Agil-hybride Wasserfälle und warum der Mensch dann doch immer macht was er will, oder was er fühlt

Über Komplexität und menschliche Grundbedürfnisse

Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Woche. Meine war komplex und ereignisreich und ich habe das Bedürfnis, meine persönliche Quintessenz daraus mit euch zu teilen. Für all jene, die sich auf meinen Exkurs in die Welt der systemischen Fragen gefreut haben: keine Sorge, nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Ja, was war los? Ich hatte die große Freude, endlich mal wieder im Lehrsaal stehen zu dürfen. Die Erkenntnis daraus ist und bleibt, dass das natürliche Habitat eines Trainers nicht der Schreibtisch sein kann. Aber abgesehen davon, hatte ich diese Woche auch wirklich großartige Teilnehmer, die mich nicht nur daran erinnert haben, warum ich Trainer geworden bin, sondern mir auch sehr deutlich vor Augen geführt haben, worauf es wirklich ankommt, wenn es darum geht, die Komplexität zu managen, die die Arbeitswelt so mit sich bringt. Liebe Grüße nach Leipzig! Ich freu mich schon darauf, euch am Donnerstag wiederzusehen.

Weil die Welt sich dreht und dreht und dreht

Nichts ist so gewiss wie der Wandel und in der Unternehmenswelt ist dieser Wandel sehr greifbar und allgegenwärtig. Was gestern noch der neuste heißeste Scheiß war, ist heute schon wieder Schnee von gestern und was morgen kommt, weiß man noch nicht, aber sicher wird es auch wieder einen ziemlich coolen Namen haben. Während eben noch alles “Lean” sein sollte, schreien heute alle nach Agilität, oder vielleicht dann doch schon “Hybrid”! Hört sich halbwegs klug an, oder?! Manchmal habe ich das Gefühl, dass zielgenaues “Slang Dropping” heutzutage eine der wichtigsten Kernkompetenzen für eine möglichst steile Karriere sein muss. Und natürlich hat jeder, der spontan zwischen Toilette und Kaffee-Küche eine Entscheidung trifft, ein agiles Mindset. Logisch, was auch sonst.

Die Frage, die mich umtreibt, ist, warum man das Rad gefühlt jedes Jahr neu erfinden muss. Das ist super anstrengend und mega verwirrend! Ich denke, viele Unternehmen nehmen wahr, dass das Umfeld, in dem sie agieren immer komplexer wird. Die Anforderungen steigen, die Konkurrenz wird härter. Dankenswerterweise entdecken immer mehr Unternehmen die Bedeutung des Faktors Mensch, ihr sogenanntes Humanvermögen und suchen nach Möglichkeiten und Strategien, dieses Humanvermögen bestmöglich für sich zu nutzen. Als Human Factors Trainer gebe ich dafür natürlich zwei Daumen hoch. Allerdings stellt sich mir die Frage, was der Mensch denn nun wirklich braucht. Und ich bin da leider sehr wenig hip, um nicht zu sagen ich bin altmodisch. Ich hänge noch immer in der altbekannten Maslowschen Bedürfnispyramide fest. -Weil es so einfach und einleuchtend ist.

Von der Maslowschen Bedürfnispyramide zu agilen Strukturen

Im Jahr 1943 veröffentlichte der US-amerikanische Sozialpsychologe Abraham Maslow seine Pyramide der Grundbedürfnisse. Auf der ersten Stufe stehen die physiologischen Grundbedürfnisse: Hunger, Durst, Schlafen, Sexualität. Wenn ich mir Essen und Trinken leisten kann, weil ich ein angemessenes Gehalt habe und Arbeitszeiten, die es mir ermöglichen ausreichend Schlaf zu bekommen, steht schon mal die Basis (mit freundlichen Grüßen vom Mindestlohn!). Aus dem Thema Sexualität und Büroromanzen halte ich mich in diesem Zusammenhang raus, obwohl ich einen Kollegen geheiratet habe!

