Selbstliebe

Goldene Buddhas und verschüttete Persönlichkeiten

Zeit für einen Cut

Bei mir werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Im September werde ich mich für einen Sabbatical-Monat zurückziehen. In dieser Zeit wird auch mein Blog pausieren und am 6. Oktober in neuem Gewand zurück sein. Meinen freien Monat werde ich für einen ausführlichen Hausputz nutzen. Impuls bekommt ein komplettes Make-over. Seid gespannt – ich bin es tatsächlich auch! Auf Instagram nehme ich euch gerne mit auf meine Reise durch den Sabbatical-Monat. Den Link zu meinem Instagram-Profil findet ihr auf meiner Homepage unter "Kontakt". Dort wird nicht nur das Make-over für Impuls eine Rolle spielen, sondern auch der Umgang eines Workaholics wie mir mit verdammt viel Freizeit! Ein Teil von mir freut sich wie verrückt auf diese Auszeit, ein anderer Teil ist recht nervös. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel freie Zeit hatte und ich bin mir noch nicht sicher, was ich damit anfangen werde. Ganz entspannt einfach mal nichts tun – das ist eine große Fähigkeit, die ich über die letzten Jahre ziemlich verlernt habe.

Für meinen letzten Artikel vor meiner Auszeit habe ich eine Metapher gewählt, basierend auf einer wahren Geschichte, die mich selbst seit letztem Wochenende so fasziniert, dass ich sie nun auch auf diesem Wege mit euch teilen möchte.

Seit einigen Wochen nehme ich gemeinsam mit drei wunderbaren Coach-Kolleginnen und -Kollegen an einem Peer-Coaching-Programm zur Persönlichkeitsentwicklung teil. Denn auch, oder gerade, als Coach ist man nie ganz fertig mit sich selbst. Im Rahmen dieses Programms gibt es spannende Tagesimpulse, wöchentliche Meetings in der Peer-Gruppe und an jedem Wochenende ein umfangreiches Programm zum Schwerpunktthema der kommenden Woche. In dieser Woche war und ist das Thema Empathie mit sich selbst, um nicht zu sagen: Selbstliebe. Ich weiß nicht, wie sehr und wie bedingungslos ihr euch liebt oder ob ihr, wie ich, gerne Bedingungen wie Leistung und Perfektion an eure Liebe zu euch selbst knüpft. Schon verrückt! Ich wünschte, ich wäre mit mir selbst so liebevoll, geduldig und empathisch, wie ich es mit anderen sein kann. Woher kommt diese relative Härte zu sich selbst? Im Rahmen meines Programms habe ich letzten Sonntag diese Geschichte gehört, die als Metapher großartig zur Liebe zu uns selbst und zu all den Bedingungen, die wir häufig daran knüpfen, passt.

Der Goldene Buddha von Bangkok

Ich hatte das Glück, schon einige Male den beeindruckenden Goldenen Buddha von Wat Traimit sehen zu dürfen. Diese gefühlt alles überstrahlende Statue ist über drei Meter hoch und besteht aus massivem Gold. Sie wiegt etwa fünf Tonnen. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Statue etwa 700 Jahre alt ist. Tief beeindruckende Rahmenparameter, deren ich mir durchaus bewusst war, als ich ehrfürchtig vor dieser im Lotussitz sitzenden Buddhastatue stand. Was ich nicht kannte, waren die Details des bewegten Lebens, das dieses Abbild Buddhas bereits hinter sich hatte. Die monumentale Statue wanderte in den Jahrhunderten durch die Hände diverser Könige innerhalb und außerhalb Thailands. Als es wieder einmal zu einer Welle von Angriffen aus dem Ausland kam, entschieden die Mönche des Klosters, in dem sich die Statue befand, den wertvollen Buddha komplett in Gips zu hüllen, um bei eventuellen Plünderungen seinen wahren Wert zu verschleiern. Bei den erwarteten Angriffen kamen wahrscheinlich alle Mönche des Klosters ums Leben. Somit gab es niemanden mehr, der den wahren Wert dieser Statue kannte. Selbst als die Statue 1935 in einen neuen Tempel gebracht wurde, da ihr ursprünglicher Standort einem Sägewerk weichen musste, ahnte niemand ihren wahren Wert. Erst als die Statue bei Bauarbeiten im Jahr 1955 vermeintlich beschädigt wurde, sprang der Gipsmantel auf – und was zum Vorschein kam, war pures Gold!

