Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher

Die Suche nach dem Glück

Vierter Advent! Weihnachten steht vor der Tür und ein Jahresrückblick jagt den nächsten. Auch ich habe mein ganz eigenes Jahr Revue passieren lassen. Die Bilanz war desaströs! Objektiv betrachtet hätte ich von schweren Depressionen geplagt die meiste Zeit in der hintersten Ecke meines Zuhauses sitzen müssen. 2020 war nicht nett und hat sehr viele gute Gründe zum Unglücklich-Sein geliefert. Komischerweise war ich aber gar nicht unglücklich. Insgesamt würde ich sogar sagen, es war für mich trotz aller Sorgen und Ängste und dem Gefühl zu wenig zu tanzen und zu viel allein zu sein ein glückliches Jahr! Verrückt, oder? Grund genug für mich, um mir einmal ausführlich Gedanken darüber zu machen, was Glück denn überhaupt ist und wo es herkommt. Meine kleine Abhandlung zum Glück möchte ich gerne mit einem Zitat aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper einleiten:

Ja renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Und das Glück rennt hinterher
— B. Brecht

Das wirklich spannende am Glück ist, dass es so viele Ideen davon gibt, was Glück sein könnte, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Aristoteles schrieb, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei. Für Pessimisten ist Glück die Abwesenheit von Leiden. Hedonisten würden sagen, dass Glück Konsum sei (Schuhe kaufen macht definitiv glücklich!). Albert Schweitzer war der Meinung, Glück sei eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis. Für Harald Juhnke war Glück leicht einen sitzen und keine weiteren Termine zu haben. Für den Neurobiologen ist Glück ein biochemischer Vorgang, der am einfachsten durch die Einnahme von Drogen hervorzurufen sei (Glühwein tut es dieser Tage vielleicht auch!). Es gibt Länder, die angeblich besonders glücklich oder besonders unglücklich sind. Es gibt Lebensphasen, in denen der Mensch glücklicher ist, als in andern. Am unglücklichsten sind wir wohl zwischen 35 und 54, sagt die Neurowissenschaftlerin Tali Sharot. Es gibt die Idee, dass Geld glücklich mache. Hierzu sagt der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, dass dafür 65.000 Euro Jahresgehalt ausreichend seien, die Soziologin Hilke Brockmann hingegen sagt, das hänge davon ab, wieviel die Menschen um uns herum so hätten. Ungleichheit mache unglücklich. Das ist laut Brockmann übrigens der Hauptgrund dafür, warum die skandinavischen Länder beim Glücksindex stets ganz weit vorne landen: geringe soziale Unterschiede! Was definitiv unglücklich macht, sind Hunger, Krieg, Korruption. Am Ende der aktuellen Glücksliste befinden sich der Südsudan, Syrien und der Jemen.

Wir brauchen Fakten!

Fakt ist, die Suche nach dem Glück scheint so alt wie die Menschheit. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, dass die Suche nach dem Glück ausgesprochen unglücklich machen kann. Forscher der University of Reading haben anhand einer Studie belegt, dass die Menschen, die sich besonders darum bemühen, glücklich zu sein, am häufigsten am Glück scheitern und ein erhöhtes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Dieser Cocktail aus körpereigenen Opiaten, wie zum Beispiel Endorphin, welches unser Hirn ausschüttet, wenn es feststellt, dass sein Mensch gerade glücklich ist, hat offensichtlich verdammtes Suchtpotenzial. -Biochemie eben.

Als ich mich also auf die Suche nach dem machte, was mich auch in diesem, für mich eher einsamen, Jahr glücklich gemacht hat, tauchte eine These immer wieder auf: Glück ist immer auch eine Entscheidung! Aber ist das wirklich so?

Während meiner Recherchen bin ich zunächst auf die Aussage gestoßen, dass unser Gehirn gar nicht dafür gemacht ist, permanent glücklich zu sein. In den Fünfzigerjahren gab es hierzu eine Studie des Psychologen James Olds, der das Belohnungszentrum von Ratten mit Strom stimulierte, wann immer diese einen bestimmten Hebel drückten. Die Ratten drückten diesen Hebel bis zur Erschöpfung. Sie vergaßen sogar zu essen. Dieses unendliche Glücksgefühl hat sie fast umgebracht. Wer von euch hatte auch schon einmal Phasen, in denen er permanent und fast blind für potenzielle Gefahren auf der Suche nach dem nächsten Kick war? -Biochemie eben.