Kommen wir also zu Stufe zwei, mein Sicherheitsbedürfnis. Unternehmen können eine Menge dazu beitragen, dass ihre Angestellten sich sicher, oder eben total verunsichert fühlen. Eine besonderen Verantwortung entfällt hier auf die Führungskräfte, die wiederum maßgeblich Einfluss auf die Unternehmenskultur haben. Ich erlebe es leider immer wieder, dass es Führungskräfte (sogar Topmanager) gibt, die glauben, Angst würde zu Höchstleistungen führen. Ich glaube ich wiederhole mich hier, aber ich kann es nicht oft genug sagen: wenn die Höchstleistung, die ich brauche, um als Unternehmen erfolgreich zu sein, sehr schnelles Laufen oder sehr kraftvolles Zuschlagen ist, dann ist das richtig. Benötigt mein Unternehmen jedoch kreative, bzw. kognitive Höchstleistung um erfolgreich zu sein, kann ich den Laden an dieser Stelle auch dicht machen. Unter Stress (und Angst macht sehr viel Stress) kann meine Großhirnrinde nicht arbeiten. Naturwissenschaftlicher Fakt und nicht wegzudiskutieren!

Auf zu Stufe drei, den sozialen Bedürfnissen. Weil ich mich zugehörig fühlen möchte, sind Unternehmen gut beraten, großen Wert auf funktionierende Teamstrukturen und teambildende Maßnahmen zu legen. Ich persönlich denke, dass das eine der großen Herausforderungen im Homeoffice ist. Der Coffee-Kitchen-Talk ist super wichtig für das Wir-Gefühl. Schwierig über Teamspeak oder Zoom, oder?

Wenn das Wir-Gefühl passt, dürfen wir schließlich auf der vierten Stufe weitermachen. Sind unsere sozialen Bedürfnisse befriedigt, dürstet es uns Menschen nach Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Liebe Chefs, das altbekannte Motto “nicht getadelt ist doch schon gelobt” greift hier nicht! Im Gegenteil Wirklich schwer ist das doch auch nicht. Ein kleiner Anfang ist, dass die Chefs damit anfangen, ihre Mitarbeiter bewusst wahrzunehmen und das Wahrgenommene dann auch anzusprechen: “Ich habe heute mitbekommen, wie geduldig und strukturiert Sie vorhin mit dem Kunden am Telefon gesprochen haben. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich selbst so ruhig geblieben wäre. Respekt!”. Kleines Konkretes Tool zum Üben: Steckt euch je nach Teamgröße ein bis vier Steinchen in die rechte Hosentasche. Bei jedem konkreten positiven Feedback dürft ihr ein Steinchen in die linke Hosentasche wandern lassen. Ziel ist es, dass am Ende des Tages alle Steinchen links sind. Es wird dazu führen, dass ihr eure Kollegen wohlwollend bewusst wahrnehmen. Eure Kollegen werden das als sehr positiv empfinden.

Stufe zwei, drei und vier fasst die von mir sehr geschätzte Harvard-Professorin Amy Edmondson als Psychological Safety zusammen, die Basis für das, was sie als Lernende Organisation bezeichnet. Ihr seht, es ist immer der gleiche alte Kram in neuen Kleidern. Den Menschen wird keiner neu erfinden. Der ist einfach so wie er ist und das ist auch gut so.

Gut, zurück zu Maslow: wenn ihr es geschafft habt, diese ersten vier Stufen als feste Basis zu implementieren, dann dürft ihr vorsichtig anfangen, an Ideen wie Agilität zu denken. Stufe fünf der Maslowschen Bedürfnispyramide ist schließlich die kreative Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung. Genau hierbei sollen agile Methoden oder Strukturen den Menschen unterstützen.

Ich persönlich finde Agilität äußerst spannend und faszinierend. Ich denke sogar darüber nach, auch noch mal eine Ausbildung zum agilen Coach zu machen. Aber ich glaube nicht, dass Agilität ein Allheilmittel ist. Es gibt einige wirklich großartige agile Methoden, die Menschen toll bei ihrer Arbeit unterstützen können, ihnen Struktur und Freiraum für Kreativität schaffen. Aber eine agile Transformation löst per se keine Probleme. Im Gegenteil: Wenn die Basis nicht passt, hat eine solche Transformation das Potenzial, sogar mehr Probleme zu schaffen, als zu lösen.

