Frauenpower

Der Glasklippen-Effekt: Über Frauen und Machtpositionen

Die Feministin in mir

Wahrscheinlich gibt es offensichtliche, auf der Hand liegende biologische Ursachen dafür, dass mich als Frau Themen rund um Frauen in Führungspositionen häufig deutlich emotionaler beschäftigen, als Themen rund um Männer in Führungspositionen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Frauen besonders in Senior-Management Positionen in meiner Wahrnehmung noch immer eine eher seltenere Erscheinung sind und meine Faszination für Raritäten einfach größer ist als für den subjektiv empfundenen Standard. Keine Ahnung… Ich weiß noch genau als ich damals in meiner Zeit als Stewardess mit Anfang zwanzig zum ersten Mal mit einer Kapitänin geflogen bin. Sie war nicht besonders nett, aber ich war tief beeindruckt. In den letzten 25 Jahren hat sich zum Glück nicht nur in der Luftfahrt Einiges getan und ja, diese unsichtbare Decke aus Glas, die Frauen wie von Geisterhand von einer bestimmten Ebene trennt, ist deutlich durchlässiger geworden, nicht nur in Flugzeugen. Ist diese gläserne Decke für Frauen ebenso durchlässig wie für Männer? Gefühlt nicht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und heute möchte ich darauf nicht eingehen. Zumal es dazu so viele Studien und so viele Meinungen gibt, dass ich nichts wirklich Neues zu berichten wüsste.

Vor einer guten Woche habe ich versucht meine Perspektive zum Thema zu wechseln und mir ganz genau anzuschauen aus welchen Gründen und in welchen Rahmenbedingungen es Frauen eben doch gelingt diese gläserne Decke zu durchbrechen und in Macht- oder Verantwortungspositionen zu gelangen. Ich habe versucht die Thematik ressourcenorientiert zu betrachten. Eigentlich wollte ich mir einmal mehr eine Haltung zum Thema Frauenquoten erarbeiten, da ich an dieser Stelle hin und her gerissen bin. Während meiner Recherchen bin ich jedoch auf eine Thematik gestoßen, die mir so vorher noch nicht begegnet ist. Genau diese Thematik möchte ich an diesem sonnigen Wochenende mit euch teilen.

Durch die Glasdecke der Macht geschossen um direkt über die gläserne Klippe zu springen?

Im Jahr 2005 waren es Michelle Ryan und Alexander Haslam von der University of Exter, die erstmals den Begriff der “Glass Cliff”, also der gläsernen Klippe in die Welt getragen haben. Ihren Forschungen zu Folge wartet auf Frauen, denen es erfolgreich gelungen ist, die gläserne Decke hin zu Führungspositionen zu durchbrechen überdurchschnittlich häufig einer Art gläserne Klippe über die man sie schließlich springen lässt. Die Forschungsergebnisse der beiden Wissenschaftler*innen zeigten eindeutig, dass Frauen eher in Führungspositionen gehoben werden, wenn das Unternehmen oder der Unternehmensbereich in einer schwierigen, unklaren, herausfordernden oder gar prekären Situation ist.

Die Erklärungsansätze für diesen Umstand sind mannigfaltig und leider nicht so schmeichelhaft wie: Frauen sind besonders gute Krisenmanagerinnen! Ein Ansatz hat mich sogar so sehr empört, dass ich für den Moment der Meinung bin, dass wir unbedingt Frauenquoten brauchen um diesen wie ich finde toxischen Geschlechterautomatismus zu durchbrechen. Ich habe euch mal drei unterschiedliche Erklärungsansätze mitgebracht. Wahrscheinlich lassen sich die Ergebnisse dieser Studie durch eine Mischung aller drei und sicher noch einiger anderer Faktoren erklären.

