Ja, Feedback ist wichtig! Aber wie geht es richtig? Und warum gebe ich manchmal einfach kein Feedback?

Entwicklung… Weil die Welt sich immer weiter dreht

Nachdem ich meinen letzten Artikel ganz besonders für meine Freundin Katja geschrieben habe, ist dieser Artikel ganz besonders für uns alle, inklusive mir selbst. Denn das mit dem Feedback ist so eine Sache… In ungefähr jedem meiner Workshops, jeder meiner Schulungen und mindestens in jedem zweiten Blog-Artikel arbeite ich heraus, wie unglaublich wichtig Feedback ist. Ohne Feedback keine Weiterentwicklung und wenn sich eine Organisation nicht weiterentwickelt, sie nicht lebendig und flexibel ist, nicht aus Fehlern lernt und immer besser wird, wird sie links und rechts überholt und verschwindet irgendwann. Ähnlich geht es auch uns Menschen: wenn nicht auch wir uns stetig weiterentwickeln, wenn nicht auch wir unserem Gehirn den stetigem Wunsch nach Lernen erfüllen, werden auch wir links und rechts überholt und verlieren die Orientierung, weil wir das Gefühl haben, nicht mehr mithalten zu können.

Selbstbild - Fremdbild

Die Krux bei uns Menschen und auch bei Organisationen ist, dass keiner von uns morgens aufsteht und sich entscheidet, heute mal NICHT gut zu sein. Keiner von uns geht zur Arbeit, mit dem unbedingten Wunsch, schlechte oder mangelhafte Leistung zu erbringen. Für gewöhnlich ist das Gegenteil der Fall! Aber trotzdem passiert es manchmal, dass wir, obwohl wir unbedingt alles gut und richtig und toll machen möchten, völligen Käse produzieren. Ich schließe mich da nicht aus. Richtig blöd wird es, wenn wir Tag für Tag eine schlechte Leistung erbringen, aber weil es uns keiner sagt, glauben, dass alles genau so perfekt und gut sei. Ich persönlich verstehe nicht, warum es Kollegen, Vorgesetzte und ganze Organisationen gibt, die lieber sogenannte Low-Performer-Listen im Kopf und gelegentlich sogar in den Schreibtischschubladen haben, anstatt den betreffenden Personen ein klares Feedback zu geben, damit sie so die Möglichkeit haben, es zukünftig besser zu machen, sich weiterzuentwickeln, zu lernen. Das ist dem Menschen gegenüber nicht fair. In Hinblick auf den Erfolg der Organisation ist es sogar richtig dumm. Aber sei’s drum, so macht man das eben manchmal, obwohl die Herren Luft und Ingham schon vor Jahrzehnte die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild skizzierten und wir alle wissen, dass wir unsere blinden Flecken haben, die wir nur mit Hilfe von Feedback beleuchten können. Trotzdem scheint diese Feedback-Hürde manchmal unüberwindbar, obwohl der Nutzen davon doch so wahnsinnig einleuchtend ist.

Warum ich kein Feedback gebe

Um etwas besser zu verstehen, warum Feedback uns oftmals schwer fällt, ist es wichtig, zunächst zu verstehen, wie der Mensch so funktioniert. Wer meinen Blog schon länger verfolgt, weiß, dass ich mich bei dieser Erklärung gerne bei der Evolution und bei unseren Hirnfunktionen bediene. All die Vorzüge eines Feedbacks sind selbstverständlich in unserem modernsten Hirnteil, dem Neokortex hinterlegt. Allerdings wird dieser Neokortex gerne mal durch unser deutlich älteres, erfahreneres und schneller reagierende Gefühlshirn, das Limbische System ausgetrickst. Hierbei gibt es zwei Varianten:

  1. Ich befinde mich in einer Akutsituation, mein Gegenüber tut etwas, das mich irritiert und da mein Limbisches System nur Schwarz und Weiß kennt, Kampf oder Flucht, reagiere ich entweder mit Kampf und alles mündet in einen Streit, oder mein Unterbewusstsein entscheidet sich für Flucht, weil es die Kräfteverhältnisse zu meinem Nachteil einschätzt. Die moderne Form der Flucht ist übrigens der innere Rückzug. Ich beteilige mich nicht mehr, mache mein Ding und stelle Kommunikation weitestgehend ein. Das alles ist das Resultat eines normal funktionierendem Gehirn, dass uns großartig durch die Evolution geführt hat. Allerdings stößt genau dieses Gehirn in komplexen Arbeitsumfeldern an seine Grenzen. Denn weder Kampf noch Flucht oder innerer Rückzug sind heutzutage Erfolgsfaktoren, um nicht zu sagen, es sind großartige Faktoren für Misserfolge. Vor Jahren kam es zu einem Flugzeugunglück, das vermeidbar gewesen wäre, hätte einer der beiden Piloten sich nicht innerlich zurückgezogen und sein Ding gemacht (übrigens aus einer Situation heraus, die für uns alle total nachvollziehbar gewesen wäre), wäre ein voll funktionsfähiges Passagierflugzeug an diesem Tag wahrscheinlich nicht in einen Berg geflogen. Der Neokortex dieses Piloten hat übrigens vorher sehr ausführlich gelernt, dass Feedback wichtig für seine Arbeit und die Flugsicherheit ist. Nur vom Limbischen System und davon, warum der Mensch für gewöhnlich lieber kein Feedback gibt, hat ihm niemand erzählt.