Über agile Mindsets, agile Strukturen und warum Menschen keine Computer sind

Allein wenn wir uns vor Augen führen, dass Agilität ursprünglich mal eine kluge Strategie zur Softwareentwicklung war, die plötzlich zur Managementmethode wurde, muss doch klar sein, dass man hier mit sehr offenem Geist und einiger Vorsicht zu Werke schreiten sollte, denn Menschen sind keine Softwareprogramme. Menschen sind deutlich komplexer. Die Grundidee von Agilität als Managementmethode ist, den Menschen Raum zu schaffen, sich eigenverantwortlich und selbstständig zu organisieren, um schließlich Höchstleistung zu erbringen. Bis hierher klatscht der Human Factors Trainer laut Beifall. Allerdings hat Agilität an dieser Stelle einen nicht unbedeutenden blinden Fleck: zwar sind Verantwortung und Mitgestaltung wichtige Komponenten für Zufriedenheit und Selbstverwirklichung (wir sind bei Stufe fünf!). Allerdings setzt Maslow hier voraus, dass der Mensch sein Maß an Verantwortung selbst wählen darf. Agilität zwingt zur Eigenverantwortung. Dieser Zwang kann leicht zu Verunsicherung führen, besonders bei all jenen, die eigentlich gar nicht so viel Verantwortung übernehmen möchten, die lieber einen Chef haben, der zwar sagt, wo es lang geht, der aber auch die Verantwortung dafür übernimmt. Zack bricht uns die Basis unserer Pyramide weg. Das war es dann auch erstmal mit kreativen Höchstleistungen.

Nun ist guter Rat teuer, denn wenn ich im Training letzte Woche mal wieder an eines sehr deutlich erinnert wurde, dann daran, dass Menschen unterschiedlich sind, unterschiedliche Bedürfnisse haben, was ja auch gut und richtig so ist. Nein, wir sind keine Computer oder berechenbare Softwaresysteme. Menschen sind komplex wie die Welt, die sie umgibt. Aus diesem Grund sind gerade in Strukturen, in denen man Führung auflöst, meiner Meinung nach ganz besonders die Führungskräfte gefragt. Gefragt ist eine neue Form der Führung, in der ich nicht mehr die abschließende Entscheidung treffe, oder sage in welche Richtung es geht. Viel mehr sind es meine Aufgaben, darauf zu achten, dass die Basisbedürfnisse meiner Mitarbeiter gestillt sind und dass ich diejenigen Mitarbeiter erkenne und unterstütze, die gar nicht so viel Verantwortung übernehmen möchten oder noch eine Extraportion Sicherheit benötigen, denn auch diese Mitarbeiter stellen sich häufig als besonders wertvolle Ressource für das Team heraus. Vielleicht ist man dann auf einem hybriden Weg unterwegs, was meiner Meinung nach jedoch viel agiler ist, als auf Teufel komm raus Strukturen um deren selbst Zweck einzuführen, um auf dem Papier agil, oder was auch immer zu sein. Man darf eben denn Sinn und Zweck seines Handelns nicht vergessen: es geht darum, den Menschen als Schlüssel zum Erfolg die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Das geht eben nur über Maslows Pyramide und ganz unter uns, es gibt auch traditionell hierarchische Strukturen, die es schaffen, ihren Mitarbeitern genügend Raum für Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung zu schaffen. Vielleicht hat man in diesen Strukturen ja auch ein agiles Mindset, ohne auf dem Papier agil zu sein.

Ich betrachte Wirtschaftsorganisationen gerne als lebendige Konstrukte, die komplex und einzigartig sind und die besonders flexiblen und besonders lebendigen unter ihnen schaffen es, innerhalb kürzester Zeit auf die sie umgebende Komplexität zu reagieren. Erfolg hat hierbei weniger mit den Organigrammen, sondern viel mehr mit der Unternehmenskultur zu tun. Wenn ein agiles Mindset das ist, was es braucht, um den Mut aufzubringen, seinen Mitarbeitern Raum zu geben und zu vertrauen und wenn es agile Methoden sind, die diesen Mitarbeitern den Rahmen für ihr Tun geben, ist das doch ganz wunderbar. Wenn Unternehmen zu diesem Zweck etwas anderes für sich gefunden haben, ist das genau so gut. Es ist der Mensch, der im Zentrum all unserer Mühen stehen sollte.

Das Kernthema meiner Schulung in der letzten Woche war übrigens “Komplexität managen”! Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger. Und ich persönlich glaube, dass die Welt nach Corona vielleicht noch etwas komplexer und der Druck auf Unternehmen, um zu überleben, noch etwas größer werden wird. Aber Manager, die gebetsmühlenartig Horrorszenarien zeichnen, werden sich schwer tun, erfolgreich aus der Krise hervorzugehen. Vielmehr werden es diejenigen Unternehmen und Organisationen sein, die es, obwohl die Welt um sie grade im Chaos liegt, schaffen, ihren Mitarbeitern das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit zu vermitteln.

