Unternehmenskultur

Warum es ohne Konflikte niemals zu High Performance kommt

Die zweite Dysfunktion (agiler) Teams: Angst vor Konflikten

All jene unter euch, die meinen Blog regelmäßig lesen, erinnern sich sicher noch daran, dass ich in der letzten Woche die fünf großen Dysfunktionen agiler Teams vorgestellt habe. Während ich mich in der letzten Woche schließlich auf die erste Dysfunktion, den Mangel an Vertrauen, fokussiert habe, weil diese Dysfunktion für mich so etwas wie die Mutter aller Dysfunktionen ist, möchte ich mich in dieser Woche mit der zweiten Dysfunktion, der Angst vor Konflikten, auseinandersetzen. Diese Dysfunktion steht völlig zurecht auf Platz zwei der Liste, da ohne Konfliktfähigkeit, das heißt ohne die Fähigkeit, Konflikte auszutragen, keine High Performance entstehen kann. Warum? Weil man ohne, dass man sich über unterschiedliche Meinungen und Ansichten auszutauschen, diesen wertvollen Input nicht zum Wohle des Teams nutzen kann. Oder wie Winston Churchill es ausgedrückt hat: “Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von beiden überflüssig.” Ferner ist es so, dass ohne offene Auseinandersetzungen schwelende Konflikte im Team nicht aufgearbeitet und gelöst werden können. Ist das der Fall, wie soll man in einem Team blind zusammenarbeiten? Wie soll ich voller Vertrauen und auf meine Arbeit fokussiert Höchstleistung erbringen, wenn persönliche Bedürfnisse nicht eingebracht werden können, unterschiedliche Sichtweisen nicht ausgetauscht werden und Ärger übereinander einfach heruntergeschluckt wird? Richtig, gar nicht! All diese “rosa Elefanten” halten mich mal mehr und mal weniger von dem ab, was ich eigentlich tun sollte.

Merkmale von Teams mit Konfliktangst

Wissend, dass eine angemessene Konfliktkultur nun wichtig für die Performance eines Teams ist, stellt sich nun die Frage, woran ich als Vorgesetzter, Teamleiter, (Agile) Coach, Scrum Master, Product Owner, etc. merken kann, dass mein Team durch mangelnde Konfliktfähigkeit in seiner Performance gehemmt wird? Ich erzähle euch mal, wann ich als Agile Coach hellhörig werde:

  1. Taktieren hinter dem Rücken der Betroffenen stehen an der Tagesordnung: zum Beispiel werden in Einzelgesprächen mit mir als Coach, mit den Scrum Master, dem Product Owner oder dem Vorgesetzten Probleme benannt, die in Teamgesprächen jedoch nicht erwähnt werden. Insgesamt wird häufig übereinander gesprochen und der Flurfunk läuft sehr hochfrequent.

  2. Meetings sind eher langweilig und formal: eigentlich belanglose oder untergeordnete Themen werden in epischer Breite besprochen, ohne jedoch des Pudels Kern zu benennen und insgesamt wird am liebsten über rein formale Themen gesprochen. Persönliches und Zwischenmenschliches hat keinen Platz.

  3. Kontroverse Themen, die wichtig für den Erfolg des Teams sind, werden weitestgehend ignoriert: kontroverse Themen werden nur in Einzelgesprächen benannt, in Meetings und der täglichen Arbeit jedoch ausgeblendet. Auch wichtige Entscheidungen werden gerne so lange ignoriert, bis sie jemand anderes für das Team trifft (hier gerne der Chef, der Scrum Master, der Product Owner). Selbstverständlich werden die getroffenen Entscheidungen anschließend ausführlich diskutiert und in Frage gestellt. Es versteht sich von selbst, dass das nicht offen, sondern hinterm Rücken getan wird!

  4. Unterschiedliche Meinungen oder Perspektiven werden kaum gehört. Lieber wird geschwiegen.

  5. Die einzelnen Teammitglieder verbringen viel Zeit mit zwischenmenschlicher Absicherung und persönlicher Selbstdarstellung: in Meetings werden vor allem Erfolge und unkritische Themen hervorgehoben. Positive Aspekte werden gerne als persönliche Erfolge verkauft, während für negative Aspekte gerne schon im Vorfeld Ausreden und Entschuldigungen zurechtgelegt werden.

