Konfliktmanagement

Gemeinsam in den Abgrund - Wenn der Konflikt ins Unermessliche eskaliert...

Die Konflikteskalation nach Friedrich Glasl

Ich finde Konflikte ausgesprochen faszinierend. Nicht erst seit meiner Ausbildung zum Mediator. Mich haben Konflikte schon immer in ihren Bann gezogen. Ich finde Konflikte unglaublich spannend und beschäftige mich gerne mit ihnen. Wahrscheinlich werden sich einige nun denken, ich sei sonderbar. Recht haben sie! Denn ja, auch ich finde (meine eigenen) Konflikte bei aller Faszination nicht toll. Im Gegenteil. Trotzdem, oder vielleicht auch deshalb, hat mich die Thematik gefangen: Ich kenne niemanden, der Konflikte im ersten Moment toll findet. Es sagt auch kaum jemand “Ja, gerne!”, wenn ich frage, ob sie/er Lust auf einen Konflikt haben. So scheint sich also die Mehrheit der Menschheit einig darin, dass Konflikte doof sind und ich frage mich, weshalb wir uns alle dennoch immer und immer wieder auf sie einlassen, mitmachen und sie voran treiben! Genau dieser Widerspruch macht meine Faszination aus. Sie sind allgegenwärtig und überall, obgleich sie doch niemand zu sich einlädt. Böse Zungen könnten sagen, wir brauchen sie förmlich. Ich antworte darauf “Nein, auf keinen Fall!” und schaue mir dabei zu, wie ich mich selbst in den nächsten Konflikt hineinmanövriere…

Sie sind eben elementarer Teil unseres Miteinanders, obwohl sie nicht erwünscht sind. Hinzukommt, dass sie immer und immer wieder gleich ablaufen. Das heißt, theoretisch könnten wir sie auch immer und immer wieder mit den gleichen Mitteln im Keim ersticken oder sie lösen, bevor sie total eskalieren. Und doch tun wir es nicht!

Neun Stufen in den Abgrund

Der österreichische Konflikt- und Friedensforscher Friedrich Glasl hat nach ausgiebiger Analyse diese Gleichförmigkeit von Konflikten in einer neunstufigen der Eskalation beschrieben, die ich zunächst kurz für all jene, die sich damit bislang noch nicht beschäftigt haben, zusammenfassen möchte:

  1. Es wird kälter: Jeder kennt dieses Gefühl. Man merkt, dass etwas nicht stimmt. Es gibt Spannungen und Sticheleien, kein wirklicher Streit, aber genug, um sich unwohl zu fühlen.

  2. Debatten und Polarisation: Kurzgefasst; es wird diskutiert und debattiert, wann immer es geht. Meist ohne des Pudels Kern zu benennen. Die jeweils anderen werden dabei langsam zum Gegner.

  3. Taten statt Worte: Jetzt geht es darum, die jeweils anderen konkret unter Druck zu setzen. Im Arbeitsumfeld könnte das bedeuten, die anderen vielleicht einfach mal zu vergessen, sie in einer wichtigen Mail nicht anzukopieren. Soll passieren, habe ich gehört! Ups!

  4. Jeder soll sehen, dass der andere der Schuft ist: Natürlich geht es darum, Allianzen zu knüpfen, Unterstützung und Verbündete zu finden. Klar, wenn mir noch drei andere bestätigen, dass das Verhalten des anderen “gar nicht geht” wird meine subjektive Empfindung jetzt zur objektiven Wahrheit! Victory!

  5. Gesichtsverlust: Nun ist es erklärtes Ziel, die jeweils anderen moralisch zu entwerten. Es geht langsam aber sicher nicht mehr um das eigentliche Konfliktthema, sondern um die anderen als Person, um den Feind! Eine differenzierte Perspektive wird immer schwieriger.

  6. Drohstrategien: Mein Lieblingspunkt! Ja, wir Menschen drohen unglaublich gerne, weil wir glauben, dass die anderen tun, was wir wollen, wenn wir sie nur gehörig unter Druck setzen. Dass wir uns dabei immer selbst am meisten unter Druck setzen, merken wir meistens erst zu spät! Kurze Geschichte gefällig? Eine hochgeschätzte Trainerkollegin berichtet an dieser Stelle gerne von ihren beiden Söhnen, die nicht so gerne aufräumen. Das nervt Mama natürlich sehr. Mal wieder herrschte Chaos in den Kinderzimmern. Es war Wochenende, die ganze Familie freute sich auf ein Straßenfest. Mama freute sich am meisten, weil sie sich da mit Freundinnen zum Sektchen treffen wollte. Die unaufgeräumten Zimmer ihrer Jungs am Morgen erzürnte sie jedoch so sehr, dass sie sich zu folgendem Satz hinreißen ließ: “Wenn ihr das nicht sofort aufräumt, gehen wir nachher nicht auf das Straßenfest!”. Sie sprach es und bereute postwendend! Was, wenn die beiden nicht aufräumten? Dann würde sie selbst entweder ihre Freundinnen nicht zum Sektchen treffen können, oder sie würde ihre Autorität bis zur Volljährigkeit der beiden verspielen müssen… Ich bin mir sicher, jeder kann von ähnlich gelagerten Situationen berichten und trotzdem tun wir es immer wieder!

