Unternehmenskultur

Das Beurteilungsgespräch, die merkwürdigste Situation des Jahres

Große Freude! Es ist wieder Beurteilungsgespräch!

Wer von euch freut sich nicht auf sein jährliches Beurteilungsgespräch, weil er danach inspiriert und gestärkt den Raum verlässt und sich voller Energie auf zu neuen Ufern macht? Und wer unter den Führungskräften würde nicht sagen, dass die vier bis sechs Wochen im Jahr, in deren Verlauf die Mitarbeitergespräche geführt werden, eine Bereicherung für das Teamgefüge darstellen? Wer hat keinen Spaß daran, sich “SMARTe” Ziel auszudenken und die wunderbaren Beurteilungsbögen der Personalabteilungen auszufüllen? Ich spüre euer müdes Lächeln…

Warum ist das so? Warum macht uns diese jährliche Leistungsbeurteilung so nervös? Mitarbeiter wie Führungskraft? Sicher auch, weil indirekt so viel von eben dieser Beurteilung abhängt: Beförderung, Gehaltserhöhung, Boni, Projekte, etc. Selbst Manager, denen das Thema Personalentwicklung sehr am Herzen liegt und die in der Beurteilung ihrer Mitarbeiter geschult sind, sind sich dessen bewusst und so wird die Gesprächsatmosphäre immer auch von Unsicherheit und Angst begleitet, auf beiden Seiten. Um sich selbst Sicherheit zu geben, klammert der Chef sich gerne an diesen wundervollen Bogen, den die Personalabteilung ihm zu Verfügung gestellt hat und der Mitarbeiter versucht sich von seiner besten Seite zu zeigen. Keiner will etwas falsch machen. Dabei weiß der Mitarbeiter oft nicht wirklich was auf ihn zukommt, da die meisten Mitarbeiter im Laufe des Jahres seitens ihres Chefs kein regelmäßiges und ausführliches Feedback erhalten. Die Nervosität steigt ins Unermessliche, beide Seiten achten tunlichst genau auf das, was sie sagen und das Gespräch, welches so entsteht, ist alles, nur nicht spontan, offen und inspirierend. Am Ende sind beide Seiten froh, “es” hinter sich zu haben und ab jetzt wieder zwölf Monate Ruhe davor zu haben.

Das Potenzial von Beurteilungsgesprächen

Schade eigentlich, wenn man sich überlegt welches Potenzial diese Gespräche haben. Was würde denn passieren, wenn wir diese Gespräche nicht mehr aus Verpflichtung heraus führen würden, sondern als Ausdruck der Verbundenheit, aus aufrichtiger Wertschätzung und ehrlichem Interesse? Was würde passieren, wenn es in diesen Gesprächen nicht mehr darum ginge, festzulegen zu wie viel Prozent die Vorjahresziele erreicht wurden, sondern um Fragen wie: Was möchte ich wirklich gerne tun? Was macht mir Spaß? Was sind meine ganz besonderen Talente? Wo bringe ich diese schon ein? Was hält mich davon ab, meine Talente komplett in meine Arbeit einzubringen? Was brauche ich um eben das zu tun? Was macht mich einzigartig? In einer von Angst und Unsicherheit geprägten Gesprächsatmosphäre wird ein spontaner und ehrlicher Austausch über diese Themen unmöglich. Aber liebe Chefs und Manager, erst wenn ihr diese Punkte für jeden eurer Mitarbeiter abgeklärt habt, könnt ihr eure Mitarbeiter ihren Fähigkeiten und Talente entsprechend fördern und einsetzen. Erst dann kommt es zur High Performance eines jeden Einzelnen.

Die etwas andere Form von Beurteilung

Wie schaffen wir es also, das jährliche Gespräch zwischen Manager und Mitarbeiter für echten Austausch und wirkliche Weiterentwicklung zu nutzen? Wir müssen es irgendwie schaffen, diese Leistungsbeurteilungen anders aufzubauen, so, dass sie keinen Druck und keine Angst mehr erzeugt.

