Entwicklungsgespräch

Warum unser Gehirn Spaß braucht, oder Hawking und ich

Mysterien und Naturwissenschaft

Seit ich vor zwei Monaten meinen ersten Blog online gestellt habe, muss ich feststellen, dass es zwei Themenbereiche gibt, die auf ganz besondere Resonanz stoßen: zum einen sind das die Artikel, die sich mit Fliegen, Flugzeugen und Flugsicherheit beschäftigen. Ich muss zugeben, ich kann das sehr gut verstehen. Fliegen ist auch für mich nach über zwanzig Jahren in der Branche etwas Faszinierendes. Ja, ich habe mich mit Aerodynamik beschäftigt, aber dieser Moment, wenn dieser riesige, Tonnen schwere Blechvogel Vollgas gibt, alles rattert und vibriert und plötzlich hebt er ab, elegant und schwerelos… Das ist für mich bis heute jedesmal besonders, irgendwie etwas mysteriös und unfassbar. Oder wie Piloten es mir immer wieder augenzwinkernd erklären: “It’s magic!”

Der zweite Themenbereich, der auf besonderes Interesse stößt, ist sicher nicht minder unfassbar und mysteriös: das menschliche Gehirn scheint viele von euch genau so zu faszinieren, wie mich. Je intensiver ich mich mit unserer Blackbox da oben auseinandersetze, desto größer wird auch meine Faszination. Es gibt zwei Aspekte rund um unser Gehirn, die mich gelegentlich fast in eine Art Demut vor der Schöpfung versetzen: erstens ist es das unglaubliche Zusammenspiel zwischen unseren unterschiedlichen Gehirnregionen, das uns so erfolgreich durch die Evolution getragen hat und zweitens ist es der Umstand, dass die Speicherkapazität unserer Festplatte da oben nicht begrenzt ist. Ja meine Damen und Herren, im Gegensatz zu euren hochtechnisierten Endgeräten jeder Marke, wird euer Gehirn euch niemals melden, dass ihr jetzt eure Speicherkapazitäten erschöpft habt. Warum das so ist, damit möchte ich mich in den nächsten Minuten beschäftigen. Aber vor allem möchte ich mich damit beschäftigen, welche Rolle der Spaß, oder positive Emotionen überhaupt, für unsere Gehirne und deren Lernfähigkeit spielen.

Die Idee des lebenslangen Lernens

Wenn man sich fragt, wann und wo wir lernen, kommen einem als erstes die altbekannten Institutionen wie Schule, Universität und weitere Ausbildungsinstitutionen wie Berufsschulen in den Sinn. Gräbt man tiefer, wird einem klar, dass hier nur ein Bruchteil unseres Lernen stattfindet. Denn vielmehr ist es so, dass wir immer und permanent dazulernen, zum Teil unbewusst (durch neue Erfahrungen und unbekannte Situationen), zum Teil bewusst (durch das Lesen von Büchern verbunden mit persönlichem Interesse, durch Hobbies, die Auseinandersetzung mit anderen Menschen). Obwohl es für den Begriff des lebenslangen Lernens nie eine offizielle, allgemein gültige Begriffsdefinition gab oder gibt, fasst der Begriff des lebenslangen (oder lebensbegleitenden) Lernens beide Teilbereiche zusammen. Erstmals thematisiert wurde dieses Konzept im Jahr 1962 auf der damaligen UNESCO-Konferenz in Hamburg. Die Europäische Union hat genau das im Jahr 1996 wieder aufgegriffen und dieses Jahr auch zum europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernen gemacht. Ziel war es, Menschen zu individuellem und selbstbestimmtem Lernen anzuregen und sie somit zu einer optimalen Bewältigung aller Lebensherausforderungen zu ermächtigen. Gute Idee, wie ich finde.

Die Forschungsergebnisse, die diesem Konzept zu Grunde liegen, sind dass unser Gehirn nicht nur immer weiter lernen kann, sondern auch muss, um sich immer weiter sicher in unserer Umwelt orientieren zu können. Fehlende Orientierung kann im schlimmsten Fall sogar zu psychischen Problemen führen, auf jeden Fall aber zu Unsicherheit, Überforderung und Stress, weshalb das lebenslange Lernen auch in der heutigen Unternehmenslandschaft eine immer größere Rolle spielt. Unternehmen sind gut beraten, die Weiterbildung oder Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen und zu fördern, denn unsichere, gestresste und überforderte Mitarbeiter werden wohl kaum in der Lage sein, kreative, schnelle und außergewöhnlicher Ergebnisse zu liefern.