Und? Habt ihr etwas wiedererkannt?

Ich muss gestehen, wenn ich derartige Listen runtertippe, bekomme ich ein ums andere Mal Gänsehaut, weil ich natürlich das ein oder andere wiedererkenne. Mal habe ich es in Teams erlebt, mal habe ich es sogar selbst getan. Die Wahrheit ist nämlich, dass wir Menschen alle so aufgestellt sind, dass wir Konflikte tendenziell nicht toll finden und würden wir vorher gefragt werden, ob wir diesen oder jenen Konflikt haben möchte, würden wir diese Frage sicher klar mit Nein beantworten. Wir alle müssen unseren inneren Schweinehund überwinden, um potenziell konfliktträchtige Themen zu benennen. Jedoch ist den meisten von uns sicher klar, dass genau das nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen immanent wichtig ist, um erfolgreich zu sein. Schaffen es ganze Teams nicht, ihre inneren Schweinehunde zu überwinden und baden dafür lieber in einer oberflächlichen Harmonie, hat das nicht nur negativen Einfluss auf die Produktivität dieses Teams, sondern auch auf die Kreativität und Innovationskraft. Als Führungskraft, Product Owner, Scrum Master oder eben auch als (Agile) Coach muss ich hier aktiv werden.

Was kann man denn schon tun, als Coach oder Führungskraft

In so einer Situation ist guter Rat natürlich teuer und glaubt mir, auch für eine Coach und Mediator wird das niemals zur Routine, also zu mindestens nicht für mich. Steht ein konkreter, unausgesprochener Konflikt im Raum, muss dieser gelöst werden, eh er die Atmosphäre nachhaltig schädigt. Der Profi hierfür ist der Mediator und auch Coaches sind durchaus in der Lage, ein entsprechendes klärendes Gespräch zu moderieren. Liebe Führungskraft, wenn du dich mir einer derartigen Situation überfordert fühlst, ist das absolut OK, wahrscheinlich ist es sogar normal. Hol dir Hilfe!

Ist das akute Problem aus der Welt geschafft, empfehle ich einen Workshop, der im ersten Schritt aufzeigt, woher unterschiedliche Meinungen und Perspektiven kommen und warum es gerade diese Unterschiedlichkeit ist, die Teams besonders erfolgreich machen. Im zweiten Schritt empfiehlt es sich, den Workshop-Teilnehmern konkrete Tools rund um das Thema Kommunikation, Konfliktmanagement und Feedback mitzugeben. Zu meinem Repertoire gehört hierbei natürlich Schulz von Thun, die Konflikteskalation nach Glasl, das Harvard Prinzip, gegebenenfalls Gewaltfreie Kommunikation, auf jeden Fall aber das Drei-Welten-Modell von Bernd Schmitt und das WWW-Prinzip als Struktur für ein Feedback. Über alles habe ich im Rahmen meines Blogs bereits berichtet. Also blättere gerne zurück!

Darüber hinaus ist es wichtig, im Anschluss an den Workshop für Nachhaltigkeit zu sorgen. Als Coach ist es sinnvoll, mit besonders konfliktscheuen, ruhigen oder unsicheren Mitarbeiter das Einzelgespräch zu suchen. Für das gesamte Team empfehle ich regelmäßige Debriefings oder Retrospektiven, in denen die Zusammenarbeit besprochen wird. Derartige Termine sind gute Möglichkeiten für Coaches, potenzielle unausgesprochenes durch strategisch kluge Moderation ans Tageslicht zu befördern. Je häufiger die Kollegen die Erfahrung machen, dass Meinungsverschiedenheiten kein Drama sind, sondern mit Team gelöst werden können, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Coach als Moderator nicht mehr benötig wird! Tja, gute Coaches schaffen sich mit der Zeit eben leider selbst ab!

