Über Hass und Rassismus - Erklärungsversuch des Unerklärbaren

Wenn die Welt Kopf steht

Wieder etwas Aktuelles! Aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Welt gerade Kopf zu stehen scheint, muss das wohl sein. Außerdem lässt mich das Video, welches das Sterben des dunkelhäutigen US-Amerikaners George Floyd so grausam dokumentiert, nicht mehr los. Mich beschäftigen im Kern zwei Fragen: Wie können Menschen so grausam sein? Und auch auf Grund der weltweiten “Black Lifes Matter” Aktionen schließlich noch die viel größere Frage: Woher kommt Rassismus?

Im Gegensatz zum Dunning-Kruger-Syndrom in der letzten Woche gibt es heute kein Schmunzeln, Augenzwinkern oder Lachen. Hier gibt es vor allem Betroffenheit, Traurigkeit und vielleicht auch den ein oder anderen Anreiz, über sich selbst, seine Denkstrukturen und die Stereotypen im eigenen Kopf nachzudenken.

Empathie und Spiegelneuronen

Empathie bedeutet, dass wir eine Situation, die wir nur von außen beobachten, so empfinden, als würden wir sie selbst durchleben. Fremdschämen gehört dazu, genauso wie der Moment, in dem man sieht, wie ein Mensch stürzt (vielleicht auf eine Stelle, die besonders weh tut) und man sich kurz krümmt oder man zusammenzuckt, als würde man diese Schmerzen selbst spüren. Schuld daran ist eine Zellverband in unserem Gehirn, die man Spiegelneuronen nennt. Entdeckt wurden diese besonderen Zellen tatsächlich erst 1992 vom italienischen Physiologen Giacomo Rizzolatti. Diese Spiegelneuronen gehören wohl zur Grundausstattung des menschlichen Gehirns, allerdings bedeutet das nicht, dass alle Menschen in der Lage sind, Empathie zu empfinden. Tatsächlich lernen wir erst durch frühkindliche Erfahrungen von Wärme, Aufmerksamkeit und Geborgenheit über unsere Spiegelneuronen Empathie. Man geht davon aus, dass bereits Vierjährige in der Lage sind, Mitgefühl zu zeigen, wenn nahestehende Menschen traurig sind. Insbesondere zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr findet nochmal eine besonders bedeutungsvolle Neuverschaltung zwischen Spiegelneuronen und Empathiefähigkeit statt. Gab es bis dahin ein Defizit an menschlicher Zuneigung und Anerkennung, kann das fatale Folgen haben. Krankheitsbilder die daraus erwachsen können, können wir uns sicher alle selbst ausmalen. Aber nicht jeder Mensch, dem es an Empathie mangelt, wird zwangsläufig auch auf krankhafte Art verhaltensauffällig. Vor einigen Jahren habe ich einen diesbezüglichen Fachartikel gelesen, der mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben ist, weil mich ein Teil dazu gebracht hat, ein wenig in mich hinein zu grinsen. Es wurde beschrieben, dass der größte Teil dieser pathologisch unempathischen Zeitgenossen völlig unauffällig bleibt, weil man ja auch ohne Mitgefühl in der Lage sei, gesellschaftliche Normen, richtig und falsch, kognitiv zu begreifen und sich anzupassen. Abschließend hat dieser Artikel beschrieben, dass diese Menschen sogar sehr oft äußerst erfolgreich einen Platz in unserer Gesellschaft fänden, zum Beispiel im Vorstand von DAX-Konzernen. Die nüchterne Sachlichkeit von Wissenschaft ist wirklich speziell!