Der verrückte Professor und das Glück

Wenn Wissenschaftler sich mit Glück beschäftigen, gehen sie häufig von zwei unterschiedlichen Arten von Glück aus:

  1. Das Glück als Hochgefühl, dieser Kick, dem sich die Ratten in Olds’ Versuch hemmungslos hingegeben haben, weil dieses Hochgefühl ein flüchtiger Zustand ist, der schnell vorbeigeht und einen mit Hunger auf mehr zurücklässt.

  2. Das Glück als Zustand der Zufriedenheit, den wir allgemein in unserem Leben spüren. Im Gegensatz zur ersten Erscheinungsform von Glück, ist diese Form von Glück deutlich nachhaltiger.

Vom Glück und der Zufriedenheit

Für den Neurobiologen Gerhard Roth ist diese zweite Glücksform so etwas wie ein Ausgangslevel, von dem aus wir das Hochgefühl des Glücks erleben. Dieses Ausgangslevel ist bei uns Menschen auf unterschiedlichen Niveaus angesiedelt. In Zwillingsstudien wurde festgestellt, dass dieses Ausgangslevel, diese allgemeine Lebenszufriedenheit, in Teilen sogar genetisch bedingt ist. Der Rest hängt zum einen von Umweltfaktoren und Sozialisation ab, aber auch davon, wie wir mit Chancen und Möglichkeiten umgehen. Das heißt, ein Teil dieser Lebenszufriedenheit liegt in unserer eigenen Hand.

Laut Roth halten diese berauschenden Glücksmomente, die Glück Nummer eins Hervorruft, bei Menschen mit einem hohen Level an Lebenszufriedenheit (also Glück Nummer zwei) deutlich länger an.

Das ist spannend! Ich sollte also nicht in erster Linie nach dem Glück suchen, sondern lieber erstmal nach Zufriedenheit, denn je zufriedener ich bin, desto berauschender fühlen sich auch schon winzig kleine Glücksmomente an.

Insgesamt stellte sich Gerhard Roth tatsächlich als dankbare Quelle für meine Glückssuche heraus, habe ich bei ihm doch nicht nur Erklärungen dafür gefunden, was Glück ist, sondern auch durch was es hervorgerufen wird. Hierbei unterscheidet er zwischen drei unterschiedlich gelagerten Quellen für Glück:

  1. Als erste Quelle für Glück nennt Roth die materielle Belohnung (wie zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder eine Bonuszahlung). Hierbei wird im Gehirn eine Region stimuliert, die sich Nucleus Accumbens nenne. Diese Region ist ein kleiner Nimmersatt, der recht schnell auf einen Stimulus anspringt, genauso schnell aber wieder abflacht und dadurch ein ausgesprochen vergängliches Glücksgefühl verursacht, das postwendend nach mehr verlangt und dauerhaft nur schwer zu stillen ist. Liebe Chefs, Gehaltserhöhungen oder Boni sind toll, wenn ihr der Meinung seid, dass der Mitarbeiter sich das durch seine Leistung verdient hat. Zur nachhaltigen Motivation ist beides aber total ungeeignet! -Biochemie eben!

  2. Quelle Nummer zwei ist in Roths System die soziale Belohnung. -Also Anerkennung, Lob oder auch das gefährliche Gefühl von Macht. Hierbei werden Hirnareale stimuliert, die auf einer bewussteren Ebene angesiedelt und deshalb auch etwas nachhaltiger sind. Doch auch diese Glücksquellen sorgen nicht für dauerhaftes Glück und müssen deshalb immer weiter gefüttert werden. Bei Lob, Respekt und Anerkennung sehe ich das erst einmal unkritisch. Wird der Machthunger jedoch zum Selbstläufer, kann es unschön enden und vor allem die Mitmenschen unglücklich machen.