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Sonntag! Genießt den Sommer! Wir haben lange genug auf ihn gewartet!

Eure Constance

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Ran an die anderen Meinungen!

Kopf in den Sand oder Augen verschließen ist niemals hilfreich…

Fünf Dysfunktionen (agiler) Teams und die Frage nach dem Huhn oder dem Ei

Teams an ihren Grenzen

In Scrum Umgebungen spricht man gerne von fünf Dysfunktionen, die dazu beitragen, dass ein Team nicht erfolgreich agieren kann:

  1. Mangel an Vertrauen

  2. Angst vor Konflikten

  3. Fehlendes Engagement oder Commitment

  4. Scheu vor Eigenverantwortung innerhalb des Teams

  5. Fehlende Ergebnis- oder Zielorientierung

Selbstverständlich sind diese fünf Killer-Facts für ein erfolgreich agierendes Team nicht erst mit der Erfindung von Scrum aufgetaucht. Bereits seit den siebziger Jahren ist der Mensch und die menschliche Leistung zunehmend in den Fokus geraten, wenn es darum ging, die Frage zu beantworten, warum es Organisationen und Teams gibt, die bei vergleichbaren Voraussetzungen erfolgreicher sind als andere. Die Idee des Humanvermögens eines Unternehmens war geboren.

Mit steigender Dynamik und Komplexität des Marktumfeldes war es nicht mehr nur der einzelne Mensch, der im Fokus der Berater und Erfolgsforscher stand, sondern das Team. Im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung wurde nämlich schnell klar, dass ein einzelner Mensch nicht mehr in der Lage sein würde, schnell genug und mit ausreichendem Überblick erfolgreich zu agieren. Erste Trendsetter waren hierbei die sogenannten High Risk Environments wie zum Beispiel die von mir so gerne zitierte Luftfahrt, da in diesen Bereichen Misserfolge absolut sind, nicht relativierbar und auch nicht zu vertuschen. Bereits 1977 kam es in Teneriffa zu einem Flugzeugunglück, dass einem ganzen Industriezweig verdeutlichte, dass es nicht ausreichend ist, die Technik stetig zu verbessern, um Unglücke (also Misserfolge) auszuschließen. Es war die Geburtsstunde des sogenannten Human Factors oder Crew Ressource Management Trainings, dass inzwischen seit etwa 40 Jahren fester Bestandteil der Schulungen für Piloten, Kabinenbesatzungen und zunehmend auch der operationellen Strukturen am Boden ist.

Inzwischen bin ich kein Human Factors Trainer mehr. In meinem neuen Leben als Agile Coach beschäftige ich mich interessanterweise mit ausgesprochen ähnlichen Themen. Ich arbeite mit meinen Teams an deren gemeinsamen Ziel- oder Kundenorientierung, nicht nur weil es Sinn mach das Ziel seiner Arbeit und somit eben auch den Kunden stets im Blick zu behalten, sondern weil ein gemeinsames Ziel das Team zusätzlich eint und zusammenschweißt. Außerdem merke ich immer wieder, dass Eigeninitiative und Eigenverantwortung die absolute Basis dafür sind, in agilen Strukturen erfolgreich sein zu können. Team bedeutet eben nicht eine Gruppe von Menschen, hinter denen man sich verstecken kann. In der Luftfahrt kann mangelnde Eigenverantwortung fatale Folgen haben, in agilen Strukturen bedeutet es mangelnde Innovationskraft und Geschwindigkeitsverlust! - Beides fatal, wenn sich die Welt immer schneller dreht. Wer sich da nicht mit bewegt, bleibt schnell auf der Strecke. Mit dem Thema Eigenverantwortung und Eigeninitiative gehen auch Engagement und Commitment einher. Je mehr ich von dem überzeugt bin, was ich tue, je mehr ich mich mit meiner Arbeit identifizieren kann, je mehr Sinnhaftigkeit ich in meinem Tun sehe, desto mehr Leistung bin ich bereit zu erbringen. Befinde ich mich in einem Team, dass durch ein gemeinsames Commitment geeint ist, nimmt das Team gemeinsam an Geschwindigkeit auf und es geht nicht mehr um persönliche Befindlichkeiten, Eitelkeiten und die ganz persönliche Karriere, sondern vor allem um das gemeinsame Ziel. In der Luftfahrt ist dieses Ziel gemeinsam gesund und munter zu landen.

