Diversität und Gemeinschaft - wieviel ich passt ins wir?

Diversity - denn ett mutt watt mutt…

Diversity! Das Thema! Es ist so wichtig und auch so politisch korrekt, divers zu sein, vielfältig, bunt, tolerant; hinsichtlich Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht, körperlicher Besonderheiten, etc… Als Unternehmen von Welt ist es schon rein aus PR Gesichtspunkten unabdingbar, das Thema Diversity möglichst prominent zu platzieren. Und natürlich muss mindestens eine Frau in den Vorstand…

Alles irgendwie etwas viel Politik für den Coach. Nicht falsch verstehen, ich liebe die Welt in bunt und finde, man sollte noch nicht einmal darüber nachdenken müssen, was uns Menschen unterscheidet. Man sollte alle und jeden, die gesamte Bandbreite, wohlwollend und dankbar annehmen. So gesehen sollte Diversity einfach kein Thema sein, getreu dem Motto: “appreciating the difference - vive la difference “!

Aber sei’s drum! Aus der Coach-Perspektive interessiere ich mich im Zusammenhang mit Diversität für zwei Aspekte:

  1. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation als Voraussetzung für High Performance.

  2. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aus Voraussetzung für Konflikte und der damit verbundenen Low Performance.

Diversität als Chance

In unserer dynamischen, sich stetig verändernden, unübersichtlichen, vernetzten und verrückten Welt ist es inzwischen in weiten Teilen der Wirtschaft zum gemeinsamen Verständnis geworden, dass ein Mensch allein nicht in der Lage ist, sich den Überblick zu verschaffen, den es für möglichst gute Entscheidungen unbedingt benötigt. So wurde und wird das Team zunehmend zum Star unserer Arbeitswelt. Warum einer für gewöhnlich immer weniger sieht, als zwei? Das hat erst einmal rein physiologische Gründe: Dankenswerterweise hat die Evolution uns mit einer Vielzahl an Wahrnehmungsfiltern ausgestattet, die dafür sorgen, dass wir nicht vor lauter Reizüberflutung wahnsinnig werden und uns verloren fühlen. De Facto werden sogar nur etwa fünf Prozent all dessen, was unsere Sinne einsammeln, von unserem Gehirn auf eine bewusste Wahrnehmungsebene verarbeitet. Oder anders herum: 95 Prozent all dessen, was ist, wird rausgefiltert. Ganz schön viel, oder? Da könnte man doch wirklich froh und dankbar sein, wenn man ein Team hat, in dem jede und jeder ein bisschen was anderes wahrnimmt, damit wir uns gemeinsam ein größeres Bild puzzeln können. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir alle unterschiedliche Wahrnehmungsfilter haben. Hier kommt Diversität ins Spiel, denn wenn wir uns sehr vereinfacht anschauen möchte, wie sich unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter entwickeln, dann kommen hier Einflussfaktoren, wie Erziehung, Werte, Erfahrungen, soziokultureller Hintergrund, Bevorzugungen, Dinge, die wir ablehnen, ethisch-moralische Einstellungen, etc. ins Spiel. Tja, und je unterschiedlicher wir sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter voneinander abweichen und wir uns so im Team eine breitere Wahrnehmung der Situation erarbeiten können, als wir es als Individuum könnten. -Ganz nebenbei ist das auch bei aller Technisierung ein guter Grund dafür, nach wie vor mindestens zwei Piloten in ein Cockpit zu setzen.

Diversität als Gefahr

So weit so gut. Nun hat man also ein kognitiv diverses Team, in dem ein jeder Dinge unterschiedlich wahrnimmt, einordnet und dann wohl auch sehr “divers” agiert, wenn es um das weitere Vorgehen geht. Ein riesiges Konfliktpotenzial innerhalb des Teams, aber auch mit möglichen Schnittstellen oder Stakeholdern. Im besten Fall irritiert es nur, wenn A links herum und B rechts herum möchte. Zusätzlich zur Irritation kann ein von außen betrachtet unkoordiniertes Vorgehen aber auch schnell zur allgemeinen Verunsicherung führen. -Ein absoluter Performance-Killer! Das sagt unter anderem auch die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson, die immer wieder ausführlich erklärt, dass eine subjektiv empfundene psychologische Sicherheit die Grundvoraussetzung für Höchstleistungen ist. Tja, dann eben nur Mittelmaß! Vielleicht reicht das ja sogar!