Der Wahnsinn der Bonuszahlungen

Im ersten Schritt sollte man die an persönliche Jahresziele gebundene Zahlung von Boni oder Provisionen überdenken. Diese machen aus vielerlei Gründen keinen Sinn. Dass durch sie einer der größten Angstfaktoren im jährlichen Mitarbeitergespräch weg fällt, ist nur ein positiver Nebeneffekt. In erste Linie sollte sich jedes Unternehmen mal darüber Gedanken machen, was passiert, wenn ich meinen Mitarbeitern die Karotte buchstäblich vor die Nase halte. Klar wird dann vielleicht etwas schneller gerannt, aber leider auch mit recht großen Scheuklappen. Beispiel: Der Head of Facility Management bekommt das Jahresziel, Mietkosten zu senken, gerne auch durch einen Umzug. Also macht sich der Manager auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft und wird fündig. Vergleichbares Gebäude, soundsoviel Prozent weniger Miete. OK, es ist ein Staffelmietvertrag und in vier Jahren sind die Mietkosten dann deutlich höher als sie es heute sind. Ist aber egal, denn den diesjährigen fetten Bonus hat unser Manager sicher. Der entsprechende Vorstand unterschreibt alles, weil auch er in diesem Jahr Kosten senken muss. Also egal was irgendwann mal sein wird, für den Moment ist alles super. Verständlich irgendwie. Warum sollte einem das Hemd auch nicht näher sein als die Hose? Was passiert, wenn man einem Esel eine Karotte vor die Nase hängt, ist dass sein Horizont eben just bei dieser Karotte aufhört. Langfristig gesehen ein totaler Supergau!

Selbstreflexion statt Beurteilungsbögen

Stellen wir uns vor, wir haben diese Provisionierung der individuellen Jahresziele also abgeschafft und es gibt so etwas wie eine allgemeine Gewinnbeteiligung. Damit haben wir einen Teil des Drucks für beide Seiten raus genommen. Beurteilt werden sollte aber trotzdem. Deshalb könnte es im zweiten Schritt eine großartige Idee sein, den jährlichen Beurteilungsprozess zunächst als Möglichkeit zur Selbstreflexion zu nehmen. Jeder Mitarbeiter bekommt eine Liste von Fragen anhand derer er seine eigene Leistung und Zielerreichung reflektiert. Ich selbst bin immer mal wieder in der Position, die Leistung anderer zu beurteilen und ich bin tatsächlich weitestgehend dazu übergegangen, mir zunächst einmal anzuhören, wie die jeweiligen Kollegen sich selbst beurteilen würden. In etwa 99 Prozent aller Fälle sind diese Kollegen deutlich kritischer mit sich selbst, als ich es jemals wäre. Ähnlich erlebe ich es auch im Rahmen meiner Workshops, wenn ich die Gruppe bitte, sich selbst hinsichtlich einer Übung oder Aufgabe zu reflektieren.

Das Team als Spiegel

Um dem Selbstbild aber auf jedem Fall noch ein Fremdbild hinzuzufügen, damit die Sache rund wird, brauchen wir im nächsten Schritt ein Feedback. Hier stellt sich die generelle Frage, wer denn besser geeignet ist, meine Leistung zu beurteilen: Meine Kollegen, die mich täglich mehrere Stunden erleben und auch ganz genau mitbekommen, welchen Anteil der Teamleistung mir zuzuordnen ist, oder mein Chef, der mich vielleicht nur wenige Minuten pro Tag erlebt, wenn überhaupt? Eine Antwort erübrigt sich. In einem Teammeeting in wohlwollender und entspannter Atmosphäre stellt ein Kollege zunächst kurz seine Selbstreflexion vor. Danach haben alle Kollegen einen Moment Zeit, sich über das Gehörte in aller Stille Gedanken zu machen. Im Anschluss daran beantwortet jeder zwei Fragen: Was schätze ich besonders an der Zusammenarbeit mit dir? Und was ist der Bereich, in dem du dich noch weiterentwickeln könntest? Ein Protokollant schreibt alles an der Flipchart mit und überreicht abschließen dem Kollegen, der in diesem Meeting im Fokus steht, das Papier.

Die Führungskraft als Coach

Kommen wir zum letzten Schritt des Beurteilungs- oder Entwicklungsprozesses: Mit seinem Flipchart-Bogen geht unser Mitarbeiter nun zum Chef. In einem Vieraugengespräch besprechen die beiden jetzt die Ergebnisse des Teammeetings und gemeinsam mit dem Chef erörtert unser Mitarbeiter was er aus diesem Prozess mitnimmt, was er gelernt hat und wie und in welche Richtung er sich zukünftig weiterentwickeln möchte. Auf diese Art und Weise wird die jährliche Beurteilung zu einem ermutigendem Prozess der Selbstreflexion und Weiterentwicklung.