Warum hat die Angst vor Konflikten sowohl in agilen Strukturen als auch in der Luftfahrt negative Auswirkungen auf die Teamperformance? Menschen die keine Konflikte wollen, vielleicht sogar Angst davor haben, streiten sich doch auch weniger und genau das ist doch gut für ein Team, oder? -Mehr Harmonie! Tja, was soll ich sagen, als Mediator und Konflikt-Sucher?! Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Menschen in einem Team gemeinsam arbeiten können, ohne Konflikte zu haben. Die Konflikte und Meinungsverschiedenheiten sind da und nur weil sie aus Angst vor einer vermeidlichen Eskalation ignoriert werden, sind sie trotzdem nicht weg. Sie bleiben wie unsichtbare aber spürbare rosa Elefanten im Raum und beeinflussen die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. All das totgeschwiegene und nicht gesagte sorgt dafür, dass ich unsicher bin, anders kommuniziere und mich permanent in Alarmbereitschaft befinde. Da bleibt nicht viel Kapazität für außergewöhnliche Leistungen. Hinzu kommt, dass man im Bereich der High Performance Teams sogar nach einer möglichst heterogenen Gruppe von Menschen sucht, um eine größtmögliche Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven, Ansätze, Wahrnehmungen, etc. zu vereinen. Davon profitiert das Team jedoch nur, wenn man eben genau darüber diskutiert, ohne Angst davor, jemanden zu widersprechen, oder selbst widersprochen zu bekommen. In der Luftfahrt stellt man aus genau diesem Grund dem Piloten nicht nur einen Autopiloten zur Seite, sondern mindestens noch einen weiteren Piloten. Die Dynamik und Komplexität in der Luftfahrt ist so groß, dass eine zweite Meinung oder Perspektive ausgesprochen wertvoll für einen bestmöglichen Entscheidungsfindungsprozess ist.

Vertrauen und Psychological Safety als Basis für funktionierende Teams und Organisationen

An all diesen Punkten kann man als Human Factors Trainer oder Agile Coach arbeiten. Jeder einzelne von uns kann daran arbeiten. Jedoch gibt es eine absolute Grundvoraussetzung dafür, dass diese Arbeit auch von Erfolg gekrönt ist. Diese Grundvoraussetzung führt uns schließlich zur ersten Dysfunktion: Mangel an Vertrauen. Wenn ich nicht Vertraue, werde ich potenzielle Konflikte nicht ansprechen, ich werde mich nicht committen, weil ich mich unwohl fühle, ich werde keine Eigenverantwortung übernehmen, weil ich Angst davor habe, Fehler zu machen und weil ich ständig auf der Hut sein werde, werde ich auch nicht in der Lage sein, mich stets auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren, da ich mich ja darauf fokussieren muss, auf mich selbst aufzupassen.

Die Basis aller Dysfunktionen in Teams ist ein Mangel an Vertrauen, oder ein fehlendes Sicherheitsgefühl. Es ist dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvard Professorin Amy C. Edmondson als Psychological Safety beschreibt und das für sie die Basis jeder High Performance ist. Google beschreibt Psychological Safety als den absoluten Grundbaustein ihres Unternehmenskodex, da der Rest ohne das Gefühl von Sicherheit nicht funktioniere. Und ich, als Coach, Trainer, Mediator habe gelernt, dass ich, wenn ich mit Teams oder Organisationen daran arbeiten möchte, in die Sphären der High Performance aufzusteigen, muss ich zunächst am Sicherheitsgefühl, der Psychological Safety arbeiten. Ohne dieses Gefühl gibt es keine Feedbackkultur, auch wenn ich allen ausführlich erklärt habe, wie Feedback technisch funktioniert und warum es wichtig ist. Es gibt keine Fehlerkultur, auch wenn jeder weiß, dass es eigentlich wichtig ist, aus Fehlern zu lernen. Es gibt keine Eigenverantwortung und auch das Engagement wird nie bei hundert Prozent sein, wenn ich mich nicht sicher fühle.