  2. Die zweite Variante ist weniger impulsiv, aber nicht weniger emotional, als die erste. In der zweiten Variante fangen die Gedanken sich an im Kreis zu drehen und am Ende gibt man kein Feedback, weil man keinen Konflikt heraufbeschwören möchte. Ich weiß nicht, wie oft ich davon abgesehen habe, etwas anzusprechen, weil ich mir im Kopf natürlich die schlimmst-mögliche Reaktion meines Gegenübers zurechtgelegt habe. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch nicht, wie oft ich schon Feedback gegeben habe und total überrascht war, das absolut kein Gegenwind zu verspüren war. Tja, wir Menschen sind irgendwie konfliktscheu, weil die Evolution uns beigebracht hat, dass man in der Gruppe die besten Überlebenschancen hat. Soll ich meine Gruppenzugehörigkeit so leichtfertig aufs Spiel setzen? Wie schon oft erwähnt, unser Limbisches System ist noch im Steinzeit-Modus. Zusätzlich dazu ist der Mensch auch noch Ressourcen-orientiert. Das ist wohl Neuhochdeutsch für faul. Hat auch die Evolution für uns gemacht. Und da wir wissen, dass Feedback-Gespräche etwas Energie benötigen, flüstert uns unser fürsorgliche Gehirn, das natürlich immer nur das beste für uns will: “Lass es lieber sein. Wird schon alles gut gehen und gleich ist eh Feierabend!”

Das alte Hirn in der neuen Welt

Während Kampf und Flucht, Gruppen- und Ressourcenorientierung für Jahrtausende absolute Hauptzutaten der Erfolgsrezeptes “Mensch” waren, hat unsere moderne und komplexe Umwelt, die eben nicht mehr einfach nur Schwarz und Weiß ist, die Dinge irgendwie kompliziert gemacht. Während der Neokortex sich immer weiter anpasst, dazulernt und auch alle Schattierung von Grau erkennen kann, hängt das Limbische System, unser Gefühlshirn, noch immer im altbekannten Schwarz-Weiß-Schema fest und weil es älter ist, als der Neokortex, hatte es mehr Zeit zum üben und reagiert deshalb auch entsprechend schneller. Das heißt, noch eh unser Neokortex sein Gelerntes anwenden kann kann, gibt ein kleiner Teil im Limbischen System, das Angsthirn (auch Mandelkern oder Amygdala genannt) Vollgas und schüttet viele Hormone aus, die als allererstes unseren Neokortex blockieren. Die von mir ganz besonders geschätzte Vera Birkenbihl nannte diesen Zustand psychologischen Nebel. Ihr alle kennt diesen Zustand bestimmt: etwa zwei bis drei Stunden NACH einem Konflikt fallen euch plötzlich die wirklich guten Argumente ein… Ja, da war euer Neokortex wohl im psychologischen Nebel und konnte sich gute, kreative Argumente weder einfallen lassen, noch konnte er sie verbalisieren.

Und jetzt?

Als Human Factors Trainer nehme ich den Mensch so wie er ist. Dieses Gehirn und die damit verbundenen übliche Reaktionen werde ich selbst im besten Workshop nicht ändern. Aus diesem Grund liegt mein Schwerpunkt nicht darauf wie gutes Feedback geht und wie wichtig es ist. Dazu könnte man auch ein Buch lesen. Ich beschäftige mich lieber damit, was uns davon abhält Feedback zu geben und wie wir uns hier selbst ein wenig austricksen können, um unser Gehirn auf lange Frist etwas besser an unser komplexes Arbeitsumfeld anzupassen.

Der Weg hin zum Feedback führt uns unweigerlich über unseren Neokortex, denn der würde es ja richtig machen, weiß er doch zum einen wie es geht und zum anderen, wie wichtig Feedback ist. Ergo muss ich lernen, mein Gefühlshirn in den Griff zu bekommen, damit meine rationalen Hirnteile ihren Job machen können. Das hört sich erstmal leicht an, geht aber schon damit los, dass ich in der Lagen sein muss, überhaupt zu erkennen, dass ich impulsiv oder irrational agiere. Das erfordert im ersten Schritt eine sehr hohe Achtsamkeit. Was passiert bei euch, wenn ihr in diesen psychologischen Nebel abgleitet? Körperlich? In den Gedanken? Um mich selbst besser zu verstehen und mich in diesen Situation schnelle zu erkennen, habe ich mir das seinerzeit sogar alles aufgeschrieben, einfach nur im mich selbst ein wenig zu ordnen.

Wenn ich mir dann meiner eigenen körperlichen Reaktionen bewusst bin, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass ich diese an mir wahrnehme und dieses bewusste Wahrnehmen ist der erst Schritt, mein Gefühlshirn zu Gunsten meiner Ratio auszutricksen. Ab hier bedarf es dann nur noch etwas Disziplin, Übung und den Mut, einen neuen Weg auszuprobieren.

