Konflikt

Gemeinsam in den Abgrund - Wenn der Konflikt ins Unermessliche eskaliert...

Die Konflikteskalation nach Friedrich Glasl

Ich finde Konflikte ausgesprochen faszinierend. Nicht erst seit meiner Ausbildung zum Mediator. Mich haben Konflikte schon immer in ihren Bann gezogen. Ich finde Konflikte unglaublich spannend und beschäftige mich gerne mit ihnen. Wahrscheinlich werden sich einige nun denken, ich sei sonderbar. Recht haben sie! Denn ja, auch ich finde (meine eigenen) Konflikte bei aller Faszination nicht toll. Im Gegenteil. Trotzdem, oder vielleicht auch deshalb, hat mich die Thematik gefangen: Ich kenne niemanden, der Konflikte im ersten Moment toll findet. Es sagt auch kaum jemand “Ja, gerne!”, wenn ich frage, ob sie/er Lust auf einen Konflikt haben. So scheint sich also die Mehrheit der Menschheit einig darin, dass Konflikte doof sind und ich frage mich, weshalb wir uns alle dennoch immer und immer wieder auf sie einlassen, mitmachen und sie voran treiben! Genau dieser Widerspruch macht meine Faszination aus. Sie sind allgegenwärtig und überall, obgleich sie doch niemand zu sich einlädt. Böse Zungen könnten sagen, wir brauchen sie förmlich. Ich antworte darauf “Nein, auf keinen Fall!” und schaue mir dabei zu, wie ich mich selbst in den nächsten Konflikt hineinmanövriere…

Sie sind eben elementarer Teil unseres Miteinanders, obwohl sie nicht erwünscht sind. Hinzukommt, dass sie immer und immer wieder gleich ablaufen. Das heißt, theoretisch könnten wir sie auch immer und immer wieder mit den gleichen Mitteln im Keim ersticken oder sie lösen, bevor sie total eskalieren. Und doch tun wir es nicht!

Neun Stufen in den Abgrund

Der österreichische Konflikt- und Friedensforscher Friedrich Glasl hat nach ausgiebiger Analyse diese Gleichförmigkeit von Konflikten in einer neunstufigen der Eskalation beschrieben, die ich zunächst kurz für all jene, die sich damit bislang noch nicht beschäftigt haben, zusammenfassen möchte:

  1. Es wird kälter: Jeder kennt dieses Gefühl. Man merkt, dass etwas nicht stimmt. Es gibt Spannungen und Sticheleien, kein wirklicher Streit, aber genug, um sich unwohl zu fühlen.

  2. Debatten und Polarisation: Kurzgefasst; es wird diskutiert und debattiert, wann immer es geht. Meist ohne des Pudels Kern zu benennen. Die jeweils anderen werden dabei langsam zum Gegner.

  3. Taten statt Worte: Jetzt geht es darum, die jeweils anderen konkret unter Druck zu setzen. Im Arbeitsumfeld könnte das bedeuten, die anderen vielleicht einfach mal zu vergessen, sie in einer wichtigen Mail nicht anzukopieren. Soll passieren, habe ich gehört! Ups!

  4. Jeder soll sehen, dass der andere der Schuft ist: Natürlich geht es darum, Allianzen zu knüpfen, Unterstützung und Verbündete zu finden. Klar, wenn mir noch drei andere bestätigen, dass das Verhalten des anderen “gar nicht geht” wird meine subjektive Empfindung jetzt zur objektiven Wahrheit! Victory!

  5. Gesichtsverlust: Nun ist es erklärtes Ziel, die jeweils anderen moralisch zu entwerten. Es geht langsam aber sicher nicht mehr um das eigentliche Konfliktthema, sondern um die anderen als Person, um den Feind! Eine differenzierte Perspektive wird immer schwieriger.