Die Gretchenfrage

Die absolute Gretchenfrage ist nun natürlich wie man in einem Team, oder am besten in einer ganzen Organisation zu diesem Gefühl gegenseitigen Vertrauens, bzw. diesem Gefühl von Sicherheit, das Edmondson als Psychological Safety beschreibt, kommt. Wann fühlt ihr euch denn im beruflichen Kontext absolut sicher? Was braucht ihr, um absolutes Vertrauen in euch, euer Umfeld und in das was ihr tut, zu haben? Bei mir kommt dieses Gefühl der Psychological Safety immer dann auf, wenn ich genau weiß, woran ich bin. Wenn ich weiß, was mein Umfeld über das denkt, was ich tue und wenn ich mir ganz sicher sein kann, dass man mir nicht nur sagt, dass das, was ich tue gut ist, sondern auch, wenn man der Meinung ist, dass ich dabei bin, mich auf den Holzweg zu begeben. Ich fühle mich sicher, wenn man mit mir und nicht über mich spricht. Das was ich brauche, um mich sicher zu fühlen, ist Feedback, eingebettet in ein natürlich und funktionierende Feedbackkultur, in der jeder zu jeder Zeit frei und offen sprechen kann.

Henne Babs und die Frage nach dem Huhn oder dem Ei

So weit, so einfach! Psychological Safety braucht also eine lebendige Feedbackkultur. Wenn ich euch jetzt jedoch bitte, kurz darüber nachzudenken, was ihr braucht, um zu jeder Zeit offen und frei sprechen zu können, wird es kompliziert! Denn eure Antwort wird sicher sein, dass ihr euch sicher fühlen müsst, dass ihr Vertrauen benötigt, sprich Psychological Safety… Wenn wir über Feedbackkultur und Psychological Safety sprechen, führt uns das ziemlich schnell zu dieser uralten Menschheitsfrage: Was war zuerst? -Das Huhn oder das Ei? Das eine bedingt das andere! Was Henne Babs, die mir dankenswerterweise ihr Portrait für diesen Artikel zu Verfügung gestellt hat, völlig egal ist, da dieser Kreislauf in ihrem Fall ganz formidabel läuft, treibt mich als Coach dieser Tage non-stop recht intensiv um! Auf spontane Zellteilung oder göttlich Intervention kann ich auf Organisationsebene sicher nicht hoffen. Diesen Kreislauf muss ich schon selbst irgendwie in Gang bringen. Fakt ist, einer muss eben anfangen! In Organisationen ist es für gewöhnlich die Führungsebene, die aus ihrer Position heraus am ehesten in der Lage ist, einen Kreislauf aus Feedbackkultur und Psychological Safety in Gang zu bringen, indem sie vorlegt. Die Erfahrung zeigt, dass all jene, die im Organigramm nachgeordnet sind, recht schnell nachziehen.

Hierbei gibt es jedoch einen Knoten gordischen Ausmaßes, der vorher gelöst werden will. Denn auch Führungskräfte benötigen dieses Gefühl von Sicherheit, um in eine Feedbackschleife einzusteigen. Leider wird es an der Spitze der meisten Organisationen oft etwas einsam. Wenn ich permanent damit beschäftigt bin, meinen Posten verteidigen zu müssen, aus Angst, da sägt jemand an meinem Stuhl, wenn ich meine Ellenbogen gegen meinen Mit-Führungskräfte einsetzen muss, um mich durchzusetzen und wenn ich stetig Angst davor haben muss, einen Fehler zu machen, weil dieser gegen mich verwendet werden könnte, dann habe ich keine Zeit und keine Lust, mich mit Feedback und Feedbackkultur zu beschäftigen, denn die Kultur, die ich tatsächlich erlebe, ist eine andere.