Ein Erklärungsansatz, den ich auch selbst spontan im Kopf hatte, lieferten Christy Glass und Ali Cook von der Utha State University. Die beiden beschrieben, dass Frauen und andere Minderheiten riskante Jobangebote häufig als einzige Möglichkeit sehen um sich weiterzuentwickeln. Je unattraktiver der Job, desto geringer die (männliche) Konkurrenz. Was mich ein wenig getroffen hat, ist, dass die beiden Damen von Frauen als Minderheiten gesprochen haben. Ich weiß sicher wie es gemeint war. Aber mal ehrlich Ladies, wir machen etwa 50 Prozent der Weltbevölkerung aus. Wir sind keine Minderheit! Und meine Herren, einige von euch würden sicher recht sparsam dreinschauen, wären wir Frauen tatsächlich eine Minderheit…

Einen zweiten Erklärungsansatz lieferte Alexander Haslam selbst. Für ihn ist einer der Gründe, weshalb Frauen eher als Männer bereit sind eine Glass-Cliff-Position zu akzeptieren, der, dass Frauen häufig keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Information und Unterstützung haben, die Führungskräfte normalerweise davor warnt, bestimmte Positionen anzunehmen. Frauen mangelt es laut Haslam häufig an einem entsprechenden Netzwerk und an hochkarätigen Unterstützern (hier habe ich mal bewusst aufs gendern verzichtet!).

Der dritte Erklärungsansatz hat es aus meiner Sicht in sich. Mir persönlich ging beim Lesen der Puls nach oben. Ich gestehe er hat mich richtig wütenden gemacht. Also Vorsicht beim Weiterlesen.

Die an der an der Universität von Houston lehrende Psychologieprofessorin Kristin J. Anderson beschreibt, dass Unternehmen Glass-Cliff-Positionen gerne an die Frau bringen, weil diese Unternehmen Frauen als “verbrauchbarere und bessere Sündenböcke” betrachten. Die Logik dahinter ist laut Anderson folgende: Ist die Frau wider Erwarten dann doch erfolgreich, ist das Unternehmen besser dran. Also alles fein. Scheitert die Frau, kann man ihr die Schuld geben und sich gleichzeitig dafür feiern lassen, wie geschlechtergerecht und fortschrittlich man ist, weil man einer Frau eine Chance gegeben hat. Und nachdem die Frau dann als Sündenbock entfernt wurde, könne man laut Anderson wieder zur alten Praxis zurückkehren und einen Mann benennen.

Meinen inneren Kriegspfad sinnvoll kanalisieren

Puh, da war ich aber angefressen. Mein kleine innere Emanze befand sich bereits wütend auf dem Kriegspfad. Besonders weil es kein Thema von 2005 ist. Klar könnte man meinen, die Studie sei im wissenschaftlichen Sinne uralt und die Welt habe sich weitergedreht. Ich bin auf die Thematik über einen sehr aktuellen Artikel von Michelle Ryan in der Financial Times aufmerksam geworden, in dem Ryan klar und deutlich darlegt, dass die Glasklippe für Frauen heute, das heißt 2024, so aktuell ist, wie sie es 2005 war.

So marschiert meine kleine innere Emanze also weiter und weiter und ärgert sich über all die Unternehmen, die es vielleicht sogar immer und immer wieder mit Frauenquoten versuchen und denen es jedoch trotz größter Bemühung einfach nicht gelingen will eine qualifizierte Dame für den Posten zu finden. Arme Unternehmen! Vorständinnen fallen eben nicht vom Himmel und wenn es auf der nicht medienwirksam vermarktbaren Ebene gläserne Decken und gläserne Klippen für Frauen gibt, die sich nebenbei noch mit Thematiken wie der Gender Care Gap auseinandersetzen müssen und mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit auch noch schlechter bezahlt werden, als ihre männlichen Kollegen, dann haben wir ein Thema, das so viel größer ist, als ein Quote. Aber vielleicht dient eine Quote als kleiner Türöffner. Denn eines sind Frauen, die wie gesagt keine Minderheit sind, sicher nicht: Schlechter!

In diesem Sinne wünsche ich euch allen, Männer und Frauen, einen sonnigen Sonntag. Lasst mich gerne wissen, wie ihr dieses Thema im eigenen täglichen Erleben wahrnehmt und ob ihr dieses Phänomen der Glasklippe bereits kanntet und wie ihr dazu steht. Vielleicht habt ihr ja noch andere Erklärungsansätzen? Oder vielleicht kennt ihr Beispiele aus dem eigenen Erleben?

Eure Constance

Glasklippe?

Wenn schon Klippen, dann klar erkennbar, damit man sie auch erfolgreich umschiffen kann…

Let me be my Valentine! - Das Geheimnis weiblichen Erfolgs

“Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze!”

Diesen Satz postulierte dereinst schon der gute alte Oscar Wilde. Und recht hatte er, der alte Schwerenöter!

