Gesellschaft

"Glaube nicht alles, was du denkst!"

Das Karussell unserer Gedanken

Ich habe sicher schon mehrfach über die Macht unserer Gedanken geschrieben. Diese ungreifbaren Realitätskonstruktionen, die wie Geister durch unser Bewusstsein schweben, sind tatsächlich machtvoll. Manchmal sind sie jedoch auch kleine Plagegeister, die uns das Leben ganz schön schwer machen. -Besonders wenn wir auch noch glauben, was wir den lieben langen Tag so denken. Dann fängt sich das Karussell manchmal ganz schön schnell an zu drehen und es scheint ausgesprochen schwer, die Notbremse zu finden. Eine Dame, die Menschen auf geradezu verblüffende Weise hilft, die Notbremse zu ziehen, ist die US-Amerikanerin Byron Katie, die ihr Format schlicht und ergreifend “The Work” nennt. Ihr Kerngedanke ist, einfach nicht alles zu glauben, was man denkt.

Ich selbst durfte Byron Katie und “The Work” erst vor einigen Wochen im Rahmen eines Supervisionswochenendes kennenlernen und ich war mehr als beeindruckt. Seitdem lässt mich “The Work” nicht mehr los und ist somit geradezu prädestiniert dafür, es in diesem Rahmen mit Euch zu teilen.

Denn ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!?

Wer meinen Blog kennt, weiß dass ich ein großer Fan von Pippi Langstrumpf bin, erklärt sie doch auf erfrischend einfach Weise Watzlawicks Idee vom Radikalen Konstruktivismus: Wir machen uns die Welt, ganz so wie wir uns entscheiden, unsere Welt zu wollen! Es gibt jedoch einen kleinen aber nicht unbedeutenden Unterschied zwischen Pippi Langstrumpf und Paul Watzlawick, den ich in der Vergangenheit nie richtig beleuchtet habe. Denn Pippi ist eine fröhliche Optimistin und mit dieser Geisteshaltung offensichtlich in der Welt recht einsam. Dank ihrer uneingeschränkt positiven Grundhaltung macht Pippi sich ihre Welt tatsächlich so wie sie ihr auch wirklich gefällt, positiv und bunt! Unsereins hingegen macht sich die Welt ziemlich häufig so, wie sie uns eben nicht gefällt und katapultieren uns auf diese Weise in dieses immer schneller werdende Karussell aus fiesen und wenig hilfreichen Gedanken. Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in seiner Geschichte vom Mann mit dem Hammer ganz wunderbar zusammengefasst, die ich Euch an dieser Stelle gerne erneut mitbringen möchte:


Wie nun aussteigen aus dem Gedankenkarussell

Natürlich kennen wir ähnliche Geschichten, wie die vom Mann mit dem Hammer aus dem eigenen Erleben nicht! Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir doch einmal hineingeraten, in diese Achterbahn aus Emotion und Wirklichkeitskonstruktion, kann es hilfreich sein, das ein oder andere Tool zur Verfügung zu haben, mit dem wir unser Karussell anhalten und unsere Wirklichkeitskonstruktion neu bewerten können.

Ich nehme Euch mal kurz mit in mein Karussell:

  • Patricia ist wirklich nervig und komplett beratungsresistent!

  • Patricia sollte ihr eigenes Handeln wirklich einmal selbst kritisch hinterfragen!

  • Ich brauche von Patricia, dass sie mir endlich mal zuhört und sich das Gesagte dann auch zu Herzen nimmt.

  • Patricia ist ganz schön überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert!

Denn alles kann sein, auch das Gegenteil!

Patricia also! Nervensäge! Aber sind diese Gedanken, die gerade in meinem Kopf rumschwirren auch tatsächlich wahr? Ich meine, kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass Patricia wirklich überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert ist? - Natürlich kann ich das! Doofe Fragerei! Patricia mach mich mit ihrer Arroganz ganz verrückt!

Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken wirklich glaube? - Der Mann mit dem Hammer! - Gestresst, engstirnig und gefühlt im Kampf mit meiner Umwelt! Zeit sich zu fragen, wer ich ohne diese Gedanken in Hinblick auf Patricia wäre. Mmmmmm…. Ich glaube ich wäre entspannter! Vielleicht sollte ich einfach nicht alles glauben, was ich denke und mal schauen, ob denn auch das Gegenteil wahr sein könnte. So überlege ich mir drei konkrete Situationen, in denen Patricia NICHT überheblich und arrogant war, drei konkrete Situationen, in denen Patricia nicht beratungsresistent war, sondern vielleicht sogar eine Beratung dankbar angenommen hat. Und ist Patricia wirklich immer überfordert? Oder fallen mir vielleicht drei Situationen eine, in denen sie genau das eben nicht war, in denen sie alles im Griff hatte?