  6. Drohstrategien: Mein Lieblingspunkt! Ja, wir Menschen drohen unglaublich gerne, weil wir glauben, dass die anderen tun, was wir wollen, wenn wir sie nur gehörig unter Druck setzen. Dass wir uns dabei immer selbst am meisten unter Druck setzen, merken wir meistens erst zu spät! Kurze Geschichte gefällig? Eine hochgeschätzte Trainerkollegin berichtet an dieser Stelle gerne von ihren beiden Söhnen, die nicht so gerne aufräumen. Das nervt Mama natürlich sehr. Mal wieder herrschte Chaos in den Kinderzimmern. Es war Wochenende, die ganze Familie freute sich auf ein Straßenfest. Mama freute sich am meisten, weil sie sich da mit Freundinnen zum Sektchen treffen wollte. Die unaufgeräumten Zimmer ihrer Jungs am Morgen erzürnte sie jedoch so sehr, dass sie sich zu folgendem Satz hinreißen ließ: “Wenn ihr das nicht sofort aufräumt, gehen wir nachher nicht auf das Straßenfest!”. Sie sprach es und bereute postwendend! Was, wenn die beiden nicht aufräumten? Dann würde sie selbst entweder ihre Freundinnen nicht zum Sektchen treffen können, oder sie würde ihre Autorität bis zur Volljährigkeit der beiden verspielen müssen… Ich bin mir sicher, jeder kann von ähnlich gelagerten Situationen berichten und trotzdem tun wir es immer wieder!

  7. Begrenzte Vernichtungsschläge: Ab hier gibt es langsam aber sicher kein Halten mehr. Man fängt an, eigene moralische Grenzen zu überschreiten, nur um dem anderen zu schaden.

  8. Zersplitterung: Jetzt geht es zusätzlich darum, die anderen zu isolieren, indem man ihre Netzwerke zu zerstören versucht. Dabei macht man sogar vor der Manipulation Dritter keinen Halt.

  9. Gemeinsam in den Abgrund: Nun ist schließlich der Punkt erreicht, an dem man selbst eigene Verluste billigend in Kauf nimmt, solange die anderen noch ein klitzekleines bisschen mehr verliert. Wer kennt den Film “Rosenkrieg”? Genau so!

Wie das Steuer herumreißen, wenn man sich bereits auf dem Weg in den Abgrund befindet?

Ich habe meine eigene rote Linie gezogen, wenn ich damit beginnen, mir Allianzen zu basteln. Spätestens hier nehme ich wahr, dass ich mich in der Konfliktspirale nach unten bewegen und versuche Möglichkeiten zu finden, gegenzusteuern. Hierbei ist die einfachste auch immer gleich die herausforderndste Lösung: Miteinander reden, anstatt übereinander.

Friedrich Glasl zieht seine rote Linie insbesondere auch in seiner Rolle als Friedensforscher nach Stufe sechs. Alles das, was in seiner Beschreibung der Eskalation von Konflikten jenseits von Drohungen folgt, ist aus seiner Sicht Teil des roten Bereichs. Was also tun, wenn ein Konflikt diesen Bereich erreicht hat. In meiner Mediationsausbildung war davon die Rede, dass es ab der Stufe sieben machtvolle Instanzen von außen braucht, um eine (rechtliche) Lösung herbeizuführen.

Frieden stiften in scheinbar auswegloser Situation

Vor einigen Woche hatte ich die tolle Möglichkeit, einer virtuellen Podiumsdiskussion zwischen Friedrich Glasl und Erich Visotsching, dem Vater des systemischen Konsensierens, beizuwohnen, in der es genau darum gehen sollte: Was tun, wenn Konflikte die rote Linie überschritten haben?

In Verlauf des Gesprächs hat Friedrich Glasl von seiner Arbeit im Rahmen der Befriedung des Nordirlandkonflikts und des Balkankrieges erzählt. Glasl hat berichtet, dass in diesen Konflikten alle rote Linien längst überschritten waren. Zu viel Blut sei bereits geflossen, zu viele Menschen haben ihr Leben verloren. Die Fronten waren verhärtet. Und dennoch, so erklärte Glasl ist eine Mediation, eine Vermittlung auch hier noch möglich. Glasl ist an dieser Stelle mit einer Frage eingestiegen, die ich auch schon häufig genutzt habe, und als paradoxe Intervention bezeichnen würde. Allerdings hat Glasl hierbei ein anderes Ziel verfolgt, als ich. Nun, er ist eben der Meister und ich noch Schülerin.

Was ist eine paradoxe Intervention? In diesem Kontext ist es die Frage danach, was passieren würde, wenn es jetzt immer weiter so ginge. In welche Richtung würde sich die Situation entwickeln? Wie genau würde die weitere Verschärfung des Konflikts aussehen? Soweit war ich bei Glasl. Es ist hilfreich, Menschen das Undenkbare denken und formulieren zu lassen, um sich eventuell eine neue Perspektive zu erarbeiten, eine Perspektive, die auch die Ebene der möglichen Auswirkungen mit einbezieht.