Unser aller goldener Kern

Um den Gefahren des Lebens zu trotzen, um sich zu schützen, legte sich der Goldene Buddha von Wat Traimit eine Schale zu, die seinen wahren Kern verschleierte. Diese Schale, dieser Mantel aus Gips, wurde so selbstverständlich, dass die inneren Werte des Buddhas in Vergessenheit gerieten. Man sah nicht das strahlende Gold, sondern diesen unscheinbaren Panzer, der den Buddha schützen sollte.

Ähnlich verhält es sich mit unserer Seele, dem tiefen goldenen und strahlenden Kern unserer Persönlichkeit. Wir werden als reine, strahlende Persönlichkeiten geboren – angstfrei und voller Urvertrauen in uns selbst und die Welt. Leider lernen wir viel zu schnell, dass das Leben gefährlich ist. Egal, wie liebevoll umsorgt ein Baby ist, beginnt es schon früh zu kämpfen oder sich anzupassen, um sein Überleben zu sichern. So beginnt sie ganz langsam zu wachsen, diese Gipsschicht, die unseren strahlenden Kern überlagert. Nennt diese Gipsschicht Glaubenssätze, Traumata, Urängste, Erfahrungen, innere Antreiber … Sie werden mehr und mehr, je älter wir werden. Die Gipsschicht um unseren strahlenden Kern wird immer dicker. Wir finden unseren Weg durchs Leben, gehen in den Kindergarten und die Schule, lernen, uns anzupassen, um Anerkennung zu bekommen, Freunde zu finden, geliebt zu werden. Brave Mädchen machen keinen Ärger! Leistung und Anpassung generieren Liebe. Die Gipsschicht wächst weiter und weiter, getrieben von der Angst vor Ablehnung, der Angst, nicht gut genug zu sein, keine Freunde zu haben, keinen Partner zu finden, im Beruf nicht erfolgreich zu sein. So entwickeln wir Verhaltensweisen, die uns schützen sollen, uns aber gleichzeitig stets in einem Zustand des Kämpfens halten. Angespannt sind wir immer irgendwie auf der Hut. Wir agieren aus Angst und dem Bedürfnis, uns schützen zu müssen. So werden wir nicht nur mit anderen streng oder kritisch, sondern auch mit uns selbst. Wir müssen diesem perfekten Bild entsprechen, um gut, sicher und geliebt durchs Leben zu gehen. Aber was passiert, wenn der Gipsmantel springt, unsere strahlende Persönlichkeit zum Vorschein tritt, die nicht aus Motiven der Angst und des Selbstschutzes, sondern aus Vertrauen und Liebe heraus agiert? Im Umgang mit sich selbst und auch im Umgang mit anderen? Was, wenn wir nicht das Schlechteste in anderen Menschen und in den Möglichkeiten, die sich uns bieten, sehen? Was, wenn wir stattdessen nur das Beste, das Liebenswerte und die Chancen sehen? Wahrscheinlich hüpfen wir dann glücklich wie Kinder strahlend und neugierig durch unser Leben – durch ein Leben, das sich im Außen sicher nicht ändert, sich aber ganz sicher anders anfühlen wird.

Ich werde die nächsten Wochen auch dazu nutzen, noch regelmäßiger und routinierter mit diesem goldenen Kern, diesem strahlenden Persönlichkeitsanteil von mir, in Kontakt zu treten. Er ist da, vollumfänglich. Über all die Jahre des Selbstschutzes und des Kämpfens ist er jedoch ein wenig verschüttet und in Vergessenheit geraten, ganz so wie der goldene Kern des Buddhas von Wat Traimit. Ich möchte noch neugieriger und noch wohlwollender mit den Menschen um mich herum sein. Denn die Liebe, der Respekt, die Achtung und Wertschätzung zu sich selbst schließen Liebe, Achtung und Wertschätzung für andere nicht aus. Die eine Form der Liebe bedingt die andere.