Die Physiologie des Lernens

Aber was ist denn nun eigentlich Lernen, physiologisch gesehen? Und was hat das alles mit Spaß zu tun?

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…’cause girls just wanna have fun…

Gestern das Gehirn mal auf ein Gläschen Sekt eingeladen, nur so zum Spaß!

Wenn wir uns mit der Physiologie des Lernens beschäftigen, kommen wir um einige Eckdaten rund um unser Gehirn nicht herum. Unser menschliches Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen. Diese Basisausstattung haben alle Gehirne dieser Welt gemeinsam, meines, wie auch das von Stephen Hawking. Leider muss ich aber hier unumwunden zugeben, dass mein, wie ich finde recht solide arbeitendes, Gehirn nicht annähernd die Kapazitäten aufweist, wie es das des genialen Physikers Hawking aufwies. Kommen wir also zu den Unterschieden und dem, was im Endeffekt unser Wissen ausmacht.

Unsere Neuronen sind mit sogenannten Nervenfortsätzen (den Dendriten) und Achsenzylindern (den Axon) ausgestattet. Das sind im Prinzip die Sender und Empfänger unserer Neuronen. Lernen bedeutet vor allem, zwischen diesen Sendern und Empfängern ein möglichst großes und komplexes Netz an neuronalen Verbindungen im Gehirn aufzubauen, welches keine Grenzen oder Limits hat. Den Begriff der Synapse kennt der ein oder andere sicher noch aus dem Bio-Unterricht (oder ganz aktuell aus dem Home-Schooling unkontrollierbarer Teenager). Das ist es also, was meine Blackbox von der von Stephen Hawking unterscheidet. Es ist davon auszugehen, das Hawkings Netz an neuronalen Verknüpfungen deutlich komplexer war, als es bei mir der Fall ist. Der Umstand, dass ich noch am Leben bin, treibt mich jedoch gelegentlich in eine leichte Form des Größenwahns, denn immerhin habe ich noch die realistische Chance, ein wenig aufzuholen. Vielleicht deshalb, oder auch einfach nur, weil es mir als Trainer wichtig ist, ein gutes und nachhaltiges Training zu gestalten, habe ich begonnen, mich damit auseinander zu setzen, was ich dazu beiragen kann, dass das Bilden von neuen neuronalen Verbindungen bestmöglich unterstützt wird.

Optimiertes Lernen

Jetzt kommen wir also endlich zum Spaß für unser Gehirn. Damit sich eine neue neuronale Verbindung in unserem Gehirn überhaupt bilden kann, benötigen wir sogenannte Neurotransmitter. Eine Voraussetzung dafür, dass sich diese Neurotransmitter in unserem Gehirn bilden, ist das Vorhandensein von Endorphinen, körpereigenen Opiaden, die wir auch gerne als Glückshormone bezeichnen. Wie der Name Glückshormon nahelegt, spukt dieses Hormon auch nur durch unser Gehirn, wenn wir uns wohl fühlen, glücklich sind, Spaß haben. Auch wenn ich das jetzt alles sehr vereinfacht dargestellt habe, ist es Fakt, dass wir ohne Glückshormone nicht lernen! Funktioniert nicht! Punkt!

Was dieses Wissen für mich als Trainer bedeutet, ist recht simpel: meine Workshops müssen Thematiken behandeln, die meine Teilnehmer spannend finden, ich muss für Abwechslung, Interaktion und Spaß sorgen und vor allem sollte ich dafür Sorge tragen, dass in meinem Lahrsaal eine von Vertrauen und Sicherheit geprägte Arbeitsatmosphäre herrscht. Ja, ich weiß, wir sprechen von Schulungsereignissen und nicht von Wellnesstagen. Aber wenn ich möchte, dass meine Schulungen nachhaltig sind, ist das der beste und einfachste Weg!

Spannender finde ich, den Fokus ein wenig zu erweitern und weg von meinen Trainings und Workshops zu schauen, was diese Erkenntnisse im Blick auf das Thema Personalentwicklung bedeuten. Die für mich wichtigste Erkenntnis ist, dass das der sichere Tod für alle Schulungen nach dem Gießkannenprinzip sein muss. Ja, natürlich kann ich ein Kommunikations- oder Teambuildingseminare anbieten, für alle Mitarbeiter einer Abteilung oder eines Unternehmens. Wahrscheinlich sollte ich das sogar unbedingt tun, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Ich muss mir dabei aber bewusste sein, dass diese Maßnahmen zwar Wissen schaffen, aber Maßnahmen zur wirklichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters sollten deutlich individueller und bedarfsorientierter sein. Im besten Fall gibt hier sogar der betreffende Mitarbeiter den Weg vor. So kann ich mir als Unternehmen dann auch sicher sein, dass die entsprechenden Maßnahmen auf den denkbar fruchtbarsten Boden fallen und nicht im Nirvana verpuffen.