Am 14. Februar ist Valentinstag und ich bekommen schon seit Tagen Werbung diversester Blumenlieferdienste. Valentinstag, das Fest der Verliebten! “Let me be your Valentine!” Wisst ihr schon, wem ihr diesen Satz in diesem Jahr schenkt? Nach der Lektüre von Marianne Heiß Buch “Yes she can” habe ich mich entschieden, diesen Satz in diesem Jahr nicht exklusiv für meinen Mann zu reservieren. In erster Linie habe ich mich entschieden, ihn mir selbst zu schenken. “Let me be my Valentine!” -Selbstliebe am Tag der Verliebten! Denn erstens fühlt es sich gut an und schenkt man Marianne Heiß und diversen Wissenschaftler*innen Glaube, macht mich das auch noch erfolgreich(er).

Life is a cabaret…

Warum sollte mich Selbstliebe erfolgreicher machen? Ich bleibe mal bei den englischsprachigen Schriftstellern und fahre mit einem Zitat von Shakespeare fort: “Die Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler (…)” hat der Großmeister des Dramas schon vor langer Zeit sehr vortrefflich erkannt. Tatsächlich hat unser Sozialverhalten einiges mit der Rollenwelt im Theater gemeinsam. So beschreibt es auch Erving Goffman in seinem Buch “Wir alle spielen Theater”. Tatsächlich nehmen wir in unserem Leben aus taktischen und strategischen Gründen unterschiedliche Rollen an. Hierbei geht es immer auch um Selbst-Marketing oder Impression-Management, wie er es nennt. Der Unterschied zum Theater ist, dass gute Schauspieler ihre Rollen bewusst und ganzheitlich spielen, wir Menschen unsere Rollen jedoch nur in Teilen bewusste einnehmen. Freuds Eisbergmodell geht davon aus, dass wir nur etwa 20 Prozent unserer Körpersprache bewusst steuern können. -Zu wenig für die große Illusion. Die verbleibenden 80 Prozent spiegeln unsere tatsächliche innere Haltung oder Überzeugung. -Offen lesbar für alle um uns herum.

Im Tagesgeschäft des menschlichen Miteinanders spielt dieses Impression-Management eine elementare Rolle. Zitate wie “There is never a second chance for a first impression” erspare ich uns mal. Fakt ist, dass wir unsere Mitmenschen permanent scannen, um sie über den Eindruck, den sie auf uns machen, in bestimmte Schubladen zu stecken. Das geschieht unbewusst und ist ein Weg unseres Gehirns Ordnung und Klarheit in die Komplexität unseres Alltags zu bringen. Und nun frage ich euch ganz offen: jemand der bei euch in der Schublade “eher unklar und unsicher, zweifelt an sich selbst” steckt, würdet ihr diese Person für eine Führungsposition auswählen?

Ein bisschen Imposter hier und ein bisschen Hochstaplerin da…

Schon Ende der 70er Jahre prägte die US-amerikanische Psychologin Pauline Clance von der Georgia State University in Atlanta den Begriff des Hochstaplersyndroms, Neuhochdeutsch auch gerne Imposter-Syndrom. Sie beschrieb, dass es Menschen gibt, die trotz sehr guter Leistungen permanent an sich selbst zweifeln. Sie haben Angst, dabei ertappt zu werden, dass sie eigentlich nicht ausreichend qualifiziert oder gut genug für ihre Position sind. Schon damals stellte Clance fest, dass vor allem Frauen davon betroffen sind. Sie deckte auf, dass besonders Frauen unter dem Gedanken leiden, ihren Erfolg nicht verdient zu haben. Inzwischen geben ihr diverse wissenschaftliche Studien recht. Frauen lenken ihre Aufmerksamkeit eher auf Schwächen während Männer eher zur Selbstüberschätzung neigen. Frauen entschuldigen sich häufiger als Männer, weil Männer weniger Situationen als entschuldigungswürdig wahrnehmen. Irgendwie scheinen Frauen im Bereich Impression-Management den Männern unterlegen zu sein. -Zumindest in Hinblick auf Business und Karriere. Klar, Gefühle wie Selbstzweifel, Angst und Unsicherheit vertragen sich auf den ersten Blick nicht mit Management-Positionen. Wie war das mit den Schubladen? Manager müssen angstfrei und absolut selbstsicher sein. Echte Leader eben!