Wer jetzt sagt, das ist alles Hokus-Pokus und Traumtänzerei, jenseits von Wirtschaftlichkeit und Realität, dem sei gesagt, dass es einige sehr erfolgreiche Unternehmen gibt, die einen solchen oder ähnlichen Prozess bereits implementiert haben. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die nicht nur verstanden haben, dass der Mensch der Schlüsseln zu Erfolg ist, sondern darüber hinaus auch verstanden und verinnerlicht haben, was der Mensch braucht um sein volles Potenzial abzurufen: Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Spaß!

Lasst uns aufhören mit diesem Karotten-Blödsinn in Kombination mit Druck und Angst. Lasst uns aufhören mit diesen Beurteilungsgesprächen um deren selbst Willen. Lasst uns doch mal wieder auf den ursprünglichen Sinn und Zweck dieser Gespräche rück besinnen. Es ging irgendwann mal um Weiterentwicklung und um mich weiter zu entwickeln brauche ich weder Druck, noch Angst, noch eine blöde Karotte. Ich brauche Unterstützung und jemanden, der mich als Person wahrnimmt, mit meinen Stärken und Schwächen. Wie sieht es bei euch aus? Was braucht ihr?

Eure Constance

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Total entspannt

Beurteilungsgespräche als Chance für alle beteiligten

Und was ist wenn der DAX dann oben angekommen ist?

Freies Denken in der Krise

Ich weiß nicht, wie ihr eure Tage so hinter euch bringt. Ich für meinen Teil merke, dass ich sehr viel Zeit zum Nachdenken habe und mir gleichzeitig auch ein wenig der Austausch mit anderen fehlt. Ich gehe momentan recht häufig in eine Art inneren Dialog. Wahrscheinlich auch durch den medialen Einfluss kommt meine Gedankenwelt hierbei nicht um den Stellenwert unserer Wirtschaft für die Gesellschaft drumherum. Darüber wiederum bin ich irgendwie bei Börsen, Börsenwerten und Wirtschaftssystemen angelangt.

Ich habe keinen betriebs- oder volkswirtschaftlichen Hintergrund. Ich habe mein Vermögen in die Aktie Mensch investiert. Hier habe ich gewisse Kompetenzen und deshalb sollte ich eigentlich auch genau darüber schreiben. Aber ich bin heute mal mutig und begeben mich in einer Art Selbstversuch auf das sehr dünne Eis des gefährlichen Halbwissens. In meinem Kopf tönt jetzt schon die Stimme meines alten Philosophielehrers: “Wenn man keine Ahnung hat, besser mal die Klappe halten!”. Es tut mir leid, aber ich tue das hier jetzt trotzdem, wobei ich versuchen werde, diese Granate ein wenig dadurch zu entschärfen, indem ich nicht vorhabe, Aussagen zu treffen, sondern Fragen zu stellen. Vielleicht hat meine Leserschaft ja eine Antwort, oder vielleicht habt ihr einfach Lust, Euch gemeinsam mit mir den Kopf zu zerbrechen.

Börse für Dummies

Hier also zu meiner Sonntagsfrage: Warum müssen die Leitindizes immer steigen? Wann sind sie denn oben angekommen? Und jetzt vielleicht zur wichtigsten meiner Fragen: Was ist dann? Was ist das Ziel des ganzen Zaubers?

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Das Planspiel der Weltwirtschaft.

Die Regeln sind weitestgehend bekannt, aber was um alles in der Welt ist das Ziel?

Diese Frage kam in mir auf, als ich vor einigen Tagen Nachrichten geschaut habe. Die üblichen eher weniger positiven Corona-Szenarien. Aber plötzlich, quasi wie ein heller Sonnenstrahl nach einem düsteren Unwetter, ertönte die Meldung, dass der DAX sich erholt habe. Ja dann ist ja alles gut, oder? Wenn der DAX jetzt wieder steigt, ist die Welt ja in Ordnung. Meine eigene Reaktion auf diese Meldung, dieser kurze Moment der Erleichterung, hat mich so erstaunt, dass mich die Frage, was denn sein wird wenn der DAX oben angekommen ist, nicht mehr los lässt. Sind wir dann im Paradies? Im Land wo Milch und Honig fließen?