Wie hilft uns das Wissen um Spiegelneuronen nun im Fall Floyd weiter? Irgendwie gar nicht. Ja, dieser Polizist, oder besser alle vier Polizisten, taten sich mit dem, das wir Mitgefühl nennen, offensichtlich ausgesprochen schwer. Jetzt könnte man sich denken, dass sie einem Leid tun könnten, weil da wohl zu wenig Liebe und Fürsorge in der Kindheit stattgefunden habe. Aber als Teil der rechtsstaatlichen Exekutive muss man von ihnen erwarten, einschätzen zu können, was richtig oder falsch ist. Ich selbst schule Laien darin, in einer akuten Bedrohungssituation Menschen, die sich nicht mehr deeskalieren lassen, vorübergehend körperlich zu kontrollieren. Ein absolut zentraler Punkt im Rahmen dieser Schulungen ist die allgegenwärtige Gefahr des lagebedingten Erstickungstodes, wenn jemand bäuchlings auf dem Boden liegt. Meine Teilnehmer verlassen den Workshop mit zwei Mantras: man muss permanent sicherstellen, dass der Aggressor atmet und man übt niemals mit dem Knie oder dem gesamten Körpergewicht Druck auf den Bereich zwischen den Schulterblätter aus. Polizisten setzen sich mit dieser Thematik noch viel intensiver auseinander. Ich gehe fest davon aus, dass diese vier Polizisten genau wussten, was sie taten und zudem auch intellektuell in der Lage waren, richtig und falsch voneinander unterscheiden zu können. Wie wir jedoch festgestellt haben, sind richtig und falsch keine festen Größen, sondern werden viel mehr über gesellschaftliche Normen definiert. Keiner von uns geht morgens zur Arbeit, mit dem festen Plan etwas falsches zu tun. Irgendetwas muss diesen Polizisten suggeriert haben, dass ihr Vorgehen richtig war. -So wie es schon vielfach zuvor der Fall war, wenn über Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den USA berichtet wurde. Das führt uns schließlich zum Thema des gesellschaftlichen Rassismus, der Diskriminierung und dem Denken in Schubladen und Stereotypen.

Woher kommt Rassismus?

Das scheint die alles beherrschende Frage. Denn sind wir mal ehrlich, Rassismus gab es schon immer und überall, mal leise und mal ganz laut. Irgendwie scheint es Teil des Menschseins zu sein. Evolutionsgeschichtlich machte dieses Misstrauen gegenüber anderen irgendwann sogar einmal Sinn, weil dieses Misstrauen Überleben sicherte, damals, in den Höhlen. Genau deshalb wurde das auch in unser Gehirn eingebrannt. Im Rahen von recht aktuellen Versuchsreihen wurden Menschen Bilder von Mitgliedern der eigenen ethnischen Gruppe und anderer Ethnien gezeigt. Tatsächlich ist schon bei der Betrachtung von Bildern mit Menschen einer anderen ethnischen Gruppe das Angsthirn, die Amygdala, angesprungen und hat Gefahr gemeldet. Unser Gehirn war von jeher darauf angewiesen, sich sehr schnell in einer komplexen Umwelt zu orientieren. Dazu schafft es sich Schemata, Schubladen, Stereotypen, die im Prinzip als unbewusste Glaubenssätze unsere Realität verzerren, weil sie unser Denken und oftmals auch das Handeln bestimmen. Diese Stereotypen oder Schubladen werden stark durch unser Elternhaus geprägt, da hier die Grundlagen gelegt werden. Im Alter verfestigen sich diese Schubladen, geprägt durch unser soziales Umfeld und unsere Erfahrungen. Und so lange wir uns unserer eigene Stereotypen nicht bewusst sind und uns so nicht entscheiden können, bewusst gegenzusteuern, sucht unser Gehirn vor allem nach der Bestätigung bekannter Strukturen.