Wenn ihr Lust habt, tut es mir gleich. Und solltet ihr euch Begleitung auf eurer ganz individuellen Reise hin zu mehr (Selbst-)Liebe und mehr (Selbst-)Vertrauen wünschen, um noch erfolgreicher, klarer und selbstbewusster durchs Leben zu gehen, wüsste ich da einen guten Coach. Meldet euch gerne – auch schon im September. Es ist nicht auszuschließen, dass ich mich sehr darüber freue, wenn ich etwas zu tun bekomme!

Genießt die letzten Sommertage und den bunten, magischen Übergang zum Herbst – und bleibt meinem Blog auch Anfang Oktober treu.

Eure Constance

Auf der Suche nach dem inneren Strahlen

Die Schutzschilder des Lebens stets im Blick.

Let me be my Valentine! - Das Geheimnis weiblichen Erfolgs

“Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze!”

Diesen Satz postulierte dereinst schon der gute alte Oscar Wilde. Und recht hatte er, der alte Schwerenöter!

Am 14. Februar ist Valentinstag und ich bekommen schon seit Tagen Werbung diversester Blumenlieferdienste. Valentinstag, das Fest der Verliebten! “Let me be your Valentine!” Wisst ihr schon, wem ihr diesen Satz in diesem Jahr schenkt? Nach der Lektüre von Marianne Heiß Buch “Yes she can” habe ich mich entschieden, diesen Satz in diesem Jahr nicht exklusiv für meinen Mann zu reservieren. In erster Linie habe ich mich entschieden, ihn mir selbst zu schenken. “Let me be my Valentine!” -Selbstliebe am Tag der Verliebten! Denn erstens fühlt es sich gut an und schenkt man Marianne Heiß und diversen Wissenschaftler*innen Glaube, macht mich das auch noch erfolgreich(er).

Life is a cabaret…

Warum sollte mich Selbstliebe erfolgreicher machen? Ich bleibe mal bei den englischsprachigen Schriftstellern und fahre mit einem Zitat von Shakespeare fort: “Die Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler (…)” hat der Großmeister des Dramas schon vor langer Zeit sehr vortrefflich erkannt. Tatsächlich hat unser Sozialverhalten einiges mit der Rollenwelt im Theater gemeinsam. So beschreibt es auch Erving Goffman in seinem Buch “Wir alle spielen Theater”. Tatsächlich nehmen wir in unserem Leben aus taktischen und strategischen Gründen unterschiedliche Rollen an. Hierbei geht es immer auch um Selbst-Marketing oder Impression-Management, wie er es nennt. Der Unterschied zum Theater ist, dass gute Schauspieler ihre Rollen bewusst und ganzheitlich spielen, wir Menschen unsere Rollen jedoch nur in Teilen bewusste einnehmen. Freuds Eisbergmodell geht davon aus, dass wir nur etwa 20 Prozent unserer Körpersprache bewusst steuern können. -Zu wenig für die große Illusion. Die verbleibenden 80 Prozent spiegeln unsere tatsächliche innere Haltung oder Überzeugung. -Offen lesbar für alle um uns herum.

Im Tagesgeschäft des menschlichen Miteinanders spielt dieses Impression-Management eine elementare Rolle. Zitate wie “There is never a second chance for a first impression” erspare ich uns mal. Fakt ist, dass wir unsere Mitmenschen permanent scannen, um sie über den Eindruck, den sie auf uns machen, in bestimmte Schubladen zu stecken. Das geschieht unbewusst und ist ein Weg unseres Gehirns Ordnung und Klarheit in die Komplexität unseres Alltags zu bringen. Und nun frage ich euch ganz offen: jemand der bei euch in der Schublade “eher unklar und unsicher, zweifelt an sich selbst” steckt, würdet ihr diese Person für eine Führungsposition auswählen?

