Persönlichkeit

Ansichten einer Träumerin

Transformation… Ja, nee, is klar!

Nichts ist so beständig wie der stetige Wandel. -Dummer Spruch, aber leider unfassbar wahr. Wie oft sehe ich Organisationen, die sich in eine Transformation begeben, das auch entsprechend kommunizieren, den zeitlichen Rahmen abstecken, sich für die Zeit der Transformation Unterstützung durch Coaches wie mich besorgen, ein Change Management etablieren und so weiter und so fort. All diese Maßnahmen suggerieren natürlich, dass dieser Wandel, die Veränderung, die Transformation irgendwann abgeschlossen sein wird. Wenn ich mir das so betrachte, aus der coachenden Metaebene heraus, muss ich jedes Mal in mich hinein lächeln. Gibt es tatsächlich irgendjemanden hier, der glaubt, die Welt hört irgendwann auf, sich zu drehen? “Leute, werdet endlich mal wach!”, möchte ich gelegentlich schreien. Unser Umfeld ist derart komplex und so extrem dynamisch, dass es schon lange nicht mehr darum geht, den einen Veränderungsprozess zu begleiten und dann ist die Organisation fertig und bereit für das was kommt! Das, was heut noch agil ist, ist morgen sicher schon Schnee von gestern und Post-Agilität wird der neuste Hype sein. Natürlich kann ich mir jetzt immer und immer wieder neue Coaches holen, die den nächsten Wandel begleiten: Agile Coaches raus, Post-Agile Coaches rein! Aber mal ehrlich, ist es das? Was es wirklich braucht, sind Organisationen, die sich stetig aus sich selbst heraus weiterentwickeln, sich stetig anpassen und mit der Dynamik gehen. Es braucht Lernende Organisationen und keine Transformationen!

Die lernende Ich-AG

Doch heute soll es ausnahmsweise mal nicht um Organisationen gehen, sondern um mich. Das hier ist mein letzter Artikel vor meiner Sommerpause (am 08. August geht es weiter!) und ich dachte mir, ich nehme euch mal mit auf eine kleine Reise in meine ganz eigene Gedankenwelt. Anfang des Jahres habe ich euch ja bereits mit auf meine Reise in ein neues Leben genommen und alle meine Onboarding-Schmerzen mit euch geteilt. Ich finde nach ziemlich genau einem halben Jahr ist es an der Zeit, mal zu rekapitulieren. Noch vor gut einer Woche hätte ich gesagt, ich bin angekommen, alles ruckelt sich fest, ich habe einen Alltag gefunden und mit diesem Alltag die Sicherheit und den Rahmen den ich brauche, um als Coach wirksam zu werden. Also alles so, wie es sein sollte… Ja, das war vor gut einer Woche! Denn wie soeben beschrieben ist auch mein Umfeld ausgesprochen dynamisch und auch mir bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als eine Lernende Organisation zu sein, quasi eine lernende Ich-AG, die stetig mit den Veränderungen geht, sich aus sich selbst heraus entwickelt und immer wieder anpasst. Was ist los in meiner Welt? Diese wundervolle Abteilung von tollen Agile Coaches und Organisationsentwickler, der ich angehören darf, strukturiert sich um, oder muss umstrukturiert werden, sich strategisch neu aufstellen, ausrichten, was auch immer… Was das für mich bedeutet? Das weiß ich noch nicht so richtig! Also außer natürlich, dass die Welt, in die ich mich gerade eingearbeitet habe, demnächst schon wieder eine andere sein wird!

Wenn der Schwindel einen umhaut

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn das Karussell meines Lebens sich besonders schnell dreht, muss ich immer ein wenig aufpassen, dass mir dabei nicht schwindelig wird. Ich brauche einen Fixpunkt, einen Anker damit es mich nicht umhaut. Als die Neuigkeiten Ende letzter Woche verkündet wurde, habe ich gefühlt unglaublich entspannt reagiert. Ich habe auf Stresssymptome gewartet, auf Unsicherheit, Unglauben, Wut, Angst… Da kam nichts. Was mich zu diesem Zeitpunkt gewundert hat, ist mir inzwischen klar geworden: ich habe einen verdammten Anker, einen unfassbaren Fixpunkt, der mir wie ein heller Stern die Richtung vorgibt, mir Orientierung schenkt, egal wie wild sich die Dynamik unserer Welt gerade um mich dreht. Dieser Fixpunkt ist meine Vision, mein Traum, mein Purpose. Ich kenne mein Ziel und das gibt mir Stabilität und Ruhe im Sturm.