  7. Begrenzte Vernichtungsschläge: Ab hier gibt es langsam aber sicher kein Halten mehr. Man fängt an, eigene moralische Grenzen zu überschreiten, nur um dem anderen zu schaden.

  8. Zersplitterung: Jetzt geht es zusätzlich darum, die anderen zu isolieren, indem man ihre Netzwerke zu zerstören versucht. Dabei macht man sogar vor der Manipulation Dritter keinen Halt.

  9. Gemeinsam in den Abgrund: Nun ist schließlich der Punkt erreicht, an dem man selbst eigene Verluste billigend in Kauf nimmt, solange die anderen noch ein klitzekleines bisschen mehr verliert. Wer kennt den Film “Rosenkrieg”? Genau so!

Wie das Steuer herumreißen, wenn man sich bereits auf dem Weg in den Abgrund befindet?

Ich habe meine eigene rote Linie gezogen, wenn ich damit beginnen, mir Allianzen zu basteln. Spätestens hier nehme ich wahr, dass ich mich in der Konfliktspirale nach unten bewegen und versuche Möglichkeiten zu finden, gegenzusteuern. Hierbei ist die einfachste auch immer gleich die herausforderndste Lösung: Miteinander reden, anstatt übereinander.

Friedrich Glasl zieht seine rote Linie insbesondere auch in seiner Rolle als Friedensforscher nach Stufe sechs. Alles das, was in seiner Beschreibung der Eskalation von Konflikten jenseits von Drohungen folgt, ist aus seiner Sicht Teil des roten Bereichs. Was also tun, wenn ein Konflikt diesen Bereich erreicht hat. In meiner Mediationsausbildung war davon die Rede, dass es ab der Stufe sieben machtvolle Instanzen von außen braucht, um eine (rechtliche) Lösung herbeizuführen.

Frieden stiften in scheinbar auswegloser Situation

Vor einigen Woche hatte ich die tolle Möglichkeit, einer virtuellen Podiumsdiskussion zwischen Friedrich Glasl und Erich Visotsching, dem Vater des systemischen Konsensierens, beizuwohnen, in der es genau darum gehen sollte: Was tun, wenn Konflikte die rote Linie überschritten haben?

In Verlauf des Gesprächs hat Friedrich Glasl von seiner Arbeit im Rahmen der Befriedung des Nordirlandkonflikts und des Balkankrieges erzählt. Glasl hat berichtet, dass in diesen Konflikten alle rote Linien längst überschritten waren. Zu viel Blut sei bereits geflossen, zu viele Menschen haben ihr Leben verloren. Die Fronten waren verhärtet. Und dennoch, so erklärte Glasl ist eine Mediation, eine Vermittlung auch hier noch möglich. Glasl ist an dieser Stelle mit einer Frage eingestiegen, die ich auch schon häufig genutzt habe, und als paradoxe Intervention bezeichnen würde. Allerdings hat Glasl hierbei ein anderes Ziel verfolgt, als ich. Nun, er ist eben der Meister und ich noch Schülerin.

Was ist eine paradoxe Intervention? In diesem Kontext ist es die Frage danach, was passieren würde, wenn es jetzt immer weiter so ginge. In welche Richtung würde sich die Situation entwickeln? Wie genau würde die weitere Verschärfung des Konflikts aussehen? Soweit war ich bei Glasl. Es ist hilfreich, Menschen das Undenkbare denken und formulieren zu lassen, um sich eventuell eine neue Perspektive zu erarbeiten, eine Perspektive, die auch die Ebene der möglichen Auswirkungen mit einbezieht.

Im Gegensatz zu mir hat Glasl an dieser Stelle nicht aufgehört. Er wollte wissen, ab welchem Punkt der Preis der Eskalation zu hoch sei. Welche (gemeinsamen) roten Linie die Beteiligten sehen. Momentan könnte die Welt am Rand eines Atomkrieges stehen. Eine rote Linie, die beide Seiten nicht überschreiten möchten? Dieses aktuelle Beispiel hat er benannt.

Glasl hat beschrieben, dass hinter diesen roten Linien Werte stehen, in vielen Fällen sogar gemeinsame Werte bei unterschiedlichen Konfliktparteien. So ist es Glasl gelungen, in scheinbar ausweglos verfahrenen Konflikten Gemeinsamkeiten der beiden Konfliktparteien zu identifizieren und anhand dieser Gemeinsamkeiten an einer Lösung zu arbeiten. Was müssen wir tun und was können wir tun, um unser gemeinsames Worst-Case-Szenario zu verhindern?

Mit Liebe zu und Vertrauen in Menschen

Was mich besonders beeindruckt und begeistert hat, war, dass Glasl in seiner Arbeit für Frieden in unendlich tiefe menschliche Abgründe geschaut hat. Das war und ist Teil des Geschäfts. Er hat dabei seinen Glauben an die Menschen, mit denen er arbeitet, trotz allem nicht verloren. Er hat darauf vertraut, dass es den Konfliktparteien gelingt, innerhalb eines gesetzten Rahmens zueinander zu finden, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, die zumindest besser ist als der Ist-Zustand.