Im Gegensatz zu mir hat Glasl an dieser Stelle nicht aufgehört. Er wollte wissen, ab welchem Punkt der Preis der Eskalation zu hoch sei. Welche (gemeinsamen) roten Linie die Beteiligten sehen. Momentan könnte die Welt am Rand eines Atomkrieges stehen. Eine rote Linie, die beide Seiten nicht überschreiten möchten? Dieses aktuelle Beispiel hat er benannt.

Glasl hat beschrieben, dass hinter diesen roten Linien Werte stehen, in vielen Fällen sogar gemeinsame Werte bei unterschiedlichen Konfliktparteien. So ist es Glasl gelungen, in scheinbar ausweglos verfahrenen Konflikten Gemeinsamkeiten der beiden Konfliktparteien zu identifizieren und anhand dieser Gemeinsamkeiten an einer Lösung zu arbeiten. Was müssen wir tun und was können wir tun, um unser gemeinsames Worst-Case-Szenario zu verhindern?

Mit Liebe zu und Vertrauen in Menschen

Was mich besonders beeindruckt und begeistert hat, war, dass Glasl in seiner Arbeit für Frieden in unendlich tiefe menschliche Abgründe geschaut hat. Das war und ist Teil des Geschäfts. Er hat dabei seinen Glauben an die Menschen, mit denen er arbeitet, trotz allem nicht verloren. Er hat darauf vertraut, dass es den Konfliktparteien gelingt, innerhalb eines gesetzten Rahmens zueinander zu finden, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, die zumindest besser ist als der Ist-Zustand.

Während ich Glasl, der inzwischen schon über 80 Jahre alt ist, so zuhörte und mir eigene Anwendungsmöglichkeiten für diese für mich neue Idee zurechtgelegt habe, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wie schön es wäre, wenn wir gemeinsam als Gesellschaft diesen Weg gehen könnten. Vielleicht bringt uns die EM in Deutschland wieder ein bisschen näher zusammen. Ein Sommermärchen? Ein Midsommernachtstraum? Vielleicht auch nicht. Ich erlebe ein tief gespaltenes, konfliktäres Land. In Mannheim wird ein junger Mann während der Arbeit erstochen, der nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch sein Leben in den Dienst unserer gesellschaftlichen Freiheit gestellt hat. Was ist da los in unserer Gesellschaft? Auf welcher Eskalationsstufe würde Glasl uns einordnen? Die einen brüllen nach dem Kalifat, während 20 % von uns, die deutsche Fußballnationalmannschaft, nicht weiß genug finden. Es werden Strommasten abgefackelt, weil man mit dem Geschäftsgebaren von Tesla nicht einverstanden ist. Die angebliche Elite zeigt zur Empörung einer ganzen Nation auf Sylt den Hitlergruß, während auf Dorfdiscos die Empörung ausbleibt. Als Lösungsangebot wird “L’amour tousjours” während der EM verboten und die Politik streitet sich weiterhin zu Weilen tief unter der Gürtellinie. Europa wählt und die ehemalige innerdeutsche Grenze wird in unseren Herzen wieder neu errichtet… Echt jetzt?

Vielleicht sollten wir alle uns mal gemeinsam überlegen, wo unsere gemeinsame gesellschaftliche Reise auf keinen Fall hingehen sollte, um dann gemeinsam einen Weg hin zu einem wünschenswerteren Miteinander zu beschreiten. -Jenseits von Gewalt und Polarisierung. Ein erster Schritt, basierend auf den Werten unserer Gemeinschaft und den Manifesten unseres Grundgesetzes, sollte sein, keine Toleranz mit Gewalt und Verfassungsfeindlichkeit (egal ob von links, rechts oder aus Richtung islamistischer Gruppierungen) zu üben. In meiner Welt darf man das Kalifat ebenso wenig fordern, wie ein Deutschland für (Bio-) Deutsche oder eine Nationalmannschaft, die unsere bunte Gesellschaft nicht widerspiegelt.