Ein bisschen Imposter hier und ein bisschen Hochstaplerin da…

Schon Ende der 70er Jahre prägte die US-amerikanische Psychologin Pauline Clance von der Georgia State University in Atlanta den Begriff des Hochstaplersyndroms, Neuhochdeutsch auch gerne Imposter-Syndrom. Sie beschrieb, dass es Menschen gibt, die trotz sehr guter Leistungen permanent an sich selbst zweifeln. Sie haben Angst, dabei ertappt zu werden, dass sie eigentlich nicht ausreichend qualifiziert oder gut genug für ihre Position sind. Schon damals stellte Clance fest, dass vor allem Frauen davon betroffen sind. Sie deckte auf, dass besonders Frauen unter dem Gedanken leiden, ihren Erfolg nicht verdient zu haben. Inzwischen geben ihr diverse wissenschaftliche Studien recht. Frauen lenken ihre Aufmerksamkeit eher auf Schwächen während Männer eher zur Selbstüberschätzung neigen. Frauen entschuldigen sich häufiger als Männer, weil Männer weniger Situationen als entschuldigungswürdig wahrnehmen. Irgendwie scheinen Frauen im Bereich Impression-Management den Männern unterlegen zu sein. -Zumindest in Hinblick auf Business und Karriere. Klar, Gefühle wie Selbstzweifel, Angst und Unsicherheit vertragen sich auf den ersten Blick nicht mit Management-Positionen. Wie war das mit den Schubladen? Manager müssen angstfrei und absolut selbstsicher sein. Echte Leader eben!

Lernende Organisationen sind weiblich

Im Management, in der Politik und wahrscheinlich in unserer gesamten Gesellschaft herrscht noch immer eine Kultur der Stärke und Sicherheit, eine Kultur, die es vermeidet, Fehler oder Versäumnisse transparent zu machen. Während in der Wissenschaft und der Forschung nach Fehlern und Schwächen gesucht wird, werden sie in der Wirtschaft gerne vertuscht. In einer immer dynamischeren und komplexeren Umwelt sind Fehler jedoch systemimmanent und das Lernen aus Fehlern wird für Organisationen zu einer der wichtigsten Erfolgsvoraussetzung. Schwachstellen klar benennen und sich weiterentwickeln um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist das Geheimnis von sogenannten lernenden Organisationen. -Jenen Organisationen, die laut Harvard-Professorin Amy C. Edmondson auf lange Frist die einzig nachhaltig erfolgreichen sein werden. Vielleicht heißt das ja dann tatsächlich, dass die Zukunft des (erfolgreichen und nachhaltigen) Managements weiblich ist. Vielleicht hat Marianne Heiß wirklich recht. Vielleicht bringen wir Frauen genau das mit, was lernende Organisationen unbedingt brauchen: den offenen Umgang mit Fehlern und den Fokus auf Schwachstellen, um immer besser zu werden. -Gepaart mit dem Wissen niemals abschließend perfekt zu sein, weil sich die Welt im Außen einfach zu schnell verändert und wir permanent damit beschäftigt sind, uns dieser Veränderung anzupassen. Trotzdem, oder vielleicht sogar deshalb wird Impression-Management auch weiterhin entscheidend sein. Es ist eine Art Türöffner dafür, dass ich überhaupt die Chance bekomme, erfolgreich agieren zu können, die Kultur einer lernenden Organisation gestalten zu dürfen. Also lege ich los und fange an daran zu glauben, dass meine exakten Kenntnisse meiner Schwächen und Schwachstellen eine verdammte Stärke sind, ein verdammter Markvorteil. Ich fange an mich großartig zu finden, so wie ich bin, ein großartiges, starkes Gesamtpaket. -Ja, ein Gesamtpaket mit Schwächen, aber auch mit großen Stärken. Und ich beginne damit, meine Erfolge zu feiern und zu kommunizieren. Immerhin habe ich hart dafür gearbeitet. Selbstliebe als Erfolgsrezept hört sich gut an! “Let me be my Valentine!” - Und dann ist einfach alles möglich! Vielleicht bestelle ich mir einfach selbst einen riesengroßen Blumenstrauß! Alles ist möglich! “Yes she can!” Deshalb möchte ich diesen Artikel mit einem weiteren Zitat von Shakespeare beschließen, mit meinem Lieblingszitat aus seinem letzten Werk “Der Sturm”:

Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind (...).

Lasst uns also mutig sein und träumen, im vollsten Vertrauen auf uns selbst. Denn sind wir mal ehrlich, eigentlich sind wir selbst häufig unsere einzige Grenze.

Genießt euren Sonntag und habt einen Valentinstag voller (Selbst-)Liebe.