Eure Constance

Box.jpg

Agilität als Mangementmethode

Ein großes Geschenk oder doch die Büchse der Pandora?

Kommunikationsstrategien im Umgang mit Kunden

… Oder wenn der Kunde nicht so will, wie ich!

In so ziemlich jedem Unternehmen gibt es irgendwann Probleme mit Kunden. Diese Probleme können auf ganz unterschiedlichen Ebenen auftreten, haben aber nicht selten das Potenzial, den Erfolg des Unternehmens zu gefährden. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich ein gewisses Repertoire an Lösungsstrategien zuzulegen. Aber bevor ich euch eine recht bewährte Strategie vorstelle, möchte ich die Situation kurz umdrehen und uns in die Kundenperspektive versetzen.

Perspektivwechsel: vom Problemkunden zum Kunden mit Problem

Kurze Reise in meine eigene Vergangenheit: Vor vielen, vielen Jahren, als ich mir gerade meine erste Wohnung eingerichtet habe, war ich selbst sehr guter Kunde eines schwedischen Möbelhauses mit SB-Halle. Eines Tages, ich war ziemlich adrett gekleidet (mit Killer-Heels und Nylons) auf dem Weg zu einer Verabredung, wollte ich unterwegs noch schnell ein fehlendes kleines Möbelstück kaufen. In besagter SB Halle musste ich feststellen, dass mein kleines Möbelstück im ersten Stock lag! Verdammt, mit diesen Schuhen die Leiter hoch? Schlechte Idee! Ich habe also die nette Mitarbeiterin gefragt, ob sie mir denn helfen könne, da ich mit diesen Schuhen nicht die Leiter hochklettern möchte und Angst habe, mir barfuß die Strumpfhosen zu zerreißen. Die nette Kundenberaterin erklärte mir mit unendlich vielen Worten, dass sie lediglich beratende Tätigkeit hätte und nicht dazu da sei, Möbel aus den Regalen zu holen. Es sei ja alles SB! Auf meine Frage, ob sie für mich aus genannten Gründen nicht eine Ausnahme machen könne, immerhin sei das Teil weder besonders groß, noch besonders schwer, kam der Satz der mich in die Eskalation getrieben hat: “Ich verstehe Sie, aber ich habe hier nur eine beratende Tätigkeit!” Ich habe mich tatsächlich selten so unverstanden gefühlt, wie in dieser Situation. Die Diskussion wurde hitziger und das gebetsmühlenartige “ich verstehe Sie!” kam noch gefühlte hundert Mal! Klar hätte ich auch gehen, oder mit meinen Heels die Leiter hochklettern, oder einen anderen Kunden um Hilfe bitten können, oder, oder oder. Ich war aber an dem Punkt angekommen, an dem ich genau das nicht mehr eingesehen habe, schließlich war ich zahlender Kunde! Nach etwa fünfzehn Minuten habe ich den Manager kennengelernt, der mir das Teil persönlich aus dem Regal geholt hat und einen kleinen Gutschein gab es auch! Verdammt, ich war wahrscheinlich Kunde der Woche und Kantinengespräch! Aber sie hatte es so gewollt.

Natürlich ist mein Möbelhaus-Beispiel so ziemlich das banalste Kundenproblem, dass man sich vorstellen kann. Die Gründe jedoch, weshalb die Situation zwischen der Einkaufsberaterin und mir derart eskalierte, sind absolut exemplarisch für Kundenprobleme oder Problemkunden.

Gegenseitiges Verständnis als Ziel und Lösung

Was mich wirklich rasend gemacht hat, war dass ich ein Problem(-chen) hatte und dieses nicht wahrgenommen oder verstanden wurde. Gleichzeitig hatte ich die Erwartungshaltung, dass ich als Kunde eben doch ein bisschen Königin bin, oder wenigstens Prinzessin. Wie man erfolgreich mit königlichen Kunden jeder Art umgeht, um ein Projekt für alle Beteiligten positiv abzuschließen, stelle ich euch im Folgenden vor. Meine drei-Stufen-Strategie deeskaliert eine Situation nicht nur, sondern stellt die Basis für eine gemeinsame Problemlösung und somit für eine konstruktive Zusammenarbeit dar.

Schritt eins: Zuhören!