Richtig unschön wird es, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen diverser Protagonisten zu handfesten Konflikten führen. Dann reicht es noch nicht mal mehr für Mittelmaß.

Und nun? Diversität managen!

Die Frage, die sich nun stellt, ist wie man als Organisation mit diesem Dilemma umgehen kann. Wir brauchen unterschiedliche, vielseitige, diverse Mitarbeiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch gut funktionierende Teams, die sich vertrauen, offen miteinander umgehen und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen.

Bei all dieser Unterschiedlichkeit, die zwar für Farbe im Alltag sorgt, jedoch auch trennend wirken kann, braucht es etwas, das eint, etwas gemeinsames, eine gemeinsame Identität. Und nein, ein gemeinsamer Unternehmenskodex, der irgendwo an der Wand hängt, ist dabei nicht ausreichend. Es muss auf jeden Fall transparent gemacht werden, wie Teams diese häufig sehr abstrakten Leitfäden umsetzen möchten, konkret, auf Arbeitsebene. Darüber gilt es zu sprechen! Welche Werte einen uns? Wie setzen wir diese im täglichen Tun gemeinsam um?

Der Teamidentitätsprozess

In der letzten Woche durfte ich eine Gruppe von Führungskräften durch diesen wie ich finde sehr spannenden, aber auch fröhlichen Prozess begleiten. Der Teamidentitätsprozess stellt den Abschluss meines dreimonatigen Leading out Loud Circles dar, den die Gruppe gerade durchlaufen hat. In diesem Zirkel geht es über drei Monate hinweg zum einen darum, Kommunikation als Führungs-Tool in einem hybriden Setting kennenzulernen. Vor allem aber sollen die Teilnehmenden lernen, ihre Kolleginnen und Kollegen als Ressource wahrzunehmen. Der Fokus des Zirkels liegt auf der Unterschiedlichkeit und auf der Chance, die aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren, und die die Gruppe aus Führenden zu einem Team von Führungskräften werden zu lassen, bzw. um die Teambildung weiter zu tiefen. Nach drei Monaten mit Fokus auf Diversität soll es abschließend um eine gemeinsame Team- und auch Führungskultur gehen.

Der Teamidentitätsprozess beginnt damit, dass jeder Teilnehmende sich eine Metapher, ein Bild für das Team einfallen lässt. Diese unterschiedlichen Metaphern werden nun Schritt für Schritt konsolidiert, diskutiert, neu geformt, bis am Ende diese eine Metapher übrigbleibt, mit der sich jeder und jede aus dem Team identifiziert. Im nächsten Schritt wird diese Metapher mit Leben gefüllt: Wie sind wir? Was macht uns aus? Was sind unsere Teamwerte? Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie diese Werte gelebt werden, welche es noch klarer und deutlicher zu leben gilt. Hier hat das Team die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, was sie in Zukunft konkret tun möchten, um diese Werte nicht nur zu leben, sondern auch, in Falle von Führungsteams, transparent zu machen, welche Werte ihre jeweilige Führungskultur ausmachen. Das hat den zauberhaften Nebeneffekt, dass die Führungskräfte auch nach außen bei aller Diversität als geschlossenes Team auftreten. -Ein wahrer Booster für die psychologische Sicherheit, das Level an Vertrauen, innerhalb eines Teams.

Denn es geht nicht nur um Diversität!

Wenn ich einen Wunsch hätte, dann wäre dieser, dass nicht nur in Organisationen, sondern auch gesellschaftlich nicht nur die Bedeutung von Diversität, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaft immer wieder in den Fokus gerückt wird. Lasst uns nicht nur darauf schauen, was uns unterscheidet, sondern auch darauf, was uns eint. Gibt es momentan denn etwas Wichtigeres? Bei aller Diversität sind wir doch Kinder dieser Erde, Ethnie: Mensch, Kultur: Menschlichkeit! Unser aller Tränen sind salzig, die, die wir vor lauter Glück weinen ebenso wie die, die unsere Traurigkeit ausdrücken. Wir wollen lieben, geliebt werden und wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder… Sollte das nicht ausreichend sein für ein echtes Wir-Gefühl? - Für Nähe und Solidarität?

