt die Anfälligkeit für Posttraumatische Belastungsstörungen und dissoziativen Störungen mit ansteigendem “Growth-Index”.

Da uns allen sicher an großen, leistungsfähigen Gehirnen gelegen ist, stellt sich natürlich die Frage, woher ein hoher “Growth-Index” kommt. Die Antwort ist verblüffend: Von der individuellen Einstellung zu Stress. Cums stellte bei denjenigen Probanden, die Stress generell als positiv und unterstützend bewerteten, eine höhere DHEA-Konzentration im Speichel fest. Und noch verblüffender ist, dass sie mehrere Studienreihen begleitet hat, in welchen Menschen an ihrem Stress-Mindset gearbeitet haben um es von negativ in positiv zu wandeln. Auch bei ihnen stellte Cums nach der gemeinsamen Arbeit einen höheren DHEA-Spiegel fest.

Schließlich erklärte sich mir auch der Untertitel, den McGonigal ihrem Buch gab: Warum Stress erfolgreich und gesund macht!

Also auf geht’s: lasst uns am Mindset arbeiten!

Tja, was soll ich nun sagen, als Coach, der häufig nicht mehr und nicht weniger tut, als Menschen dabei zu unterstützen, ihre Haltung, ihr Mindset zu Rahmenbedingungen, die sie selbst nicht ändern können, zu ändern? Wenn unser Mindset, unsere innere Haltung die Kraft hat, Hormonkonzentrationen zu ändern und Gehirne messbar wachsen zu lassen, dann habe ich nicht nur den schönsten Job der Welt, sondern auch einen der wissenschaftlich nachweisbar zu messbaren Veränderungen führt. Maine Arbeit hat schon lange nichts mehr mit Soft Skills, sondern mit Hard Facts zu tun!

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen wunderschön stressigen Sonntag! Lasst die Gehirne wachsen. Unsere Welt kann es brauchen…

Eure Constance

Mindset

Wenn innere Haltung alles verändert…

Wie geht Kreativität? -Aus der Rubrik "Vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer"

Für Laura

Was braucht es, um kreativ zu sein? Diese Frage stellt sich sicher jeder von Zeit zu Zeit. Laura stellt sie sich gerade wahrscheinlich sehr intensiv. Geht es doch darum, eine Hausarbeit fertig zu bekommen! Gut soll sie sein, kreativ soll sie sein und dann leuchtet auch noch diese Deadline inzwischen fast bedrohlich groß am Horizont. “Ich muss! Ich muss…!”, schallt es da durch den Kopf. Eine innere Stimme, die wir sicher alle nur zu gut kennen. Der innere Druck steigt und steigt, aber irgendwie will das Gehirn da partout nicht mitmachen. Der Kopf macht dicht, obwohl er doch muss! -Oder vielleicht sogar, weil er muss?

Mit steigendem Stresspegel schwindet der Verstand

Eigentlich ist es ja ein altbekanntes Phänomen: Je größer der Druck, desto mehr Stress, je mehr Stress, desto mehr Stresshormone toben durch den Körper und nicht nur durch den Körper, sondern auch durch das Gehirn, wo sie allerlei Unheil anrichten können. Diese verflixten Stresshormone - angefixt durch unser Angsthirn, die Amygdala, die all diesen Druck als konkrete Bedrohung wahrnimmt - sie flitzen durch unsere Großhirnrinde, jenen Teil unseres Gehirns, den wir für rationales Denken, aber auch für Kreativität brauchen, und legen ihn erstmal weitestgehend lahm. Psychologischen Nebel nannte die großartige Vera Birkenbihl diesen Zustand, der uns weit weg von jeder Form rational-kreativer Leistung katapultiert. Anstatt innezuhalten sagen wir uns nun für gewöhnlich “ich muss aber...”, was den Druck nur weiter steigert. Das wiederum führt dazu, dass die Amygdala noch lauter Alarm schlägt und eh wir uns versehen, sind wir in einem Teufelskreis, den wir noch nicht einmal wahrnehmen, weil unsere Großhirnrinde ja im Nebel steckt! Aussteigen wird schwer, zumal diese wilden Teufelskreise in unserer dynamischen und unüberschaubaren Welt allgegenwärtig zu sein scheinen. Wir müssen noch schnell dies und das, dabei ergibt sich noch jenes und wir sind so busy, dass wir keine Zeit haben, mal darüber nachzudenken, was wir denn eigentlich tun! “Eile mit Weile!”, hat meine Oma immer gesagt. Neuhochdeutsch heißt das jetzt wohl “Haste makes waste!”. Was passiert, wenn wir tief drin stecken im Nebel? Wir machen Fehler! Wenn es richtig dumm läuft, knallt es sogar! Doch anstatt langsamer zu fahren, aufmerksamer zu sein und die Nebelscheinwerfer einzuschalten, geben wir im Business-Umfeld lieber noch zusätzlich Gas! Der Mensch ist ganz sicher viel weniger klug, als es scheint!