Das gute alte Teambuilding

Was es braucht, um diesen gordischen Knoten zu lösen, ist eine Gruppe von Führungskräften, die sich als Team versteht, die sich vertraut, zusammenarbeitet, miteinander Probleme löst und nicht die Probleme der anderen für eigene Zwecke ausnutzt. Feedbackkultur und Psychological Safety lassen sich nicht einführen, indem ich erkläre, wie Feedback funktioniert und warum es wichtig ist. -Beides kann auch in Büchern nachgelesen werden. Vielmehr handelt es sich um mühsame, aber auch wunderschöne Arbeit am kulturellen Miteinander innerhalb einer Organisation und beginnt damit, ein Führungsteam zu formen. Rosen brauchen breit gefächerte Wurzeln und einen festen Stamm, damit sie die Jahreszeit gut überdauern, aber sie duften oben, an der Blüte! Ich weiß, das hört sich etwas “cheesy” an, aber ich wollte mir diesen Spruch vom Fisch, der vom Kopf her stinkt, gerne ersparen, bzw. ihn in sein Gegenteil umkehren. Denn an dieser Stelle muss auch betont werden, dass alle nicht-Führungskräfte nicht raus sind aus der Verantwortung für ein Kultur von Psychological Safety und Feedback. Im Gegenteil! Denn im zweiten Schritt braucht es eine breite Basis, die die Impulse, die von oben kommen, auch aufgreifen und mitziehen, die den Wandel mitgehen, proaktiv und eigenverantwortlich. Denn auch zu vertrauen ist manchmal eben eine aktive Entscheidung.

Wie lange so ein Prozess dauert? Keine Ahnung! Aber ganz sicher deutlich länger, als meine Tages-Workshops zu Thema. Je nach individuellen Voraussetzungen eineinhalb bis zwei Jahre, die nachhaltig und ganzheitlich begleitet werden wollen. Allerdings sagt die Erfahrung, dass hierbei der erste Schritt der schwerste ist. Kommt der Ball einmal ins Rollen, wird es leichter, fast wie ein ganz natürlicher Prozess, den man als Coach oder als Trainer einfach nur begleitet.

Zu guter Letzt

So viel für heute von mir. Ich freue mich jetzt auf mein Sonntagsei! Euch wünsche ich einen schönen Tag. Vielleicht gab es bei euch ja heute auch ein Ei zum Frühstück! Oder vielleicht gönnt ihr euch ja heute sogar euer Frühstücksei auswärts. Langsam aber sicher scheint die Welt ja wieder Schritt für Schritt zu öffnen!

Eure Constance

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Henne Babs

… der die Frage nach dem Huhn und dem Ei sicher völlig egal ist!

Führung in Extremsituationen - Agilität an ihren Grenzen?

Agilität - Allheilmittel für alle Fälle?

Agilität und agile Führung oder Servant Leadership sind absolute Trendthemen unserer Zeit. Beides wird nur zu gerne als Allheilmittel für diese so gnadenlose, unbeständige, dynamische und komplexe VUKA-Welt beschrieben. Aber wie viel VUKA darf es denn sein, bis die Ansätze von Agilität und agiler Führung gegebenenfalls an ihre Grenzen kommen, weil eine Situation zu dynamisch wird und am Ende eben doch einer die Verantwortung übernehmen muss?

In der Grundidee von Agilität geht man davon aus, in einem Umfeld navigieren zu müssen, das von hoher Unsicherheit, Komplexität und Dynamik geprägt ist. Auch jede Extremsituation oder Krise ist geprägt von Unsicherheit, Komplexität und Dynamik. Man denke nur an Corona, eine weltweite Extremsituation, die man so noch nie zuvor erlebt hat. Wenn Agilität und agile Führung nun bedeutet, sich flexibel und schnell auf eine neue Situation einzustellen um folglich auch entsprechend schnell zu handeln, dann ist ein agiles Mindset tatsächlich eine Grundvoraussetzung, um in Extremsituationen überhaupt erfolgreich führen zu können. Wer in einer solchen Situation nicht flexibel reagiert und führt, indem er darauf vertraut, dass alle Mitarbeiter eigenverantwortlich, in Teams mit einem hohen Grad an Selbstorganisation reagieren, wird vermutlich scheitern. Die sozialistische Planwirtschaft des Topdown-Managements ist hier zum Scheitern verurteilt.