“Liebe ist der Weg”, sagt der Guru

Wann immer sich die fiese Fratze des Rassismus so deutlich zeigt, wie am 25. Mai in Minneapolis, dann löst das natürlich Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Wut und vielleicht sogar ohnmächtige Aggression aus. Aber Rassismus und Diskriminierung haben viele Gesichter und die wenigsten sind so gut erkennbar, mit so klaren Konturen versehen, wie dieser Tage in den USA. Wir alle denken in Schubladen und vielleicht fangen Diskriminierung und Rassismus in dem Moment an, in dem diese Schubladen anfangen unser Handeln zu beeinflussen. Da unser Gehirn aber unglaublich gerne dazulernt, müssen wir nicht in diesem komplett überholten Höhlen-Verhalten hängen bleiben. Der Lernprozess beginnt mit dem Mut sich seine eigenen Stereotypen bewusst zu machen, damit diese nicht mehr unbewusst unser Denken und Handeln beeinflussen können. Rassismus und Diskriminierung hören nicht auf, wenn man Gleichberechtigung gesetzlich implementiert oder Antidiskriminierungsgesetze erlässt, gleichgeschlechtliche Ehen zulässt, oder ein System anonymer Bewerbungsprozesse einführt. Rassismus und Diskriminierung beginnen in unseren Herzen, oft klammheimlich und versteckt, und dort muss es auch aufhören. Nelson Mandela hat einmal gesagt, dass kein Mensch hassend zur Welt käme. Hass müsse man lernen und wenn man lerne zu hassen, könne man auch lernen zu lieben. Und tatsächlich, der Jenaer Psychologe Andreas Beelmann hat im Rahmen von Studienreihen mit Kindern nachgewiesen, dass empathische Kinder (und wir haben gelernt, dass Empathie unter anderem ein Resultat einer liebevollen Erziehung ist) deutlich weniger empfänglich für Ressentiments und Vorurteile sind, als weniger empathische Kinder. Tja, “Liebe ist der Weg”, sagt der verrückte Guru. Aber recht hat er, Liebe und Selbstreflexion.

Das Video, in dem George Floyd um sein Leben kämpft, konnte ich übrigens nicht zu Ende schauen. Meine Spiegelneuronen haben mir das unmöglich gemacht. Das Flehen Floyds, gepaart mit der Gefühlskälte der Polizisten und der Hilflosigkeit der Passanten hat mir solche Schmerzen bereitet, dass ich abschalten musste. Meine Erklärungsversuche sollen auch auf keinen Fall etwas entschuldigen, was unentschuldbar ist. Vielmehr möchte ich zeigen dass es nicht Gesetze sind, die Diskriminierung beenden. Es ist unser Fühlen und Handeln. Wenn mir eine Freundin erzählt, dass ihr großartiger Sohn nicht mehr mit ihrem Fahrrad fahren möchte, nicht weil er nicht mit einem Damenrad gesehen werden möchte, sondern weil ihm Passanten durch Blicke und Kommentare zu verstehen geben, dass er dieses Fahrrad ja wohl geklaut haben müsse, weil er eben nicht blond und blauäugig ist, dann macht mich das unglaublich betroffen. Hier müssen wir aufräumen, vor unserer Haustür und nicht am anderen Ende der Welt! Aber klar, wenn wir sehen, was derzeit in den USA passiert, gepaart mit einer unwürdigen Rhetorik des US-Präsidenten, der sich nicht scheut, Parolen aus den dunkelsten Zeiten des US-amerikanische Rassismus zu rezitieren, dann lässt sich klar benennen, was schief läuft. Sich hier zu empören ist so viel einfacher, als diesen leisen verstecken Rassismus vor unserer eigenen Haustür zu suchen und daran zu arbeiten. Aber genau das ist der Weg!

Eure Constance

PS: Trotzdem darf man auch Solidarität zeigen. Meine zauberhafte Stieftochter hat gestern in Frankfurt demonstriert und ich bin darauf sehr stolz. Junge Menschen, die Stop sagen, sind unsere Zukunft. Aber diese jungen Menschen dürfen nicht den Fehler machen, die Missstände vor der eigenen Haustür zu übersehen, nur weil die Situation anderswo noch viel trauriger und schlimmer ist.

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Warum hat es Unmenschlichkeit so leicht, teil des Menschseins zu werden?

Der Versuch, das Unerklärliche zu begreifen

Wie aus 80 Millionen Bundestrainer 80 Millionen Virologen wurden

Von viel Meinung und wenig Ahnung

Eigentlich wollte ich das, was man “tagesaktuell” nennt, ja aus meinem Blog raus halten, eigentlich. Denn momentan wundert sich neben mir sicher auch der ein oder andere da draußen, wie es passieren kann, dass plötzlich aus 80 Millionen Bundestrainer wahlweise 80 Millionen Virologen oder Verfassungsrechtler werden konnten. Wären die Auswirkung nicht so tragisch, dass renommierte Virologen wie Christian Drosten Morddrohungen bekämen, oder dass die vermeintliche Mitte der Gesellschaft, womöglich verkleidet als besorgte Eltern oder passionierte Verfassungsrechtler, sich mit eindeutig rechtsradikalen Verfassungsfeinden gemeinsam auf die Straße stellen, würde ich das alles ja in einer kleinen Meditation an mir vorbeiziehen lassen. Aber so, wie es ist, lässt es mich nicht mehr los.