  3. Roths dritte Quelle ist die einzige aller Glücksquellen, die nicht stetig durch ansteigende Dosen an Belohnungen stimuliert werden muss. Roth spricht hier vom sogenannten intrinsischen Glück, das sich direkt mit der eigenen Lebenszufriedenheit verbindet und somit deutlich länger in unserem Leben zu Gast bleibt, als all die anderen Glücksformen. Dieses intrinsische Glück hat seinen Ursprung in der Erfahrung, Freude und Sinnhaftigkeit bei dem zu empfinden, das man tut. Hierbei kann es sich um die Familie oder Hobbies, aber auch um die Arbeit handeln. Wirklich glücklich sind eben am Ende die, die nicht das Gefühl haben, ihre kurze Zeit auf Erden sinnlos zu verstolpern!

Vom Glück und der Entschleunigung

Was ich jetzt aus diesen Infos für mich mitnehme? Sehr gute Frage. Manchmal fange ich einfach an zu tippen und weiß nicht, wo die Buchstabensuppe mich hintragen wird! Was nehmt ihr denn mit? Habt ihr mal darüber nachgedacht, was eurem Leben Sinn gibt, euch Freude macht? Sich diese Frage zu stellen und sie auch mutig zu beantworten, bringt uns dem Glück viel näher als Brechts Rennerei, stetig getrieben von einer Gesellschaft, deren Kardinalsfehler es ist, Erfolg mit Glück gleichzusetzen.

Warum ich dieses Jahr glücklich war? Weil Corona mich dazu verdammt hat, aus der Rennerei auszusteigen um die Zeit zu nutzen, meinen inneren Kompass neu zu finden. Es war der Luxus, mir die Frage stellen zu dürfen, was mein intrinsisches Glück ausmacht, in welche Richtung mich mein innerer Kompass führen möchte, damit ich meine Zeit auf Erden eben nicht verstolpere. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne arbeite, dass meine Arbeit ein für mich essentieller Teil meines Lebens ist. Mir ist dieses Jahr tatsächlich bewusst geworden, dass ich noch mindestens 24 Jahre arbeiten werde. Ich kam nicht umhin, mich fragen zu müssen, wie diese Jahre aussehen sollten, um auch weiterhin glücklich zu sein. Mir wurde klar, dass ich eine Perspektive brauche, um mich weiterentwickeln zu können und ich musste mir eingestehen, dass ich diese Perspektive bei meinem so geliebten Arbeitgeber nicht habe. Aristoteles hat neben seiner Idee, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei, auch festgestellt, dass zum Glück immer auch Mut gehört. Das kann ich bestätigen. Weil ich mutig war, konnte ich die Chance, die sich mir im November geboten hat, ergreifen. Im Januar schlage ich ein ganz neues Kapitel in meinem Leben auf, dass mir sicher für einige Jahre die Möglichkeit bietet, zu lernen, zu wachsen und mich weiterzuentwickeln und dabei der von mir so geliebten und als sinnhaft empfundenen Arbeit als Human Factors Trainer oder jetzt eben als Agile Coach nachgehen zu dürfen, ganz nah am Menschen!

Sinnessuche zu Weihnachten

Heute, da ich diese Zeilen niederschreibe, ist Freitag. Am Vormittag habe ich meine Arbeitsmaterialien und Unterlagen, inklusive Dienstausweis, abgegeben. Ein wirklich emotionaler Moment. Besonders emotional wurde es jedoch vor etwa fünf Minuten. Es gibt Geschichten, die nur das Leben schreiben kann und Kreise, die sich stillschweigend schließen. So habe ich gerade die Information bekommen, dass die Kollegin, die vor 21 Jahren meine Grundausbildung geleitet hat, heute verstorben ist. Liebe Astrid, Stewardessen sterben nicht, sie fliegen nur etwas höher… Unsere Zeit auf Erden ist in der Tat kostbar und wir wissen alle nicht, wo unsere Uhr steht. Aber durch Rennen halten wir diese Uhr nicht an und durch Rennen geben wir unserem Leben keinen Sinn. Manchmal ist das Gegenteil der Fall: wir rennen so schnell, dass wir an diesen flüchtigen Glücksmomenten vorbeilaufen, ohne sie wahrzunehmen… Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher.

Ich wünsche euch allen ein friedliches, gesegnetes Weihnachtsfest mit Glücksmomenten und viel Zufriedenheit. Aber vor allem wünsche ich euch Zeit zum glücklich sein!

Eure Constance

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Glückskinder

DIY lautet die Devise!

Führung und Vorbild - weil die Axt im Walde nur abholzen kann...