Genießt diesen warmen, sonnigen Sonntag. Genießt die Unterschiede und freut Euch über die Gemeinsamkeiten!

Eure Constance

Die Welt ist bunt…

Und doch ist sie eine Welt, unsere Welt, unsere gemeinsame Welt!

Die dunkle Triade schlechter Führung - Follow up!

Weiter , immer weiter! -Und trotzdem auch mal zurückschauen.

Es scheint Themen zu geben, die einem immer wieder über den Weg laufen. Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich momentan nicht nur mit Führung im Allgemeinen, sondern auch und vor allem mit Führungskultur innerhalb von Organisationen oder Organisationseinheiten im Speziellen. Um mein Wissen und meine Unterlagen stets auf dem neusten Stand zu halten, recherchiere ich permanent, lese und lerne. Die Welt dreht sich so schnell und wenn ich mich als Coach nicht bewusst mit drehe, ist mein eigener Schwung ganz schnell Schnee von gestern.

Bad Leadership - Die dunkle Triade schlechter Führung.

Während meiner Recherchen bin ich auf ein Thema gestoßen, dem ich bereits vor zwei Jahren einen Artikel gewidmet habe: Die dunkle Triade der Persönlichkeitseigenschaften. Hierbei handelt es sich um die fatale, aber auch offensichtlich sehr erfolgsversprechende Kombination aus Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. In Leadership-Diskussion scheint dieses Thema allgegenwärtig und es herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass dieser fatale Dreiklang auf Führungsebene stärker verbreitet ist, als im Mittel der Gesellschaft. Erklärungen dafür liefert die Leadership-Forschung eine ganze Menge: So konnte nachgewiesen werden, dass Menschen mit dieser Kombination von Eigenschaften oft als besonders charismatisch wahrgenommen werden, ihre Motivation bewundert werden zu wollen wirkt wie ein besonders starker Antreiber, der sie die Karriereleiter geradezu hinaufpeitscht, sie sind sehr gut darin, die Gedanken des Gegenübers zu analysieren und für sich zu nutzen und sie verstehen es ausgesprochen gut, sich auf sich selbst zu fokussieren. Hinzukommt, dass Macht offenbar auch das tatsächliche Potenzial hat, den Charakter zu verderben. Der Volksmund hat offensichtlich recht! Dies belegen die beiden Psychologinnen Sandra Julia Diller und Eva Jonas in ihrer Studie "Streben nach Macht fern von Ethik: die dunkle Triade und die Folgen für Organisationen” mit 800 Teilnehmern. Hier der Link zur Studie. Je höher der ein oder andere die Karriereleiter hinaufklettert, desto machiavellistischer, narzisstischer, psychopathischer wird er (oder auch sie!). Man wächst anscheinend mit seinen Herausforderungen und entwickelt sich auch im negativsten Sinne weiter!

Im Rahmen ihrer Studie konnten die beiden Wissenschaftlerinnen nachweisen, was Führungsexperten bereits vermutet haben: Je höher die Führungsebene, desto ausgeprägter narzisstische, machiavellistische und psychopathische Persönlichkeitsanteile. Die Brisanz dieser Ergebnisse springt geradezu ins Auge. Denn je höher die Führungsebene, desto höher in der Regel auch der Schaden, der durch daraus resultierende übliche Verhaltensweisen verursacht werden kann. Zu diesen Verhaltensweisen gehören den Wissenschaftlerinnen folgend zum Beispiel das Verfolgen unethischer Strategien, feindselige oder ausbeuterische Führung, Mobbing, Wutausbrüche, oder auch unreflektierte und übertrieben risikofreudige Entscheidungen. Ein ganz schönes Pfund, oder? Wenn das gelebte Praxis ist, können Coaches wie ich tatsächlich einpacken. In einem daraus resultierenden Klima ist kein Raum für High Performance Teams, Entwicklung, Lernen und erfolgreiches und sicheres Agieren in einem komplexen und volatilen Umfeld.