Studierte Naturwissenschaftler, deren absolutes Spezialgebiet Coronaviren sind, werden nicht nur angefeindet, nein, viel mehr gibt es Menschen ohne jedes medizinische Hintergrundwissen, die fest davon überzeugt sind, sich mit dem Coronavirus besser aus zu kennen, als Christian Drosten und Co.! Dass die Bild-Zeitung diesen Umstand auch noch zur Steigerung der eigenen Auflage nutzt und damit wirklich niemanden außer sich selbst einen Gefallen tut, dazu möchte ich besser gar nichts sagen. Sieht man doch hier mal wieder, wie gefährlich Zeitungen sein können: eine Kakerlake überlebt einen Atomkrieg, aber mit einer Tageszeitung kann man sie tot schlagen…

“Der kleine Gott der Welt ist stets vom selben Schlag…” Mephisto

Ich möchte den Menschen gerne verstehen, aufrichtig und ehrlich. Ich möchte verstehen, warum der Mensch so ist wie er ist, wertfrei und im positivsten Sinne. Wie unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Meinungen kommen, das habe ich verstanden, darüber habe ich auch wiederholt geschrieben. Meine Erkenntnisse haben dazu geführt, dass ich andere Meinungen gelernt habe wertzuschätzen und zu akzeptieren. Das fühlt sich im allgemeinen gut an. Jedoch habe ich das Gefühl, dass in Hinblick auf Corona und den damit zusammenhängenden Maßnahmen der Politik aus Meinungen Dogmen geworden sind, Dogmen ohne jede wissenschaftliche Basis. Ich würde es gerne Verschwörungstheorien nennen, allerdings haben Theorien für gewöhnlich eine (wissenschaftliche) Substanz.

OK, genug geschimpft und Dampf abgelassen. Zurück zu meinem Thema: der Mensch. Ich möchte hier auch aus tiefstem Herzen voranstellen, dass ich davon überzeugt bin, dass der Mensch an sich nicht verkehrt ist. Die Evolution hat uns schon ganz OK hervorgebracht, allerdings bringen uns vor allem Ängste dazu, sonderbare Dinge zu tun, Dinge die rational nicht immer nachvollziehbar sind. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Ängste allein nicht erklären können, weshalb so viele Menschen momentan nicht nur ein Meinungsbild so offensiv vertreten, dass es mir manchmal weh tut, sondern auch noch wider wissenschaftlicher Beweise unbeirrbar bei ihrer Meinung und ihrem Verschwörungs-Wirrwarr bleiben.

Wissenschaft, die ein Lachen hervorzaubert

Auf meiner Suche nach Antworten bin ich tatsächlich in der Psychologie fündig geworden und das auch noch auf höchst amüsante Weise. Wer also glaubt, Wissenschaft sei langweilig, der sollte auf jeden Fall weiterlesen!

Schon mal etwas vom sogenannten Dunning-Kruger-Effekt gehört? Ich zitiere an dieser Stelle aus Wikipedia, weil es einfach köstlich ist: “Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet als populärwissenschaftlicher Begriff die kognitive Verzerrung im Selbstbildnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen. Diese Neigung beruht auf der Unfähigkeit, sich selbst mittels Metakognition objektiv zu beurteilen. (..)”. Selten so gelacht, ehrlich, köstlich, diese Beschreibung. Wenn ich also so eingeschränkt in meinem fachlichen Wissen bin, dass ich noch nicht einmal merke, wie eingeschränkt mein Wissen ist, kann es sein, dass ich so fest in meiner Meinung festhänge, dass ich selbst ausgewiesene Experten für ahnungslos halte! Also quasi das Gegenteil von Soraktes’ “Ich weiß dass ich nichts weiß”.