Feedback mit System und Struktur

Habe ich erkannt, dass die Situation nach einem Feedback schreit, dann fange ich am besten an, meinen Neokortex wie verrückt zu beschäftigen. So verrückt, dass er das Limbische System quasi überstrahlt und dann auch jede Form von Angst-Spirale keine Chance mehr hat. Das mache ich am ich am besten mit drei Fragen, die nicht nur die grauen Zellen beschäftigt halten, sondern mir auch noch Struktur und Sicherheit für das anstehende Gespräch geben:

  1. Was habe ich WAHRGENOMMEN? Ich habe oft das Gefühl, dass subjektiv empfunden etwas falsch läuft und manchmal bin ich sogar sauer, ohne so richtig zu wissen, warum. Aus diesem Grund ist es zunächst erstmal wichtig, in sich selbst aufzuräumen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, was denn überhaupt passiert ist.

  2. Wie hat das auf mich GEWIRKT? Wenn ich verstehe, was mich berührt hat, ist es im zweiten Schritt wichtig, sich zu überlegen, was das Wahrgenommene mit mir gemacht hat. Unser Limbisches System überflutet uns manchmal so sehr mit Gefühlen, dass man droht, den Überblick zu verlieren. Überlegt euch bitte genau, was ihr gefühlt habt: wart ihr enttäuscht, traurig, wütend, erschrocken… Da gibt es so viel und alles ist richtig, weil es eure Gefühle sind.

  3. Was WÜNSCHE ich mir für die Zukunft? Ein Feedback ist immer etwas konstruktives, weil es meinen Kollegen Alternativen aufzeigen soll, die ihnen das Leben zukünftig leichter machen können. Aus diesem Grund ist ein Feedback auch nur dann ein Feedback, wenn es konstruktive Vorschläge für die Zukunft enthält. Deshalb gibt es in meiner persönlichen Feedback-Welt auch kein negatives Feedback. Wenn sich Menschen gegenseitig dabei helfen, immer besser zu werden, kann ein Feedback niemals negativ sein.

Mit der Idee des konstruktiven Feedback sind wir dann auch schon bei dem vielleicht wichtigsten Aspekt überhaupt: meiner eigenen inneren Haltung. Solange ich noch im Kampf-Flucht-Modus bin, bin ich nicht in der Lage, ein gutes und konstruktives Feedback zu geben. Für gewöhnlich beruhigt und besänftigt es unser Gehirn schon, wenn wir uns ausführlich Gedanken über die drei Fragen machen. Sollte das nicht helfen, empfehle ich, das Feedback-Gespräch nach Möglichkeit zu verschieben oder, wenn es nicht verschiebbar ist, sich bewusst zu entspannen. Ich nutze meine geliebte Yoga-Atmung, Vera Birkenbihl empfiehlt, eine Minute bewusst zu grinsen. Beides stimuliert den Vagus-Nerv, der bei uns für Entspannung sorgt und vielleicht habt ihr schon ganz eigene Strategien. Wichtig ist nur, dass ihr ruhig und entspannt in das Gespräch geht. Es darf euch niemals darum gehen, den andern wegen eines Fehlers oder eines Fehlverhaltens zur Schnecke zu machen. Fehler sind systemimmanent, ihr seid wohlwollend und großzügig und möchtet euren Kollegen eine Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln.

Und dann das Gespräch

Kommt es nun zu Gespräch, schafft bitte einen angemessenen Rahmen, unter vier Augen, wenn möglich abgeschirmt. Im Kopf habt ihr eure drei W's: Wahrnehmung - Wirkung - Wunsch. Und genau diese gilt es dann zu formulieren: “Ich habe eben gesehen, wie du mit dem Kunden XY gesprochen hast. Ich konnte hören, wie du auf einmal sehr lauf geworden bist und wild gestikuliert hast. Ich bin da erst einmal wirklich erschrocken, weil ich dich so nicht kenne und danach bin ich wütend geworden, weil wir uns einen solchen Umgang mit Kunden nicht leisten können. Ich möchte dich bitten, nicht so mit unseren Kunden zu sprechen. Und wenn du das nächste mal so wütend bist, egal aus welchem Grund, geh bitte aus der Situation heraus und lass das mich oder einen Kollegen übernehmen.” Ehrlich Leute, keiner steht morgens auf, um andere zu erschrecken, oder wütend zu machen. Manchmal passiert es uns aber trotzdem, ohne dass wir es wollen oder merken. In diesen Situationen brauchen wir einen Spiegel, um uns weiterentwickeln zu können. Ja, unser Gehirn ist manchmal echt von gestern, aber es ist auch super lernfähig, wenn wir ihm nur die Chance dazu geben.

Und was ist mit der guten alten Sandwich-Methode?

Ich weiß, Feedback wird gerne noch nach der Sandwich-Methode gelehrt: erst was nettes, dann das Problem und dann nochmal etwas nettes. Das soll den anderen öffnen, weil wir ihm ja erstmal erklären, wie toll er ist und was er gut macht. Aus meiner Sicht besteht hier die Gefahr, dass der Feedback-Nehmer nach dem Positiven abschaltet, oder es konstruktiv im Kopf für sich sofort relativiert, weil eigentlich war ja das meiste voll gut! Außerdem muss ich mein Gegenüber gar nicht auf mein böses Feedback vorbereiten, weil es sofort meine wohlwollende Grundhaltung spürt und wenn ich den ersten Punkt, meine Wahrnehmung, auch wirklich als meine ganz persönliche Wahrnehmung ausdrücke, fühlt sich auch niemand in die Enge getrieben oder gerät in eine Abwehrhaltung.