Eure Constance

PS: Für alle die, die sehr gerne anfangen möchten sich selbst mehr zu lieben, aber keine Ahnung haben, was sie dafür konkret tun können hier ein paar Ideen: Vielleicht beginnst Du damit, Komplimente einfach dankend anzunehmen ohne sie offen oder in Deinem Kopf zu relativieren. Oder Du nimmst Dir jeden Abend kurz Zeit drei Dinge, die Dir an diesem Tag besonders gut gelungen sind, auf die Du stolz bist, aufzuschreiben und morgens nach dem Aufstehen liest Du Dir das ganze nochmal durch. Unter Umständen passt es auch besser zu Dir, etwas freundlicher und wertschätzender zu sprechen. Es gibt Studien, die besagen, dass wir fast 90 Prozent der Kommunikation in unserem Leben im inneren Dialog verbringen. Er ist immer da, läuft ganz nebenbei und selten hören wir bewusst hin. Höre ich mir jedoch immer mal wieder bewusst dabei zu wie ich mit mir selbst spreche, ist das häufig wenig respektvoll und wertschätzend und selten so wie ich mit jemanden sprechen würde, den ich wirklich liebe…

Let me be my valentine!

Wie Selbstliebe erfolgreich macht.

Der Sinn des Lebens - Ein Weihnachts-Blog

Zeit inne zu halten?

Der Sinn des Lebens! Worüber könnte ich heute, am Heiligen Abend sonst schreiben? In meinem letzten Blog habe ich Euch mit auf meine rastlose Reise durch mein kleines Leben genommen. Ich habe Euch erzählt wie schnell und wie stetig sich meine Welt dreht. Keine Zeit inne zu halten! Aber es gibt diese Hand voll Tage, an denen meine kleine Welt stillsteht, an denen ich mir Zeit nehme, Zeit zu reflektieren, Zeit mich zu fragen wofür das Ganze! Was ist der Sinn meiner, Eurer, unserer Existenz? Ein gigantisches, fröhliches, erschreckendes, trauriges, erfolgreiches, verrücktes, schockierendes Jahr geht langsam zu Ende. Und die Frage muss erlaubt sein: Wofür das alles? Du wirst geboren, Du isst und trinkst und schläfst und rennst und lachst und weinst und zack ist alles auch schon wieder vorbei. Was ist der Sinn? Es ist Weihnachten, ich mache eine kurze Pause und denke nach.

Das ein oder andere Konzept

Auf meiner Suche nach dem Sinn bin ich über so einige Konzepte gestolpert. Ich suche ja auch schon eine Weile. Manche haben mir besser, andere weniger gut gefallen.

Aus evolutionärer oder biologischer Perspektive betrachtet, ist mein Leben ganz und gar sinnlos, denn ich habe es eindeutig versäumt, meine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. So gesehen wird von mir nichts übrigbleiben. Ich bin hier, verbrauche Ressourcen und doch werde ich nichts hinterlassen. -Ganz und gar sinnlos!

Schau ich auf meine wunderbaren Stiefkinder glaube ich jedoch nicht, dass so gar nichts von mir übrig bleibt. Ich bin mir sicher, es gibt Momente, die Laura und Daniel in ihren Herzen abgespeichert haben, die sicher deutlich länger Teil dieser Welt bleiben, als ich. Erst letztes Wochenende haben wir über diesen einen Urlaub in Amsterdam gesprochen… Das Lachen und die Liebe bleibt in ihren Herzen und ich bin mir sicher, sie werde beides irgendwie weitergeben. Was ist da schon Genetik? Liebe ist doch so viel mehr!