Unternehmenskultur für glückliche Gehirne

Der mit Abstand spannendste Aspekt rund um unser neuronales Spaßbedürfnis ist für mich jedoch schließlich der direkte Zusammenhang mit dem von mir so geliebten Thema der Unternehmenskultur. In Anbetracht der Tatsache, dass unser Gehirn eigentlich mal darauf ausgelegt war, sich in steinzeitlichen Höhlensystemen zu orientieren, ist es unfassbar, wo unser Gehirn uns gesellschaftlich, technologisch, kulturell und persönlich hinkatapultiert hat. Alles das haben wir der Lernfähigkeit und dem Lernwillen unseres Gehirns zu verdanken. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass, wenn wir unserem Gehirn die Möglichkeit zu lernen und sich weiterzuentwickeln nehmen, wir auch die Orientierung verlieren, uns zurückziehen, ab in in Höhle. Ein Zustand, den ich als Unternehmen bei meinen Mitarbeiter keinesfall antriggern sollte, z.B. durch das (vielleicht sogar bewusste) Streuen von Angst oder Unsicherheit (beides frisst gnadenlos auch das letzte einsame Endorphinchen auf). De Facto sollte ich diesen Zustand sogar tunlichst verhindern. Hierbei halte ich es für empfehlenswert, sich total altmodisch an der Bedürfnispyramide nach Maslow zu orientieren. Der gute Abraham Maslow hat schon in den 1940er Jahren verdammt anschaulich dargestellt, was das Gehirn so unter Spaß versteht. In seiner Bedürfnispyramide kommt direkt auf Stufe zwei das Sicherheitsbedürfnis. Der Mensch, und somit auch der Arbeitnehmer, möchte sich als aller erstes sicher fühlen (und sicher ist hier eben das Gegenteil von ängstlich). Dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvardprofessorin Amy Edmondson in diesem Zusammenhang als Psychological Safety beschreibt, ist die Basis meiner Entwicklungs- und Leistungsfähigkeit. Diese Sicherheit wird auch nicht durch ausschweifende Weihnachtsfeiern oder Teamevents ersetzt. Das kommt nach Maslow nämlich erst auf Stufe drei, der Stufe, in der es um soziale Bedürfnisse geht. Maslows Stufe vier geht direkt an alle Chefs: Wertschätzung! So einfach, aber irgendwie auch so kompliziert! Wenn ich mich als Unternehmen schließlich um diese drei Stufen gekümmert habe, sind die Gehirne meiner Mitarbeiter optimal auf Weiterentwicklung und dazulernen eingestellt und davon profitiere ich als Unternehmen ungemein.

Mmmmmm…. Vielleicht hatte Hawking am Ende einfach nur das Glück, dass sein Endorphinhaushalt nie von Wirtschaftsunternehmen beeinflusst wurde! Wie dem auch sei, mein Gehirn möchte jetzt ein Gläschen Wein, glaube ich. Es erzählt irgendetwas von Spaß… Es sagt es ist Sonntag!

Eure Constance

Das Beurteilungsgespräch, die merkwürdigste Situation des Jahres

Große Freude! Es ist wieder Beurteilungsgespräch!

Wer von euch freut sich nicht auf sein jährliches Beurteilungsgespräch, weil er danach inspiriert und gestärkt den Raum verlässt und sich voller Energie auf zu neuen Ufern macht? Und wer unter den Führungskräften würde nicht sagen, dass die vier bis sechs Wochen im Jahr, in deren Verlauf die Mitarbeitergespräche geführt werden, eine Bereicherung für das Teamgefüge darstellen? Wer hat keinen Spaß daran, sich “SMARTe” Ziel auszudenken und die wunderbaren Beurteilungsbögen der Personalabteilungen auszufüllen? Ich spüre euer müdes Lächeln…