Vorbild - kurze Begriffsklärung

Was ist ein Vorbild? Wikipedia sagt dazu folgendes: “Vorbild ist eine Person oder Sache, die als richtungsweisendes und idealisiertes Muster oder Beispiel angesehen wird. Im engeren Sinne ist ein Vorbild eine Person, mit der ein -meist junger- Mensch sich identifiziert und dessen Verhaltensmuster er nachahmt oder nachzuahmen versucht.” So weit so gut. In wie fern Führungskräfte immer auch Vorbilder sind (ob sie wollen oder nicht) und dadurch das Verhalten ihrer Teams direkt beeinflussen, schauen wir uns im Folgenden an.

Von Siegmund Freud und Teenies außer Rand und Band

Sicher fallen euch einige Vorbilder ein, denen ihr im Laufe eures Lebens nachgeeifert habt. Das ist ganz normal. Der Mensch ist so gestrickt, dass er sich Vorbilder sucht. Sigmund Freud sah diese Identifizierung mit einem Vorbild als normalen psychodynamischen Prozess, dessen Ziel es sei, das eigene Ich dem zum Vorbild genommenen Ich anzugleichen. In der frühen Kindheit dienen vor allem Eltern oder andere primäre Bezugspersonen als Vorbilder, die komplett unreflektiert nachgeahmt werden. Später kommen Stars und Sternchen, Freunde, die coolsten Jungs oder Mädels der Schule oder andere Alpha-Tierchen dazu. Die meisten scheinen auch weiterhin komplett unreflektiert und unkritisch nachgeahmt zu werden. So verbringt man seine Pubertät und Jugend auf der stetigen Suche nach sich selbst, indem man versucht so zu sein wie ein anderer. Aber sei’s drum, wir kennen das sicher alle. Schön wäre, wenn man im Erwachsenenalter sagen könnte, man habe diesen Mechanismus hinter sich gelassen. Natürlich wird man dadurch, dass man im Laufe des Heranwachsens die individuelle kritische Urteilsfähigkeit schult, bei der Auswahl seiner Vorbilder kritischer. Mit der Zeit spielen bei der Auswahl unserer Vorbilder wahrgenommene Ähnlichkeiten in Hinblick auf die individuelle Einstellung oder auf Ziele und die wahrgenommenen Überzeugungen und vor allem auch Erfolge eine immer wichtigere Rolle. Und für Erfolg sind viele Menschen bereit, sich zu verbiegen, so wie die Teenager, die sein wollen, wie ihr liebster Influencer, völlig unreflektiert und unkritisch! Hier kommen die Führungskräfte ins Spiel. Der US-amerikanische Soziologe Robert K. Merton, der seinerzeit den Begriff des Role Models, bzw. des Lernens durch Role Modeling geprägt hat, stellte fest, dass besonders Role Models, oder Vorbilder mit hohem Ansehen und besonderem Erfolg ausgesprochen attraktive Vorbilder sind. Macht ja auch Sinn! Das sind die Alpha-Tiere, denen wir nacheifern, weil wir alle, jeweils in unserem individuellen Bereich, erfolgreich sein möchten. Das passiert nicht nur auf einer bewussten, sondern sehr häufig auch auf einer unbewussten Ebene. Wir beobachten also die Alpha-Tierchen in unserer Umgebung und armen deren Verhalten nach, weil es eben dieses Verhalten ist, was offenbar erfolgreich macht.

Die Führungskraft, das heimliche Vorbild

Liebe Führungskräfte - und damit meine ich euch alle, auch die, die sich selbst für kleine Lichter halten - was denkt ihr gerade? Und was könnt ihr aus dem Wissen, dass ihr alle Vorbilder seid, machen? Ich kann euch sagen, was ich daraus gemacht habe, als ich eine ganz kleine unbedeutende Führungskraft wurde: weil ich mir der Tatsache bewusst war, dass ich jetzt Vorbild sein würde, ob ich das nun will oder nicht, habe ich mich dazu entschieden, dies zu nutzen, um mein Team so zu formen, wie ich es für gut und richtig gehalten habe. Ich habe mir ein Team gewünscht, dass sich untereinander und auch mir vertraut, also habe ich zuerst meinen Kollegen vertraut. Laut Sigmund Freud und Robert K. Merton sollten alle anfangen, mich nachzuahmen. Ich wollte ein Team, dass fleißig und hart arbeitet, also war ich selbst fleißig. Ich brauchte Kollegen, die den Mut haben, Fehler oder Wissenslücken zuzugeben, deshalb habe ich damit angefangen. Ich habe mir eine Atmosphäre gewünscht, die von Fröhlichkeit, Nähe und Wärme geprägt war, deshalb habe ich mich nicht unnahbar über mein Team gestellt, sondern neben meine Kollegen. Hatte ich trotzdem die nötige Autorität und das nötige Standing? Ich denke schon! Ja, und dann gab es noch die unschönen Aufgaben, die gerne ignoriert wurden, aber trotzdem gemacht werden mussten. Ich habe sie erledigt und in Folge wurde ich natürlich nachgeahmt.