Wenn ich ein Problem lösen möchte, muss ich es verstehen und um es zu verstehen, muss ich zuhören. Hört sich sehr einfach an, ist aber unglaublich kompliziert, denn wenn wir Stress haben (und ein sich beschwerender Kunde sorgt für Stress), möchte unser Gehirn nicht zuhören, sondern lieber kämpfen oder flüchten. Beides trägt in unserer modernen Welt nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung bei! Deshalb muss ich mich in einer entsprechenden Situation ganz besonders darauf konzentrieren, aktiv zuzuhören. Meinem Gegenüber signalisiere ich das dadurch, dass ich ihn nicht unterbreche und durch meine Körpersprache zeige, dass ich mich voll und ganz auf ihn konzentriere.

Schritt zwei: Verständnis sichern!

Um sicher zu stellen, dass ich das Gehörte auch richtig verstanden habe, ist es hilfreich, alles nochmals in eigenen Worten zu wiederholen, oder zu paraphrasieren. Dieses, zugegeben zu Beginn etwas ungewohnte Vorgehen hat gleich mehrere Vorteil: erstens kann ich so sicher stellen, dass ich das Gesagte wirklich so verstanden haben, wie es mein Gesprächspartner gemeint hat. Zweitens wird mein Gegenüber sofort entspannen, weil er das Gefühl hat, dass seine Probleme wahrgenommen und sogar verstanden werden. Drittens kann ich die Zeit, in der ich das bereits Gesagte wiederhole, nutzen, um mir Gedanken über eigene Argumente zu machen. Viertens entschleunige ich so die Gesamtsituation, was sehr intensiv zu einer Deeskalation beiträgt. Seinen Ursprung hat das Paraphrasieren übrigens in den Philosophen-Schulen des alten Griechenlands. Die angehenden Philosophen durften immer erst ein eigenes Argument in die Diskussion einbringen, wenn vorher das Argument des Gegenüber paraphrasiert wurde. Funktioniert also offensichtlich schon seit einigen Jahren. Also nur Mut, probiert es aus. Gerne auch erstmal privat. Aus eigener Erfahrung gebe ich zu, dass sich das bewusste Paraphrasieren zunächst sonderbar anfühlt, die positive Wirkung auf den Gesprächspartner wird jedoch überwiegen, versprochen!

Schritt drei: Fragen!

Ich lasse mir das Zepter nur ungern aus der Hand nehmen und es ist eine altbekannte Weisheit: wer fragt, führt! Und nicht nur um die Gesprächsführung nicht aus der Hand zu geben, sind Fragen ein wirklich wertvolles Tool. Zusätzlich signalisieren Fragen meinem Gegenüber, meinem Kunden, dass er mir wichtig ist, weil ich mich für ihn interessiere. Und Fragen gibt es ja wie Sand am Meer: von den berühmten W-Fragen, über offene und geschlossenen Fragen, bis hin zu den sogenannten systemischen Fragen. Über diese vielleicht weniger bekannten systemischen Fragen werde ich in den nächsten zwei oder drei Wochen mal einen kompletten Artikel schreiben, weil sie wirklich großartig Möglichkeiten in der Kommunikation eröffnen und keineswegs nur etwas für professionelle Coaches sind. Aber insgesamt sollte man sich im Vorfeld nicht so viele Gedanken darüber machen, welche Fragen man stellen wird. Wenn man sich wirklich für seinen Kunden und dessen Problemraum interessiert, werden die richtigen Fragen sicher von ganz alleine kommen.

Alles eine Frage der inneren Haltung

Ich fasse mal zusammen: ich höre zu, paraphrasiere und frage nach! Eigentlich mal wieder ganz einfach. Allerdings steckt der Teufel im Detail, denn der Einstieg, und somit die Basis dieser Strategie, ist sehr von unserer Stimmungslage abhängig. Wenn ich sauer bin, mich angegriffen oder kritisiert fühle, bin ich auf Krawall gebürstet. Das hat die Evolution so für uns eingerichtet, weil es sich irgendwann einmal bewährt hat. Also keine Sorgen, wer wütend ist, ist keineswegs unprofessionell, sondern hat ein normal arbeitendes Gehirn. Allerdings schaltet Wut unser Gehör ab. Das heißt, eh ich überhaupt in der Lage bin, eine Situation zu deeskalieren oder konstruktiver zu gestalten, muss meine innere Haltung auf entspannte Neugier auf die Perspektive meines Kundens umschwingen. Das ist die eigentlich Kunst, die damit beginnt, dass man sich zugesteht, auch mal wütend (und damit vielleicht sogar “unprofessionell”) zu sein und das bewusst an sich wahrnimmt. Denn nur dann kann ich versuchen, mich für einen kurzen Moment zurück zu ziehen, um mich zu beruhigen und dann in ein konstruktives Gespräch zu gehen.