Lernende Organisationen sind weiblich

Im Management, in der Politik und wahrscheinlich in unserer gesamten Gesellschaft herrscht noch immer eine Kultur der Stärke und Sicherheit, eine Kultur, die es vermeidet, Fehler oder Versäumnisse transparent zu machen. Während in der Wissenschaft und der Forschung nach Fehlern und Schwächen gesucht wird, werden sie in der Wirtschaft gerne vertuscht. In einer immer dynamischeren und komplexeren Umwelt sind Fehler jedoch systemimmanent und das Lernen aus Fehlern wird für Organisationen zu einer der wichtigsten Erfolgsvoraussetzung. Schwachstellen klar benennen und sich weiterentwickeln um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist das Geheimnis von sogenannten lernenden Organisationen. -Jenen Organisationen, die laut Harvard-Professorin Amy C. Edmondson auf lange Frist die einzig nachhaltig erfolgreichen sein werden. Vielleicht heißt das ja dann tatsächlich, dass die Zukunft des (erfolgreichen und nachhaltigen) Managements weiblich ist. Vielleicht hat Marianne Heiß wirklich recht. Vielleicht bringen wir Frauen genau das mit, was lernende Organisationen unbedingt brauchen: den offenen Umgang mit Fehlern und den Fokus auf Schwachstellen, um immer besser zu werden. -Gepaart mit dem Wissen niemals abschließend perfekt zu sein, weil sich die Welt im Außen einfach zu schnell verändert und wir permanent damit beschäftigt sind, uns dieser Veränderung anzupassen. Trotzdem, oder vielleicht sogar deshalb wird Impression-Management auch weiterhin entscheidend sein. Es ist eine Art Türöffner dafür, dass ich überhaupt die Chance bekomme, erfolgreich agieren zu können, die Kultur einer lernenden Organisation gestalten zu dürfen. Also lege ich los und fange an daran zu glauben, dass meine exakten Kenntnisse meiner Schwächen und Schwachstellen eine verdammte Stärke sind, ein verdammter Markvorteil. Ich fange an mich großartig zu finden, so wie ich bin, ein großartiges, starkes Gesamtpaket. -Ja, ein Gesamtpaket mit Schwächen, aber auch mit großen Stärken. Und ich beginne damit, meine Erfolge zu feiern und zu kommunizieren. Immerhin habe ich hart dafür gearbeitet. Selbstliebe als Erfolgsrezept hört sich gut an! “Let me be my Valentine!” - Und dann ist einfach alles möglich! Vielleicht bestelle ich mir einfach selbst einen riesengroßen Blumenstrauß! Alles ist möglich! “Yes she can!” Deshalb möchte ich diesen Artikel mit einem weiteren Zitat von Shakespeare beschließen, mit meinem Lieblingszitat aus seinem letzten Werk “Der Sturm”:

Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind (...).

Lasst uns also mutig sein und träumen, im vollsten Vertrauen auf uns selbst. Denn sind wir mal ehrlich, eigentlich sind wir selbst häufig unsere einzige Grenze.

Genießt euren Sonntag und habt einen Valentinstag voller (Selbst-)Liebe.

Eure Constance

PS: Für alle die, die sehr gerne anfangen möchten sich selbst mehr zu lieben, aber keine Ahnung haben, was sie dafür konkret tun können hier ein paar Ideen: Vielleicht beginnst Du damit, Komplimente einfach dankend anzunehmen ohne sie offen oder in Deinem Kopf zu relativieren. Oder Du nimmst Dir jeden Abend kurz Zeit drei Dinge, die Dir an diesem Tag besonders gut gelungen sind, auf die Du stolz bist, aufzuschreiben und morgens nach dem Aufstehen liest Du Dir das ganze nochmal durch. Unter Umständen passt es auch besser zu Dir, etwas freundlicher und wertschätzender zu sprechen. Es gibt Studien, die besagen, dass wir fast 90 Prozent der Kommunikation in unserem Leben im inneren Dialog verbringen. Er ist immer da, läuft ganz nebenbei und selten hören wir bewusst hin. Höre ich mir jedoch immer mal wieder bewusst dabei zu wie ich mit mir selbst spreche, ist das häufig wenig respektvoll und wertschätzend und selten so wie ich mit jemanden sprechen würde, den ich wirklich liebe…

Let me be my valentine!

Wie Selbstliebe erfolgreich macht.