Die Situation, selbst die, in der ich mich wirklich über Patricia geärgert habe, stellt sich direkt etwas anders dar und gefühlt dreht sich das Karussell bereits etwas langsamer.

Der letzte Schritt, den “The Work” von Byron Katie vorschlägt, könnte etwas schmerzhaft werden, gleichzeitig aber auch heilsam. Ich überlege mir also, ob mir drei konkrete Situationen einfallen, in denen ich selbst überheblich und arrogant war und drei weitere, in denen ich selbst beratungsresistent war. Schließlich überlege ich mir drei Situationen, in denen ich selbst überfordert war.

Vielleicht ist es sogar hilfreich, sich das alles kurz zu notieren, schwarz auf weiß vor sich zu sehen, wie die Grenzen langsam anfangen zu verschwimmen und vielleicht sehe ich dann Patricia mit anderen Augen und kann ihr mit einer anderen Haltung begegnen. Vor allem aber hilft es mir dabei, mir selbst mit anderen Augen und einer anderen Haltung zu begegnen, meine eigene Wirklichkeit weniger kategorisch zu konstruieren, mich weniger über Dinge zu ärgern, die vielleicht nur meine eigene Gedankenkonstruktion sind. Und vielleicht entscheide ich für mich tatsächlich etwas mehr wie Pippi zu sein und mir die Welt eben so zu machen, wie sie mir wirklich gefällt, wenn ich mir meine Wirklichkeit schon selbst gestalte und alles sein kann, auch das Gegenteil!

Ich weiß, dass ist eine Form der Gedankenreise, die vielleicht zunächst etwas befremdlich wirken kann. Aber mal ehrlich, mit welchen Gedanken machst Du Dir denn Dein Leben hin und wieder nicht gerade leichter und fröhlicher? Vom Liebeskummer geplagt, sitzt da die junge Frau, die fest davon überzeugt ist, dass der Typ, der sie belogen und betrogen hat und jetzt weg ist, der Mann ihres Lebens war und kein Besserer mehr nachkommt - Ist das wirklich wahr? Im Ernst? Kein Besserer? Der Beste ist also ein Idiot, der lügt und betrügt? Komische Welt!

Du hältst Dich hier und da und dort nicht für gut genug? - Ist das wirklich wahr? Könnte nicht auch das Gegenteil wahr sein und Du bist nicht nur gut genug, sondern auch großartig? Wer bist Du, wenn Du diesen Gedanken wirklich glaubst? Wer wärst Du, wenn Du den Gedanken, nicht gut genug zu sein, nicht hättest?

“Ich kann das nicht!” - Ist das absolut wahr? Kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass dieser Gedanke wahr ist? Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken glaube? Und wer könnte ich ohne diesen Gedanken sein?

Zum Abschluss gibt es noch ein Pippi Langstrumpf Zitat, um Euch eine Idee davon zu geben, wie jemand sprich, der diesen Gedanken einfach nicht glaubt, sondern der das Gegenteil glaubt:

“Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”

Heute ist Sonntag und vielleicht habt Ihr ja ein wenig Zeit, einmal zu beobachten, was Ihr denkt und für wahr haltet. Und vielleicht habt Ihr ja Lust, Euch einmal zu fragen, ob nicht auch das Gegenteil wahr sein könnte!

Die Realität ist freundlich, werte Leserschaft! - Wenigstens meine Realität!

Eure Constance


“Glaube nicht alles, was Du denkst!”

Raus aus dem Gedankenkarussell und rein in eine freundliche Welt

Wer bin ich und wer will ich sein? -Über Coaches, Krieger und Forscherinnen

Freiheit im 21. Jahrhundert

Das 21. Jahrhundert: das Jahrhundert, in dem ein Comedian, der einen Präsidenten spielt, nicht nur Präsident wird, sondern offensichtlich drauf und dran ist, zum ersten großen Freiheitskämpfer dieses Jahrhunderts zu werden. Es ist so beeindruckend und schmerzhaft zugleich. Wer bin ich und wer will ich sein? Studenten und Hausfrauen werden zu Kriegern und Kriegerinnen. Schüler werden zu Logistikfachleuten und Großmütter bauen Molotowcocktails…

Es ist das Leben mit all seinen Herausforderungen, den schönen und den herzzerreißenden, das uns zu dem werden lässt, was wir sein möchten oder sein müssen. Manchmal bleibt uns keine Wahl. Manchmal braucht es einfach nur eine Extraportion Mut. Und manchmal bleibt uns keine Wahl, als einfach mutig zu sein.