Tja, und liebe Vertriebler, Projekt-Schaffende, Dienstleister und Verkäufer, da der Kunde König ist und bleibt, ist es eure Aufgabe, als erstes Kooperationsbereitschaft, Interesse und Verständnis zu zeigen. Viele von Euch kennen sicher Murphy’s Law, aber kennt ihr in diesem Zusammenhang auch Murphy’s goldene Regel? - Wer das Gold hat, macht die Regel! Ich persönlich finde, ich kann nur das von anderen erwarten, was ich auch selbst in der Lage bin, zu leisten. Möchte ich also, dass mein Gegenüber sich meine Sicht der Dinge anhört und vielleicht sogar versteht, muss ich mir ja wohl auch die Perspektive meines Gegenübers anhören, gleiche Regeln für alle. Ist mein Gegenüber zahlender Kunde, darf dieser selbstverständlich von mir erwarten, den ersten Schritt zu gehen, auch wenn ich es gerne anders hätte. Wer das Gold hat, macht die Regel!

Ich verspreche, in naher Zukunft einige Ideen dazu zusammen zu fassen, wie ich meinen kleinen inneren Teufel in den beschriebenen Situationen in den Griff bekomme, um wirklich ruhig und entspannt zuhören zu können. Bis dahin lasse ich euch mit drei magischen Worten zurück: Verstehen! Verstehen! Verstehen!

Eure Constance

Constanze Homepage (38).jpg

Zuhören…

Weil kämpfen manchmal Blödsinn ist!

Wie meine Körpersprache mich immer wieder demaskiert

… und ich dagegen machtlos bin

Das wirklich blöde an meiner eigenen Mimik ist, dass sie anderen unmissverständlich meine Meinung sagt, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen. Sie tut das sogar, wenn ich es ihr explizit verbiete! Verrückt, oder?

Diese Körpersprache scheint eine unglaubliche Macht zu haben. Aber fangen wir mal ganz von vorne an und nähern uns dem komplexen Thema Körpersprache zunächst einmal mit einigen Zahlen, Daten, Fakten: Ein kluger Kopf, der sich im Rahmen seiner Forschung intensiv mit dem Phänomen der Körpersprache auseinandergesetzt hat, war der iranisch-amerikanische Psychologieprofessor Albert Mehrabian. Er hat die sogenannte 7-38-55-Regel erarbeitet, die besagt, dass das, was wir insgesamt als Kommunikation bezeichnen in drei Bereiche mit unterschiedlich starker Bedeutung oder Wertung aufgeteilt werden kann. Hierbei entfallen auf die verbale Kommunikation, also das rein inhaltlich Gesagte, nur etwa 7 Prozent, 38 Prozent entfallen auf den Bereich, den man als Paralinguistik bezeichnet. Zu nennen wären hier Lautstärke, Intonation, Sprechgeschwindigkeit und dergleichen. Bleiben folglich nach Adam Riese 55 Prozent für die Körpersprache, also Gestik, Mimik und Motorik. Selbstverständlich kann es hier situationsbedingt zu Abweichungen kommen, aber die unglaublich große Bedeutung der Körpersprache bleibt unbestritten. Warum das so ist? Wir Menschen bewerten das was wir sehen als wichtiger, im Vergleich zu dem, was wir hören. Unser Gehirn verarbeitet deutlich mehr visuelle als auditive Reize. Evolutionsgeschichtlich war Sehen beim Überleben wichtiger als Hören. Hören war offensichtlich sogar so unwichtig, dass unser Gehirn in Stresssituationen bis heute gerne unser Gehör ausblendet, damit wir nicht mit unnötigen Informationen überfrachtet werden. Sehr fürsorglich, unser Gehirn. So hat mein fürsorgliches Gehirn schon mehrfach dafür gesorgt, dass mir wirklich wichtige Infos im Eifer des Gefechts durch die Lappen gegangen sind. Danke auch dafür.