Über die letzten Jahre ist mir immer klarer geworden, dass ich High Performance Teams und Organisationen gestalten möchte, und zwar nicht über Strukturen und Prozesse, sondern über Mindset und darüber, dass ich Menschen das Handwerkszeug mitgebe, das sie brauchen, um selbstwirksam zu werden. Soft Skills sind mehr als Esoterik oder ein nettes Add-On, denn am Ende des Tages futtert Mindset Strukturen und Prozesse zum Frühstück. So entstand dieses Konzept in meinem Kopf und in meinem Herzen, diese große Idee eines ganzheitlichen und nachhaltigen Trainingskonzept, das Menschen so aufstellt, dass sie selbstständig in der Lage sind zu lernenden Ich-AGs zu werden und dadurch ihre Organisation zu einer Lernenden Organisation werden zu lassen. Die einzelnen Elemente durfte ich hier und da und dort schon ausprobieren, um festzustellen, dass sie funktionieren. Was mir noch fehlt, ist die Chance, das Große und Ganze umzusetzen, denn ich weiß, dass es funktioniert und ich weiß, dass ich es kann!

Dieser Traum, diese Vision ist nun schon Jahre alt und fest in meinen Gedanken. Inzwischen gibt es fertige Konzepte und diverse wissenschaftlich Erkenntnisse, Studien, Thesen, die meine Idee untermauern. Man könnte sagen, dieser helle Stern leuchtet von Monat zu Monat klarer und zeigt mir so meine ganz eigene Richtung. Wenn ich nun die letzten Jahre, eigentlich sogar Jahrzehnte Revue passieren lasse (denn tatsächlich hat dieser Stern schon vor über 21 Jahren, als ich mein eigenes, erstes Crew Ressource Management Training hatte, zu leuchten begonnen), dann fällt mir auf, dass es in meinem Leben immer wieder kleine und große Veränderungen gab. Die einen haben mich meinem Traum etwas nähergebracht, die anderen haben mich ein Stück weit weggezogen. Ich bin irgendwie immer geschmeidig mitgegangen, ohne diesen Stern, der manchmal nur ganz leicht und unendlich weit entfernt geleuchtet hat, aus den Augen zu verlieren.

Denn der Himmel ist voller Sterne

Ich weiß nicht wo und wie hell euer Stern leuchtet und wie weit weg er gerade ist, aber es gibt ihn und wenn ihr ihn momentan nicht sehen könnt, lohnt es sich vielleicht, etwas genauer hinzuschauen. Denn wenn es eines gibt, was ihr braucht um in dieser verrückten Welt den Halt nicht zu verlieren, dann ist es euer Fixstern, euer Ziel, eure Vision, euer Purpose.

Ich selbst befinde mich gerade in einem echten Hochleistungs-Raumschiff mit vierfacher Warpgeschwindigkeit! Eigentlich muss ich nur noch das Fenster runterkurbeln, denn mein Stern ist zum Greifen nah, direkt vor mir, riesengroß, strahlend hell und wunderschön. In manchen Momenten ist es fast wie ein Traum. Ich bin so gut wie da. Diese Kraft und diese unbeirrbare Richtung, die mir das gibt, kann ich gar nicht wirklich in Worte fassen. Es ist ein tolles Gefühl. Klar weiß ich nicht, ob mich die neusten Veränderungen in meinem Leben vielleicht wieder ein Stück weg von meinem Stern ziehen. Das kann durchaus sein und wenn es so kommt, dann kommt es so. Das wird mich aber nicht von meinem Weg abbringen. Die Ich-AG in mir wird schon einen neuen Approach ausdeuten, der dann bestimmt sogar besser ist, als der alte. Aber vielleicht bringen mich die neusten Veränderungen ja sogar noch ein bisschen näher an meinen Stern ran, vielleicht sind es diese Veränderungen, die das Fenster meines Raumschiffes öffnen und dann muss ich nur noch zugreifen, weil mein aktueller Approach vielleicht schon der Beste ist. Ich kann es euch nicht sagen, aber ich verspreche, euch auf dem Laufenden zu halten, nach meinem Urlaub! Bis dahin wünsche ich euch zauberhafte Sommernächte. Vielleicht macht ihr es wie der kleine Prinz es empfiehlt und schaut euch bei Nacht den Himmel an, richtet eure Blicke in die Sterne und unter Umständen findet ihr ja dabei diesen einen, der nur für euch ein bisschen heller leuchtet.