Warum ist das so? Warum macht uns diese jährliche Leistungsbeurteilung so nervös? Mitarbeiter wie Führungskraft? Sicher auch, weil indirekt so viel von eben dieser Beurteilung abhängt: Beförderung, Gehaltserhöhung, Boni, Projekte, etc. Selbst Manager, denen das Thema Personalentwicklung sehr am Herzen liegt und die in der Beurteilung ihrer Mitarbeiter geschult sind, sind sich dessen bewusst und so wird die Gesprächsatmosphäre immer auch von Unsicherheit und Angst begleitet, auf beiden Seiten. Um sich selbst Sicherheit zu geben, klammert der Chef sich gerne an diesen wundervollen Bogen, den die Personalabteilung ihm zu Verfügung gestellt hat und der Mitarbeiter versucht sich von seiner besten Seite zu zeigen. Keiner will etwas falsch machen. Dabei weiß der Mitarbeiter oft nicht wirklich was auf ihn zukommt, da die meisten Mitarbeiter im Laufe des Jahres seitens ihres Chefs kein regelmäßiges und ausführliches Feedback erhalten. Die Nervosität steigt ins Unermessliche, beide Seiten achten tunlichst genau auf das, was sie sagen und das Gespräch, welches so entsteht, ist alles, nur nicht spontan, offen und inspirierend. Am Ende sind beide Seiten froh, “es” hinter sich zu haben und ab jetzt wieder zwölf Monate Ruhe davor zu haben.

Das Potenzial von Beurteilungsgesprächen

Schade eigentlich, wenn man sich überlegt welches Potenzial diese Gespräche haben. Was würde denn passieren, wenn wir diese Gespräche nicht mehr aus Verpflichtung heraus führen würden, sondern als Ausdruck der Verbundenheit, aus aufrichtiger Wertschätzung und ehrlichem Interesse? Was würde passieren, wenn es in diesen Gesprächen nicht mehr darum ginge, festzulegen zu wie viel Prozent die Vorjahresziele erreicht wurden, sondern um Fragen wie: Was möchte ich wirklich gerne tun? Was macht mir Spaß? Was sind meine ganz besonderen Talente? Wo bringe ich diese schon ein? Was hält mich davon ab, meine Talente komplett in meine Arbeit einzubringen? Was brauche ich um eben das zu tun? Was macht mich einzigartig? In einer von Angst und Unsicherheit geprägten Gesprächsatmosphäre wird ein spontaner und ehrlicher Austausch über diese Themen unmöglich. Aber liebe Chefs und Manager, erst wenn ihr diese Punkte für jeden eurer Mitarbeiter abgeklärt habt, könnt ihr eure Mitarbeiter ihren Fähigkeiten und Talente entsprechend fördern und einsetzen. Erst dann kommt es zur High Performance eines jeden Einzelnen.

Die etwas andere Form von Beurteilung

Wie schaffen wir es also, das jährliche Gespräch zwischen Manager und Mitarbeiter für echten Austausch und wirkliche Weiterentwicklung zu nutzen? Wir müssen es irgendwie schaffen, diese Leistungsbeurteilungen anders aufzubauen, so, dass sie keinen Druck und keine Angst mehr erzeugt.

Der Wahnsinn der Bonuszahlungen

Im ersten Schritt sollte man die an persönliche Jahresziele gebundene Zahlung von Boni oder Provisionen überdenken. Diese machen aus vielerlei Gründen keinen Sinn. Dass durch sie einer der größten Angstfaktoren im jährlichen Mitarbeitergespräch weg fällt, ist nur ein positiver Nebeneffekt. In erste Linie sollte sich jedes Unternehmen mal darüber Gedanken machen, was passiert, wenn ich meinen Mitarbeitern die Karotte buchstäblich vor die Nase halte. Klar wird dann vielleicht etwas schneller gerannt, aber leider auch mit recht großen Scheuklappen. Beispiel: Der Head of Facility Management bekommt das Jahresziel, Mietkosten zu senken, gerne auch durch einen Umzug. Also macht sich der Manager auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft und wird fündig. Vergleichbares Gebäude, soundsoviel Prozent weniger Miete. OK, es ist ein Staffelmietvertrag und in vier Jahren sind die Mietkosten dann deutlich höher als sie es heute sind. Ist aber egal, denn den diesjährigen fetten Bonus hat unser Manager sicher. Der entsprechende Vorstand unterschreibt alles, weil auch er in diesem Jahr Kosten senken muss. Also egal was irgendwann mal sein wird, für den Moment ist alles super. Verständlich irgendwie. Warum sollte einem das Hemd auch nicht näher sein als die Hose? Was passiert, wenn man einem Esel eine Karotte vor die Nase hängt, ist dass sein Horizont eben just bei dieser Karotte aufhört. Langfristig gesehen ein totaler Supergau!