Üben - üben - üben

Dieses WWW-Prinzip scheint auf den ersten Blick nicht schwer, trotzdem bedarf es etwas Übung, um es dann, wenn es drauf ankommt, auch wie selbstverständlich nutzen zu können. Nur zu wissen, dass es das gibt, wird euch nicht sonderlich weiterhelfen. Ich schlage vor, dass ihr einfach damit anfangt, Positives nach dem WWW-Prinzip zu feedbacken. Das könnt ihr im Job tun, ihr könnt aber auch im Privatleben damit anfangen. Der Unterschied zwischen einem Lob und einem positiven Feedback ist folgender:

  • Das Lob: “Gut gemacht!”

  • Das positive Feedback: “Ich haben eben zufällig mitbekommen, wie du mit Kunden XY telefoniert hast. Ich fand es bewundernswert, wie ruhig und geduldig du geblieben bist. Das war wirklich gut. Weiter so!”

Wenn ich nur ein einziges Mal am Tag ein konkretes und klares positives Feedback gebe und das dann vielleicht zwei Wochen am Stück täglich durchziehe, hat mein Gehirn abgespeichert, wie es geht. Also traut euch!

Eure Constance

IMG_2016.jpg

Feedback mit Struktur

Das WWW-Prinzip

Servant Leader: Neuer Stern am Business-Himmel, oder olle Kammelle in neuem Kleidchen?

Für Katja

Mit das Spannendste am schreiben dieser allwöchentlichen Blog-Beiträge rund um das Thema Human Factor ist für mich interessanterweise die Themenfindung. Meine Themen finden mich auf allen möglichen Kanälen. Dieses, der Servant Leader, hat mich während einer Weinwanderung gefunden. Mit meiner lieben Freundin Katja habe ich bei bestem Wetter erörtert, wie man Menschen beibringt, Servant Leader zu sein. Die bedeutendste Frage aus der Perspektive eines Human Factors Trainer hierbei ist, ob man das Menschen überhaupt explizit beibringen muss. Ist der Chef, dem es gelingt, sein gesamtes Team zu Höchstleistungen anzuspornen, nicht immer “dienend”, weil ein Team nur Höchstleistung erbringt, wenn es auch die entsprechende Unterstützung erfährt?

Von Friedrich dem Großen zu agilen Mindsets

Was mich gelegentlich zum Lachen bringt, manchmal aber auch irgendwie wütend macht, ist der Umstand, dass es sehr eifrige Zeitgenossen gibt, die banalen Dingen, die es schon immer gab, extrem coole, neue Namen geben, sie mystifiziert, ein hoch komplexes Buch darüber schreiben und ihr “neues” System, das natürlich unabdingbar für eine erfolgreiche Organisation ist, mit einer tollen Marketing-Strategie für viel Geld verkaufen. Wie auch immer, dieser Servant Leader, oder die dienende Führung, ist keine neue Erfindung, auch wenn kluge Marketing-Strategen uns das unbedingt glauben lassen wollen. Einer der Ersten, der die Idee der dienenden Führung beschrieben hat, war kein geringerer, als Friedrich der Große. Es sollte hinlänglich bekannt sein, dass dieser kluge Mann lange vor der Erfindung agiler Unternehmensstrukturen gelebt hat. Ich zitiere ihn mal: “Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seines Standes aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, dass er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und (…) die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite.” Eingangsfrage beantwortet: Servant Leadership ist ne olle Kamelle! Aber sei’s drum, Jahre später hat Robert Greenleaf das Ganze aufgegriffen und als Ansatz in der Führungsforschung etabliert. Das geschah übrigens schon 1970, also knapp nach Friedrich dem Großen und kurz vor agilen Mindsets! Die dienende Führung beschreibt das Wirken von Führungskräften als Dienst am gesamten Team, der Abteilung, dem Unternehmen und stellt den Gegensatz zur beherrschenden Führung dar.

Und dann kam auch noch Hermann Hesse

Interessanterweise hat Robert Greenleaf seine Theorien auch nicht aus der hohlen Hand heraus entwickelt. Seine Geistesblitze hatte Greenleaf während der Lektüre von Herrmann Hesses Morgenlandfahrt, eine Erzählung mit deutlich autobiografischen Charakter. Die Geschichte handelt von einer Reise des jungen Violinenspielers H.H. Diese Reise H.H.s ist metaphorisch als die Suche nach dem Ideal, dem Streben nach sittlicher Reife und Spiritualität zu verstehen. Natürlich muss er das ein oder andere Abenteuer bestehen und am Ende steht die Erkenntnis, dass, wer diene lebendiger ist. Wer herrschen wolle, sei statisch, unbeweglich und lebe nicht lange. Ich halte es für übertrieben, dass herrschende Führungskräfte, die vor allem Macht ausüben, früher sterben. Aber sie töten ihre Organisation. Denn Lebendigkeit bedeutet Beweglichkeit und beweglich (oder sollte ich besser sagen flexibel) müssen Organisationen heutzutage sein, um Erfolg zu haben.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische…