Ich wünsche uns allen ein wunderschönes, zauberhaftes Miteinander während dieses bunten Fußballsommers. Vielleicht tritt es ja ein, dieses Sommermärchen jenseits eines Titels!

Eure Constance

Und dann ziehen düstere Wolken auf

Was tun wenn der Konflikt ins scheinbar Uferlose eskaliert?

Für Jarin: „… hab nen Luftballon gefunden. Denk an dich und lass ihn fliegen…“

Wenn es nur noch Verlierer gibt…

In den beiden Wochen seit meinem letzten Blog ist eine Menge passiert. Während ein weiterer furchtbarer Krieg ausgebrochen ist, habe ich gleich vier Workshops zum Thema Konfliktmanagement gegeben. Viermal habe ich davon erzählt, dass die neunte und letzte Stufe auf Glasls Skala zur Konflikteskalation “Gemeinsam in den Abgrund” heißt und gleich viermal habe ich erklärt, dass wir ab diesem Grad der Eskalation sogar eigene Verluste in Kauf nehmen, solange der andere noch etwas mehr verliert. Ab einem gewissen Punkt gibt es nur noch Verlierer.

Viermal habe ich erklärt, wie das große Harvard-Konzept zur Konfliktverhandlung in Nahost offensichtlich gescheitert ist. Und vielleicht ist es Israel in Anbetracht des Grauens auch nicht mehr zumutbar, die für eine Verhandlung notwendigen Kompromisse einzugehen. Wie auch, bei so vielen Toten, bei enthaupteten Kindern, entführten Babys…? Es steht mir nicht zu, an dieser Stelle zu bewerten oder zu urteilen wo dieser Konflikt seinen Ursprung nahm. Ich bin einfach nur traurig und frage mich, wohin diese Welt steuert. - Diese wunderschöne Welt, unser aller Zuhause.

Am Ende meiner Weiterbildung bei Richard Bandler vor zwei Wochen hat er davon erzählt, dass er, der auch die NASA berät, eines der ersten Fotos zuhause hat, das die ersten Menschen auf dem Mond gemacht haben. Es ist ein Bild unserer Erde. Die ersten Menschen auf dem Mond haben nicht den Mond fotografierte, sondern die Erde. Richard Bandler hatte die Möglichkeit, die Crew zu diesem Foto zu befragen und sie sagten, dass ihnen die absolute Schönheit der Erde in diesem Moment bewusstwurde und sie nicht anders konnten, als den schönen blauen Planeten im Bild festzuhalten. Und wir sitzen hier unten und machen alles kaputt…

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Geschehnisse in Israel haben mich in den letzten Tagen immer wieder in meine eigene Vergangenheit katapultiert, 25 Jahre zurück in eine wilde Zeit geprägt von Neugier, Freiheit und Mut. Nachrichten scheinen manchmal (zum Glück) so weit weg zu sein. Der Konflikt in Israel ist mir jedoch seit 25 Jahren recht nah. Ich war 19 und auf meiner großen Rucksackreise. Irgendwo im Nirgendwo stand er da: Jarin! Ich war fünf Tage lang schockverliebt. Er auch. Er war Mitte zwanzig, Israeli und ziellos. Ich erinnere mich, wie wir Nächte lang geredet haben, geredet, geträumt, gelacht und geweint. Jarins Großeltern väterlicherseits waren deutsche Holocaustüberlebende. Er sprach fließend Deutsch. Seine Mama war israelische Christin. Er verlor seine Großeltern, seine Eltern und sein große Schwester in einem Attentat der Hamas, in einem Krieg, den er nicht als seinen sah. Auf dem Papier war er zwar Israeli, aber Christ, einen deutschen Pass hatte er zudem. Wo er hingehörte wusste er nicht mehr.

Seit dem Tag, an dem er seine Familie verloren hatte, war er ziel- und heimatlos unterwegs. Zurück nach Israel wollte und konnte er nicht. Er galt als fahnenflüchtig. Wohin er wollte wusste er auch nicht. Er sprach von Hamburg, weil er das Meer liebte und seine Großeltern trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit immer wieder positiv von Deutschland gesprochen haben.