Aber mal von vorne: der Dunning-Kruger-Effekt geht auf zwei Sozialpsychologen, David Dunning und Justin Kruger, der Cornell University bei New York zurück, die diesen Effekt erstmals 1999 in einer Publikation erwähnten. Im Rahmen von Studien stellten die beiden Sozialpsychologen fest, dass zum Beispiel beim Schachspielen, Autofahren oder dem Erfassen von Texten Unwissenheit oft zu deutlich mehr Selbstsicherheit führt, als Wissen. Insgesamt fassten sie ihre Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen: fachlich weniger kompetente Menschen (die unter Dunning-Kruger leiden, oder viel mehr sehr glücklich damit leben!) neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten konsequent zu überschätzen, überlegene Fähigkeiten und tatsächliche fachliche Kompetenz bei anderen nicht zu erkennen und das Ausmaß der eigenen Inkompetenz nicht einschätzen zu können. Bahnbrechend finde ich in diesem Zusammenhang den Therapievorschlag: Bildung!

Im Laufe der Zeit wurde die Forschung hinsichtlich des Dunning-Kruger-Effekts immer weiter getrieben. Achtung, hier wird es noch ganz besonders unterhaltsam: 2001 stellten die beiden Herren nämlich fest, dass sie ihre gesamte Grundlagenforschung ausschließlich an Nordamerikanern durchgeführt haben und stellten sich deshalb die völlig berechtigte Frage, ob es hinsichtlich des Dunning-Kruger-Effekts eventuell kulturelle Unterschiede geben könnte. Aus diesem Grund führten man im Jahr 2001 eine Studie in Japan durch und kam zu dem Ergebnis, dass Japaner eher dazu tendieren, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen und Misserfolge als Anlass nehmen, besser zu werden um so ein wertvolleres Mitglied der Gesellschaft zu werden.

Klar könnte man jetzt sagen, dass dieser Dunning-Kruger-Effekt eine Art nordamerikanische Persönlichkeitsverwirrung ist. Ich persönlich finde tatsächlich, dass der US-amerikanische Präsident ein formidables Beispiel für das fortgeschrittene Stadium dieser Erkrankung sein könnte. Aber so einfach ist es wohl auch nicht. So wurde der Dunning-Kruger-Effekt in kognitionswissenschaftlichen Publikationen benannt, die sich mit der konsequenten Leugnung der menschgemachten globalen Erwärmung beschäftigen. Ich weiß, führt uns auch wieder zu Trump, aber gibt es ja wohl auch in Deutschland. Also scheint dieses Phänomen, wissenschaftliche Erkenntnisse konsequent zu leugnen, nichts neues zu sein, allerdings scheinen die Ängste, gesundheitliche wie wirtschaftliche, die Corona hervorruft, wie ein Katalysator zu wirken. Angst ist eben einfach nicht gut für uns Menschen. Wir stellen also fest, wollen wir, dass wir selbst, oder die Menschen um uns herum gute oder sehr gute Leistungen erbringen, oder einfach nur “normal” funktionieren, müssen wir für eine angstfreie Atmosphäre sorgen. - Nur mal so am Rande!

Sind wir nicht alle ein bisschen Dunning-Kruger?

Einen kleinen abschließenden Fun Fact zu Dunning-Kruger habe ich noch im Petto: Im Jahr 2000 erhielten die Herren Dunning und Kruger für ihre Studien den Ig-Nobelpreis für Psychologie. “Ig” steht in diesem Fall für “ignorable” und diese Art Anti-Nobelpreis, vergeben an der Harvard-Universität, ist eine satirische Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen, die einen erstmal zu Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Und ich finde nachdenken schadet uns allen nicht! Ich jedenfalls werde mich zukünftig vielleicht einmal fragen, ob ich nicht ein kleines bisschen Dunning-Kruger haben könnte, wenn ich mich mal wieder ganz besonders fest in eine Meinung reinmanövriert habe. Ist doch alles menschlich!

Eure Constance

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Weiß ich dass ich nichts weiß?

Oder weiß ich alles besser, weil ich nichts weiß?