Was tun? So teuer ist guter Rat hier nicht!

Aus den beschriebenen Gründen kann eigentlich keine Organisation, die verstanden hat, dass sie in einem dynamischen, komplexen und stark vernetzten Umfeld nur als “lernende Organisation” dauerhaft bestehen kann, derartige Führungskräfte haben wollen, egal wie charismatisch sie auch sein mögen. Was also tun? Der erste Ansatz liegt auf der Hand: die Personalauswahl! Diller und Jonas beschreiben in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur wichtig sei, bestimmte “Select-in Kriterien” zu definieren, sondern auch klare “Select-out Kriterien”. Es sollte also nicht nur darauf geachtet werden, was eine Person alles hat, sondern auch darauf, was sie keinesfalls haben sollte. Zusätzlich schlagen die Wissenschaftlerinnen vor, Führungskräfte durch gezieltes ethikorientiertes Coaching zu begleiten um so bewusst soziale und ethische Kompetenzen zu fördern.

Und da ist sie wieder, die Kultur, die nicht nur Strategie, sondern auch Moral und Ethik zum Frühstück verspeist…

In ihrem Studienbericht beschreiben Diller und Jonas, dass es nicht ausreichend sei, sich nur dem Individuum entsprechend zu anzunähern, sondern auch und vor allem die Organisationen selbst. So steht es im Studienbericht. Was es braucht, ist eine entsprechende Führungskultur. Hierbei stelle ich immer wieder fest, dass sich viele Organisationen oder Organisationseinheiten keine Gedanken darüber machen, welche Kultur und damit auch welche Führungskultur tatsächlich gelebt wird. Man verlässt sich auf entsprechende Schriftstücke, die jedes Unternehmen vorhält. Aus meiner Erfahrung ist das nicht ausreichend. Denn erstens geht es nicht darum, was irgendwo geschrieben steht, sondern darum, was tagtäglich tatsächlich gelebt und erlebt wird und zweitens sind diese Kodizes meistens zu allgemein gefasst, besonders in sehr großen Organisationen.

Was macht der Coach?

Momentan arbeite ich mit mehreren Führungskräfteteams, die jeweils gemeinsam, in einem Bereich, unterwegs sind. Wer mich kennt, weiß, dass ich an das Team glaube, weshalb es mir wirklich wichtig ist, Gruppen von Führungskräften tatsächlich in Teams zu formieren. Ein solches Vorgehen hat viele Vorteile: von der Verbesserung der individuell empfundenen psychologischen Sicherheit bis hin zu der Erkenntnis, dass die jeweils direkten Kollegen eine wertvolle Ressource darstellen, die es zu nutzen gilt. Ich bin ein großer Fan von Peer-Coaching-Settings.

Im Rahmen dieser Teamfindung spielt die gemeinsame Definition der jeweiligen gemeinsamen Führungskultur eine große Rolle. In Organisation, die absolut zurecht großen Wert auf (kognitive) Diversität legen, ist es besonders wichtig, neben der gegenseitigen Wertschätzung der Unterschiedlichkeit auch etwas Gemeinsames zu finden, etwas, das die unterschiedlichsten Charaktere eint und verbindet. -Eine gemeinsame Kultur! Und natürlich haben diejenigen, die in der Hierarchie weiter oben stehen, hierbei einen besonders großen Einfluss, da sie immer auch zum Vorbild genommen werden.

In Hinblick auf die dunkle Triade stelle ich mir vor, dass da Führungskräfte sind, die die jeweilige Führungskultur klar und transparent, für jeden eindeutig, verständlich darlegt und vorlebt. Hierbei ist das Gegenstück zur dunklen Triade die sogenannte helle Triade, eine Kombination aus Humanismus (das heißt Wertschätzung der Würde und des Wertes eines jeden Menschen), Kantianismus (abgeleitet von Kants Kategorischen Imperativ “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”) und dem Glauben an die Menschlichkeit (das heißt, die Haltung, dass alle Menschen in Grunde gut sind).