Jetzt aber genug Geschichte und Literatur. Um zu verstehen, was dienende Führung ist, schauen wir uns erstmal kurz das Gegenteil davon an: die beherrschende Führung. Nach diesem Führungsverständnis besteht der Zweck von Führung in der Verhaltensbeeinflussung von Menschen zur Zielerreichung. Das setzt eine Asymmetrie zwischen Führendem und Geführtem voraus, die als Hierarchie wahrgenommen wird. Außerdem setzt diese Form der Führung voraus, dass der Führende am besten weiß, wo es wie entlang geht. Herrschende Führung sollte also höchst kompetent, am besten allwissend sein! Das Problem hierbei ist, dass es verdammt viele Menschen gibt, die sich zwar für allwissend halten, ich habe aber noch keinen getroffen, der es tatsächlich ist. ”Ich weiß, dass ich nichts weiß” ist in diesem Zusammenhang noch immer die Erkenntnis der Stunde. Tja, Sokrates wäre wahrscheinlich auch ein Servant Leader gewesen! Auf jeden Fall ist ausgerechnet er, bekennend unwissend, als einer der ganz großen Denker in die Geschichte eingegangen. Das zeigt mir sehr deutlich, dass man gar nicht allwissend sein muss, um großartig zu sein.

Von Sokrates zur Luftfahrt

Während Sokrates nun also wusste, dass er nichts wusste, stellte die Luftfahrt nach dem fatalen Flugzeugunglück in Teneriffa 1977 zunehmend fest, dass man gar nicht alles wissen kann, unmöglich (mehr zum Unglück von Teneriffa hier)! Man erkannte immer deutlicher, dass es nicht die großartige Leistung einzelner, unfehlbarer Flugzeugkapitäne ist, die Menschen gesund und munter von A nach B bringen, sondern die Leistung der gesamten Besatzung. Diese Erkenntnis war die Geburtsstunde des Human Factors- oder Crew Ressource Managementtrainings, dass Kapitäne schließlich zu Teammanagern machte, die sich bewusst darüber wurden, wie wertvoll ihre Crew für sie und ihren Erfolg ist. Man könnte auch sagen, sie haben verstanden, dass sie ohne ihre Crew, ihr Team, nichts sind, wirkungslos. Wer zu dieser Erkenntnis gelangt, wird schon aus ur-eigenstem Interesse zu einem dienenden Leader, ohne jemals zu einem Servant Leader ausgebildet worden zu sein.

Servant Leadership, endlich!

Die Philosophie des Servant Leaderships stellt als aller erstes die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Führenden und Geführten dar, wobei es vor allem die Führungskräfte sind, die ihre Teamkollegen oder Mitarbeiter als wertvolle Ressource wahrnehmen und verstehen. Aus Perspektive der Führenden stellt sich die Frage, wie man andere führen kann, damit sie sich weiterentwickeln und ihr volles Potenzial entfalten können, um so einen größt- oder bestmöglichen Beitrag zur Realisierung der gemeinschaftlichen Ziele zu leisten. Ob das Ziel nun, wie in der Luftfahrt, lebend anzukommen ist, oder ob es um die Entwicklung eines Produkts oder um eine Dienstleistung geht, ist egal. Die Erfolgsfaktoren auf menschlicher Ebene sind immer die gleichen.

Wenn ich Menschen nun also beibringen möchte, Servant Leader zu sein, muss ich sie zunächst den Wert ihrer Mitarbeiter erkennen lassen und parallel dazu ihre eigenen Grenzen. Im zweiten Schritt muss ich Servant Leader beibringen, wie sie dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter sich sicher genug fühlen, um sich frei zu entfalten. Die von der hochgeschätzten und regelmäßig von mir zitierten Harvard-Professorin Amy Edmondson beschriebene Psychological Safety ist die Basis für Kreativität und Höchstleistung. Die Gretchenfrage ist natürlich immer, wie man dafür sorgt, dass seine Leute sich sicher fühlen (und mit diesen Gedanken ist man im Prinzip schon ein Servant Leader!). Die Erfahrung zeigt, dass Menschen zwei Dinge brauchen, um sich sicher zu fühlen: sie dürfen keine Angst vor Fehlern haben und sie müssen wissen, woran sie sind. Ergo muss ich Feedback geben und eine Fehlerkultur implementieren, die Fehler als systemimmanent betrachtet und sie nicht negativ bewertet, sondern als Möglichkeit sieht, sich, die Organisation, das Produkt weiterzuentwickeln. Durch ein entsprechendes Fehlermanagement und eine funktionierende Feedbackkultur entsteht ein Regelkreis der Systemerneuerung, der wiederum zu einer Systemstabilisierung führt. Amy Edmondson nennt das übrigens Lernende Organisation, die sich wie ein lebendiger Organismus aus sich selbst heraus stetig weiterentwickelt und flexibel an neue Bedingungen anpasst. Wir drehen uns im Kreis und sind wieder bei Hesse und der Lebendigkeit!