Während ich Glasl, der inzwischen schon über 80 Jahre alt ist, so zuhörte und mir eigene Anwendungsmöglichkeiten für diese für mich neue Idee zurechtgelegt habe, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wie schön es wäre, wenn wir gemeinsam als Gesellschaft diesen Weg gehen könnten. Vielleicht bringt uns die EM in Deutschland wieder ein bisschen näher zusammen. Ein Sommermärchen? Ein Midsommernachtstraum? Vielleicht auch nicht. Ich erlebe ein tief gespaltenes, konfliktäres Land. In Mannheim wird ein junger Mann während der Arbeit erstochen, der nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch sein Leben in den Dienst unserer gesellschaftlichen Freiheit gestellt hat. Was ist da los in unserer Gesellschaft? Auf welcher Eskalationsstufe würde Glasl uns einordnen? Die einen brüllen nach dem Kalifat, während 20 % von uns, die deutsche Fußballnationalmannschaft, nicht weiß genug finden. Es werden Strommasten abgefackelt, weil man mit dem Geschäftsgebaren von Tesla nicht einverstanden ist. Die angebliche Elite zeigt zur Empörung einer ganzen Nation auf Sylt den Hitlergruß, während auf Dorfdiscos die Empörung ausbleibt. Als Lösungsangebot wird “L’amour tousjours” während der EM verboten und die Politik streitet sich weiterhin zu Weilen tief unter der Gürtellinie. Europa wählt und die ehemalige innerdeutsche Grenze wird in unseren Herzen wieder neu errichtet… Echt jetzt?

Vielleicht sollten wir alle uns mal gemeinsam überlegen, wo unsere gemeinsame gesellschaftliche Reise auf keinen Fall hingehen sollte, um dann gemeinsam einen Weg hin zu einem wünschenswerteren Miteinander zu beschreiten. -Jenseits von Gewalt und Polarisierung. Ein erster Schritt, basierend auf den Werten unserer Gemeinschaft und den Manifesten unseres Grundgesetzes, sollte sein, keine Toleranz mit Gewalt und Verfassungsfeindlichkeit (egal ob von links, rechts oder aus Richtung islamistischer Gruppierungen) zu üben. In meiner Welt darf man das Kalifat ebenso wenig fordern, wie ein Deutschland für (Bio-) Deutsche oder eine Nationalmannschaft, die unsere bunte Gesellschaft nicht widerspiegelt.

Ich wünsche uns allen ein wunderschönes, zauberhaftes Miteinander während dieses bunten Fußballsommers. Vielleicht tritt es ja ein, dieses Sommermärchen jenseits eines Titels!

Eure Constance

Und dann ziehen düstere Wolken auf

Was tun wenn der Konflikt ins scheinbar Uferlose eskaliert?

Für Jarin: „… hab nen Luftballon gefunden. Denk an dich und lass ihn fliegen…“

Wenn es nur noch Verlierer gibt…

In den beiden Wochen seit meinem letzten Blog ist eine Menge passiert. Während ein weiterer furchtbarer Krieg ausgebrochen ist, habe ich gleich vier Workshops zum Thema Konfliktmanagement gegeben. Viermal habe ich davon erzählt, dass die neunte und letzte Stufe auf Glasls Skala zur Konflikteskalation “Gemeinsam in den Abgrund” heißt und gleich viermal habe ich erklärt, dass wir ab diesem Grad der Eskalation sogar eigene Verluste in Kauf nehmen, solange der andere noch etwas mehr verliert. Ab einem gewissen Punkt gibt es nur noch Verlierer.

Viermal habe ich erklärt, wie das große Harvard-Konzept zur Konfliktverhandlung in Nahost offensichtlich gescheitert ist. Und vielleicht ist es Israel in Anbetracht des Grauens auch nicht mehr zumutbar, die für eine Verhandlung notwendigen Kompromisse einzugehen. Wie auch, bei so vielen Toten, bei enthaupteten Kindern, entführten Babys…? Es steht mir nicht zu, an dieser Stelle zu bewerten oder zu urteilen wo dieser Konflikt seinen Ursprung nahm. Ich bin einfach nur traurig und frage mich, wohin diese Welt steuert. - Diese wunderschöne Welt, unser aller Zuhause.

Am Ende meiner Weiterbildung bei Richard Bandler vor zwei Wochen hat er davon erzählt, dass er, der auch die NASA berät, eines der ersten Fotos zuhause hat, das die ersten Menschen auf dem Mond gemacht haben. Es ist ein Bild unserer Erde. Die ersten Menschen auf dem Mond haben nicht den Mond fotografierte, sondern die Erde. Richard Bandler hatte die Möglichkeit, die Crew zu diesem Foto zu befragen und sie sagten, dass ihnen die absolute Schönheit der Erde in diesem Moment bewusstwurde und sie nicht anders konnten, als den schönen blauen Planeten im Bild festzuhalten. Und wir sitzen hier unten und machen alles kaputt…

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Geschehnisse in Israel haben mich in den letzten Tagen immer wieder in meine eigene Vergangenheit katapultiert, 25 Jahre zurück in eine wilde Zeit geprägt von Neugier, Freiheit und Mut. Nachrichten scheinen manchmal (zum Glück) so weit weg zu sein. Der Konflikt in Israel ist mir jedoch seit 25 Jahren recht nah. Ich war 19 und auf meiner großen Rucksackreise. Irgendwo im Nirgendwo stand er da: Jarin! Ich war fünf Tage lang schockverliebt. Er auch. Er war Mitte zwanzig, Israeli und ziellos. Ich erinnere mich, wie wir Nächte lang geredet haben, geredet, geträumt, gelacht und geweint. Jarins Großeltern väterlicherseits waren deutsche Holocaustüberlebende. Er sprach fließend Deutsch. Seine Mama war israelische Christin. Er verlor seine Großeltern, seine Eltern und sein große Schwester in einem Attentat der Hamas, in einem Krieg, den er nicht als seinen sah. Auf dem Papier war er zwar Israeli, aber Christ, einen deutschen Pass hatte er zudem. Wo er hingehörte wusste er nicht mehr.