Eure Constance

PS:

Vielleicht rollt ihr jetzt verwundert die Augen, oder denkt euch, dass Sterne halt Sterne sind, tote, verglühte Planeten oder Sonnen…Ich verstehe euch echt gut! Ich habe jahrelang diese Sprüche gelesen, mit dem Glauben an sich selbst, der natürlich auf lange Frist zu Erfolg führt, mit den Visionen, die man haben muss und den Träumen. Ich gebe zu, hier und da habe ich sie ein klein wenig belächelt, diese Sprüche und diese Motivations-Coaches… Tja, und jetzt stehe ich da, mit über Vierzig und die Puzzelteile fangen an sich zusammenzufügen. Für mich ist das ein fast surreales Gefühl, weil dieses jahrelange Kämpfen ein Stück weit vorbei zu sein scheint. Alles passiert -fast von alleine- und ich gehe einfach nur mit, im festen Vertrauen auf meine Idee und meine Ressourcen. Das ist schön!

Der Himmel ist voller Sterne und das Leben ist auch zum träumen da!

Der Himmel ist voller Sterne und das Leben ist auch zum träumen da!

Teams mit Dysfunktionen? -Vielleicht auch nur ein Spiegel arroganter Coaches?

Dysfunktion hier, Dysfunktion dort…

All jenen unter euch, die meine Artikel in den letzten Wochen gelesen haben, geht es vielleicht wie mir. Vielleicht könnt ihr das Wort Dysfunktionen auch nicht mehr hören. Was soll das überhaupt, einem Team zu unterstellen, es sei dysfunktional? Und woher kommt dieser Ansatz der fünf Dysfunktionen überhaupt? Interessanterweise entspringt die Ausformulierung tatsächlich der Kultur der sogenannten New Work, genauer gesagt der agilen Welt des Scrum. Unmengen agiler Coaches und Scrum Master referieren (so wie ich in den letzten beiden Wochen) darüber, wie wir die fünf Dysfunktionen bei (Scrum) Teams identifizieren können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind , um die jeweiligen Dysfunktionalität auszumerzen.

So weit so gut und das ist ja auch alles fachlich und inhaltlich richtig. Ich habe mich in den letzten Wochen jedoch immer wieder gefragt, warum ich mir mit dieser sachlichen Beschreibung so schwertue. Nach reiflicher Überlegung muss ich einfach zugeben, dass ich am Ende des Tages wohl doch ein ressourcenorientierter Human Factors Trainer und Consultant bin. Der Agile Coach bin ich wohl nur nebenbei. Mein Herz schlägt anders. Wie ich darauf komme? Mir gefällt es nicht, Dysfunktionen an Menschen oder in Teams zu identifizieren und daran zu arbeiten. Ich sage es mal ganz frei nach der von mir so häufig genannten Harvard Professorin Amy C. Edmondson: Kein Mensch steht morgens auf und fährt zur Arbeit, weil er es nicht abwarten kann, dysfunktional zu agieren. In Wirklichkeit ist es doch viel mehr so, dass die allermeisten von uns morgens aufstehen und sich fest vornehmen, ihr Bestes zu geben. Dass dabei nicht immer alles glatt läuft, ist jedem von uns klar. Manchmal ist es sogar strukturell bedingt, aber eines ist es eben immer: menschlich. Verunsicherung und Konfliktvermeidung sind etwas zu tiefst Menschliches und keine Dysfunktion. Vielmehr sehe ich es so, dass dieses normale, menschliche Verhalten, das wir alle mal mehr und mal weniger ausgeprägt an den Tag legen, in unserer neuen, modernen, komplexen und dynamischen Welt die Performance (die individuelle, die eines Teams und auch die einer gesamten Organisation) beeinträchtigen. Dysfunktional ist in diesem Kontext bestenfalls unser Umfeld, unsere Welt, die sich auf geradezu absurde Weise immer schneller zu drehen scheint und an die es sich anzupassen gilt.