Ich fasse mal kurz zusammen: Er sagt “Schatz, ist alles OK?”, worauf sie erwidert “Ja, alles OK!”. Dabei kneift sie die Augen zusammen, verschränkt die Arme und schaut mit in Falten gelegter Stirn unter sich. Die Situation ist sehr eindeutig. Und natürlich hat Mann gelernt, besser dem Gesehenen, als dem Gehörten zu vertrauen! Diese Fähigkeit fällt dann unter natürliche Selektion nach Charles Darwin, weil kann anders durchaus tödlich enden!

Was ist Körpersprache aber denn eigentlich?

Lasst uns mal ins Detail gehen und kurz anschauen, was Körpersprache eigentlich ist. Unsere Körpersprache setzt sich aus Mimik, Blick, Gestik und Motorik zusammen. Es gibt Quellen, die hier auch Kleidungsstil und Styling dazu nehmen. Da ich der Meinung bin, dass ein Affe, den man in einen maßgeschneiderten Anzug aus Seide steckt, am Ende auch nur ein Affe ist, soll dieser Aspekt hier und heute keine Rolle spielen.

Als erstes möchte ich mir die Mimik vornehmen, weil sie der Teil der Körpersprache ist, welcher universell und kulturkreisübergreifend verständlich ist. Dem US-amerikanischen Anthropologen und Psychologen Paul Ekman ist es Ende der 1970er Jahre tatsächlich gelungen, die menschliche Mimik zu dekodieren. Sein sogenanntes Facial Acting Coding System (FACS) ist ein weltweit verbreitetes Verfahren zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken. Inzwischen gibt es sogar Software, die basierend auf FACS menschliche Stimmungslagen bewerten kann. Sie lesen uns, die Computer! Verrückte Welt. Aber zurück zu Ekman: das für mich bahnbrechendste an seiner Forschung ist, dass Ekman der Beweis gelungen ist, dass die sieben Grundemotionen Angst, Wut, Ekel, Freude, Trauer, Verachtung und Überraschung weltweit gleich ausgedrückt werden. Mimik ist also eine Art universelle Sprache des Menschen.

Doch schon beim Blick selbst, oder dem Blickkontakt, gibt es kulturelle Unterschiede. Während Blickkontakt in unserem Kulturkreis als höflich und respektvoll erachtet wird, gibt es Kulturkreise, in denen Blickkontakt als unangenehm empfunden wird. Dazu müssen wir auch nicht unbedingt nach Asien oder Afrika reisen. Ein schneller Flug nach Finnland ist ausreichend.

Auch unsere Gestik erfreut sich großer kultureller Unterschiede, sowohl im Bereich der unbewussten Gestik (man stelle sich hier den Italiener beim Erzählen vor und daneben eben den Deutschen: die Hände werden sehr unterschiedliche Dinge tun), als auch im Bereich der bewusst genutzten Handzeichen. Vorsicht, Daumen hoch ist zum Beispiel auf Sardinien etwas äußerst Unanständiges. Natürlich gibt es bei der Gestik auch Gemeinsamkeiten. So scheint es, als werden die kleinen Ticks, die wir alle haben, wenn wir unter Stress stehen, weltweit richtig verstanden. Diese Ticks nennt man Adaptoren und mein persönlicher “Haupt-Adaptor” ist, dass ich mir ständig an den Hals greife, unbewusst und so lange bis ich rote Flecken bekommen.

In Hinblick auf Motorik, der Art und Weise, wie wir uns bewegen, ist zu sagen, dass es Bereiche gibt, die kulturkreisübergreifend gleich sind. Zum Beispiel gab es Versuchsreihen, die belegen, dass wir Männer und Frauen am Gang unterscheiden können, überall, weltweit. Es gibt aber auch Bereiche, die kulturell geprägt sind. Hier ist vor allem unser Distanzverhalten zu nennen. So werden wir Deutsche in Japan gerne mal als aufdringlich empfunden, weil der Japaner das Gefühl hat, dass wir ihm im Gespräch zu nah kommen. Wir wiederum empfinden Brasilianer als aufdringlich, weil diese uns näher kommen, als uns lieb ist. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert, wenn ein Japaner auf einen Brasilianer trifft!