Mein Papa hielt es mit dem Sinn des Lebens wie Aristoteles: „Sein Leben hat nur Bedeutung, wenn er versucht etwas zu erreichen und nach seinen Zielen strebt.“ Für meinen Papa war der Sinn des Lebens, das Ziel seines Lebens, seinen Geist immer weiter zu entwickeln. Es war unglaublich wichtig für ihn, stetig zu lernen. Wissen war sein Sinn, sein Purpose. Er wollte begreifen und verstehen. Das gab er auch sehr konsequent an uns Kinder weiter. Es gab Momente, in denen habe ich es gehasst, heute glaube ich fest daran, dass das der Grundstein für meine Neugier war. Dann wurde Papa krank und es wurde sehr bald deutlich, dass er diese Krankheit nicht würde besiegen können. Er würde nicht gesund werden. Wie geht man damit um, wenn man seine eigene Endlichkeit so gnadenlos vor Augen geführt bekommt? Eine Weltreise, nochmal etwas ganz besonders tun, die Bucket List abhaken? Papa hat sich für Alltag und Normalität entschieden. Offensicht war es der Alltag, den er bewusst erleben wollte. Nichts hatte für ihn einen größeren Zauber, mehr Sinn. Ich erinnere mich an unser letztes Weihnachten. Am Morgen des Heiligen Abend hatten wir uns mal wieder gestritten. Wir waren und sind recht meinugsstabil! Das sorgt immer mal wieder für hitzige Diskussionen. Papa stand mit Tränen in den Augen vor meiner Tür und hat mich gebeten einfach nur Weihnachten zu feiern. Es war ein ganz normales, unspektakuläres Weihnachten. Alles wie immer und trotzdem so wertvoll. Ähnlich war es mit meiner Freundin Tracey: Der Krebs tobte schon überall in Tracey Körper, als wir nochmal einen Tag gemeinsam verbringen wollten. Es war kein außergewöhnlicher Tag. Wir waren an Orten, die wir nur zu gut kannten, schließlich gab es Wein und Käse in einem Weingut, in dem wir schon so oft waren und zum Abschluss haben wir einen Sonnenuntergang genossen, wie wir ihn schon so oft genossen haben. Noch ein Glas Wein, eine letzte Umarmung… Ein Tag voller Zauber, voller Zauber des Normalen! Ist das Normale also der Sinn? Geht es vielleicht um den Moment und um die Menschen mit denen wir diesen Moment teilen? Ist das der Sinn?

In meinem beruflichen Umfeld spielt das Thema Purpose immer wieder eine zentrale Rolle. Was ist unser Purpose? Unser Sinn, der wie ganz selbstverständlich häufig eng mit einem Ziel verknüpft ist. Aber ist das Ziel wirklich der Sinn? Habt Ihr ein Lebensziel? Ich habe natürlich eines. Aber was ist, wenn ich aus welchen Gründen auch immer mein Ziel nicht erreiche? Was wenn mir die Zeit fehlt, oder mein Ziel zu groß ist? Wird mein Leben dann sinnlos gewesen sein? In einer ganz und gar zielversessenen Gesellschaft erscheint das Leben oft linear, wie eine Art Lebenslinie, ausgerichtet auf dies und das. Was aber wenn unser Leben gar keine Linie ist, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Punkte, einzelner Momente, jeder für sich mit Sinnhaftigkeit gefüllt? Ich glaube nicht, dass es um ein Ziel geht, dessen Erreichung mit so vielen Faktoren und einer guten Portion Glück zusammenhängt. Ja, ich habe meinen Purpose. Aber ist das mein Sinn? Bin ich hier um ein Ziel zu erreichen? Ich erinnere mich an dieses letzte große Gespräch mit meinem Papa, damals auf dem Krankenhausflur. Ich haben ihm versucht zu erklären, dass der Sinn für mich unabhängig vom Ziel sei. Leider fehlten mir damals noch die passenden Worte, die das was ich spürte beschreiben konnte. Ich habe meinem Papa versucht von all den einzelnen Punkten zu erzählen, die für mich Sinn ergaben. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass mein Lebenssinn all die zauberhaften Momente sind, die ich mit anderen Menschen teilen konnte… -Jede wilde Party, jedes gemeinsame Erlebnis. Mein Leben damals bestand daraus, Menschen kennenzulernen, Verbindungen einzugehen und gemeinsam unvergessliche Momente zu schaffen, die auf ewig in unseren Herzen bleiben. -So wie damals im Familienurlaub in Amsterdam!

Alfred Adler, der Psychologe der zum Philosophen wurde

Auf der Suche nach Worten, die meinen Sinn des Lebens bestmöglich beschreiben, bin ich vor einigen Jahren schließlich bei dem österreichischen Psychologen Alfred Adler fündig geworden. Der Begründer der Individualpsychologie, dessen Ansätze Einfluss auf so große Geister wie Viktor Frankl und Abraham Maslow hatten, entwickelte im Laufe seines Wirkens zunehmend auch einen geradezu philosophischen Anspruch. In seinem späten Werk “Der Sinn des Lebens”, das 1933 erschien, beschreibt Adler zwei unterschiedliche Bedeutungen des Sinns. Zum einen beschreibt er den Sinn, den ein Mensch in seinem Leben sucht und sicher auch findet und der sehr eng mit dem Selbstbild und den eigenen Meinungen und Perspektiven, aber auch mit den Meinungen und Perspektiven der anderen zusammenhängt. - Papas Verständnis, dass wir auf dieser Welt sind, um unseren Geist stetig weiterzuentwickeln, oder mein Purpose. Dieser Sinn ist recht greifbar, quasi “SMART”, kann deshalb aber auch verfehlt werden. Die KPIs unseres Lebens! -Ganz in Aristoteles‘ Sinn.