Seit dem Tag, an dem er seine Familie verloren hatte, war er ziel- und heimatlos unterwegs. Zurück nach Israel wollte und konnte er nicht. Er galt als fahnenflüchtig. Wohin er wollte wusste er auch nicht. Er sprach von Hamburg, weil er das Meer liebte und seine Großeltern trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit immer wieder positiv von Deutschland gesprochen haben.

So reisten wir ein kleines Stück gemeinsam. Ich genoss die Zeit mit ihm so sehr, wissend, dass sie begrenzt sein würde. Ich erinnere mich noch gut an seine warmen braunen Augen, in denen selbst in den fröhlichsten und unbeschwertesten Momenten immer auch Traurigkeit und Leere zu sehen war. Er war nicht wütend, nicht auf die Hamas, nicht auf Israel. Er war leer. Er sagte immer, es sei nicht sein Krieg, er wollte einfach nur in Frieden leben, so wie seine Familie, seine Eltern und Großeltern es wollten. Er hasse nicht, er könne nicht hassen. Nur lieben könne er auch nicht mehr.

Wir verabschiedeten uns Mitten in Irland, in Kilkenny. Am letzten Abend tranken wir noch ein gemeinsames Guinness und er ließ mir einen Spruch in meinem Reisetagebuch da: “Ich wandle einsam, mein Weg ist noch lang. Hinauf zum Himmel schau’ ich so bang. Kein Stern von oben blickt niederwärts, einsam der Himmel und traurig mein Herz. Mein Herz und der Himmel - sie plagt gleiche Not: Sein Glanz ist erloschen, meine Liebe ist tot.” Keine Ahnung, wen er da zitierte. Ich zitiere seitdem ihn.

Krieg und Frieden

Es war eine intensive Zeit, damals mit 19. Zum ersten Mal habe ich eine wirkliche Idee von Krieg bekommen. Zum ersten Mal konnte ich unmittelbar spüren, was Krieg tut. Er zerstört und zerreißt. -Nicht nur die aktiven Akteure, sondern alle, die nicht weit genug weg sein können. Wie viel Schmerz kann ein Mensch ertragen? Mit diesem Gedanken bin ich weitergereist. Der Zufall wollte es, dass ich nur wenige Wochen später an der irischen Westküste einen waschechten und zwischenzeitlich begnadigten Terroristen kennengelernt habe. Ein alter, gebrochener Mann, der sein Leben in Guinness und Whisky ertränkte und mir erklärte, dass er damals gemeinsam mit seinen Brüdern bei der IRA so sehr damit beschäftig war, für eine bessere Welt und ein besseres Leben für seine Familie, Frau und Kinder, zu kämpfen, dass er vergessen habe, eine Familie zu gründen. Nun sei er alt, einsam und habe seine besten Jahre an den Kampf verschenkt. Ich fragte mich wie viele Jarins er wohl zurückgelassen hatte und trotzdem tat er mir leid. Er hat von einer besseren und aus seiner Sicht gerechteren Welt geträumt und sich dabei verzockt. Er war blind vor Hass.

Gut und Böse, Richtig und Falsch

Damals habe ich beide Seiten erlebt und habe für mich begriffen, dass richtig und falsch, Gut und Böse häufig eine Frage der Perspektive ist. Die einzig absolute Macht ist für mich die Liebe, Liebe und Empathie. Betrachte ich mir typische Konfliktspiralen spielt der Verlust der Empathie im Rahmen der Eskalation eine große Rolle und es macht mir Angst zu sehen, mit wie wenig Empathie die Terroristen der Hamas Menschen auf schrecklichste Arten getötet haben. Ebenso macht es mit Angst, dass Israel sich offensichtlich gefühlt immer weniger Empathie mit all den unschuldigen Menschen in Gaza leisten kann. Natürlich frage ich mich, wo das alles hinführen soll, auch geopolitisch betrachtet…

Vielleicht sollten wir alle gemeinsam auf den Mond fliegen, um zu sehen wie wunderschön und beschützenswert unsere Erde und unser Leben auf unserer Erde ist. Probleme werden kleiner je weiter man weg ist…

Im Radio läuft gerade Grönemeyer “Kinder an die Macht”: Die Armeen sind aus Gummibärchen, die Panzer aus Marzipan. Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich genial…

Ich denke an Jarin. Jarin bedeutet “er wird froh sein”. Ich hoffe er hat einen Ort gefunden um zur Ruhe zu kommen, froh zu sein, vielleicht ja sogar in Hamburg. Er liebte Nenas 99 Luftballons und beharrte darauf, dass Kriege keinen Platz für Sieger ließen. Heute Abend werde ich wieder einmal die Nachrichten schauen und wissen, dass er recht hatte. Und gleichzeitig wird mein Herz auch all jene verstehen, die aus Trauer um ihre Liebsten erfüllt von Rachegefühlen auf der Eskalationsskala von Glasl weiter gemeinsam in den Abgrund steuern. Es ist eben nicht schwarz-weiß.