Die Maxime sollte also heißen “Narzissmus raus! Humanismus rein!”. Einerseits hört sich das einfach an, andererseits fragt sich jedoch der ein oder andere wie das gehen soll! Und genau dafür braucht es eine klar definierte Kultur: Wie wollen wir sein und wie soll sich das in unserem täglichen Tun widerspiegeln? Genau das sollten sich Gruppen aus Führungskräften gemeinsam Fragen und gemeinsam beantworten. Ich persönlich glaube, dass dieses Vorgehen ein noch viel machtvolleres Tool als das individuelle Coaching sein kann. Man muss es jedoch nutzen! In den nächsten Monaten habe ich das große Glück, diese Diskussion in gleich mehreren Gruppen Führender anstoßen zu dürfen und ich freue mich ungemein darauf. Die Studie der beiden zauberhaften Wissenschaftlerinnen bestärkt mich in meinem Ansatz. Natürlich wird es um viel mehr gehen, als um die helle Triade, jedoch habe ich mir fest vorgenommen, auch diesem Bereich Raum einzuräumen. - Ich werde sicher berichten und das Thema erneut aufgreifen. Also einfach jeden zweiten Sonntag weiterlesen!

Eure Constance

Denn nicht jeder ist Wonder Woman

Gute Führung braucht ein Team!

Metaprogramme - die Filtermatrix unserer Wahrnehmung

Denn in Kategorien zu denken bringt Ordnung ins Leben

Die Idee menschliches Verhalten und die menschliche Art zu denken in Kategorien zu ordnen ist gefühlt so alt wie die Menschheit selbst. Schon vor sehr langer Zeit begann man die Menschen den vier Elementen Erde, Luft, Wasser und Feuer zuzuordnen. Der gute alte Hippokrates teilte die Menschen nach ihren Körpersäften ein und nannte sie Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker und Sanguiniker. Ich als Coach bediene mich in der Arbeit mit Teams gerne der Riemann-Thomann-Matrix (hier der Link zu einem Artikel für alle die, die dazu gerne mehr wissen möchten) und bitte meiner Teilnehmer sich selbst danach einzuordnen, ob sie eher ein Nähe- oder Distanztyp sind und eher auf Dauer und Beständigkeit oder Wechsel ausgerichtet sind. Personalabteilung arbeiten mit Myers-Briggs-Typenindikator oder organisieren ihre Mitarbeiter mit Hilfe der vier Farben resultierend aus dem LIFO-Schema. Ordnung muss eben sein!

Der Schweizer Psychiater und Psychologe Carl Gustav Jung hat 1921 seine “Psychologischen Typen” veröffentlicht und hat damit Menschen erstmals nach ihren Wahrnehmungsfiltern “sortiert”. Zentral für seine Arbeit waren zwei potenzielle Einstellungen zur Umwelt, die Jung als introvertierten und extrovertierten Typus bezeichnete. Neben diesen beiden Einstellungstypen unterschied Jung weiterhin in vier Funktionstypen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren, also etwas ahnend erfassen. So war der Grundstein gelegt und Generationen von Psychologen und Coaches haben an dieser Idee weitergearbeitet.

Was sind denn nun diese Wahrnehmungsfilter oder Metaprogramme?

Stell dir vor du erzählst in trauter Runde von deinem letzten Urlaub. Du schwärmst von den weißen Sandstränden, dem Rauschen des Meeres, den exotischen Gerüchen des opulenten Essens und der Musik, die allgegenwärtig war und die Menschen hat tanzen lassen. Während du berichtest, merkst du, dass deine Zuhörer ganz unterschiedlich reagieren. Die einen kleben an deinen Lippen und scheinen deinen Urlaub in Gedanken mitzuerleben, einer lacht, der andere stellt interessiert Rückfragen, ein wieder anderer schmunzelt und der ein oder andere schaut gelangweilt in die Ferne, vereinzelt wird sogar gegähnt.

Man könnte den Eindruck gewinnen, jeder deiner Zuhörer erlebt seine ganz eigene Geschichte. Und genauso ist es! Jeder einzelne Zuhörer hat basierend auf seiner Lebensgeschichte, seiner Prägung, seiner Erfahrungen und auf Grund seiner ganz eignen Interessenschwerpunkte auch ganz individuelle Wahrnehmungsfilter oder Metaprogramme aktiviert, die seine ganz eigene Art der Informationsaufnahme prägen. Jeder entwickelt seine eigene Vorstellung oder Geschichte.