Die zweite Bedeutung hinter dem Sinn des Lebens beschreibt Adler als den “wahren” Sinn. Dieser Sinn liegt laut Adler jenseits von Erfahrungen oder Meinungen und kann deshalb auch nicht verfehlt werden. Jedoch muss man aufpassen, dass man ihn bei all dieser rastlosen Rennerei, die unser Leben heute oft mit sich bringt, nicht übersieht.

“Nach einem Sinn des Lebens zu fragen hat nur Wert und Bedeutung, wenn man das Bezugssystem Mensch-Kosmos im Auge hat.” A. Adler

Die Anforderung des Kosmos an die Menschheit ist für Adler die stetige Entwicklung, und zwar die stetige gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer idealen, friedlichen und gerechten Gesellschaft der Zukunft, ganz nach dem Kant’schen Ideal. Und wie kommen wir dort hin? -In dem wir in Verbindung gehen, uns bewusst als Teil einer Gesellschaft sehen und unser Tun auch immer im gesellschaftlichen Kontext betrachten. Es geht nur gemeinsam! Dieses Mantra der New Work Bewegung ist so alt wie die Menschheit selbst und ist laut Adler eben der wahre Sinn des Lebens. Was das bedeutet: Ich liebe und ich werde geliebt! -Der Sinn des Lebens! Die Basis dafür ist laut Adler übrigens Selbstliebe, oder wie er es beschreibt: Die Überwindung unserer angeborenen Minderwertigkeitskomplexe.

Du liebst und Du wirst geliebt! - Das ist was wirklich zählt

So sitze ich also hier, am Morgen des Heiligen Abends. Im Radio läuft John Lennon. - War is over if you want it, war is over now… Wie weit entfernt könnten wir als Gesellschaft dieser Tage vom Kant’schen Ideal sein? - Ukraine, Afghanistan, Iran, Äthiopien… Und all der Hunger, der Hass, all die Ungerechtigkeiten, die mangelnde Nachhaltigkeit, die sterbende Natur… Aber Adler sagte ja ganz klar, es gehe nicht darum, diese Gesellschaft zu sein, sondern sich Schritt für Schritt zu eben dieser Gesellschaft zu entwickeln. Die Benchmark ist die Entwicklung selbst! Und wenn ich meine Augen und mein Herz öffne, sehe ich überall auch sehr viel Solidarität und Zusammenhalt, Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen und so für wunderschöne Momente, einzelne kleine Punkte auf unserer Reise durchs Leben, sorgen.

Ich wünsche Euch und Euren Liebsten wunderschöne, friedliche Weihnachten. Schafft Euch zauberhafte Momente, schöne Erinnerung und gebt Euren Leben so den wahren Sinn im Adler’schen Gedanke. Geht in Verbindung mit anderen, ob im kleinen Kreis, oder im großen und macht die Welt so ein wenig glücklicher.

Ich werde heute nur sehr klein feiern, den Abend genießen, aber auch all die leeren Stühle an meinem Tische betrachten und all die wertvollen Erinnerung der Vergangenheit wieder in mein Bewusstsein rufen. So viele zauberhafte Punkte! Und morgen wird dann groß gefeiert, mit Familie und vor allem mit vielen Freunden, die ich zum Teil schon aus Kindertagen kenne und die nun ihre eigenen Kinder mitbringen. Ich bin in Verbindung. Überall finde ich helfende Hände und ich selbst reiche meine eigene Hand wann immer ich kann. So wird jeder Tag sinnvoll und wertvoll. Was braucht es da noch an größeren Zielen?

Du liebst und Du wirst geliebt und das ist der Sinn…

Frohe Weihnachten.

Eure Constance

Der Sinn des Lebens

Denn Du liebst und Du wirst geliebt…