Über die heilige Ordnung der Männer! - Und das Blut in den Schuhen der Frauen...

Rucke di gu, rucke di gu, Blut ist im Schuh…

Mein Instagram-Netzwerk hat bereits mitbekommen, dass ich mich zum Jahreswechsel mit Gerhard Schwarz’ Buch “Die heilige Ordnung der Männer” beschäftigt habe. - Eine absolute Leseempfehlung! Auf gut 300 Seiten beschreibt Schwarz wie sich evolutionshistorisch betrachtet Gruppen, Stämme und Gruppendynamiken entwickelt haben, die ihrerseits Hierarchien, Gesellschaftsordnungen, Organisationsstrukturen hervorgebracht haben. Es ist unmöglich, diese Flut an Informationen in nur einen einzigen Artikel zu pressen. Jedoch möchte ich mich heute mit einem kleinen Teil beschäftigen: Gemeinsam mit Euch möchte ich etwas tiefer in das Thema Hierarchie und Geschlechterproblematik einsteigen, da dies nicht nur auf Organisationsebene das Kernthema rund um unsere gegenwärtige Genderlogik zu sein scheint.

So beschreibt Schwarz, dass Hierarchie an sich eine Ordnung sei, die stärker von Männern als von Frauen getragen wird. Klassische, historische Hierarchieordnungen wie zum Beispiel Kirche oder Militär schließen oder schlossen Frauen sogar explizit aus. So wurde also die Hälfte der Menschheit beim Bau der allgemein gültigen Ordnungsprinzipien außen vorgelassen. Hierarchie wurde als Ordnungsprinzip unserer Gesellschaft zu einer Art Maßanzug für Männer, der perfekt sitzend nach ihrem Schnitt gefertigt wurde. Bei uns Frauen und der Hierarchie verhält es sich ähnlich wie mit Aschenputtels Schuh im Märchen: Der Fuß muss passend gemacht werden, ein Stück Ferse muss ab, damit der Schuh passt. So sei laut Schwarz der grundlegendste Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Hierarchien unserer Wirtschaftsunternehmen, dass sich die Idee der Hierarchie den Männern angepasst hat und die Frauen sich der Hierarchie als Ordnungsprinzip anpassen müssen. Recht ungleiche Voraussetzungen für Erfolg, wenn Ihr mich fragt!

Jagende Männer und mütterliche Versorgungsgemeinschaften…

Was ist der Ursprung dieses Dilemmas? Reisen wir zurück in die Zeit, in denen Menschen in Höhlen lebten (wobei, eigentlich reicht es schon in Zeiten vor Alice Schwarzer zurückzukehren!). Es waren Männer, die sich zu straff organisierten (hierarchischen) Jagdgruppen zusammengefunden haben, den Vorläufern unserer Unternehmen. Die Frauen fanden sich in mütterlichen Versorgungsgemeinschaften (mit den eigenen Müttern, Schwiegermüttern, ggf. noch Schwestern) zusammen, die sich um Haus, Hof und den Nachwuchs kümmerten. Diese natürliche, aber auch sehr stringente Geschlechtertrennung brachte selbstverständlich auch unterschiedliches Rollenverhalten hervor. Männer netzwerkten im großen Stil um schlagfertige Jagdgruppen zu formieren und Frauen lebten in einem eher kleinen Mikrokosmos und kümmerten sich um sich selbst und die engste Familie. Während die Jagd strategisches Vorgehen erforderte, bedeutete kümmern häufig, sich flexibel an eine neue Situation anzupassen. So weit so einleuchtend! Die aus diesen unterschiedlichen Alltagsrealitäten resultierenden Rollen wurden über die Jahrtausende zu einem immer festeren Korsett. So wurde und wird ein nicht geschlechterspezifisches Handeln von Frauen bis heute in den unterschiedlichsten Formen bestraft. Insgesamt dauerte es ohnehin recht lange, bis man uns Frauen eine größere Rollenflexibilität zugestanden hat, bzw. bis wir Frauen begonnen haben, uns aus unserer untergeordneten Rolle zu befreien. Es gibt Länder und Kulturen, in denen das bis heute nicht möglich ist. Schauen wir nach Afghanistan, werden Frauen und Mädchen wieder zunehmend in den Mikrokosmos der mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zurückgedrängt. Im Iran hingegen kämpfen Frauen todesmutig für mehr Freiheit, bzw. eine größere Rollenflexibilität wie Schwarz es nennt.