Wachstum um des Wachstums Willen

Natürlich habe ich relativ schnell verstanden, dass die Weltwirtschaft doch im Prinzip nur um des Wachstums Willen wächst. Immer schneller, höher, weiter. Der Mediziner würde dieses Wachstum, das das Wachstum selbst zum einzigen Ziel hat, als Krebs bezeichnen. Und wenn wir uns die Auswirkungen dieses radikalen Kapitalismus einmal anschauen, lässt sich feststellen, dass das, ähnlich eines stetig weiter wachsenden bösartigen Tumors, unsere eigene Lebensgrundlage zerstört. Das Streben nach immer höheren Gewinnen führt im Großen dazu, dass wir das Ökosystem zerstören, von dem unser Überleben abhängt. Im Kleinen führt es dazu, dass gegenwärtig in Deutschland bestimmte Medikamente knapp werden und unsere Ärzte und Pfleger nicht ausreichend Schutzkleidung zur Verfügung haben. Es war ja billiger, das alles nur in China produzieren zu lassen. Ja, billiger war es. Es hat Gewinne maximiert und für Wachstum gesorgt. Aber gerade stellen wir fest, dass das trotzdem nicht klug war. Ähnlich wie Krebs hat diese Form der Gewinnmaximierung das Potenzial Menschen zu töten. Ich bin weiß Gott kein Globalisierungsgegner, ich glaube sogar, dass die Weltwirtschaft inzwischen zu einer Art lebenden Organismus zusammengewachsen ist und sich einzelne Teile da nicht mehr heraustrennen lassen. Aber vielleicht nutzen all die weisen Denker und Lenker unserer Weltwirtschaft diese Krise, um ganzheitlichere Entscheidungen zu treffen, die nicht mehr einzig und allein Wachstumsraten zum Ziel haben. Eine neue Art der Globalisierung wäre nach dieser weltweiten Katastrophe durchaus mal angebracht!

Die Krebsgeschwüre in Unternehmen

Was im Großen für die Welt gilt, lässt sich auch gut auf einzelne Organisationen und Unternehmen projizieren und so nähere ich mich dann doch wieder meinem eigentlichen Thema an: dem Menschen. Was macht das mit Menschen, wenn es stetig und permanent und ohne Rücksicht auf Verlust immer nur darum geht, Zahlen immer noch weiter zu optimieren? Noch mehr Einnahmen bei noch weniger Ausgaben! Jahr für Jahr das gleiche Hamsterrad. Wer bekommt hier Zielvereinbarungen? - Die womöglich noch an die jährliche Bonuszahlung gekoppelt sind? Wie fühlt man sich so beim jährlichen Mitarbeitergespräch, in dem man an diesen Zahlen gemessen wird? Irgendwann ist die Zitrone ausgepresst, da kommt dann nichts mehr, egal wie hoch der Druck ist! Auf diese Art und Weise zerstören auch Unternehmen ihre Lebensgrundlage, nämlich die Menschen die für sie arbeiten. Ich wiederhole mich nur ungern! Nein, an dieser Stelle wiederhole ich mich eigentlich sogar sehr gerne, weil man es nicht oft genug sagen kann: der Mensch ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg und es gibt so vielfältige Möglichkeiten in den Menschen zu investieren, ihm Grundlagen zu schaffen, um sein ganzes Potenzial an Kreativität, Leistungsbereitschaft und Loyalität abzurufen. Ja, das kostet und wird vielleicht kurzfristig Gewinne schmälern. Wenn wir in Deutschland zukünftig einen Teil der medizinischen Schutzausrüstung wieder selbst produzieren, wird das auch etwas teurer, aber es wird uns besser auf kommende Krisen vorbereiten. Kreative, freie, mutige und selbstbewusste Mitarbeiter sind die beste Krisenvorbereitung für Unternehmen und Organisationen jedweder Art. Ich bin mir sicher, dass all jene Unternehmen, deren Bild von braven angepassten Arbeitsrobotern geprägt ist, die stumpfsinnig Zahlen jonglieren, bis der Chef zufrieden ist, langfristig verschwinden werden. Das sind Dinosaurier aus längst vergangenen Tagen, die einfach nicht mehr wendig genug sind, um mit der neuen Geschwindigkeit der Welt Schritt halten zu können.