So sind unsere ganz individuellen Metaprogramme Steuerprogramme unserer Persönlichkeit. Sie sind unbewusste Filter, die unsere ganz individuelle Wahrnehmung der Umwelt beeinflussen, vielleicht sogar bestimmen. Auf diese Weise werden unsere Metaprogramme zu einer unbewussten und unbekannten Macht, die unsere Verhaltensweisen bestimmen und festlegen, wie wir uns in kritischen Situationen fühlen, was wir denken und wie wir reagieren.

Metaprogramme coachen?

Für mich als Coach sind Metaprogramme aus zwei Gründen interessant: Zum einen, weil die Kenntnis der eigenen Metaprogramme meinen Kunden dabei helfen kann, Erklärungen für ihr bisheriges Verhalten zu finden, für Glaubenssätze und Werte, sowie für deren Umgang mit anderen Menschen. Zum anderen sind diese Metaprogramme keineswegs in Stein gemeißelt, sondern vielmehr einerseits kontext- und personenspezifisch. Ich bin mir sehr sicher, dass auch du nicht immer und bei jedem exakt gleich reagierst! Andererseits sind Metaprogramme tatsächlich sogar veränderbar oder kontextspezifisch anpassbar. Sie bieten eine tolle Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, sein Handlungsrepertoire zu erweitern und vielseitiger zu werden.

Klassischerweise treten Metaprogramme immer in Gegensatzpaaren auf, wie zwei Seiten einer Medaille. Dabei sind beiden Seiten gleichermaßen hilfreich wie hinderlich. Es gibt in keiner dieser Paarungen die eine gute und die andere schlechte Seite. Das Einzige, was an Metaprogrammen problematisch sein könnte, ist, dass ich immer nur eines haben kann und mir damit immer 50 Prozent “Gutes” fehlt. Aus diesem Grund ist kognitive Diversität in Teams auch so hilfreich. Es brauch immer beide Seiten, um wirklich erfolgreich agieren zu können.

Erbsenzähler oder großzügiger Freidenker?

In einem meiner Workshops in der vergangenen Woche hat ein Teilnehmer sich als wichtigste Lesson Learned mitgenommen, dass er keineswegs alle detailversessenen, sehr genauen Kollegen, die ihm mit ihrem untrüglichen Blick für winzigste Bestandteile gelegentlich das Leben ein wenig schwerer machten, davon überzeugen sollte, ihren Blick zukünftig doch auch mehr auf das große Ganze zu richten. Vielmehr sollte er diese Detailversessenheit als Ressource betrachten, weil er sie in dieser Form nicht habe, sie jedoch auch für ihn hilfreich sein könnte.

Da hüpft das Trainerherz! -Besonders, wenn es bereits den ganzen Tag darum ging, das “Andere” nicht als potenzielle Bedrohung, sondern als Ressource und Chance zu sehen! Treffer versenkt!

Das Metaprogramm, das den Erbsenzähler vom abgehobenen Generalisten unterscheidet, nennt sich “Chunk-Größe”. Die beiden Filter, die sich hier gegenüberstehen, sind der Global- und der Spezifisch-Filter. -Beide gleichermaßen wertvoll!

Menschen mit einem Global-Filter sind auf das große Ganze, den Überblick fokussiert und filtern störende Details gerne raus, damit sie sich diesen Überblick überhaupt verschaffen können. Dadurch erkennen sie systemische Zusammenhänge ausgezeichnet, hinterfragen die höhere Bedeutung und die größeren Zusammenhänge und sind in der Lage, die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Natürlich bedeutet diese Vogelperspektive immer auch Distanz, die es jedoch auch ist, die den Überblick bei komplexen Sachverhalten schafft. Befreit von der schweren Last zu vieler Details entstehen Visionen, Kreativität und Phantasie. So werden zum Beispiel größere mathematische Probleme gelöst, oder Sinnfragen beantwortet. Menschen mit diesem Filter denken über globale Zusammenhänge nach, sie schwelgen in Ideen und sehen den Wald in seiner Ganzheit, denn die vielen einzelnen Bäume wäre für sie nur störend. Geraten sie einmal in eine Sackgasse, hilft ihnen ihr Filter dabei, Abstand zu gewinnen, die größere Bedeutung zu entdecken und sich dadurch eine neue Orientierung zu schaffen.