Warum unser Gehirn Spaß braucht, oder Hawking und ich

Mysterien und Naturwissenschaft

Seit ich vor zwei Monaten meinen ersten Blog online gestellt habe, muss ich feststellen, dass es zwei Themenbereiche gibt, die auf ganz besondere Resonanz stoßen: zum einen sind das die Artikel, die sich mit Fliegen, Flugzeugen und Flugsicherheit beschäftigen. Ich muss zugeben, ich kann das sehr gut verstehen. Fliegen ist auch für mich nach über zwanzig Jahren in der Branche etwas Faszinierendes. Ja, ich habe mich mit Aerodynamik beschäftigt, aber dieser Moment, wenn dieser riesige, Tonnen schwere Blechvogel Vollgas gibt, alles rattert und vibriert und plötzlich hebt er ab, elegant und schwerelos… Das ist für mich bis heute jedesmal besonders, irgendwie etwas mysteriös und unfassbar. Oder wie Piloten es mir immer wieder augenzwinkernd erklären: “It’s magic!”

Der zweite Themenbereich, der auf besonderes Interesse stößt, ist sicher nicht minder unfassbar und mysteriös: das menschliche Gehirn scheint viele von euch genau so zu faszinieren, wie mich. Je intensiver ich mich mit unserer Blackbox da oben auseinandersetze, desto größer wird auch meine Faszination. Es gibt zwei Aspekte rund um unser Gehirn, die mich gelegentlich fast in eine Art Demut vor der Schöpfung versetzen: erstens ist es das unglaubliche Zusammenspiel zwischen unseren unterschiedlichen Gehirnregionen, das uns so erfolgreich durch die Evolution getragen hat und zweitens ist es der Umstand, dass die Speicherkapazität unserer Festplatte da oben nicht begrenzt ist. Ja meine Damen und Herren, im Gegensatz zu euren hochtechnisierten Endgeräten jeder Marke, wird euer Gehirn euch niemals melden, dass ihr jetzt eure Speicherkapazitäten erschöpft habt. Warum das so ist, damit möchte ich mich in den nächsten Minuten beschäftigen. Aber vor allem möchte ich mich damit beschäftigen, welche Rolle der Spaß, oder positive Emotionen überhaupt, für unsere Gehirne und deren Lernfähigkeit spielen.

Die Idee des lebenslangen Lernens

Wenn man sich fragt, wann und wo wir lernen, kommen einem als erstes die altbekannten Institutionen wie Schule, Universität und weitere Ausbildungsinstitutionen wie Berufsschulen in den Sinn. Gräbt man tiefer, wird einem klar, dass hier nur ein Bruchteil unseres Lernen stattfindet. Denn vielmehr ist es so, dass wir immer und permanent dazulernen, zum Teil unbewusst (durch neue Erfahrungen und unbekannte Situationen), zum Teil bewusst (durch das Lesen von Büchern verbunden mit persönlichem Interesse, durch Hobbies, die Auseinandersetzung mit anderen Menschen). Obwohl es für den Begriff des lebenslangen Lernens nie eine offizielle, allgemein gültige Begriffsdefinition gab oder gibt, fasst der Begriff des lebenslangen (oder lebensbegleitenden) Lernens beide Teilbereiche zusammen. Erstmals thematisiert wurde dieses Konzept im Jahr 1962 auf der damaligen UNESCO-Konferenz in Hamburg. Die Europäische Union hat genau das im Jahr 1996 wieder aufgegriffen und dieses Jahr auch zum europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernen gemacht. Ziel war es, Menschen zu individuellem und selbstbestimmtem Lernen anzuregen und sie somit zu einer optimalen Bewältigung aller Lebensherausforderungen zu ermächtigen. Gute Idee, wie ich finde.

Die Forschungsergebnisse, die diesem Konzept zu Grunde liegen, sind dass unser Gehirn nicht nur immer weiter lernen kann, sondern auch muss, um sich immer weiter sicher in unserer Umwelt orientieren zu können. Fehlende Orientierung kann im schlimmsten Fall sogar zu psychischen Problemen führen, auf jeden Fall aber zu Unsicherheit, Überforderung und Stress, weshalb das lebenslange Lernen auch in der heutigen Unternehmenslandschaft eine immer größere Rolle spielt. Unternehmen sind gut beraten, die Weiterbildung oder Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen und zu fördern, denn unsichere, gestresste und überforderte Mitarbeiter werden wohl kaum in der Lage sein, kreative, schnelle und außergewöhnlicher Ergebnisse zu liefern.