Puh, und hier müsste jetzt eigentlich ein neuer Beitrag beginnen, der sich mit Organigrammen und Organisationsstrukturen auseinandersetzt, die den Menschen ganzheitlich fördern. Ich glaube das mache ich demnächst mal. Für heute aber genug der Worte. Wenn ihr Lust habt, teilt Eure Gedanken. Ich bin ganz neugierig, weil ich meine Gedanken diesbezüglich bei weitem noch nicht zu Ende gedacht habe.

Eure Constance

Wie Fehler uns aus der Höhle raus ins Licht führen

Erst mal Danke

Eh ich mich meinem zweiten Beitrag inhaltlich widme, möchte ich erstmal Danke sagen. Ich war wirklich erstaunt, wie viel Feedback ich auf allen möglichen Kanälen zu meinem ersten Versuch bekommen habe. Und resultierend aus diesem Feedback möchte ich eine Frage in die Runde stellen: Gibt es Interesse daran, durch eine Art Newsletter über zukünftige Veröffentlichungen informiert zu werden? Ich weiß, dass das hier technisch irgendwie möglich ist (und Ihr spürt mein Unbehagen, in dem Moment, in dem ich das hier schreibe!). Kurze Info dazu gerne auf allen Euch bekannten Kanälen!

Wie sich Fehler anfühlen

So, aber jetzt hin zum Thema das Tages: FEHLER! Dem ein oder anderen stellen sich schon bei diesem Wort die Nackenhaare, so vorhanden, auf. Vor dem inneren Auge steht eine ältere faltige Oberlehrerin mit grau-meliertem Haar, das streng zu einem Dutt zusammengebunden ist. Von oben herab und über ihre Brille schauend, die Augen leicht zusammengekniffen, die Stirn in Falten gelegt, hebt sie den rechten Zeigefinger und ihren gespitzten, faltigen Lippen entweicht schrill das böse F-Wort (nein, nicht das, das andere). Du fühlst dich sofort klein, schlecht und bloßgestellt.

Zurück in die Höhle

Mal ehrlich, Fehler sind in unserer Gesellschaft nicht gerade positiv belegt. Dabei wären wir ohne Fehler bei weitem nicht da, wo wir jetzt sind, gesellschaftlich, evolutionsgeschichtlich und individuell. Wie ich darauf komme? Wir gehen mal zurück in die Höhle, zu denen die irgendwann mal das werden sollten, was wir heute sind. Der prähistorische Mann kommt stolz von der Jagd zurück und übergibt die Beute (wir stellen uns vor es ist etwas Schwein-artiges) der Frau, die es zerlegen und zubereiten soll. Weil die nebenbei noch mit ihrer Freundin quatscht, um die damals überlebenswichtigen sozialen Bindungen zu manifestieren, fällt ihr das Fleisch ins Feuer. Großer Fehler! Beim Versuch, das Abendessen zu retten, verbrennt sie sich noch die Finger, der Mann schimpft, die blöde Kuh von Freundin kichert und die arme Frau fühlt sich klein, schlecht und bloßgestellt. Das schlimmste ist, dass der nicht vorhandene Kühlschrank leer ist und man das verunglückte Schwein mangels Alternativen auch noch essen muss. Beim Essen merkt der Mann, dass das mit den Röstaromen gar nicht so schlecht ist, weshalb die Freundin die Idee einer Grillparty mit in ihre Höhle nimmt. Es folgt das erste kollektive Angrillen der Menschheitsgeschichte. Und, meine Herren, ganz wichtig, all das nur, weil die Alte so doof war!

Die Entwicklung geht weiter. Denn neben den Röstaromen, die ja so lecker schmecken, hat das gegrillte und gekochte Essen noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: Gekochtes oder Gegrilltes ist leichter verdaulich und plötzlich hatte der Höhlenmensch ganz viel Energie, die die Verdauung ja nun nicht mehr brauchte, übrig. Das Fitti war noch nicht erfunden, also dachte sich die Evolution, nutze ich die Energie doch und mache das Gehirn größer und leistungsfähiger. Einen vergleichbaren Mechanismus würde ich mir bis heute manchmal wünschen. Die Fittis sind ja grade alle geschlossen… Aber sei’s drum, das menschliche Hirn hat einen wahren Entwicklungsschub erfahren und zack waren wir raus aus der Höhle, hatten Häuser, Elektrizität, Autos, Flugzeuge und Internet. Und alles nur, weil Madame das Essen verbrannt hat.