Großartig, oder? So freuen sich all jene, die sich darin wiederfinden und denken, sie hätten den Stein der Weisen gefunden… Visionen, Kreativität, Phantasie, Überblick, Sinnfragen beantworten… Wow! Allerdings gibt es ja noch diese andere Seite, quasi das Gegenprogramm, dass ebenso wertvoll ist.

Menschen mit den Spezifisch-Filter sind ausgesprochen detailorientiert, bevorzugen kleine, genaue und transparente Informationseinheiten und lassen sich auch von der vierten Stelle hinter dem Komma nicht irritieren. Diese Menschen stellen sehr präzise Frage und interessieren sich ganz genau für die Antworten. Flüchtigkeitsfehler kommen bei ihnen nicht vor. Genauigkeit ist ihre Motivation und sie sind die Idealbesetzung im Qualitätsmanagement und unfassbar gute Korrektoren. Menschen mit dem bevorzugten Spezifisch-Filter gehen gerne induktiv vor. Sicher und geduldig, fügen ein Puzzle-Teil nach dem anderen hinzu, erkennen dabei Verbindungen und erschließen sich detaillierte Sachverhalte, die sie sogar rekonstruieren können. Menschen mit diesem Filter arbeiten gerne nach klaren Vorgaben. Sie sind dabei korrekt und absolut verlässlich und fest auf dem Boden der Tatsachen verankert.

Als Mensch, der zweifelsohne die Welt global filtert, stelle ich fest, dass meine Welt sich ohne Menschen, die den Mut, die Ausdauer oder die Geduld haben, tief in die Details einzusteigen, nie und nimmer weiterdrehen würde. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich ziemlich verloren. Ich brauche sie, damit sie das in Perfektion erledigen, worin ich einfach nicht gut bin. Deshalb werde ich einen Teufel tun, alle Menschen von meinem Global-Filter überzeugen zu wollen. -Auch wenn das manchmal ganz schön schwerfällt. Denn nicht das, was so ist, wie ich selbst bin, ist die Bereicherung. Es ist die Andersartigkeit, die mich reicher macht. Diese Erkenntnis hatte auch mein Workshop-Teilnehmer und als er das so berichtete, dachte ich mir, dass ich ihm damit wohl das wertvollste vermittelt habe, was ein Coach in diesen wilden Zeiten vermitteln kann.

Diversity und alles ist bunt…

Diversity scheint eines der absoluten Hype-Themen unserer Zeit zu sein. Aber was ist Diversität und wo geht sie los? Für mich beginnt sie auf kognitiver Ebene. Diese kognitive Diversität ist das größte Geschenk, aber auch die größte Herausforderung für uns Menschen, denn wir müssen unseren Weg raus aus den Höhlen finden, in denen wir uns durch Andersartigkeit jedweder Art vor allem bedroht gefühlt haben. Blutige Kriege wurden und werden deshalb geführt und manchmal fühle ich mich so hilflos und machtlos in dieser aus den Fugen geratenen Welt. Was mir halt gibt, ist mein Purpose, die Welt verändern zu wollen. Und diese Veränderung beginnt bei der Erkenntnis, dass es nicht darum geht, gleich zu sein, sondern das “Andere” als Geschenk und Ressource zu sehen. Die Bedrohung ist nur in meinem Kopf, in meiner Bewertung des “Anderen”.

Vielleicht hilft dir das Wissen um die Metaprogramme im Allgemeinen und die Chunk-Größe im speziellen ein klein wenig dabei, den abgehobenen Träumer oder den nervigen Erbsen-Innenlackierer als Geschenk zu betrachten. Und wenn Du dieses Thema so spannend findest, dass Du gerne noch weitere Metaprogramme kennenlernen möchtest, lass es mich gerne wissen.

Ich wünsche Dir einen wunderschönen Sonntag.

Deine Constance

Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen?!

Alles ist möglich!