Von den Trümmerfrauen zurück zu den Hausmütterchen

Dass Frauen keineswegs nur auf die ihnen zugestandene Rolle beschränkt sind, hat die Geschichte immer und immer wieder bewiesen. Als der Opa meines Mannes im Krieg war, war es seine Oma, liebevoll Oma-Häuschen genannt, die einen großen Bauernhof mit Land und Leuten alleine führte, Entscheidungen traf und nebenbei auch noch ihre Mutterrolle ausfüllte. Kaum war der Krieg zu Ende waren es die legendären Trümmerfrauen, die damit begonnen haben, das Land wieder aufzubauen. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese großartigen, starken Frauen ihre Positionen bereitwillig aufgaben, sobald die Männer wieder zurück waren… Es dauerte noch eine Weile, bis sich Frauen hier in Deutschland unter dem Protest und der Häme der Männer politisch engagierten, oder eine Karriere anstrebten. Verrückt eigentlich. Ein ganz schöner Kampf. Aber immerhin ist es inzwischen “normal”, dass auch Frau arbeitet. Auf den Führungsetagen sind sie jedoch nach wie vor ausgesprochen rar, trotz Frauenquoten, Förderprogrammen, etc. Warum eigentlich? Liegt es am Maßanzug “Hierarchie”, der Brüste und Taille nicht abbildet? Oder sind Frauen vielleicht nicht klug oder nicht fleißig genug?

Können Frauen Karriere machen?

Eine Frage die in Anbetracht der gesellschaftlichen Realität und des evolutionshistorischen Rollenverständnisses durchaus erlaubt sein darf. Lange Zeit stand das schlechtere Bildungsniveau von Mädchen und Frauen der Karriere im Weg. Inzwischen haben Mädchen den Jungs längst den Rang abgelaufen. Offensichtlich braucht es für Karriere jedoch mehr als eine gute Ausbildung.

Gleich mehrere Untersuchungen ergaben, dass Frauen aufgrund einer stärker empfundenen Loyalität und dem Gefühl ihr Umfeld nicht im Stich lassen zu dürfen, seltener den Arbeitsplatz wechseln. Allerdings ist ein regelmäßiger Jobwechsel häufig ein wahrer Karriere Booster.

Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen eine größere Leistung erbringen, wenn sie Erfüllung und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Beides finden Frauen deutlich häufiger als Männer darin Verantwortung für andere zu übernehmen und Beziehungen auch auf der Arbeit aufzubauen. Auch das macht loyal. Hinzu kommt, dass Frauen weniger Sinn darin sehen, ein klares Ranking zu erstellen, als Männer. Frauen fällt es mehrheitlich schwer, offen in Konkurrenz zu anderen zu gehen, was ihnen häufig als Schwäche ausgelegt wird. Tja, der Hierarchie-Maßanzug passt Frau eben nicht! Außerdem denken Frauen weniger in Positionen, als in Personen und natürlich fühlt es sich für viele kalt an, Personen zu ersetzen. Allerdings ist es für die Karriere unabdingbar Positionen zu ersetzen oder zu übernehmen. So und nur so geht es eben voran!

Hinter all dem steckt natürlich der Kerngedanke, dass Frauen das Beziehungsgeflecht häufig wichtiger ist, als die Aufgabe. Auch das lässt sich mit den uralten, fast naturgegebenen Rollen erklären. Bei der Jagd war es immanent wichtig, dass ein jeder seine individuelle Aufgabe oder Position erfüllt oder ausfüllt und damit zum Erfolg beiträgt. In mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zuhause hat man im kleinen, familiären Kreis geschaut, was ansteht und sich dementsprechend gemeinsam gekümmert. Für dieses “gemeinsam” war eine stabile und positive Beziehung und Anpassungsfähigkeit das A und O. Zum Jagen reichte strategisches Verständnis, klar verteilte Positionen und Disziplin.

Und trotzdem, oder gerade deshalb können Frauen Karriere machen

Diese andere Rolle, die Frauen Jahrtausende geübt haben, bring jenseits des Unbehagens mit Hierarchien jedoch auch knallharte Vorteile mit, die Frauen zu wertvollen Ressourcen machen und ihnen den Weg hin zu einer glänzenden Karriere ebenen sollten. - Und meine Herren, die folgenden Liste ist nicht von mir, sondern wissenschaftlich evaluiert und von Gerhard Schwarz zusammengetragen:

  • Frauen sind gesundheitlich belastbarer (Anm. der Autorin: Bis hierher keine Überraschung!)