Auf absolute historische Korrektheit legen wir hier jetzt nicht ganz so viel wert. Genau wissen es nur die, die dabei waren. Aber irgendwie muss das Gejagte ja mal ins Feuer gefallen sein. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass das nicht absichtlich geschah, wie so vieles, was uns als Gesellschaft weitergebracht hat.

Raus aus der Höhle und rein in die Wissenschaft

Dieser Entwicklungsmechanismus lässt sich nun beliebig auf andere Bereiche übertragen: Auf Gesellschaften, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen und am Ende sogar auf jeden Einzelnen von uns. Warum ist das so? Ganz einfach, weil Fehler überall da, wo der Mensch am werkeln ist, systemimmanent sind. Es geht nicht ohne. Punkt! Vor einigen Jahren dachte ich diesbezüglich noch, dass man damit halt irgendwie klar kommen muss. Inzwischen habe ich meine Haltung dahingehend geändert, als dass ich sage, dass Fehler von der Evolution gewollt sind, weil sie neben Neugier und Mut eine absolute Basis für Entwicklung darstellen, im großen wie im kleinen.

Jetzt ist es aber ehrlicherweise oftmals noch immer so, dass wir zwar alle so kluge Sprüche wie: “Dein letzter Fehler ist dein wichtigster Lehrmeister” (mfG, dein Zen-Meister) kennen und verstehen und trotzdem taucht da immer wieder diese alte fiese Lehrerin vor unserem inneren Auge auf, die uns im Endeffekt davon abhält unsere Fehler positiv zu nutzen. Denn nur Fehler machen, bringt weder uns, noch unser Unternehmen voran, im Gegenteil. Wichtig für Entwicklung ist der Prozess der Fehleranalyse, sowohl auf individueller, als auch auf Organisationsebene.

Im Rahmen einer Fehleranalyse schaue ich mir im ersten Schritt an, um welche Art Fehler es sich handelt. Die Harvard Professorin Amy C. Edmondson unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen drei Fehlerarten: den vermeidbaren, den komplexen und den intelligenten Fehlern.

Der häufigste vermeidbare Fehler ist das Abweichen von Regeln oder vorgeschriebene Prozessen. Jeder der jetzt die Stirn in Falten legt, darf mal darüber nachdenken, wie oft er schon allein im Straßenverkehr gegen Regel verstoßen hat. Im zweiten Schritt darf er sich mal hinterfragen, warum er das getan hat und was auch immer da raus kommt, sind die gleichen Gründe, weshalb wir auch auf der Arbeit immer wieder gegen Regeln verstoßen. Was kann ich als Unternehmen nun tun, damit meine Mitarbeiter sich etwas besser an Regeln halten? Ich muss dafür sorgen, dass jeder die Regeln kennt, ich muss eine Awareness für die Sinnhaftigkeit dieser Regeln oder Prozesse schaffen und gegebenenfalls schaffe ich sogar Redundanzen, lasse Leute in Teams arbeiten, die sich selbst korrigieren. Überwachung und Bestrafung halte ich nicht für sinnvoll. Aber dazu mehr in meinem nächsten Beitrag.

Bei den komplexen Fehler werden auch die möglichen Gegenmaßnahmen für ein Unternehmen deutlich komplexer. Denn unter komplexen Fehlern versteht Frau Edmondson Fehler die system- oder organisationsbedingt gemacht wurden. Fehler, zu denen der einzelne Mitarbeiter eigentlich nichts kann, obwohl er sie gemacht hat. Hier ein einfaches Beispiel: In einer Autowerkstatt wechselt der neu eingestellte Mechaniker Reifen. Den passenden Radschlüssel gibt es in der Werkstatt nicht, deshalb nimmt er einen der vielen anderen, der halt irgendwie passt. Zwei Tage später beschwert sich der Kunde, dass er ein Rad verloren und infolge dessen einen Unfall gebaut hat. Der Werkstattbesitzer ist erschrocken und wütend und schmeißt seinen Mechaniker raus. Der nächste Mechaniker macht den gleichen Fehler, wieder ein Unfall und der Chef schmeißt ihn auch raus. So geht es munter weiter bis alle Kunden sich eine neue Werkstatt gesucht haben und unser Chef in die Insolvenz rutscht. Und da das ja sicher kein Chef möchte, sollten Chefs von Natur aus daran interessiert sein, komplexe, systembedingte Fehler zu erkennen und zu analysieren. In diesem Fall wäre es ganz einfach gewesen: kleine Investition und Pleite abgewendet. Sollte sich jetzt der ein oder andere Fragen, warum der Mechaniker nicht von sich aus gesagt hat, dass er ein Problem hat, kann ich nur sagen, sehr gut mitgedacht. Die Antwort gibt’s im nächsten Beitrag.