Selbstverständlich kann man jede Vorbildfunktion als Belastung empfinden. In Hinblick auf Führung kann man seine Vorbildfunktion jedoch auch wirklich gut nutzen. Ich persönlich empfand es immer als deutlich einfacher, Dinge kurz vorzuleben, als mein Team gebetsmühlenartig zu diesem und jenen zu gängeln. Klar darf und soll man als Führungskraft auch klare Ansagen machen, man sollte das jedoch nicht überstrapazieren (zumal wir es ja mit erwachsenen, mündigen Menschen zu tun haben), sonst nutzt sich dieser Effekt auch ganz schnell ab! - Wie damals, zuhause, bei Mutti!

Wie man über Vorbildfunktion Unternehmenskultur schafft

Wenn wir die Karriereleiter jetzt weiter nach oben klettern, sagen wir mal auf A oder B Ebene, werden wir automatisch zu einem noch attraktiveren Vorbild für noch viel mehr Kollegen. Unser Verhalten wird also von noch mehr Kollegen als nachahmenswert empfunden, hat es uns doch dahin gebracht, wo so viel gerne noch hinmöchten. Spätestens an dieser Stelle sollte ich mir der Tatsache bewusst sein, dass ich, wenn ich möchte, dass in meinem Unternehmen etwas geschaffen wird, etwas kreativ erarbeitet wird und durch kollegiales und effektives Teamwork Erfolge geschaffen werden, mich keinesfalls aufführen sollte wie die sprichwörtliche Axt im Walde, denn diese kann nur abholzen und zerstören. Ich verspreche euch, liebe Führungskräfte, eure Leute werden es euch gleichtun und sich nach unten hin ebenso verhalten, wie ihr das tut. Das führt zu einer absolut destruktiven Unternehmenskultur, wie sie damals die extrem erfolgreiche Mobilfunksparte von Nokia fast in den Ruin getrieben hätte. Wer wissen möchte, was genau passiert ist, findet hier den Link zum entsprechenden Blog: Human Factors Tod eines Weltmarktführers! Man kann den Karren als Führungskraft eben auch blind in den Graben fahren, weil sich eine Unternehmenskultur an mein Verhalten anpasst und ich total unreflektiert erstmal nicht mitbekomme, was ich anrichte. Fakt ist, bin ich an der Spitze angekommen, wird kein anderer mehr mein Verhalten korrigieren. Ich habe die Macht, zu sein, wie ich will. Allerdings halte ich es für ausgesprochen sinnvoll, sich über die möglichen Konsequenzen bewusst zu sein. Auch als Top-Führungskraft bin ich keineswegs außen vor und komplett über den Dingen schwebend. Ich bin immer auch Teil eines fragilen Systems, das sich Unternehmenskultur nennt. -Ein ausgesprochen großer, wichtiger, einflussreicher Teil!

Über Kant, Servant Leader und Influencer

Wie sollte Führung also sein? Eigentlich ganz einfach und sicher auch nichts bahnbrechend Neues. Der visionäre und große Denker Immanuel Kant hat das in seinem Kategorischen Imperativ ganz formidabel zusammengefasst: “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zu gleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.” Will ich also eine Unternehmenskultur, in der Menschen sich sicher und unterstützt fühlen und dadurch schließlich ihr volles Potenzial entfalten können, dann fange ich als Führungskraft damit an, zu unterstützen. Ich werde zum Servant Leader, denn mein Verhalten als Führungskraft wird zum “allgemeinen Gesetz” der Unternehmenskultur, ganz egal, was im Code of Conduct steht.