Warum ich mir so sehr gewünscht habe, in einem agilen Umfeld zu arbeiten

Als meine Wut auf all diese großen und ruhmreichen Agilisten, die Bücher schreiben und Vorträge halten, wieder ein wenig verraucht war, habe ich mich schließlich gefragt, warum ich denn eigentlich unbedingt in ein agiles Umfeld wollte. Dass ich momentan hauptberuflich als Agile Coach in einer großen Bank arbeiten darf, war ein Traum, der sich über Jahre hinweg in mir entwickelt hat. Dieser Traum hat als absolutes Fundament mein Menschenbild und meine Idee von der Bedeutung des Faktors Mensch in modernen Organisationsstrukturen. Nach vielen Jahren als Human Factors Trainer wurden mir diesbezüglich zwei Dinge glasklar:

  1. Der Mensch ist der absolute Schlüssel zum Erfolg all unserer Systeme!

  2. Menschen machen Fehler, ja! Aber sie tun das nicht, weil sie sich dazu entschieden haben. Vielmehr will jeder von uns zu jeder Zeit sein Bestes geben, sich einbringen und zum Erfolg eines Teams oder einer Organisation beitragen.

Natürlich resultiert aus diesen beiden Feststellungen zwangsläufig die Frage, was Menschen denn dann brauchen, um all ihr Potenzial nutzen zu können. Die Antwort ist ebenso profan wie sie kompliziert ist. Menschen brauchen Vertrauen und Gestaltungsraum. Ja, hört sich einfach an, aber findet das mal in klassischen Wirtschaftsorganisationen, in denen der Chef den Mitarbeitern Boni bietet, weil er denkt, dass sie sonst auf keinen Fall volle Leistung erbringen und gleichzeitig nimmt er ihnen so ziemlich alle Gestaltungsmöglichkeiten, gibt strenge Rahmenbedingungen vor und glaubt noch immer, dass Druck ein gutes Mittel zur Leistungssteigerung sei. Ich habe mir lange vorgestellt, wie eine Organisation aussehen müsste, die genau das anders macht, wie Führung aussehen könnte, die anders vorgeht, Raum lässt und Vertrauen schenkt. Alles das hat mich in die Welt agiler Strukturen eintauchen lassen und ich war irgendwie selig. Alles hat so viel Sinn ergeben: dieser Fokus auf selbst-organisierten Teams und dieser dienenden Führung, die man Neu-Hochdeutsch ja als Servant Leadership bezeichnet, hat mich in den Bann gezogen. Hier habe ich mein Menschenbild wiedergefunden. Die Grundidee aller Agilität liegt meiner Meinung nach darin, dass man den Menschen als kompetent, leistungsbereit, eigenverantwortlich und positiv sieht und ihm deshalb eben auch zutraut, dass er sich selbst im Team bestmöglich organisieren kann, dass er selbst klug genug ist, um sich die für ihn passenden Voraussetzungen für High Performance zu schaffen und vor allem, dass der Mensch nicht kontrolliert werden muss und keine Karotten braucht, die man ihm wie einem Esel vor die Nase hängt, damit er schneller rennt.