Habt einen friedlichen Sonntag voller Liebe.

Euere Constance

Gebt den Kindern das Kommando. Sie berechnen nicht was sie tun.

Es gibt kein Schwarz, es gibt kein Weiß…

Zum Jahrestag der Erstürmung der "Landshut": Terrorismus oder das Ende des Miteinanders

Der Deutsche Herbst

Wer die Ereignisse des Deutschen Herbstes kennt und auch hinsichtlich der Entführung der Landshut einen groben Ablauf im Kopf hat, darf getrost zur nächsten Zwischen-Überschrift weiterspringen. In meinen Schulungen in der Luftfahrt, in denen “die Landshut” noch immer Thema ist, stelle ich gerade bei der Generation unter vierzig immer wieder fest, dass diese Phase der deutschen Geschichte nicht wirklich präsent ist. Deshalb hier ein ganz kurzer Abriss der Ereignisse. Vorweg sei gesagt, dass ich keine Historikerin bin und die von mir dargestellten Ereignisse keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben.

Wir schreiben das Jahr 1977. Deutschland wird schon seit mehreren Jahren vom linksradikalen Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) außer Atem gehalten. Zwar sitzt die Führungsriege der sogenannten ersten Generation der RAF im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim in Haft, allerdings hat sich inzwischen eine zweite Generation linksradikaler Terroristen zusammengefunden, die mit Unterstützung der palästinensischen Terrororganisation Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) weiterhin Terror ausübte. Im Herbst des Jahres 1977 sollten die gemeinsamen Bemühungen ein Ziel haben: die Freilassung der Führungsriege der ersten Generation (darunter Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Rasper und Irmgard Möller). Mit diesem Ziel vor Augen stürzten sie Deutschland zwischen September und Oktober 1977 in eine der schwersten Krisen des Landes. Die Bezeichnung Deutscher Herbst leitet sich übrigens von einem Dokumentarfilm ab, der ein Jahr später erschienen ist. Aber was war passiert? Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1977 erschossen RAF Kommandos bereits den Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto. Außerdem scheiterte ein Anschlag auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die heiße Phase des Deutschen Herbstes begann am 5. September mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidents Hans Martin Schleyer in Köln. Die Entführer drohten mit dessen Ermordung und forderten die Freilassung von insgesamt elf RAF-Mitgliedern. Nachdem sich die Entführung Schleyers bereits drei Wochen hinzog und die Bundesregierung unter Helmut Schmidt klar machte, die Forderung nicht zu erfüllen, bot die PFLP ihre Hilfe an und schlug der RAF zwei Szenarien vor: entweder eine Geiselnahme in der Deutschen Botschaft in Kuwait oder die Entführung einer Lufthansa Maschine auf dem Weg von Mallorca nach Deutschland. Die Entscheidung ist uns allen bekannt und so nahmen die Ereignisse am 13. Oktober 1977 ihren Lauf: ein vierköpfiges Terrorkommando (zwei Männer, zwei Frauen) schmuggelten, versteckt in Kosmetikköfferchen und in einem Radio, zwei Pistolen, vier Handgranaten und etwa 500g Sprengstoff an Bord des Lufthansafluges LH181. Unterwegs war die Lufthansa an diesem Tag mit einer Boeing B737 namens Landshut.

In französischen Luftraum übernahm das Terrorkommando die Kontrolle über die Maschine. Man wollte nach Zypern, musste jedoch in Rom zwischenlanden, da das Kerosin nicht reichte. Schließlich in Zypern angekommen, vermittelte die PLO und es sollte in den Libanon weitergehen. Da die Flughäfen von Beirut, Damaskus, Bagdad und Kuwait gesperrt waren, ging es jedoch über Manama nach Dubai. In Dubai gelang es dem Kapitän der Landshut, Jürgen Schumann, Informationen bezüglich der Entführer nach draußen zu geben. Leider teilte das der Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate so auch im Fernsehen mit. Davon erfuhren die Entführer und drohten Kapitän Schumann das erste Mal mit dessen Erschießung. Nach drei Tagen ohne Klimaanlage in der Sonne Dubais sollte es in den Oman weitergehen. Da der Oman keine Landeerlaubnis gab, ging es nach Aden. Auch hier wollte man die Landshut nicht und sperrte kurzerhand die Bahn. Da der Sprit jedoch zu Neige ging, musste Kapitän Schumann trotzdem landen, nachts auf einem Sandstreifen neben der Bahn. Da er Sorge hatte, dass dabei das Fahrwerk beschädigt wurde, gestatteten die Entführer Kapitän Schumann nach draußen zu gehen und das Fahrwerk zu überprüfen. Als er erst nach einer guten Stunde zurückkehrte, mutmaßten die Entführer, dass er erneut Kontakt zu Behörden aufgenommen und Informationen weitergegeben hatte. Daraufhin erschoss ihn einer der Terroristen im Mittelgang des Flugzeuges mit einem gezielten Kopfschuss.