Agilität an ihren Grenzen

Allerdings erreichen Teams in extremen Situationen oder Krisen häufig sehr schnell die Grenzen der Selbstorganisation. Tobt der Sturm so heftig, dass er droht die Segel zu zerreißen, agieren selbstorganisierte Teams wahrscheinlich zu zögerlich. Was es in dieser Situation braucht sind klare Ansagen und Leitplanken, so wie Handlungsanweisungen und jemanden, der Verantwortung übernimmt. Eigentlich passt das ja überhaupt nicht in die schöne bunte Welt der Agilität. Auf der anderen Seite finde ich, dass es sehr wohl zur Grundidee von Agilität und Servant Leadership passt: Führung fällt situativ dem zu, der die besten Voraussetzungen, Kompetenzen oder die meiste Erfahrung für die jeweilige Situation mitbringt. In einer Studie zu High Performance Teams der TU Chemnitz wird diese Form von Führung als transformational bezeichnet und darf getrost als einer der Schlüssel zu High Performance gesehen werden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen hierfür ist jedoch, dass Zuständigkeiten klar geregelt sind. Als Beispiel hierfür führt die Studie der TU Chemnitz unter anderem die Luftrettung an. Hier agieren Teams unterschiedlicher Experten gemeinsam innerhalb eines gesetzten Rahmens. Jeder hat seinen Fachbereich und es ist völlig klar wer den fliegerischen Hut auf hat, wer den medizinischen und wer die größte Kompetenz im Bereich der Rettungstechnik hat. Je nachdem, um was es gerade geht, wechselt die Führung in diesen Teams von einem zum anderen. Zusätzlich hat das Team gemeinsame Regeln, Vorschriften und Anweisungen.

Ein weiterer Aspekt, der Agilität in Extremsituationen an ihre Grenzen bringen kann, ist der Umstand, dass in agilen Umfeldern gerne bis zum Exzess gepredigt wird, dass es darum geht, immer und stets kreativ zu sein, Neues auszuprobieren, Experimente zu wagen, nicht auf bereits ausgetretenen Pfaden zu wandeln und sich stetig neu zu erfinden. Das ist großartig und dafür liebe ich die Idee der Agilität! Allerdings ist es in Extremsituationen und Krisen sinnvoll ein bereits trainiertes und jederzeit abrufbares Handlungsrepertoire zu haben, das einen schnell reagieren lässt, ohne große Denkprozesse. - Quasi eine Art erste Hilfe, die einem die Luft verschafft, um in zweiten Schritt schließlich kreativ sein zu können. Der Wert von Routinen, die Ruhe und Sicherheit im Zustand höchster Dynamik und Komplexität bringen, wird in agilen Strukturen noch häufig unterschätzt. Oft sind es diese Routinen oder auch einfach nur eine klare und bereits im Vorfeld festgelegte Priorisierung, die uns in besonderen Stresssituationen die kognitive Kapazität verschaffen, damit letzten Endes dann doch etwas Großartiges rauskommt.