Bewusste Entschleunigung zur anschließenden Beschleunigung

Guter Rat ist natürlich immer teuer und sich bewusst dazu zu entscheiden, langsamer zu machen wird meist auch seitens der Chefs nicht gerne gesehen. Trotzdem kann ich als Coach nur dazu ermuntern, diesen Weg zu gehen, sich dabei gegebenenfalls Unterstützung zu holen, oder sich selbst ein wenig zu zwingen. Meistens ist unser eigener innerer Schweinehund ohnehin viel gnadenloser, als es die gnadenlosesten und leistungsorientiertesten Chefs jemals sein könnten.

In der letzten Woche habe ich im Rahmen eines eintägigen Workshops eine Hand voll Kollegen mit sanften Druck dazu gebracht, mehr oder weniger freiwillig mal einen Tag aus diesem wilden Karussell auszusteigen und gemeinsam mit mir einen ganzen Tag der Selbstreflexion, dem Lernen und der Persönlichkeitsentwicklung zu widmen. Initial kam das so “so lala” an! Natürlich wurde schon eingangs erklärt, dass man sich sehr freuen würde, wenn es nicht so lange ginge. Einer der Teilnehmer war sogar so ehrlich zu sagen, dass er überlesen habe, dass das den ganzen Tag dauere, sonst hätte er sich nicht angemeldet (Anm. d. Red.: Immer auch das Kleingedruckte lesen!). Ob man das nicht auch in kleinen “Nuggets” verpacken könne, die man dann so nebenher machen könnte? -Wenn ein Tag so losgeht, ist das immer eine besondere Herausforderung für den Coach. So schaukelte ich mich mit meinen Teilnehmern zur ersten Kaffeepause, dann weiter zur Mittagspause. Die Stimmung wurde immer gelöster und ich bildete mir ein, dass meine Teilnehmer immer mehr bei der Sache waren. Ich konnte fast spüren wie sie aus dem Karussell ausgestiegen sind, innehielten, wenn auch nur für einen kleinen Moment. Am Ende das Tages habe ich um Feedback gebeten, vor allem auch in Hinblick darauf, was man weglassen könnte, denn es stehen noch weitere dieser Tage innerhalb eben dieser Organisation an. Die Antwort war erfreulich und vielleicht auch ein wenig erhofft: Nichts! Es war alles spannend und wichtig, auch die zeitintensiven Lernzielübungen um auch erfahrungsorientiert arbeiten zu können, wurden als ausgesprochen wertvoll empfunden. Man habe jetzt verstanden, warum der Workshop einen ganzen Tag dauern muss!

Wenn man etwas Neues lernen möchte, wenn man Verhaltensweisen ändern möchte, muss man für einen Moment innehalte, um dem Gehirn den notwendigen Raum und die notwendige Zeit zu geben. Klar hätte ich die Inhalte in kleine Nuggets packen können, lustige Häppchen für Nebenbei! Diese wären jedoch ganz sicher im Nirvana verpufft, weil der Stress des Alltages, der Druck, der allgegenwärtig ist, der Großhirnrinde die Möglichkeit genommen hätte, neue zarte Strukturen zu bilden, Neues zu verankern und sich dabei selbst zu reflektieren. Dann kann man es auch gleich sein lassen und seine Zeit als Coach sinnvoller investieren!

Wer Großes leisten will, Neues lernen, oder gar erfinden will, der muss dafür in der Lage sein, sein volles Potenzial auch nutzen zu können und wenn dieses volle Potenzial im dichten Nebel steckt, wird das unmöglich! Öfter mal Stopp sagen und innehalten, ruft hier nicht nur der Resilienz-Beauftragte, sondern auch der Coach, der Teams und ganze Organisationen in die schwindelerregenden Höhen der High Performance katapultieren soll! Die Festplatten eurer Computer habt ihr damals ja auch immer mal wieder defragmentiert, damit sie dann wieder schneller und geschmeidiger laufen. Gönnt das doch auch mal eurer eigenen Festplatte. Die ist nämlich noch nicht auf SSD-Standard!