So reisten wir ein kleines Stück gemeinsam. Ich genoss die Zeit mit ihm so sehr, wissend, dass sie begrenzt sein würde. Ich erinnere mich noch gut an seine warmen braunen Augen, in denen selbst in den fröhlichsten und unbeschwertesten Momenten immer auch Traurigkeit und Leere zu sehen war. Er war nicht wütend, nicht auf die Hamas, nicht auf Israel. Er war leer. Er sagte immer, es sei nicht sein Krieg, er wollte einfach nur in Frieden leben, so wie seine Familie, seine Eltern und Großeltern es wollten. Er hasse nicht, er könne nicht hassen. Nur lieben könne er auch nicht mehr.

Wir verabschiedeten uns Mitten in Irland, in Kilkenny. Am letzten Abend tranken wir noch ein gemeinsames Guinness und er ließ mir einen Spruch in meinem Reisetagebuch da: “Ich wandle einsam, mein Weg ist noch lang. Hinauf zum Himmel schau’ ich so bang. Kein Stern von oben blickt niederwärts, einsam der Himmel und traurig mein Herz. Mein Herz und der Himmel - sie plagt gleiche Not: Sein Glanz ist erloschen, meine Liebe ist tot.” Keine Ahnung, wen er da zitierte. Ich zitiere seitdem ihn.

Krieg und Frieden

Es war eine intensive Zeit, damals mit 19. Zum ersten Mal habe ich eine wirkliche Idee von Krieg bekommen. Zum ersten Mal konnte ich unmittelbar spüren, was Krieg tut. Er zerstört und zerreißt. -Nicht nur die aktiven Akteure, sondern alle, die nicht weit genug weg sein können. Wie viel Schmerz kann ein Mensch ertragen? Mit diesem Gedanken bin ich weitergereist. Der Zufall wollte es, dass ich nur wenige Wochen später an der irischen Westküste einen waschechten und zwischenzeitlich begnadigten Terroristen kennengelernt habe. Ein alter, gebrochener Mann, der sein Leben in Guinness und Whisky ertränkte und mir erklärte, dass er damals gemeinsam mit seinen Brüdern bei der IRA so sehr damit beschäftig war, für eine bessere Welt und ein besseres Leben für seine Familie, Frau und Kinder, zu kämpfen, dass er vergessen habe, eine Familie zu gründen. Nun sei er alt, einsam und habe seine besten Jahre an den Kampf verschenkt. Ich fragte mich wie viele Jarins er wohl zurückgelassen hatte und trotzdem tat er mir leid. Er hat von einer besseren und aus seiner Sicht gerechteren Welt geträumt und sich dabei verzockt. Er war blind vor Hass.

Gut und Böse, Richtig und Falsch

Damals habe ich beide Seiten erlebt und habe für mich begriffen, dass richtig und falsch, Gut und Böse häufig eine Frage der Perspektive ist. Die einzig absolute Macht ist für mich die Liebe, Liebe und Empathie. Betrachte ich mir typische Konfliktspiralen spielt der Verlust der Empathie im Rahmen der Eskalation eine große Rolle und es macht mir Angst zu sehen, mit wie wenig Empathie die Terroristen der Hamas Menschen auf schrecklichste Arten getötet haben. Ebenso macht es mit Angst, dass Israel sich offensichtlich gefühlt immer weniger Empathie mit all den unschuldigen Menschen in Gaza leisten kann. Natürlich frage ich mich, wo das alles hinführen soll, auch geopolitisch betrachtet…

Vielleicht sollten wir alle gemeinsam auf den Mond fliegen, um zu sehen wie wunderschön und beschützenswert unsere Erde und unser Leben auf unserer Erde ist. Probleme werden kleiner je weiter man weg ist…

Im Radio läuft gerade Grönemeyer “Kinder an die Macht”: Die Armeen sind aus Gummibärchen, die Panzer aus Marzipan. Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich genial…

Ich denke an Jarin. Jarin bedeutet “er wird froh sein”. Ich hoffe er hat einen Ort gefunden um zur Ruhe zu kommen, froh zu sein, vielleicht ja sogar in Hamburg. Er liebte Nenas 99 Luftballons und beharrte darauf, dass Kriege keinen Platz für Sieger ließen. Heute Abend werde ich wieder einmal die Nachrichten schauen und wissen, dass er recht hatte. Und gleichzeitig wird mein Herz auch all jene verstehen, die aus Trauer um ihre Liebsten erfüllt von Rachegefühlen auf der Eskalationsskala von Glasl weiter gemeinsam in den Abgrund steuern. Es ist eben nicht schwarz-weiß.