  • Frauen sind Multitasking-fähiger

  • Frauen haben eine höhere emotionale Intelligenz

  • Frauen sind loyaler

  • Frauen haben eine höhere Risikobereitschaft im Sinne von Widerspruchsbereitschaft, geben also offener Feedback und hinterfragen eher

Auch das dumme Argument, junge Frauen nicht einzustellen, weil sie schwangerschaftsbedingt ausfallen könnten, zieht nicht mehr. Denn junge Männer wechseln statistisch bewiesen deutlich häufiger das Unternehmen, was sicher auch nicht der Traum eines jeden Chefs ist!

Und doch hat Frau es häufig schwer: Warren Buffets “Lucky Sperm Club”

Diesem Phänomen der Männergesellschaften, das Warren Buffet süffisant als “Lucky Sperm Club” beschreibt, habe ich ja bereits einen eigenen Artikel gewidmet allerdings muss ich diese exklusiven Männergesellschaften auch hier wieder einmal in unser aller Gedächtnis rufen, tragen sie doch maßgeblich dazu bei, dass Frau trotz all ihrer wertvollen Ressourcen häufig nicht bis an die Spitze vordringt! Diese Männer-Gangs haben ihren Ursprung in den alten Jagdgruppen, in denen klare Hierarchien, Positionen und Gleichschaltung hinter dem Anführer stark zum Erfolg beigetragen haben. Frauen kennen diese Form von Verschworenheit nicht, weil sie evolutionshistorisch betrachtet keinen Nutzen aus Gleichschaltung und Einheitlichkeit hinter der Führung ziehen konnten. Das stammesgeschichtliche Erbe der Frauen sei es laut Schwarz auf individuelle Unterschiede zu reagieren, Beziehungen aufzubauen und mikrosoziale Netzwerke (also Familien) zu pflegen. Frauen haben stets ihr Überleben und das ihrer Kinder gesichert und mussten zu diesem Zweck ausgesprochen flexibel agieren, mit Fokus auf ein sehr kleines soziales Umfeld. Es gibt sogar Ansätze, die behaupten, dass Frauen gemeinsam nicht so stark seien, wie allein. Wenn das stimmt, erklärt sich von allein, dass Frauen sich in ihren Verhaltensmustern von Männern unterscheiden und sich zum Beispiel auch weniger stark unterstützen, als Männer es untereinander tun, um bestimmte hierarchische Positionen zu erreichen. Den “Lucky Ovum Club” gibt es eben nicht!

Rucke di gu, rucke di gu, kein Blut mehr im Schuh?

Viele Erklärungsversuche, weshalb Frauen deutlich seltener in Führungspositionen kommen, als Männer orientieren sich an vermeintlichen Defiziten von Frauen. Um diese Defizite zu überwinden, werden Frauenquoten eingeführt, da Frauen selbstverständlich eine Bereicherung für jede Führungsetage darstellen. Kognitive Diversität schadet eben nie. Jedoch möchte ich nach der Lektüre von Schwarz’ wunderbarer Abhandlung gerne die Frage in den Raum stellen, ob nicht das System selbst das Problem darstellt! Vielleicht ist die Hierarchie selbst der größte Hinderungsgrund für Frauen in Führungspositionen zu gehen… Laut Schwarz ist uns Ladies dabei immer Blut im Schuh gewiss. Im Rahmen von männlich geprägten Hierarchien kommen Frauen nicht umhin, sich einen Schuh anzuziehen, der ihnen nicht passt. Das ist auf die ein oder andere Art immer schmerzhaft. Ein Preis, den nicht jede bereit ist zu zahlen! Aber wie wäre es dann mal mit neuen Organisationsformen und wirklich neuen Führungsansätzen?

Ich versprechen das Thema in den nächsten Wochen noch einmal aufzugreifen und davon zu berichten, was Führung jenseits von hierarchiebedingter “Positional Power” ausmachen kann.

Ich freue mich auf Euer Feedback und wünsche Euch einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Rucke di gu rucke di gu…

Zieh Dir den Schuh an, wenn er Dir passt… Und wenn nicht, dann trotzdem!