Und nach dem Träumen kommt natürlich immer die Realität

Es war dieser Traum, der mir den Mut gegeben hat, mein Leben komplett auf links zu drehen und mich dieser neuen Welt und einem ganz anderen Leben zu stellen. Nach 21 Jahren Flugzeuge im Bauch und Kerosin im Blut plötzlich in einer Bank! Das war und ist verrückt. Nichtsdestotrotz hat mein Traum mir ausreichend Rückenwind gegeben und jetzt stehe ich hier, nach einem halben Jahr als Agile Coach eigentlich noch recht grün hinter den Ohren aber eben auch nicht blind und taub! Um zu lernen habe ich mich natürlich sehr intensiv umgeschaut, in der schönen neuen Welt der Agilität. Ich habe unendlich viele Blogs anderer Coaches gelesen, Bücher, Publikationen, etc. Ich habe viele tolle neue Anregungen und Ideen gefunden, die ich zum Teil auch schon mit meinen Teams umsetze. Ich durfte über Kanban und OKRs lernen, die Struktur eines Obeya kennenlernen und alles das sind tolle Tools und eigentlich finde ich auch mein Menschenbild darin wieder… Eigentlich! Denn parallel musste ich lernen, dass Coaches über Dysfunktionen schreiben und aus einer Perspektive, die ich persönlich gefährlich Arrogant finde, Teams oder Strukturen beurteilen und glauben es gebe Tools und Frameworks, die nach “Schema F” einzuführen sind und schon läuft der Laden! Aber weder Scrum, noch Kanban ist eine Lösung! Die Lösung liegt immer in den Menschen selbst, auch im agilen Coaching! -Sorry Leute, ist eben so! Eine anständige Portion Systemik schadet nicht, wenn ich High Performance Teams und Organisationen schaffen möchte!

Was bleibt ist die Frage der inneren Haltung

Worüber ich mich freue, ist dass ich als Agile Coach frei bin, meinen Ansatz so zu wählen, wie er zu mir passt und wie ich am besten arbeiten kann. Und ich verspreche hoch und heilig NIEMALS mit einem meiner Teams an deren Dysfunktionen zu arbeiten. Meine Teams haben keine Dysfunktionen! Ich schau mir an, worin meine Teams gut sind und worin sie besser werden können, möchten oder vielleicht sogar müssen. Am Ende streben wir doch alle nach High Performance und brauchen immer mal wieder einen Coach, der uns dabei hilft, unsere eigene Performance zu verbessern, was nicht bedeutet, dass wir deshalb schlecht sind. Wir sind immer so gut wie wir sein können. Als systemischer Coach und auch im NLP bekommt man diese innere Haltung ausführlich eingeimpft, weil es anders nicht läuft. Jeder Agile Coach der nicht nur einen guten, sondern einen sehr guten Job machen möchte, ist, so denke ich, sicher gut beraten, sich hinsichtlich seiner eigenen inneren Haltung zu reflektieren. Und diese innere Haltung zeigt sich eben auch in der Perspektive, die wie einnehmen: sehe ich Defizite (und arbeite deshalb mit den fünf Dysfunktionen) oder sehe ich Entwicklungsräume (und orientiere mich deshalb vielleicht aus den Merkmalen der H!PE Formel für High Performance Teams der TU Chemnitz). Inhaltlich ist beides richtig. Es ist nur die innere Haltung, die den Unterschied macht! -Übrigens auch bei euch und in anderen Zusammenhängen!

So! Das musste ich mal sagen!

Habt einen zauberhaft sonnigen Sonntag.

Eure Constance

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alte Karren mit multiplen Dysfunktionen?

-Oder Autos mit dem Potenzial etwas besonderes zu sein?

Führung in Extremsituationen - Agilität an ihren Grenzen?

Agilität - Allheilmittel für alle Fälle?

Agilität und agile Führung oder Servant Leadership sind absolute Trendthemen unserer Zeit. Beides wird nur zu gerne als Allheilmittel für diese so gnadenlose, unbeständige, dynamische und komplexe VUKA-Welt beschrieben. Aber wie viel VUKA darf es denn sein, bis die Ansätze von Agilität und agiler Führung gegebenenfalls an ihre Grenzen kommen, weil eine Situation zu dynamisch wird und am Ende eben doch einer die Verantwortung übernehmen muss?

In der Grundidee von Agilität geht man davon aus, in einem Umfeld navigieren zu müssen, das von hoher Unsicherheit, Komplexität und Dynamik geprägt ist. Auch jede Extremsituation oder Krise ist geprägt von Unsicherheit, Komplexität und Dynamik. Man denke nur an Corona, eine weltweite Extremsituation, die man so noch nie zuvor erlebt hat. Wenn Agilität und agile Führung nun bedeutet, sich flexibel und schnell auf eine neue Situation einzustellen um folglich auch entsprechend schnell zu handeln, dann ist ein agiles Mindset tatsächlich eine Grundvoraussetzung, um in Extremsituationen überhaupt erfolgreich führen zu können. Wer in einer solchen Situation nicht flexibel reagiert und führt, indem er darauf vertraut, dass alle Mitarbeiter eigenverantwortlich, in Teams mit einem hohen Grad an Selbstorganisation reagieren, wird vermutlich scheitern. Die sozialistische Planwirtschaft des Topdown-Managements ist hier zum Scheitern verurteilt.