Die Gründerin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter Barbara Liebermeister geht in ihrem Ansatz des Führens ohne Macht noch einen Schritt weiter: sie beschreibt den Influencer Leadership. - Ein Ansatz, den ich persönlich sehr gerne mag, geht es doch einerseits darum, sich bewusst zu sein, dass man unter Beobachtung steht und seine Follower einem nacheifern und andererseits kann ich genau das proaktiv nutzen, um eine konstruktive, kreative und erfolgreiche Unternehmenskultur zu gestalten. Genauso, wie eben die klassischen Influencer Einfluss nehmen: auf Menschen, auf Kultur und darauf was gerade angesagt ist.

Und am Ende sind wir alle Vorbilder…

Das wirklich schöne an diesem menschlichen Bedürfnis, sich bewusst oder unbewusst Vorbilder zu suchen, ist dass wir letzten Endes alle für irgendjemanden ein Vorbild sein können. Vielleicht bin ich keine Führungskraft, aber sein zwanzig Jahren im Job und die junge, neue Kollegin schaut zu mir auf und ahmt mich nach, weil sie alles richtig machen möchte. Dessen sollten wir uns bewusst sein. Natürlich ist der Einfluss der Managementebene besonders groß, aber auch das vermeintlich kleinste Licht kann durch sein (Vorbild-) Verhalten Einfluss nehmen. Und wollen heutzutage nicht alle irgendwie Influencer sein?

Sitzen und denken, denken und sitzen - einen schönen dritten Advent

Vielleicht überlegt der ein oder andere von euch jetzt gerade darüber nach, wer seine Vorbilder sind, oder für wen sie selbst Vorbild sein könnten. Gut so! Ich wünsche euch auf jeden Fall einen wunderschönen und friedlich dritten Advent. Ich weiß nicht, was ihr so vorhabt. Wahrscheinlich habt ihr genau so viel Zeit, zum Nachdenken, wie ich. Die großen Adventspartys werden ja eher nicht stattfinden. Vielleicht ist es aber auch gar nicht schlecht, diesen Dornröschenschlaf unserer Corona-Welt zu nutzen um Kräfte zu sammeln und sich selbst zu reflektieren. Ich werde mir sicher die Frage stellen, wo ich geradestehe und wo es jetzt hin gehen soll, werde ich doch am Montag meinen letzten offiziellen Arbeitstag mit meinen lieben Kollegen bei der guten alten Condor haben. Ganz ehrlich, es fühlt sich alles noch ein wenig unwirklich an, auch wenn mein gigantisches Abschiedsgeschenk seit heute mitten im Wohnzimmer steht und ich mich darauf freue, meine neuen Kollegen schon in dieser Woche im Rahmen einer virtuellen Weihnachtsfeier kennenlernen zu dürfen. Es braucht eben Zeit, bis Veränderung im Kopf und im Herzen ankommen und die gebe ich mir gerne. Ich kann euch nur empfehle, ebenso großzügig mit euch selbst zu sein. Der Mensch ist wie er ist und er ist das, was die einen als träge bezeichnen und die anderen vorsichtig nennen. Und es war sicher auch diese Vorsicht, die uns zu einem Erfolgsmodell der Evolution gemacht hat.

Eure Constance

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Wer bin ich?

Und welche Art Vorbild möchte ich sein?

Der Agile Coach, der keiner ist, aber verrückt genug ist, als solcher arbeiten zu wollen! -Über die Macht der eigenen Ressourcen und Kompetenzen

Der Agile Coach, der keiner ist, es aber trotzdem einfach tut…

Der geneigte Stammleser hat ja zwischenzeitlich sicher mitbekommen, dass ich mich ab Januar beruflich auf komplett neue Füße stellen werde. Noch nicht erzählt habe ich euch, was ich zukünftig mit meiner Arbeitskraft vorhabe: ich werde als Agile Coach arbeiten. Das Verrückte ist, dass ich gar kein Agile Coach bin. Darüber darf ich gar nicht zu genau nachdenken, nicht, dass ich auf den letzten Drücker doch noch auf die Idee komme, zu glauben, dass ich das, was ich machen werde, gar nicht kann!