Wenn ich also meine Körpersprache kontrolliere…

Insgesamt scheint das mit der Körpersprache nicht so kompliziert zu sein. Es gibt Regeln und Standards, da müsste es doch ausreichen, zu lernen, wie mein Körper kommunizieren muss, damit ich als kompetent, sympathisch, souverän, positiv wahrgenommen werde. Dafür gibt es kluge Bücher… Ja, das Leben wäre so einfach, wenn unser eigenständiges und fürsorgliches Gehirn nicht immer wieder dazwischen funken würde, weil es so gerne macht, was es will!

Dem ein oder anderen ist Sigmund Freuds Eisbergmodell sicher ein Begriff. Zwanzig Prozent auf der bewussten und achtzig Prozent auf der unbewussten Ebene. Diese Modell lässt sich auch wunderbar auf unsere Körpersprache adaptieren. Zwanzig Prozent können wir bewusst beeinflussen, die restlichen achtzig Prozent erzählen unserem Gegenüber immer die Wahrheit. Unser Gegenüber muss, um diese Wahrheit zu lesen, noch nicht einmal einen Kurs in Körpersprache belegen. Den gibt es von der Evolution gratis im Gesamtpaket dazu. Natürlich gibt es hier Menschen, die das noch ein bisschen besser können, als der Durchschnitt. Der bereits erwähnte Paul Ekman ist einer dieser Zeitgenossen. Die Serie “Lie to me” basiert auf seiner Arbeit, wirklich sehenswert. Aber auch all diejenigen, die eine Lüge nicht sofort und eindeutig demaskieren können, haben eine Intuition, die sich meistens als Bauchgefühl breit macht. Wenn unser Gehirn nämlich zu der Einschätzung gelangt, dass uns jemand etwas vorspielt, das Gesamtbild nicht kongruent ist, wittert es Gefahr und sorgt für Unbehagen.

Meine Lesson Learned

Meine ganz persönlich Lesson Learned ist in diesem Zusammenhang frustrierend und erfreulich zugleich: ich muss keine Energie darauf verwenden Körpersprache zu lernen und bewusst einzusetzen, weil mich das nicht weiterbringt. Warum sollte ich hundert Prozent Energie für etwas verschwenden, das mir nur zu zwanzig Prozent gelingen wird? Erinnert mich irgendwie an das Paretoprinzip! Warum sollte ich in einer Situation, in der ich gestresst oder aufgeregt bin, alles daran setzen, meiner Umwelt vorzuspielen, dass ich total souverän bin? Achtzig Prozent meines Körpers werden stresstypische Gestik, die beschriebenen Adaptoren zeigen, anhand derer mein Gegenüber mich unbewusst sicher nicht als souverän einschätzen wird. Im besten Fall sorgt das bei meinem Gegenüber für Irritation, was mich auch nicht erfolgreicher macht. Anstatt meine Energie dafür zu nutzen, souverän zu wirken, ist es sinnvoller an meiner inneren Haltung zu arbeiten und dann auch souveräner zu sein. In diesem Fall muss ich auch keine Körpersprache mehr auswendig lernen. Und wenn ich trotzdem irgendwann einmal aufgeregt oder gestresst bin, kann ich das doch ganz einfach benennen. Als ich meinen letzten Vortrag vor Corona gehalten haben, war ich tatsächlich aufgeregt. Es war in einem Kino und allein die Kulisse war spektakulär. Auch das Publikum war damals noch nicht wirklich einschätzbar für mich. Ich bin mir sicher, dass es keinen der Anwesenden irritiert hat, dass ich direkt zu Anfang erklärt habe, dass ich an diesem Tag wirklich etwas aufgeregter bin, als sonst. Ich gehe sogar davon aus, dass die Gehirne meiner Zuschauer und Zuhörer das recht angenehm fanden, weil ich für sie sofort einschätzbar wurde: “Von der großen Frau da vorne geht keine Gefahr für mich aus. Die ist einfach nur aufgeregt und das kann ich gut verstehen, wäre ich an ihrer Stelle wahrscheinlich auch!”

Und so entlasse ich euch in diesen Sonntag mit der Aufforderung, euch weniger Gedanken darüber zu machen, wie ihr wirkt, sondern lieber darüber nachzudenken, wie ihr seid. Hört auf, an eurer Körpersprache “rumzudoktoren”, sondern seid achtsam mit euch selbst und arbeitet an eurer inneren Haltung. Die Wirkung kommt dann von ganz allein.

Eure Constance

Mimik2.JPG

Leugnen zwecklos

Ich weiß was du denkst…