Selbstreflexion statt Beurteilungsbögen

Stellen wir uns vor, wir haben diese Provisionierung der individuellen Jahresziele also abgeschafft und es gibt so etwas wie eine allgemeine Gewinnbeteiligung. Damit haben wir einen Teil des Drucks für beide Seiten raus genommen. Beurteilt werden sollte aber trotzdem. Deshalb könnte es im zweiten Schritt eine großartige Idee sein, den jährlichen Beurteilungsprozess zunächst als Möglichkeit zur Selbstreflexion zu nehmen. Jeder Mitarbeiter bekommt eine Liste von Fragen anhand derer er seine eigene Leistung und Zielerreichung reflektiert. Ich selbst bin immer mal wieder in der Position, die Leistung anderer zu beurteilen und ich bin tatsächlich weitestgehend dazu übergegangen, mir zunächst einmal anzuhören, wie die jeweiligen Kollegen sich selbst beurteilen würden. In etwa 99 Prozent aller Fälle sind diese Kollegen deutlich kritischer mit sich selbst, als ich es jemals wäre. Ähnlich erlebe ich es auch im Rahmen meiner Workshops, wenn ich die Gruppe bitte, sich selbst hinsichtlich einer Übung oder Aufgabe zu reflektieren.

Das Team als Spiegel

Um dem Selbstbild aber auf jedem Fall noch ein Fremdbild hinzuzufügen, damit die Sache rund wird, brauchen wir im nächsten Schritt ein Feedback. Hier stellt sich die generelle Frage, wer denn besser geeignet ist, meine Leistung zu beurteilen: Meine Kollegen, die mich täglich mehrere Stunden erleben und auch ganz genau mitbekommen, welchen Anteil der Teamleistung mir zuzuordnen ist, oder mein Chef, der mich vielleicht nur wenige Minuten pro Tag erlebt, wenn überhaupt? Eine Antwort erübrigt sich. In einem Teammeeting in wohlwollender und entspannter Atmosphäre stellt ein Kollege zunächst kurz seine Selbstreflexion vor. Danach haben alle Kollegen einen Moment Zeit, sich über das Gehörte in aller Stille Gedanken zu machen. Im Anschluss daran beantwortet jeder zwei Fragen: Was schätze ich besonders an der Zusammenarbeit mit dir? Und was ist der Bereich, in dem du dich noch weiterentwickeln könntest? Ein Protokollant schreibt alles an der Flipchart mit und überreicht abschließen dem Kollegen, der in diesem Meeting im Fokus steht, das Papier.

Die Führungskraft als Coach

Kommen wir zum letzten Schritt des Beurteilungs- oder Entwicklungsprozesses: Mit seinem Flipchart-Bogen geht unser Mitarbeiter nun zum Chef. In einem Vieraugengespräch besprechen die beiden jetzt die Ergebnisse des Teammeetings und gemeinsam mit dem Chef erörtert unser Mitarbeiter was er aus diesem Prozess mitnimmt, was er gelernt hat und wie und in welche Richtung er sich zukünftig weiterentwickeln möchte. Auf diese Art und Weise wird die jährliche Beurteilung zu einem ermutigendem Prozess der Selbstreflexion und Weiterentwicklung.

Wer jetzt sagt, das ist alles Hokus-Pokus und Traumtänzerei, jenseits von Wirtschaftlichkeit und Realität, dem sei gesagt, dass es einige sehr erfolgreiche Unternehmen gibt, die einen solchen oder ähnlichen Prozess bereits implementiert haben. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die nicht nur verstanden haben, dass der Mensch der Schlüsseln zu Erfolg ist, sondern darüber hinaus auch verstanden und verinnerlicht haben, was der Mensch braucht um sein volles Potenzial abzurufen: Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Spaß!

Lasst uns aufhören mit diesem Karotten-Blödsinn in Kombination mit Druck und Angst. Lasst uns aufhören mit diesen Beurteilungsgesprächen um deren selbst Willen. Lasst uns doch mal wieder auf den ursprünglichen Sinn und Zweck dieser Gespräche rück besinnen. Es ging irgendwann mal um Weiterentwicklung und um mich weiter zu entwickeln brauche ich weder Druck, noch Angst, noch eine blöde Karotte. Ich brauche Unterstützung und jemanden, der mich als Person wahrnimmt, mit meinen Stärken und Schwächen. Wie sieht es bei euch aus? Was braucht ihr?

Eure Constance

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Total entspannt

Beurteilungsgespräche als Chance für alle beteiligten