Wie um alles in der Welt kommt man also dazu, als etwas arbeiten zu wollen, das man gar nicht ist! Ganz einfach: man entscheidet sich einfach das zu tun, was man kann, weil man sich seiner Fähigkeiten und Ressourcen bewusst ist! Für mich war das ein großer Schritt, da ich mir eigentlich immer eher dessen bewusst war, was ich alles (noch) nicht kann! Mitte November hatte ich dann jedoch einen echt hellen Moment, den sich jeder von Zeit zu Zeit gönnen sollte. Aber ich fange mal von vorne an…

Hilfe, kein Toilettenpapier…

Damals, als Corona gerade angefangen hat, um sich zu greifen und ich noch fest daran glaubte, dass dieses Virus so schnell wieder verschwindet, wie seinerzeit das Toilettenpapier aus den Regalen unserer Supermärkte, hatte ich eines dieser Gespräche mit meiner Kollegin, Chefin, Mentorin Annette. Nachdem ich nun einige Jahre von einer Weiterbildungsmaßnahme zur nächste gestolpert bin, fragte sie mich eher beiläufig, wo ich denn mit all diesen Zertifikaten hinmöchte und meinte schließlich, dass man irgendwann auch mal schauen muss, was man denn alles schon kann und was man damit anfangen möchte. Ja, stimmt schon, ABER die und die Weiterbildung müsste ich doch noch dringend machen, weil ich ja wie so oft das Gefühl hatte, noch immer nicht gut genug zu sein. Zunächst verpuffte das Gespräch zwischen Corona, Kurzarbeit und wilden Plänen meinerseits.

Die Rückkehr des Toilettenpapiers

Das Toilettenpapier kehrte schließlich langsam aber sicher wieder in die Supermarktregale zurück. Blöderweise war das Virus noch immer da und ich hatte in Folge mehr Zeit als mir lieb war, um über Annettes Worte nachzudenken! Als erstes musste ich mir die Frage stellen, wohin die Reise für mich gehen sollte. Eine Antwort war recht schnell gefunden: was mich am meisten berührt und antreibt, ist das Menschenbild, dass ich als Human Factors Trainer in der Luftfahrt kennenlernen durfte. Der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme und dabei ist jeder Akteur gleichermaßen wertvoll und macht so das Team zum Star! Wundervoll! Mit diesem Leitbild möchte ich unbedingt weiterhin durchs Leben gehen. Außerhalb der Luftfahrt ist mir ein vergleichbares Mindset immer wieder in agilen Strukturen begegnet und irgendwie wuchs in mir der Wunsch, mich in Richtung agiles Coaching weiterzuentwickeln. Die alte, stets vom Weiterentwicklungswahn getriebene Constance hätte sich an dieser Stelle eine berufsbegleitende Ausbildung zum Agile Coach gesucht, weil sie natürlich gedachte hätte, keine Ahnung zu haben und deshalb alles von die Pieke auf lernen zu müssen. Allerdings hallten in meinem Kopf schließlich die Worte meiner Chefin wider und ich entschied mich dazu, zu schauen, was ich schon alles kann, um danach zu schauen, was mir noch fehlt, um mein Ziel zu erreichen. Das war eine für mich eher ungewohnte Herangehensweise und ich gebe zu, ich habe erstmal Meister Google gefragt, was in Zeiten der um sich greifenden Digitalisierung ein völlig probates Mittel ist. Tja, und was soll ich sagen, Meister Google hat geholfen, in dem er mir das Agile Coaching Competency Framework von Lyssa Adkins auf mein Handy gespült hat. Ich hatte nun also eine Auflistung aller Fähigkeiten, die ein Agile Coach mitbringen sollte und musste im Prinzip nur noch abgleichen. Dabei stellte ich fest, dass ich die meisten Punkte ganz entspannt für mich abhaken konnte:

  • Coaching - Haken dran!

  • Facilitating, was in diesem Zusammenhang bedeutet, Teams als neutraler Begleiter und Moderator durch alle möglichen Prozesse zu begleiten. - Hey, ich bin Mediator und Moderator! Dicker fetter Haken dran!

  • Teaching - noch dickerer Haken dran!

  • Mentoring - ich mache seit Jahren Supervisionen! Also noch einen Haken dran!