Die Physiologie des Lernens

Aber was ist denn nun eigentlich Lernen, physiologisch gesehen? Und was hat das alles mit Spaß zu tun?

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…’cause girls just wanna have fun…

Gestern das Gehirn mal auf ein Gläschen Sekt eingeladen, nur so zum Spaß!

Wenn wir uns mit der Physiologie des Lernens beschäftigen, kommen wir um einige Eckdaten rund um unser Gehirn nicht herum. Unser menschliches Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen. Diese Basisausstattung haben alle Gehirne dieser Welt gemeinsam, meines, wie auch das von Stephen Hawking. Leider muss ich aber hier unumwunden zugeben, dass mein, wie ich finde recht solide arbeitendes, Gehirn nicht annähernd die Kapazitäten aufweist, wie es das des genialen Physikers Hawking aufwies. Kommen wir also zu den Unterschieden und dem, was im Endeffekt unser Wissen ausmacht.

Unsere Neuronen sind mit sogenannten Nervenfortsätzen (den Dendriten) und Achsenzylindern (den Axon) ausgestattet. Das sind im Prinzip die Sender und Empfänger unserer Neuronen. Lernen bedeutet vor allem, zwischen diesen Sendern und Empfängern ein möglichst großes und komplexes Netz an neuronalen Verbindungen im Gehirn aufzubauen, welches keine Grenzen oder Limits hat. Den Begriff der Synapse kennt der ein oder andere sicher noch aus dem Bio-Unterricht (oder ganz aktuell aus dem Home-Schooling unkontrollierbarer Teenager). Das ist es also, was meine Blackbox von der von Stephen Hawking unterscheidet. Es ist davon auszugehen, das Hawkings Netz an neuronalen Verknüpfungen deutlich komplexer war, als es bei mir der Fall ist. Der Umstand, dass ich noch am Leben bin, treibt mich jedoch gelegentlich in eine leichte Form des Größenwahns, denn immerhin habe ich noch die realistische Chance, ein wenig aufzuholen. Vielleicht deshalb, oder auch einfach nur, weil es mir als Trainer wichtig ist, ein gutes und nachhaltiges Training zu gestalten, habe ich begonnen, mich damit auseinander zu setzen, was ich dazu beiragen kann, dass das Bilden von neuen neuronalen Verbindungen bestmöglich unterstützt wird.

Optimiertes Lernen

Jetzt kommen wir also endlich zum Spaß für unser Gehirn. Damit sich eine neue neuronale Verbindung in unserem Gehirn überhaupt bilden kann, benötigen wir sogenannte Neurotransmitter. Eine Voraussetzung dafür, dass sich diese Neurotransmitter in unserem Gehirn bilden, ist das Vorhandensein von Endorphinen, körpereigenen Opiaden, die wir auch gerne als Glückshormone bezeichnen. Wie der Name Glückshormon nahelegt, spukt dieses Hormon auch nur durch unser Gehirn, wenn wir uns wohl fühlen, glücklich sind, Spaß haben. Auch wenn ich das jetzt alles sehr vereinfacht dargestellt habe, ist es Fakt, dass wir ohne Glückshormone nicht lernen! Funktioniert nicht! Punkt!

Was dieses Wissen für mich als Trainer bedeutet, ist recht simpel: meine Workshops müssen Thematiken behandeln, die meine Teilnehmer spannend finden, ich muss für Abwechslung, Interaktion und Spaß sorgen und vor allem sollte ich dafür Sorge tragen, dass in meinem Lahrsaal eine von Vertrauen und Sicherheit geprägte Arbeitsatmosphäre herrscht. Ja, ich weiß, wir sprechen von Schulungsereignissen und nicht von Wellnesstagen. Aber wenn ich möchte, dass meine Schulungen nachhaltig sind, ist das der beste und einfachste Weg!