Agilität an ihren Grenzen

Allerdings erreichen Teams in extremen Situationen oder Krisen häufig sehr schnell die Grenzen der Selbstorganisation. Tobt der Sturm so heftig, dass er droht die Segel zu zerreißen, agieren selbstorganisierte Teams wahrscheinlich zu zögerlich. Was es in dieser Situation braucht sind klare Ansagen und Leitplanken, so wie Handlungsanweisungen und jemanden, der Verantwortung übernimmt. Eigentlich passt das ja überhaupt nicht in die schöne bunte Welt der Agilität. Auf der anderen Seite finde ich, dass es sehr wohl zur Grundidee von Agilität und Servant Leadership passt: Führung fällt situativ dem zu, der die besten Voraussetzungen, Kompetenzen oder die meiste Erfahrung für die jeweilige Situation mitbringt. In einer Studie zu High Performance Teams der TU Chemnitz wird diese Form von Führung als transformational bezeichnet und darf getrost als einer der Schlüssel zu High Performance gesehen werden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen hierfür ist jedoch, dass Zuständigkeiten klar geregelt sind. Als Beispiel hierfür führt die Studie der TU Chemnitz unter anderem die Luftrettung an. Hier agieren Teams unterschiedlicher Experten gemeinsam innerhalb eines gesetzten Rahmens. Jeder hat seinen Fachbereich und es ist völlig klar wer den fliegerischen Hut auf hat, wer den medizinischen und wer die größte Kompetenz im Bereich der Rettungstechnik hat. Je nachdem, um was es gerade geht, wechselt die Führung in diesen Teams von einem zum anderen. Zusätzlich hat das Team gemeinsame Regeln, Vorschriften und Anweisungen.

Ein weiterer Aspekt, der Agilität in Extremsituationen an ihre Grenzen bringen kann, ist der Umstand, dass in agilen Umfeldern gerne bis zum Exzess gepredigt wird, dass es darum geht, immer und stets kreativ zu sein, Neues auszuprobieren, Experimente zu wagen, nicht auf bereits ausgetretenen Pfaden zu wandeln und sich stetig neu zu erfinden. Das ist großartig und dafür liebe ich die Idee der Agilität! Allerdings ist es in Extremsituationen und Krisen sinnvoll ein bereits trainiertes und jederzeit abrufbares Handlungsrepertoire zu haben, das einen schnell reagieren lässt, ohne große Denkprozesse. - Quasi eine Art erste Hilfe, die einem die Luft verschafft, um in zweiten Schritt schließlich kreativ sein zu können. Der Wert von Routinen, die Ruhe und Sicherheit im Zustand höchster Dynamik und Komplexität bringen, wird in agilen Strukturen noch häufig unterschätzt. Oft sind es diese Routinen oder auch einfach nur eine klare und bereits im Vorfeld festgelegte Priorisierung, die uns in besonderen Stresssituationen die kognitive Kapazität verschaffen, damit letzten Endes dann doch etwas Großartiges rauskommt.