Habt einen friedlichen Sonntag voller Liebe.

Euere Constance

Gebt den Kindern das Kommando. Sie berechnen nicht was sie tun.

Es gibt kein Schwarz, es gibt kein Weiß…

Warum es ohne Konflikte niemals zu High Performance kommt

Die zweite Dysfunktion (agiler) Teams: Angst vor Konflikten

All jene unter euch, die meinen Blog regelmäßig lesen, erinnern sich sicher noch daran, dass ich in der letzten Woche die fünf großen Dysfunktionen agiler Teams vorgestellt habe. Während ich mich in der letzten Woche schließlich auf die erste Dysfunktion, den Mangel an Vertrauen, fokussiert habe, weil diese Dysfunktion für mich so etwas wie die Mutter aller Dysfunktionen ist, möchte ich mich in dieser Woche mit der zweiten Dysfunktion, der Angst vor Konflikten, auseinandersetzen. Diese Dysfunktion steht völlig zurecht auf Platz zwei der Liste, da ohne Konfliktfähigkeit, das heißt ohne die Fähigkeit, Konflikte auszutragen, keine High Performance entstehen kann. Warum? Weil man ohne, dass man sich über unterschiedliche Meinungen und Ansichten auszutauschen, diesen wertvollen Input nicht zum Wohle des Teams nutzen kann. Oder wie Winston Churchill es ausgedrückt hat: “Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von beiden überflüssig.” Ferner ist es so, dass ohne offene Auseinandersetzungen schwelende Konflikte im Team nicht aufgearbeitet und gelöst werden können. Ist das der Fall, wie soll man in einem Team blind zusammenarbeiten? Wie soll ich voller Vertrauen und auf meine Arbeit fokussiert Höchstleistung erbringen, wenn persönliche Bedürfnisse nicht eingebracht werden können, unterschiedliche Sichtweisen nicht ausgetauscht werden und Ärger übereinander einfach heruntergeschluckt wird? Richtig, gar nicht! All diese “rosa Elefanten” halten mich mal mehr und mal weniger von dem ab, was ich eigentlich tun sollte.

Merkmale von Teams mit Konfliktangst

Wissend, dass eine angemessene Konfliktkultur nun wichtig für die Performance eines Teams ist, stellt sich nun die Frage, woran ich als Vorgesetzter, Teamleiter, (Agile) Coach, Scrum Master, Product Owner, etc. merken kann, dass mein Team durch mangelnde Konfliktfähigkeit in seiner Performance gehemmt wird? Ich erzähle euch mal, wann ich als Agile Coach hellhörig werde:

  1. Taktieren hinter dem Rücken der Betroffenen stehen an der Tagesordnung: zum Beispiel werden in Einzelgesprächen mit mir als Coach, mit den Scrum Master, dem Product Owner oder dem Vorgesetzten Probleme benannt, die in Teamgesprächen jedoch nicht erwähnt werden. Insgesamt wird häufig übereinander gesprochen und der Flurfunk läuft sehr hochfrequent.

  2. Meetings sind eher langweilig und formal: eigentlich belanglose oder untergeordnete Themen werden in epischer Breite besprochen, ohne jedoch des Pudels Kern zu benennen und insgesamt wird am liebsten über rein formale Themen gesprochen. Persönliches und Zwischenmenschliches hat keinen Platz.

  3. Kontroverse Themen, die wichtig für den Erfolg des Teams sind, werden weitestgehend ignoriert: kontroverse Themen werden nur in Einzelgesprächen benannt, in Meetings und der täglichen Arbeit jedoch ausgeblendet. Auch wichtige Entscheidungen werden gerne so lange ignoriert, bis sie jemand anderes für das Team trifft (hier gerne der Chef, der Scrum Master, der Product Owner). Selbstverständlich werden die getroffenen Entscheidungen anschließend ausführlich diskutiert und in Frage gestellt. Es versteht sich von selbst, dass das nicht offen, sondern hinterm Rücken getan wird!