Spannender finde ich, den Fokus ein wenig zu erweitern und weg von meinen Trainings und Workshops zu schauen, was diese Erkenntnisse im Blick auf das Thema Personalentwicklung bedeuten. Die für mich wichtigste Erkenntnis ist, dass das der sichere Tod für alle Schulungen nach dem Gießkannenprinzip sein muss. Ja, natürlich kann ich ein Kommunikations- oder Teambuildingseminare anbieten, für alle Mitarbeiter einer Abteilung oder eines Unternehmens. Wahrscheinlich sollte ich das sogar unbedingt tun, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Ich muss mir dabei aber bewusste sein, dass diese Maßnahmen zwar Wissen schaffen, aber Maßnahmen zur wirklichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters sollten deutlich individueller und bedarfsorientierter sein. Im besten Fall gibt hier sogar der betreffende Mitarbeiter den Weg vor. So kann ich mir als Unternehmen dann auch sicher sein, dass die entsprechenden Maßnahmen auf den denkbar fruchtbarsten Boden fallen und nicht im Nirvana verpuffen.

Unternehmenskultur für glückliche Gehirne

Der mit Abstand spannendste Aspekt rund um unser neuronales Spaßbedürfnis ist für mich jedoch schließlich der direkte Zusammenhang mit dem von mir so geliebten Thema der Unternehmenskultur. In Anbetracht der Tatsache, dass unser Gehirn eigentlich mal darauf ausgelegt war, sich in steinzeitlichen Höhlensystemen zu orientieren, ist es unfassbar, wo unser Gehirn uns gesellschaftlich, technologisch, kulturell und persönlich hinkatapultiert hat. Alles das haben wir der Lernfähigkeit und dem Lernwillen unseres Gehirns zu verdanken. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass, wenn wir unserem Gehirn die Möglichkeit zu lernen und sich weiterzuentwickeln nehmen, wir auch die Orientierung verlieren, uns zurückziehen, ab in in Höhle. Ein Zustand, den ich als Unternehmen bei meinen Mitarbeiter keinesfall antriggern sollte, z.B. durch das (vielleicht sogar bewusste) Streuen von Angst oder Unsicherheit (beides frisst gnadenlos auch das letzte einsame Endorphinchen auf). De Facto sollte ich diesen Zustand sogar tunlichst verhindern. Hierbei halte ich es für empfehlenswert, sich total altmodisch an der Bedürfnispyramide nach Maslow zu orientieren. Der gute Abraham Maslow hat schon in den 1940er Jahren verdammt anschaulich dargestellt, was das Gehirn so unter Spaß versteht. In seiner Bedürfnispyramide kommt direkt auf Stufe zwei das Sicherheitsbedürfnis. Der Mensch, und somit auch der Arbeitnehmer, möchte sich als aller erstes sicher fühlen (und sicher ist hier eben das Gegenteil von ängstlich). Dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvardprofessorin Amy Edmondson in diesem Zusammenhang als Psychological Safety beschreibt, ist die Basis meiner Entwicklungs- und Leistungsfähigkeit. Diese Sicherheit wird auch nicht durch ausschweifende Weihnachtsfeiern oder Teamevents ersetzt. Das kommt nach Maslow nämlich erst auf Stufe drei, der Stufe, in der es um soziale Bedürfnisse geht. Maslows Stufe vier geht direkt an alle Chefs: Wertschätzung! So einfach, aber irgendwie auch so kompliziert! Wenn ich mich als Unternehmen schließlich um diese drei Stufen gekümmert habe, sind die Gehirne meiner Mitarbeiter optimal auf Weiterentwicklung und dazulernen eingestellt und davon profitiere ich als Unternehmen ungemein.

Mmmmmm…. Vielleicht hatte Hawking am Ende einfach nur das Glück, dass sein Endorphinhaushalt nie von Wirtschaftsunternehmen beeinflusst wurde! Wie dem auch sei, mein Gehirn möchte jetzt ein Gläschen Wein, glaube ich. Es erzählt irgendetwas von Spaß… Es sagt es ist Sonntag!

Eure Constance