Die Voraussetzung für das Gelingen einer dienenden Führung ist folglich natürlich eine hochgradig offene Organisations- oder Unternehmenskultur, sonst klappt das nicht mit Feedback- und Fehlerkultur. Ich gebe zu, dass es Führungskräften immer schwerer fällt, sich zu orientieren und sich ihrer eigenen Daseinsberechtigung bewusst zu sein, je offener eine Organisationskultur ist. Und ja, eine agile Transformation ist besonders für Führungskräfte ein einschneidendes Ereignis, werden sie doch subjektiv empfunden ein Stück weit ihres Status beraubt und fragen sich vielleicht, was denn nun ihre Aufgabe sei. Diesen Führungskräften bringe ich aber nicht bei, was Servant Leadership ist (zumal sie sicher intelligent genug sind, das in Büchern nachzulesen). Viel mehr muss ich ihnen darstellen, dass ihr Team sie weiterhin braucht. Ein Individualisierung von Führung ergibt sich auch in agilen Strukturen aus einer ungebrochenen Wertedynamik, aus der Unterschiedlichkeit der Teammitglieder, aus den unterschiedlichen Motiven der Menschen, die geführt werden sollen, oder oft sogar geführt werden wollen. Die Notwendigkeit von Führung ergibt sich aus dem unterschiedlichen Wollen, Können, Sollen und Dürfen der Teammitglieder. Besonders heterogene Teams sind interessanterweise auch die besonders leistungsfähigen Teams. Und die Unterschiedlichkeit, dieser Komplexität des menschlichen Miteinanders gilt es wahrzunehmen und zu mangen. Das ist eine große Aufgabe, die eine der Grundvoraussetzungen für Hochleistungsteams darstellt. Das haben schon die Herren Pawlowsky und Steigenberger im Rahmen ihrere mit der TU-Chemnitz erarbeiteten H!PE-Formel, einer Formel für High-Performance, herausgestellt. Ohne Führung keine Höchstleistung liebe Führungskräfte! Man braucht euch, aber man braucht euch als Menschen, die den Wert ihres Teams kennen und fördern, weil sie sich ihrere eigenen Grenzen bewusst sind!

Haben die Führungskräfte schließlich das Warum verstanden, ist es sinnvoll, ihnen darzustellen, welchen Nutzen sie von dieser Form der Führung haben, einer Führung, die ihr Team konsequent in den Mittelpunkt rückt. Eigentlich liegt der Benefit ganz klar auf der Hand: Erfolg! Da Erfolg an sich jedoch recht abstrakt ist, arbeite ich gerne mit Fallbeispielen von ausgesprochen guten Führungskräften, die durch ihre Art zu Führen erfolgreich waren. Da ich meine Wurzeln in der Luftfahrt habe und die Luftfahrt seit vielen Jahren durch entsprechende Schulungen bewusst diese Form der Führung, die das Team als Ressource betrachtet, fördert, nutze ich auch gerne Beispiele aus der Luftfahrt. In der Luftfahrt nennen wir das übrigens total platt und unspektakulär flache Hierarchie! All jene von euch, die meinem Blog regelmäßig folgen, können sich vielleicht noch an zwei ganz besondere Kapitäne erinnern: den kürzlich verstorbenen US-Amerikaner Al Haynes und den Australier Richard De Crespigny, die beide in fast aussichtslosen Situationen Menschenleben gerettet haben. Dies gelang ihnen nicht, weil sie überdurchschnittliche Super-Piloten waren, sondern weil sie sich darüber bewusst waren, dass ihr größter Trumpf ihre Crew-Mitglieder waren. Außerdem waren beide auf wunderbare Art und Weise bescheiden und sich wie Sokrates bewusst darüber, dass ihr eigenes Wissen und Können begrenzt ist. Wer sich nicht mehr an die beiden erinnern kann, findet hier den Link zum Artikel.

Und jetzt?

Tja Katja, und jetzt? Wahrscheinlich bist du im Hinblick auf diesen Workshop auch nicht klüger als vorher… Servant Leader werden eben nicht ausgebildet, sondern sie entwickeln sich aus sich selbst heraus. Natürlich kann ich diesen Prozess mit einem guten Konzept zur Führungskräfteentwicklung unterstützen, indem ich zur Selbstreflexion anrege oder anleite. Machen wir ja auch in der Luftfahrt sehr konsequent. Aber Menschen, die die Wertigkeit und die Bedeutung ihres Teams nicht erkennen wollen, werden selbst mit den besten Schulungen nicht zu Servant Leader, währenddessen Menschen, die die Wertigkeit anderer Menschen erkennen und wahrnehmen auch ohne jeden Workshop zu Servant Leadern werden. Hier muss man ansetzen! Friedrich der Große hat einfach so eine kleine Kulturrevolution angezettelt, weil er den Wert seines Volkes erkannt hat. Er hat einfach so verstanden, dass es dem Staat (also quasi seiner Organisation) nützlich ist, wenn auch Bauern lesen und schreiben können. Deshalb hat er Geld in die Hand genommen und das Bildungssystem ausgebaut. Er hätte sich ja auch ein neues größeres Schloss kaufen können um seine Macht noch deutlicher zu manifestieren…

Und ihr so? Schloss und Macht oder Schulen und Verantwortung?