2008 konnte man tatsächlich den Kommandeur einer jemenitischen Sondereinheit ausfindig machen, mit dem Kapitän Schumann im Rahmen seines sogenannten Outside Checks Kontakt aufgenommen hat. Er erzählte, dass Kapitän Schumann sehr besorgt um das Leben seiner Passagiere war, weil er eine Beschädigung des Flugzeuges nicht ausschließen konnte und ihn bat, den Weiterflug der Maschine unbedingt zu verhindern. Man könnte sagen, er starb, weil er sich selbst in dieser Ausnahmesituation der großen Verantwortung für die ihm anvertrauten Passagiere und seiner Crew bewusst war und diese annahm. In meine Blogs schreibe ich so oft über Führung und Führungsqualitäten. Kapitän Schumann hat wirklich verstanden, dass es nicht um Macht, Rang oder Prestige geht, sondern um Verantwortung.

Vor einigen Jahren durfte ich die Nichte von Kapitän Schumann als Teilnehmerin in einer Schulung zur Luftsicherheit begrüßen. Sie hat ihren Onkel nie kennengelernt. Und jedes Mal, wenn ich am Flughafen in Frankfurt die Kapitän Schumann Straße entlangfahre, fällt mir auf, wie nah Geschichte sein kann.

Mit dem toten Kapitän Schumann an Bord ging es weiter nach Mogadischu. Die emotionale Belastung der Passagiere und auch der Crew bis dahin kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe so oft in meiner Uniform an der Flugzeugtür gestanden und mir angeschaut, wer so einsteigt und so oft habe ich mich von meinen Kapitänen mit einem “bis zum nächsten Mal” verabschiedet. Für meine Kolleginnen und Kollegen der Landshut gab es kein nächstes Mal mit ihrem Kapitän.

Nach der Landung in Mogadischu drohten die Entführer schließlich, die gesamte Maschine in die Luft zu sprengen. Es wurden Ultimaten ausgehandelt, die einer Einheit des Bundesgrenzschutzes, der GSG9, die Zeit verschafften, die sie brauchten, um sich zu positionieren. Um als deutsche Einheit auf somalischen Boden gewähren zu dürfen, gab es wohl die ein oder andere Waffenlieferung. Wie dem auch sei, am 18. Oktober um 00:05 Uhr MEZ (etwa 90 Minuten vor Ende des Ultimatums) wurde gestürmt. In Anbetracht der Gemengelage hätte man viele Tote und Verletzte erwarten können. Im Schusswechsel starben jedoch nur drei der vier Terroristen. Wie nervenstark und professionell müssen diese GSG9 Beamten gewesen sein? Eine der Terroristen, Souhaila Andrawes, überlebte schwer verletzt. Ihre Gesinnung machte sie noch auf dem Weg zum Krankenwagen deutlich, mit Victory-Zeichen und den Worten “tötet mich, wir werden siegen”. Heute lebt sie unbehelligt in Norwegen. Für ihre Tat saß sie lediglich vier Jahre in Haft. Zwar wurde sie in Somalia zu 20 Jahren Haft verurteilt, jedoch recht schnell in den Irak abgeschoben. Über Beirut ging es nach Zypern und schließlich nach Norwegen, wo ihr als Palästinenserin politisches Asyl gewährt wurde. Zwar wurde sie in Folge auch in Deutschland verurteilt, durfte ihre Haft jedoch in Oslo verbüßen, wo sie aus gesundheitlichen Gründen (Nachwehen der Schussverletzungen) sehr vorzeitig entlassen wurde.

Die inhaftierte Führungsriege der RAF beging noch in der gleichen Nacht kollektiven Selbstmord und einen Tag später wurde auch die Leiche Hans Martin Schleyers in einem Kofferraum im Elsass gefunden.

Der Deutsche Herbst war vorbei. Kanzler Schmidt hatte sicher eine der schwersten Entscheidungen seiner Karriere zu treffen und deren Konsequenzen auszuhalten. In Deutschland wurde es Winter.

Über Terrorismus und Kriminalität - der Versuch einer Abgrenzung

Die Ereignisse rund um die Entführung der Landshut bieten für mich als Human Factors Trainer unzählige Möglichkeiten anzuknüpfen: der Zusammenhang zwischen Führung und Verantwortung, wie Kapitän Schumann ihn zeigte, die unglaubliche Stärke der menschlichen Seele oder des Geistes, der alle Geiseln diese extreme Situation aushalten ließ, die Gnadenlosigkeit von Entscheidungen, wie sie Kanzler Schmidt sicher verspürt hat, oder das außergewöhnliche Stressmanagement jedes einzelnen GSG9 Beamten und die extrem gute Zusammenarbeit im Team der GSG9, die absolute High Performance hervorgebracht hat. Vielleicht werde ich mir das ein oder andere zu den nächsten Jahrestagen vorknüpfen. Heute möchte ich mich mit einem Thema auseinandersetzen, das mich schon seit Jahren beschäftigt: woher kommt Terrorismus und was können wir aus dem, was war, lernen.