  4. Unterschiedliche Meinungen oder Perspektiven werden kaum gehört. Lieber wird geschwiegen.

  5. Die einzelnen Teammitglieder verbringen viel Zeit mit zwischenmenschlicher Absicherung und persönlicher Selbstdarstellung: in Meetings werden vor allem Erfolge und unkritische Themen hervorgehoben. Positive Aspekte werden gerne als persönliche Erfolge verkauft, während für negative Aspekte gerne schon im Vorfeld Ausreden und Entschuldigungen zurechtgelegt werden.

Und? Habt ihr etwas wiedererkannt?

Ich muss gestehen, wenn ich derartige Listen runtertippe, bekomme ich ein ums andere Mal Gänsehaut, weil ich natürlich das ein oder andere wiedererkenne. Mal habe ich es in Teams erlebt, mal habe ich es sogar selbst getan. Die Wahrheit ist nämlich, dass wir Menschen alle so aufgestellt sind, dass wir Konflikte tendenziell nicht toll finden und würden wir vorher gefragt werden, ob wir diesen oder jenen Konflikt haben möchte, würden wir diese Frage sicher klar mit Nein beantworten. Wir alle müssen unseren inneren Schweinehund überwinden, um potenziell konfliktträchtige Themen zu benennen. Jedoch ist den meisten von uns sicher klar, dass genau das nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen immanent wichtig ist, um erfolgreich zu sein. Schaffen es ganze Teams nicht, ihre inneren Schweinehunde zu überwinden und baden dafür lieber in einer oberflächlichen Harmonie, hat das nicht nur negativen Einfluss auf die Produktivität dieses Teams, sondern auch auf die Kreativität und Innovationskraft. Als Führungskraft, Product Owner, Scrum Master oder eben auch als (Agile) Coach muss ich hier aktiv werden.

Was kann man denn schon tun, als Coach oder Führungskraft

In so einer Situation ist guter Rat natürlich teuer und glaubt mir, auch für eine Coach und Mediator wird das niemals zur Routine, also zu mindestens nicht für mich. Steht ein konkreter, unausgesprochener Konflikt im Raum, muss dieser gelöst werden, eh er die Atmosphäre nachhaltig schädigt. Der Profi hierfür ist der Mediator und auch Coaches sind durchaus in der Lage, ein entsprechendes klärendes Gespräch zu moderieren. Liebe Führungskraft, wenn du dich mir einer derartigen Situation überfordert fühlst, ist das absolut OK, wahrscheinlich ist es sogar normal. Hol dir Hilfe!

Ist das akute Problem aus der Welt geschafft, empfehle ich einen Workshop, der im ersten Schritt aufzeigt, woher unterschiedliche Meinungen und Perspektiven kommen und warum es gerade diese Unterschiedlichkeit ist, die Teams besonders erfolgreich machen. Im zweiten Schritt empfiehlt es sich, den Workshop-Teilnehmern konkrete Tools rund um das Thema Kommunikation, Konfliktmanagement und Feedback mitzugeben. Zu meinem Repertoire gehört hierbei natürlich Schulz von Thun, die Konflikteskalation nach Glasl, das Harvard Prinzip, gegebenenfalls Gewaltfreie Kommunikation, auf jeden Fall aber das Drei-Welten-Modell von Bernd Schmitt und das WWW-Prinzip als Struktur für ein Feedback. Über alles habe ich im Rahmen meines Blogs bereits berichtet. Also blättere gerne zurück!

Darüber hinaus ist es wichtig, im Anschluss an den Workshop für Nachhaltigkeit zu sorgen. Als Coach ist es sinnvoll, mit besonders konfliktscheuen, ruhigen oder unsicheren Mitarbeiter das Einzelgespräch zu suchen. Für das gesamte Team empfehle ich regelmäßige Debriefings oder Retrospektiven, in denen die Zusammenarbeit besprochen wird. Derartige Termine sind gute Möglichkeiten für Coaches, potenzielle unausgesprochenes durch strategisch kluge Moderation ans Tageslicht zu befördern. Je häufiger die Kollegen die Erfahrung machen, dass Meinungsverschiedenheiten kein Drama sind, sondern mit Team gelöst werden können, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Coach als Moderator nicht mehr benötig wird! Tja, gute Coaches schaffen sich mit der Zeit eben leider selbst ab!

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Sonntag! Genießt den Sommer! Wir haben lange genug auf ihn gewartet!

Eure Constance

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Ran an die anderen Meinungen!

Kopf in den Sand oder Augen verschließen ist niemals hilfreich…