Eure Constance

Servant_Leader.jpg

Dienende Führung

Oder einfach nur den Wert seines Teams erkennen

Systemische Fragen für mehr Leichtigkeit im Business-Alltag - Nicht nur für Führungskräfte und Projektmanager

Back to normal! Neulich bei der Arbeit

Bei mir gibt es in letzter Zeit im Job immer mehr Situationen, die sich wieder vorsichtig nach Normalität anfühlen. Die normalste Situation der letzten Woche war, als wir nach getaner Arbeit endlich mal wieder im Kollegenkreis zusammengesessen haben, um einen Feierabend-Sekt zu trinken und um dabei dies und das zu bequatschen. Mein Gott, war das mal wieder schön!

Dieser Austausch unter Kollegen dient nicht nur dem Zusammenhalt innerhalb des Teams, sondern hilft mir auch immer wieder, mein eigenes Repertoire an Lösungsstrategien für alle möglichen beruflichen Herausforderungen zu erweitern.

So haben wir also zusammengesessen und erzählt, was wir in den letzten Wochen und Monaten alles erlebt haben. Mir ist eine Situation im Kopf geblieben, in der Führung deutlich gefragt war. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, hat mich eine Kollegin erst sprachlos und dann wütend gemacht. Das typische “geht’s noch?” lag mir deutlich spürbar auf der Zunge und während ich so berichtete, spiegelte sich die identische Reaktion in den Augen meiner Zuhörer wieder. Als ich mit meinen Schilderungen am Ende war, kam schließlich die Frage wie ich mich in der Situation verhalten hätte. Ja, ganz einfach, anstatt (völlig zurecht) wütend zu reagieren, oder vielleicht etwas pädagogisch wertvoller, mitzuteilen, dass ich diese Situation nicht gut finde, habe ich die betreffende Kollegin einfach mal gefragt, wie sie denn glaube, dass ich diese Situation gerade erlebe und wie sie an meiner Stelle reagieren würde… Sie musste sich selbst eingestehen, dass das, was sie da grade getan hat, nicht gut war. Das selbst auszusprechen ist immer nachhaltiger, als es von jemand anderen gesagt zu bekommen und vor allem kostet es mich deutlich weniger Energie. Außerdem muss ich nicht aus der Hierarchie heraus tadeln, oder konstruktives Feedback geben, wie ich es lieber nenne!

“Du hast aber auch immer so Fragen…!” platzte es aus einer der Anwesenden heraus! Und ja, stimmt, ich hab da in der Tat immer so Fragen. Und diese Fragen machen mir das Leben an vielen Stellen leichter, weil diese Fragen einfach eine Menge Energie sparen und Situationen charmant lösen, die das Potenzial für sich im Kreis drehende Diskussionen haben.

Systemische Fragen als Geheimwaffe im Business-Alltag

Das erste Mal habe ich mich bewusst mit “so Fragen” im Rahmen meiner Ausbildung zum Mediator beschäftigt. Allerdings kann man systemische Fragen keineswegs nur im Rahmen von Mediationen, Coachings und Trainings einsetzen, sondern auch im ganz normalen Wahnsinn des Business-Alltags. Jeder kennt diese Situationen, egal ob in Meetings, Kundengesprächen oder Gesprächen mit Kollegen, in denen man sich eine gefühlte Ewigkeit im Kreis dreht und sich das Problem als schier unlösbar darstellt. Das passiert den besten Teams und den professionellsten Kommunikatoren. Jedoch haben die wirklich besten Kommunikatoren an dieser Stelle noch eine Geheimwaffe im Petto: systemische Fragen. Sie helfen, festgefahrene Situationen zu lösen und sorgen dafür, dass der Fragesteller auch noch die Gesprächsführung übernimmt. Denn wer fragt, führt!

Im Gegensatz zu anderen Fragearten geht es bei systemischen Fragen in erster Linie nicht darum, einen Zugewinn an Wissen zu erlangen, sondern vielmehr darum, sein Gegenüber zum Perspektivwechsel oder zum freien, kreativen Denken anzuregen.

Geheimwaffe mit Nebenwirkungen

Bei der Anwendung systemischer Fragen gilt es drei Aspekte zu bedenken, bzw. zu beachten:

  1. Sobald ich damit beginne systemische Fragen zu stellen, übernehme ich automatisch die Gesprächsführung. Entspricht das nicht der Hierarchie innerhalb meines Teams oder meiner Organisation, darf darüber nachgedacht werden, mit dem Chef im Vorfeld Rücksprache zu halten und sich ggf. Rückendeckung zu holen.