Flugzeuge und agile Krisen

Ich muss gestehen, dass ich bei meiner Reise durch die Welt von New Work und Agilität immer und immer wieder daran erinnert werde, wo ich her komme und natürlich mache ich immer wieder den agilen Kardinalsfehler (und zwar mit voller Absicht, weil ich es für absolut richtig halte): ich vergleiche, stelle Parallelen fest, schaue mir an, wie man seit Jahrzehnten in der Luftfahrt Dynamik und Komplexität managt, Teams strukturiert und in die Eigenverantwortung und Selbstorganisation führt und natürlich auch, wie Führung in der Luftfahrt geschult und wahrgenommen wird. Natürlich ist die Definition von Erfolg in der Luftfahrt ganz anders als in einer Bank. Aber VUKA ist genau so dynamisch und komplex wie es Flugzeuge sind, die ziemlich flott auf 10 Kilometer Höhe um die Welt düsen! Hinzu kommt, dass sich in diesen Flugzeugen selbstorganisierte Teams befinden, die auf sich gestellt sind, agieren und entscheiden müssen und auch die Art der Führung, wie sie in der Luftfahrt geschult wird, ist nicht wirklich weit weg von dem, was man in agilen Strukturen Servant Leadership nennt. In flachen Hierarchien ist sich der Kapitän jederzeit bewusst, dass seine wertvollste Ressource seine Crew ist, weil einer alleine diese Komplexität der fliegenden Blechdosen niemals überblicken kann. Ein Kapitän ist darauf angewiesen, dass jedes Crewmitglied ein hohes Maß an Eigenverantwortung spürt und wahrnimmt (nennt man Neuhochdeutsch ja gerne Self-Leadership), sich dabei aber jederzeit als Teil eines Teams sieht und sich bewusst darüber ist, dass es in erster Linie immer um den Erfolg des Teams geht und nicht darum, sich selbst zu profilieren.

Ja, Flugzeuge sind anders als Banken und Erfolg sieht in beiden Bereichen ausgesprochen unterschiedlich aus. Aber die Faktoren auf menschlicher Ebene, die eine Organisation erfolgreich machen, sind überall die gleichen und ich stelle fest, dass ich in meiner agilen Welt vieles versuche noch klarer und deutlicher zu implementieren, dass ich auch als Human Faktors Trainer in der Luftfahrt immer wieder gepredigt habe: klare Priorisierung, absolute Transparenz, eine Kultur der psychologischen Sicherheit und eine Führung, die sich vor allem auch darum kümmert, dass das Team bestmögliche Voraussetzungen hat, um Leistung zu erbringen. Hierbei habe ich bereits in den ersten Monaten meiner agilen Reise festgestellt, dass auch agile Teams Leitplanken benötigen und dass man alles das, was sich standardisieren lässt, auch standardisieren und automatisieren sollten. Denn wenn plötzlich ein wirklich wilder Sturm zu toben beginnt, sind es die Automatismen, alles das, worüber wir nicht nachdenken müssen, was uns die kognitive Kapazität gibt, um in Krisensituationen kreativ agieren zu können.

Und Führungspersönlichkeiten braucht es überall

Und wie viel Führung braucht es denn nun in der agilen Welt? Diese Diskussion zwischen Alignment und Autonomy ist allgegenwärtig und was soll man einer Führungskraft, die gerne Servant Leader sein möchte, raten? Nicht einfach! Wobei, eigentlich doch! Wenn der Wind ganz sanft weht und dabei warm die Nase kitzelt, dann läuft der Laden, dann braucht dein Team niemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist. Im sanften, warmen Wind fühlt dein Team sich sicher, agiert routiniert und ist dankbar für den Raum, den du ihm lässt. Wird aus dem Wind ein Sturm, wird die Unsicherheit immer größer, liegen die Dinge anders. Wenn ich nicht mehr weiß, was in dieser unbekannten, dynamischen und vielleicht sogar beängstigenden Situation richtig und falsch ist, suche ich förmlich nach Führung. Lieber Servant Leader, in deiner Berufsbezeichnung steht nicht nur Servant, sondern auch Leader und wenn eine steife Brise anfängt dein Team durcheinanderzuwirbeln, dann ist Führung gefragt. Dann geht es darum, mit deinem Team und für dein Team Strukturen zu schaffen, Prioritäten zu setzen und vielleicht sogar mal darum, zu sagen, wie die Segel zu setzen sind. Keine Angst, das ist nicht “un-agil”. Agil ist zu sehen, was es wann braucht und entsprechend situativ zu agieren. Einen besseren Dienst am Team gibt es nicht! Also nur Mut, lieber Servant Leader!

Bei mir weht übrigens gerade gar kein Wind. Dafür scheint die Sonne und ich gehe wandern! Habt einen schönen Sonntag!

Eure Constance

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Die Ruhe vor dem Sturm?

Manchmal braucht es einen Kapitän auf der Brücke und keinen Kammerdiener