Denn auch meine Festplatte muss mal wieder defragmentiert werden

Keine Sorge, noch nicht einmal Coaches wie ich kommen drumherum, auch ihren eigenen Gehirnen mal eine Pause zu gönnen. Ich habe letzten Sonntag tatsächlich zum ersten Mal seit einer ganzen Weile gemerkt, dass ich urlaubsreif bin, dass mein Kopf eine Pause braucht, um dann wieder top-kreativ zur Tat zu schreiten. Normalerweise freue ich mich sonntags immer schon auf montags. Ich arbeite tatsächlich ziemlich gerne. Letzten Sonntag, als ich abends auf der Coach saß, war da diese Stimme in meinem Kopf, die sich wünschte, es sei erst Samstag um sich einen Tag länger ausruhen zu können. Wie gut, dass ich nächsten Freitag meinen letzten Arbeitstag habe, um dann bis Ende des Monats Urlaub zu machen! Ja, diese letzte Woche wird es noch einmal in sich haben! Zwei Workshops und eine dicke, fette Großveranstaltung! Ich freue mich schon riesig, aber ich freue mich auch, danach dem Kopf eine Pause zu gönnen, um im November wieder durchzustarten. Es stehen spannende Dinge an, für die ich mein Gehirn, meinen Verstand und all meine Kreativität brauchen werde, um auch meinen ganz eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Aus diesem Grund wird auch mein Blog bis Anfang November pausieren. Die meisten kennen das ja schon aus der Vergangenheit: Wer mir auf den sozialen Medien folgt, bekommt natürlich auch weiterhin sonntags sein Gedankenfutter, allerdings in recycelter Form! -Quasi das Beste aus den letzten Jahren! Den Anfang macht nächsten Sonntag ein bisschen was zum Thema Terror, da sich schon sehr bald mal wieder die Erstürmung der Landshut in Mogadischu jährt. Danach gibt es dann zwei Wochen lang meine beiden vielleicht persönlichsten Blogs, eh ich wieder ganz neu kreativ werde!

Liebe Laura,

du siehst, du bist nicht allein im Nebel! Die Besten und Tollsten, die Professionellsten und Größten sind immer wieder da, wo du gerade bist. Und auch sie können alle nicht zaubern. Druck hilft nicht weiter. Vielmehr bedarf es Achtsamkeit und Wohlwollen, gerade auch mit sich selbst, um dem Gehirn die Möglichkeit zu geben, über sich hinaus zu wachsen. Ich weiß, Deadlines sind manchmal gnadenlos. Sie machen Angst und ihnen ist auch eine Grippe völlig egal. Aber du kannst nicht mehr als dein Bestes geben und dafür musst du eben auch Pausen machen, schlafen, spazieren gehen. Du musst die Sonne genießen und mit der Sonne das Leben! Denn genau das ist es, was dein Gehirn braucht, um sich dann wieder zu konzentrieren und um glücklich und zufrieden zu arbeiten. Es ist jetzt Samstag, 18:45 Uhr. Ich sitze an meinem Laptop und tippe diese Zeilen, hoffend dass du deinen inzwischen ausgeschalten hast. Morgen ist ein neuer Tag und du darfst deinem Kopf dann eine neue Chance geben. Was soll denn schon schief gehen? Entweder das Ergebnis wird als gut beurteilt, oder du hast eben deine erste Hausarbeit verhauen. Da kommen noch viele mehr und damit auch mehr Chance, um daraus zu lernen. Wenn du dein Bestes gegeben hast, darfst du trotzdem stolz auf dich sein, denn in diesem einem Leben, das wir haben, geht es nicht nur um Erfolg an der Uni oder später im Beruf! Was wirklich zählt, ist das Leben zu genießen und immer noch genügend Kapazitäten zu haben, um die Vögel singen zu hören…

Eure Constance

…They are in my head…

Denn es reicht nicht, ein Gehirn zu besitzen! Es ist hilfreich, es auch nutzen zu können!