Jetzt haben wir also eine Gruppe von Fehlern, die uns dazu führen, die individuelle Performance zu optimieren und eine Gruppe von Fehlern, die dazu führen, dass das System, die Organisation oder das Unternehmen optimiert werden (und liebe Chefs, das bedeutet auch immer gleich mehr Gewinn oder weniger Verlust). Kommen wir nun zu der Kategorie Fehler, die zur Weiterentwicklung oder Evolution führen: die intelligenten Fehler. Hierbei handelt es sich um Fehler, die zu neuem Wissen führen. In Wissenschaft und Forschung sind diese Fehler eine gängige Form der Weiterentwicklung und werden im Rahmen sogenannter Trial-and-Error Experimente bewusst herbeigeführt. Ein gutes Beispiel dafür ist, wie die Forschung gegenwärtig nach einem Medikament gegen Corona sucht. Und vielleicht hat ja auch unsere Höhlenfrau ein unbewusstes Trial-and-Error Experiment durchgeführt. Hätte ja auch schief gehen können, mit dem Fleisch und dem Feuer.

Raus aus der Wissenschaft und rein in die Wirtschaft

Was mich ein wenig wundert ist, dass das, was für die Wissenschaft das Erfolgsrezept überhaupt darstellt, von der freien Wirtschaft nur sehr zögerlich angenommen wird. Warum nicht bewusst scheitern und daraus wertvolle Information für eine in unserer Zeit unabdingbare Weiterentwicklung sammeln? Chefs, was hält Euch zurück? Wenn es fehlende Vorstellungskraft dafür ist, wie so etwas aussehen kann, hier ein, wie ich finde, tolles Beispiel aus der Praxis:

Im Rahmen meiner vielen Weiterbildungen und Qualifikationen hin zum Mediator und Business Trainer durfte ich eine Woche lang von Michael lernen. Michael, liest Du das? Darf ich Werbung machen? Egal, Michael ist Eigentümer eines recht erfolgreichen mittelständigen Trainingsunternehmens. Michael stellt seinen Leuten jedes Jahr ein gewisses Budget bereit um mal völlig verrückte und vor allem unvernünftige neue Wege zu gehen und Neues auszuprobieren. Einmal im Jahr werden dann nicht nur die Ideen gefeiert, die erfolgreich waren. Nein, der Fokus liegt auf der Idee, die am kläglichsten gescheitert ist, um daraus zu lernen und vielleicht auch um ein wenig Demut zu üben. Wenn man selbst erfolgreicher ist als andere, gibt einem das leicht das Gefühl der Überlegenheit. Analysiert man das Scheitern, stellt man ganz oft fest, dass man in vergleichbarer Situation wahrscheinlich auch selbst gescheitert wäre. Man bleibt also trotz Erfolgen wachsam und achtsam.

Michael hat erzählt, dass er auf diese Art und Weise schon einen Haufen Geld verloren hat. Auf der anderen Seite hat sich diese Investition für ihn und sein Unternehmen aber ausgezahlt, weil erstens auch viele gute Konzepte raus kamen, vor allem aber, weil sein gesamtes Unternehmen kreativer und mutiger wurde. Mut, liebe Leute, brauchen wir um Entwicklung voran zu treiben.

Zu guter Letzt

So, und während ich das mit dem Mut geschrieben habe, komme ich nicht umhin, auch ein wenig selbstkritisch zu sein. Nein Michael, ich hatte nicht den Mut, meinen festen Job komplett zu kündigen und mit beiden Beinen und aus vollem Vertrauen in meine Ressourcen in die Selbstständigkeit zu springen. Aber immerhin bin ich nur noch in Teilzeit angestellt. Ich bin also in etwas kleineren Schritten mutig und ich glaube, ich muss demnächst auch mal was über Sicherheit und Komfortzonen schreiben.

Hilfe, bin ich mutig!

Hilfe, bin ich mutig!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiterhin gute Gesundheit, Mut und kreative Tage im Social Distancing. Feedback ist nach wie vor extrem gewünscht.

Eure Constance