Meine erste wirkliche Berührung mit Terrorismus hatte ich, als ich mit 19 im Ausland als Barkeeperin gearbeitet habe und einer der Stammgäste, ein alkoholabhängiger alter Mann, mir im Gespräch erzählte, dass er ein inzwischen begnadigter Terrorist war. Mit 19 ist man da erstmal sprachlos. Also erzählte er. Er berichtete wie er als junger, unterprivilegierter Mann mit der falschen Religion unbedingt für eine bessere Welt für seine Kinder kämpfen wollte. Natürlich gab es während des Kampfes für eine bessere Welt Kollateralschäden, die er augenscheinlich sehr bedauerte. Am meisten bedauerte er jedoch, dass er, während er total mit Kämpfen beschäftigt war, völlig vergessen hat, sich eine Frau zu suchen, mit der er eine Familie hätte gründen können. Dann kam er ins Gefängnis und als er rauskam, war es zu spät, um eine Familie zu gründen. Das ist irgendwie fast schon tragisch. Vor mir saß ein alter, einsamer, gebrochener Mann. Er hätte mir leidtun können, hätte ich nicht einige Wochen zuvor einen jungen, attraktiven, charmanten Mann kennengelernt, dessen Tragik es war, dass er seine Eltern und seine Großmutter bei einem Terroranschlag verloren hat.

Schon Albert Camus hat sich in seinem Drama “Die Gerechten” mit der Frage, ob der Zweck die Mittel heilige, auf intellektueller Ebene auseinandergesetzt und ist nach meinem Empfinden zu keiner befriedigenden Antwort gekommen. Was ist im Kampf für eine bessere Welt oder eine bessere Gesellschaft erlaubt? Wie weit darf man gehen? Diese Fragen haben mich zu dem Aspekt gebracht, der Terrorismus aus meiner Sicht von Kriminalität unterscheidet: ein Krimineller ist sich bewusst darüber, etwas Illegales zu tun, während ein Terrorist von der Richtigkeit seines Tuns so überzeugt ist, wie ich überzeugt davon bin, dass man eben diese Terroristen aufhalten muss. Es ist verrückt, dass Souhaila Andrawes bis heut immer wieder Flüge bei Lufthansa bucht und sich darüber wundert, dass man sie nicht mitnehmen möchte… Klar, in ihrer Welt hat sie nichts Falsches getan. Sie hat für ihre Ideale gekämpft. Wer oder was ist da schon die Deutsche Lufthansa?

Woher kommen Terroristen?

Wenn man Terror als einen Konflikt betrachtet, den eine Gruppen von Menschen mit dem Staat, der restlichen Welt oder einer Religion hat, dann ist dem Mediator klar, dass die Ursache von Terrorismus eine unterschiedliche Meinung oder eine andere Perspektive ist. Betrachtet man sich die Ursprünge der RAF, findet man eine Generation junger Studenten, die das Verhalten ihrer Eltern während der Zeit des Nationalsozialismus kritisch hinterfragt haben. Auch der Kapitalismus, die parlamentarische Demokratie und die bürgerliche Art zu leben wurde hinterfragt. Man war nicht mehr und nicht weniger, als auf der Suche nach einer besseren Form gesellschaftlichen Zusammenlebens und mit der Ablehnung des Vietnamkriegs war man auch gegen Krieg und für Frieden. Das hört sich großartig an. Ich hätte mitgemacht. Es bildete sich die Außerparlamentarische Opposition (APO), die sich politisch engagierte. Man hinterfragte Kanzler Giesinger, da dieser im Dritten Reich als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes auf Seiten der Nazis aktiv war und hinterfragte so auch die noch junge Bundesrepublik. Man überlegte vielleicht sogar völlig zurecht, ob das System, das alte Nazi-Kader wieder an die Macht brachte, das richtige System für einen wirklichen Neuanfang nach dem Unrecht des Dritten Reichs sei. Was um alles in der Welt konnte einige dieser klugen, reflektierten, mutigen jungen Menschen zu gewalttätigen Mördern werden lassen?

Was einen jeden eskalieren lässt, ist wenn man seine Meinung nicht hört oder hören möchte, man denjenigen außenvor lässt, ihn respektlos behandelt und nicht wahrnimmt (wir sind hier mal wieder bei Maslows Bedürfnispyramide). So erging es der APO. Obwohl sich hier ausgesprochen viele Menschen organisierten und man getrost von einer Bewegung sprechen darf, wurde diese von den Mächtigen in Politik und Gesellschaft ignoriert. War ja auch viel einfach so. Anders hätte man sich womöglich mit seiner eigenen Vergangenheit und seiner eigenen Verantwortung auseinandersetzen müssen.