  2. Durch systemische Frage möchte ich eingefahrene Denkmuster auflösen. Deshalb sollte ich auch selbst ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit mitbringen. Hierzu ein sehr banales Beispiel aus meinen eigenen Versuchen, angemessen zu führen: Vor etwa einem Jahr habe ich mich sehr über einen Kollegen geärgert, weil er aus meiner Sicht völlig unnötig gegen eine total banale, aber für mich wichtige Regel verstoßen hat. Ich war wirklich wütend, weil ich sein Verhalten auch ein wenig als Angriff auf meine eigenen Autorität empfunden habe. Meine Standpauke war im Kopf schon zurechtgelegt. Da sich das Stellen von Fragen bei mir inzwischen schon halbwegs verselbstständigt hat, habe ich auch dieses Feedback-Gespräch mit einer Frage eingeleitet: “Was hat dich davon abgehalten, dich heute an Regel XY zu halten?” Die Antwort hat mich völlig aus dem Tritt gebracht! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine Erklärung kommen könnte, die alles in ein Licht rückt, in dem ich diesen eklatanten Regelverstoß total nachvollziehen konnte. Ich war eine ganze Weile sprachlos und ich hasse es, sprachlos zu sein. Also, wer offene Fragen stellt, muss auch mit allen möglichen Antworten rechnen und dafür offen sein!

  3. Systemische Fragen sollen zum nachdenken anregen. Deshalb muss ich meinem Gegenüber zum einen den Raum und die Zeit geben, sich zu reflektieren und zum anderen muss ich meine Fragen so stellen, dass mein Gegenüber sich nicht angegriffen fühlt. Eine wohlwollende und offene innere Haltung ist hierbei Grundvoraussetzung.

Systemische Fragen: ein Überblick

Innerhalb der systemischen Fragen gibt es unterschiedliche Arten von Fragen, die ich je nach Situation und Zielsetzung flexibel einsetzen kann. Hier ein kleiner Überblick über die wichtigsten Fragearten aus der Familie der systemischen Fragen:

  • Möchte ich einen Perspektivwechseln erreichen, oder festgefahrene Denkmuster aufbrechen, stelle ich eine zirkuläre Frage, wie zum Beispiel: „Wie würde XY sich fühlen, wenn Sie ihm mit dieser Einstellung begegnen?“, oder „Versuchen Sie sich, einen externen Beobachter vorzustellen: wie würde dieser nicht involvierte Beobachter in dieser Situation reagieren?“.

  • Stelle ich eine hohe, negativ behaftete Problemorientierung fest, können lösungsorientierte Fragen helfen, positives, lösungsorientiertes Denken anzuregen: „ Wie wurde in der Vergangenheit ein solches Problem gelöst?“, oder „Welche Faktoren sind für den Erfolg besonders wichtig?“.

  • Hypothetische Fragen sind hilfreich, wenn eine besonders kreative Problemlösung angetriggert werden soll: „Wie würde die Lösung aussehen, wenn Sie ein unbegrenztes Budget hätten?“, oder „Was würden Sie machen, wenn Sie keine Angst davor hätten, zu scheitern?“.

  • Möchte ich meinen Gegenüber dazu bringen, festgefahrenen Verhaltens- oder Denkensweisen zu reflektieren, sind Begründungsfragen hilfreich: „Welche Erfahrung liegt Ihrer aktuellen Meinung zugrunde?“, oder „Wie sicher sind Sie genau, dass dieses Problem auf diese Weise gelöst wird?“.

  • Um die Angst vor einem bestimmten Problem zu relativieren, oder um Fortschritte zu veranschaulichen, dienen skalierende Fragen: „Wie beurteilen Sie das auf einer Skala von eins bis zehn?“, oder „Im Vergleich zu früheren Problemen im gleichen Bereich, wo würden Sie dieses Problem einordnen?“.

  • Wenn ihr mutig seid, euer Gegenüber verblüffen und zum Nachdenken anregen möchtet, um eine Situation dadurch zu drehen, kannst du auch  paradoxe Fragen nutzen: „Was müssten Sie tun, damit Sie in jedem Fall scheitern?“, oder „Wie werden Sie den Kunden ganz sicher los?“. Vorsicht, hierbei ist es sinnvoll, den Gegenüber auf das kleine Gedankenexperiment vorzubereiten.

Nur Mut: einfach loslegen!

Welche Frageart für welche Situation am besten geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Insgesamt ist das immer abhängig vom Gesamtkontext und man darf an dieser Stelle durchaus spontan, flexibel und dem Bauchgefühl folgend vorgehen. Allerdings ist es dazu wichtig die Option systemischer Fragen in sein Bewusstsein zu implementieren und ab da ist es einfach nur Übung und Ausprobieren. Wie immer wird man in Situationen kommen, in welchen das mit den Fragen schon ganz gut funktioniert und manchmal wird es daneben gehen. Das ist Teil des Prozesses. Bei mir war es anfangs so, dass ich immer erst nach einer bestimmten Situation daran gedacht habe, dass ich diese Situation mit Hilfe von systemischen Fragen hätte viel einfacher, leichter, charmanter lösen können. Sollte es euch ebenfalls so ergehen, ist es sinnvoll, sich dann auch noch zu fragen, welche konkreten systemischen Fragen hilfreich gewesen wären. So rückt die Idee der systemischen Fragen immer deutlicher in unser Bewusstsein und wird irgendwann zum Selbstläufer. Also ran an den Speck und einfach loslegen!

Eure Constance

Constanze Homepage (19b)Hoch.jpg

Offen für Neues

Perspektivwechsel und Kreativität mit Hilfe systemischer Fragen