Flugzeuge und agile Krisen

Ich muss gestehen, dass ich bei meiner Reise durch die Welt von New Work und Agilität immer und immer wieder daran erinnert werde, wo ich her komme und natürlich mache ich immer wieder den agilen Kardinalsfehler (und zwar mit voller Absicht, weil ich es für absolut richtig halte): ich vergleiche, stelle Parallelen fest, schaue mir an, wie man seit Jahrzehnten in der Luftfahrt Dynamik und Komplexität managt, Teams strukturiert und in die Eigenverantwortung und Selbstorganisation führt und natürlich auch, wie Führung in der Luftfahrt geschult und wahrgenommen wird. Natürlich ist die Definition von Erfolg in der Luftfahrt ganz anders als in einer Bank. Aber VUKA ist genau so dynamisch und komplex wie es Flugzeuge sind, die ziemlich flott auf 10 Kilometer Höhe um die Welt düsen! Hinzu kommt, dass sich in diesen Flugzeugen selbstorganisierte Teams befinden, die auf sich gestellt sind, agieren und entscheiden müssen und auch die Art der Führung, wie sie in der Luftfahrt geschult wird, ist nicht wirklich weit weg von dem, was man in agilen Strukturen Servant Leadership nennt. In flachen Hierarchien ist sich der Kapitän jederzeit bewusst, dass seine wertvollste Ressource seine Crew ist, weil einer alleine diese Komplexität der fliegenden Blechdosen niemals überblicken kann. Ein Kapitän ist darauf angewiesen, dass jedes Crewmitglied ein hohes Maß an Eigenverantwortung spürt und wahrnimmt (nennt man Neuhochdeutsch ja gerne Self-Leadership), sich dabei aber jederzeit als Teil eines Teams sieht und sich bewusst darüber ist, dass es in erster Linie immer um den Erfolg des Teams geht und nicht darum, sich selbst zu profilieren.

Ja, Flugzeuge sind anders als Banken und Erfolg sieht in beiden Bereichen ausgesprochen unterschiedlich aus. Aber die Faktoren auf menschlicher Ebene, die eine Organisation erfolgreich machen, sind überall die gleichen und ich stelle fest, dass ich in meiner agilen Welt vieles versuche noch klarer und deutlicher zu implementieren, dass ich auch als Human Faktors Trainer in der Luftfahrt immer wieder gepredigt habe: klare Priorisierung, absolute Transparenz, eine Kultur der psychologischen Sicherheit und eine Führung, die sich vor allem auch darum kümmert, dass das Team bestmögliche Voraussetzungen hat, um Leistung zu erbringen. Hierbei habe ich bereits in den ersten Monaten meiner agilen Reise festgestellt, dass auch agile Teams Leitplanken benötigen und dass man alles das, was sich standardisieren lässt, auch standardisieren und automatisieren sollten. Denn wenn plötzlich ein wirklich wilder Sturm zu toben beginnt, sind es die Automatismen, alles das, worüber wir nicht nachdenken müssen, was uns die kognitive Kapazität gibt, um in Krisensituationen kreativ agieren zu können.

Und Führungspersönlichkeiten braucht es überall

Und wie viel Führung braucht es denn nun in der agilen Welt? Diese Diskussion zwischen Alignment und Autonomy ist allgegenwärtig und was soll man einer Führungskraft, die gerne Servant Leader sein möchte, raten? Nicht einfach! Wobei, eigentlich doch! Wenn der Wind ganz sanft weht und dabei warm die Nase kitzelt, dann läuft der Laden, dann braucht dein Team niemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist. Im sanften, warmen Wind fühlt dein Team sich sicher, agiert routiniert und ist dankbar für den Raum, den du ihm lässt. Wird aus dem Wind ein Sturm, wird die Unsicherheit immer größer, liegen die Dinge anders. Wenn ich nicht mehr weiß, was in dieser unbekannten, dynamischen und vielleicht sogar beängstigenden Situation richtig und falsch ist, suche ich förmlich nach Führung. Lieber Servant Leader, in deiner Berufsbezeichnung steht nicht nur Servant, sondern auch Leader und wenn eine steife Brise anfängt dein Team durcheinanderzuwirbeln, dann ist Führung gefragt. Dann geht es darum, mit deinem Team und für dein Team Strukturen zu schaffen, Prioritäten zu setzen und vielleicht sogar mal darum, zu sagen, wie die Segel zu setzen sind. Keine Angst, das ist nicht “un-agil”. Agil ist zu sehen, was es wann braucht und entsprechend situativ zu agieren. Einen besseren Dienst am Team gibt es nicht! Also nur Mut, lieber Servant Leader!

Bei mir weht übrigens gerade gar kein Wind. Dafür scheint die Sonne und ich gehe wandern! Habt einen schönen Sonntag!

Eure Constance

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Die Ruhe vor dem Sturm?

Manchmal braucht es einen Kapitän auf der Brücke und keinen Kammerdiener