  • Transformation Mastery, also Change Management - hmmmm, große Transformationsprozesse in großen Organisationen habe ich noch nicht initiiert, aber wenn ich an dieser Stelle großzügig das Thema “Organisationsgröße” ignoriere und mich nur frage, ob ich Erfahrung im Begleiten von Veränderungsprozessen auf Human Factors Ebene habe, würde ich mir auch hier ein Häkchen dran machen.

So waren auf der Haben-Seite schließlich fünf Haken zu finden. Allerdings musste ich feststellen, dass noch drei offene Punkte übrig waren, die es sich anzuschauen gilt:

  • Technical Mastery - klares deutliches Nein! Wobei ich mir bis heute die Frage stelle, wie tiefgreifend meine Technical Mastery als Coach am Ende sein muss. Ich werde kein Entwickler sein. Klar würde ich sicher Verständnis für bestimmte Prozesse benötigen. Aber hey, ich schule Piloten im Human Factors Bereich (und das mache ich, wie ich finde, verdammt gut) und kann selbst keine Flugzeuge fliegen. Also habe ich entschieden, an dieser Stelle etwas Mut zur Lücke haben zu dürfen. Ich werde schon lernen, was ich wissen muss…

  • Business Mastery - kommt halt aufs Business an…

  • Agile Practitioner - klares Nein! Hier stellte sich mir die Frage, wie ich denn zu einem Agile Practitioner werden könnte. Also wieder Meister Google fragen! Nach etwas Recherche stolperte ich über Scrum als agiles Framework. Davon hatte ich bereits gehört und auch über die Rolle des Scrum Masters habe ich schon gelesen, weil sie mir als Moderator, Mediator, Trainer und Teamentwickler irgendwie recht nah schien. Die Frage, die daraus resultierte, war, wie ich Scrum Master werden könnte, wie das mit der Zertifizierung abläuft und ob ich das hinbekomme. Es stellte sich heraus, dass sich dieser Weg selbst unter Corona-Bedingungen recht einfach gestaltet und so nutzte ich meine viel zu viele Freizeit, um “remote” zu lernen und um schließlich auch meine Prüfung zum Professional Scrum Master zu machen.

Und wieder kein Toilettenpapier…

So wurde es Herbst in Deutschland, das Toilettenpapier wurde wieder knapper und ich habe festgestellt, wie recht Annette hatte: lebenslanges Lernen ist großartig, aber bitte mit Sinn und Verstand und nicht weil man glaubt, noch nicht gut genug zu sein. Ich denke, die meisten von uns können so viel mehr, als sie sich eingestehen. Deshalb soll dieser Blog auch ein klein wenig ein Aufruf sein, euch eure Kompetenzen und Ressourcen bewusst zu machen. Das ist weder arrogant, noch überheblich. Es tut einfach nur gut und in meinem Fall hat das sogar Ordnung und Struktur in mein Leben und mein Selbstbild gebracht… -So viel Ordnung und Struktur, dass ich jetzt alles auf den Kopf stelle! Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass man seine Ressourcen auch nutzen möchte, wenn sie einem erstmal bewusst sind!

Und aus dem Condor wird eine Löwin

So dreht sich die Welt immer weiter und manchmal passieren die Dinge genau zum richtigen Zeitpunkt. Hätte ich nur ein halbes Jahr früher die Möglichkeit gehabt, als Agile Coach zu arbeiten, hätte ich sie wahrscheinlich nicht ergriffen, weil ich mir gesagt hätte, du kannst ja nicht als etwas arbeiten, das du formal gar nicht bist. Im November war mir schließlich und endlich klar, dass es nicht nur um Formalitäten geht, sondern auch um das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und Kompetenzen. Deshalb sag ich jetzt tschüss zu meinen Flugzeugen und der guten alten Condor, die mir so lange ein tolles Job-Zuhause war. Denn ab Januar werde ich Löwin. Ist ja auch irgendwie cool Es ruft also das Haus des Geldes, ich wechsle in die Finanzbranche und werde zukünftig für die Bank mit dem Löwen arbeiten! Über das Thema Business Mastery denke ich an dieser Stelle besser nicht nach! Eigentlich kann ich ja nur Flugzeuge, aber das wird schon. Ich lerne ja gerne dazu und bin offen für Neues!

Eure Constance

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Kompetenzen und Ressourcen

Alles was zählt???