Konflikteskalation nach Glasl, auch historisch betrachtet

Was passiert, wenn man mir nicht zuhört? Ich rede etwas lauter und lauter und lauter und lauter. Irgendwann schreie ich. Auch die Schreie der RAF wurden ignoriert. Es kam zu dem, was Camus beschrieben hat: es kam zu einer Strategiediskussion innerhalb der Studentenbewegung, die sich mit der Legitimation von Gewalt zum Erreichen der Ziele beschäftigte. Am Ende stand zunächst der Konsens, dass “Gewalt gegen Sachen” in jedem Fall gerechtfertigt sei. Der Staat sah das naturgemäß anders, zog die Daumenschrauben an, der Konflikt eskalierte weiter, die RAF ging in den Untergrund und irgendwann war man wohl der Meinung, dass durchaus auch Gewalt gegen Menschen gerechtfertigt sei, um sich Gehör zu verschaffen. Auf Glasls Skala zur Eskalation von Konflikten befinden wir uns auf Stufe 9 (hier ein Link zum erklärenden Blog). Ab hier gibt es keine Sieger mehr. Die Terroristen schauen nicht mehr nach links oder nach rechts, wie der alte Gast in dieser Bar am Ende der Welt, der das wichtigste in seinem Leben aus den Augen verloren hat, weil er nur noch den Kampf sehen konnte und dabei vergessen hat, wofür er eigentlich kämpfen wollte. Der Staat ist in die Enge getrieben und muss Entscheidung treffen, wie Kanzler Schmidt im Herbst 1977, eine gesamte Gesellschaft lebt in Angst und Menschen verlieren das wertvollste, was sie haben: ihr Leben. Zurück bleiben Familien und Freunde, die für den Rest ihres Lebens mit diesem Verlust klarkommen müssen.

Es geht mir nicht darum Terrorismus zu legitimieren. Wenn Menschen, aus welchen Gründen auch immer, die Grenzen hin zu Gewalt überschreiten, gibt es für mich keine Rechtfertigung mehr. Der Unterschied zu kriminellen Gewalttätern ist für mich als Mediator jedoch, dass man als Gesellschaft die Möglichkeit hat, terroristische Gewalt zu verhindern, wenn man zu einem sehr frühen Zeitpunkt deeskalierend vorgeht, indem man sich mit anderen Meinungen auseinandersetzt, allen Menschen Respekt entgegenbringt und vor allem, indem man sich zuhört.

Mein Blick in die Welt - mit der Vergangenheit im Kopf Zukunft gestalten?

Wie sieht es heute aus? Wenn ich mir die Medienlandschaft so anschaue, sehe ich überall auf der Welt junge Menschen, die sich eine andere Gesellschaft wünschen, die für wundervolle Dinge kämpfen, das Alte hinterfragen und von einer besseren Zukunft träumen. Wie gut hören wir diesen jungen Menschen zu? Gestehen wir ihnen zu, ihre Zukunft mitzugestalten, obwohl sie noch nicht Teil des mächtigen Establishments sind? Ich sehe Menschen, für die der Alltag ein Kampf ist, die gerade so über die Runden kommen und Angst davor haben, dass ihr Leben noch härter wird. Sie haben Angst, ihr Bescheidenes Hab und Gut auch noch teilen zu müssen. Vielleicht haben sie auch nur Angst vor allem, was fremd ist. Was tun wir, um ihnen diese Ängste zu nehmen? Wie viel Respekt und Verständnis bringen wir ihnen entgegen? Setzen wir uns überhaupt mit ihnen auseinander? Ich sehe Menschen, die wütend sind, weil sie nicht verstehen, dass sie auf Grund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Ethnie, ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. Wie sensibel sind wir, die wir zur vermeintlichen Mehrheit, zum Standard, gehören, für deren Sorgen, deren Wut und deren Träume?

Irgendwie erscheint die Welt immer so wahnsinnig überrascht, wenn man feststellt, dass wo auch immer und warum auch immer plötzlich Terrorismus auftaucht… Das war bei den Anschlägen von 9/11 so, mit dem IS konnte man natürlich auch nicht rechnen, der IRA und der ETA, der RAF, oder den rechten Terrorzellen in Deutschland. Hier scheint Donald Trump geradezu weitsichtig (und ich hasse es, das zu schreiben, denn ihr wisst wie ich zu ihm stehe). Er schreit den linksradikalen Terror wie ein Schreckgespenst gerade zu herbei. Interessant ist hierbei vor allem eins: es ist der Geist, den er selbst ganz laut ruft, indem er komplett unversöhnlich, arrogant und respektlos auf seinem eigenen Standpunkt beharrt und all jenen, die sich nicht gehört und wahrgenommen fühlen nur eine Möglichkeit lässt: immer lauter zu schreien!

Klar könnte man jetzt sagen, dass das alles weit weg passiert. Aber mal ehrlich, wie unversöhnlich stehen sich in unserer Gesellschaft Meinungen gegenüber? Wie ist es um unsere Diskussionskultur hier in Deutschland bestellt? Ich stelle immer mehr fest, dass man inzwischen häufiger übereinander oder gegeneinander redet, als miteinander. Bei Glasl wäre das bereits ein mittleres Eskalationslevel, das sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr einfangen lässt. Sind wir uns sicher, dass wir das wollen? -Wissend, dass es ab einem gewissen Punkt nur noch Verlierer gibt?

Heute vor 43 Jahren, kurz nach Mitternacht endete für die Landshut-Geiseln ein fast einwöchiger Albtraum, der sie sicher ein Leben lang begleitet hat und noch immer begleitet. Für die Familie, die beiden Söhne und die Frau und sicher auch für die Freunde von Kapitän Schuhmann ging der Albtraum wahrscheinlich erst los. Vielleicht sollten wir alle täglich die Kapitän Schumann Straße entlangfahren um uns daran zu erinnern, wie wichtig es ist, einander zuzuhören, miteinander zu reden und auch bei unterschiedlichen Meinungen im respektvollen Austausch zu bleiben.

Schönen Sonntag allerseits!

Eure Constance

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Achtung Terror

Das Ende des Miteinanders