Wer meinen Blog schon länger kennt, weiß, dass ich hier und da aus gegebenem Anlass meine Agenda ändere, um mir zu erlauben, das zu kommentieren, was in der Welt passiert. Ich bin der Meinung, eine klare Haltung ist unabdingbar. Diese Woche bin ich allerdings hin und her gerissen. So viel wurde über diesen schrecklichen Krieg, aber auch über diesen unglaublichen Leader geschrieben. Auch hätte ich die Worte nicht, die ich als angemessen einstufen würde. Das menschliche Leid ist so groß. Es gibt Augenblicke, in denen ich mir vorstelle, ich würde in der U-Bahn sitzen, selbst kämpfen, versuchen mein Kind zu trösten, das sich gerade von seinem Papa verabschieden musste, der eben noch IT Spezialist war und jetzt in den Krieg zieht. Krieg in Europa, im 21. Jahrhundert! Es ist mir unbegreiflich, wie es so weit kommen konnte. Jedoch fühlt es sich in Teilen auch an, wie als wäre alles mit klarer Ansage passiert. Der Mediator in mir ist wort- und sprachlos. Denn was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es keinen Frieden geben kann, wenn einer unbedingt den Krieg will. So stehe ich da, schaue von außen zu, schockiert von jeder neuen Nachricht, vor allem aber komplett hilflos. Wer bin ich und wer will ich sein?

Wenn Träume wahr werden

Während die Welt Kopf steht, schäme ich mich fast ein wenig darüber, dass ich gleichzeitig auch unglaublich viel Grund habe zu feiern. Am liebsten würde ich es in die Welt herausschreien: Ich bin jetzt Forscherin in Sachen psychologischer Sicherheit und am vorläufigen Ziel meiner Träume! Am Tag, an dem in der Ukraine die ersten Bomben fallen, lese ich es schwarz auf weiß, zum ersten Mal! Die Umfrage der Pre-Study ist fertig:

Einverständniserklärung zur Teilnehme an einer Forschungsstudie: “Führung und psychologische Sicherheit in Teams - eine multidisziplinäre Feldstudie”

Ziel und Hintergrund

Unsere Studie erforscht die psychologische Sicherheit vonseiten der Führungskräfte, sowie die erlebte psychologische Sicherheit der dazugehörigen Teams. Hierbei sind Fehlerkultur, Feedbackkultur und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von besonderer Relevanz. Darüber hinaus erforschen wir, wie Führungskräfte ihre Leitungsposition wahrnehmen. Als Führungskraft oder Teammitglied wurden Sie als möglicher Teilnehmer dieser Studie ausgewählt…

Es kann also losgehen! Und unter “Das Forschungsteam” steht alphabethisch an dritter Stelle “Constance Ratazzi-Nelles”. Wer bin ich und wer will ich sein? Ich bin jetzt also eine Forscherin! Ich könnte vor stolz platzen, da ich mir diese Studie zu meinem Herzensthema schon so lange wünsche. Nun darf ich sogar elementarer Teil davon sein! Wow! Und während ich also dabei bin, vor Stolz zu platzen, meldet sich diese quietschende Stimme aus den Untiefen meines Geistes und erklärt mir sehr deutlich, dass ich vor allem eines sei: eine Hochstaplerin! Denn eine Forscherin sei ich sicher nicht!

Die Stimmen in meinem Kopf

Ich fühle mich gut 15 Monate zurückversetzt. Denn damals hat mich diese Stimme schon einmal dazu gebracht, ihr einen meiner Artikel zu widmen: “Der Agile Coach, der keiner ist…” Als ich vor einem guten Jahr angefangen habe, als Agile Coach zu arbeiten, war das strenggenommen und aus Sicht dieser quietschenden Stimme reinste Hochstapelei. Klar hatte ich einige Kompetenzen, die ein Agile Coach haben sollte, auch ohne, dass ich ein entsprechendes Zertifikat habe. Jedoch war da ein Teil von mir, der eigentlich nur darauf gewartet hat, ertappt zu werden, ertappt dabei, dass er nicht gut genug ist, fehl am Platz oder was auch immer. Das war eine aufregende Zeit und gerade zu Anfang brauchte ich jeden Tag diese Extraportion Mut. Ob ich heute sagen würde, dass ich wirklich ein Agile Coach bin? Auf jeden Fall. ich finde sogar, ich bin ein recht guter Agile Coach! Denn ich kann alles sein, was ich will!

Nun möchte ich also Forscherin sein! OK! Mit diesem Wunsch oder dieser Entscheidung ist nun auch wieder diese Aufregung zurück! Vor jedem Treffen mit meinen Mit-Forscherinnen der Uni in Maastricht hofft ein Teil von mir, bloß nicht als fehl am Platz ertappt zu werden. Ich möchte klug wirken und auf keinen Fall etwas “Doofes” sagen, ich möchte verstehen, ohne sicher sein zu können, dass ich das fachliche Wissen dafür wirklich mitbringe. Ich bin Coach, von mir aus auch agile, aber ein Studium der Psychologie ist für mich so weit weg wie der Mond!

Zum Glück ist diese quietschende Stimme nicht allein in meinem Kopf unterwegs. Gleichzeit ruft da eine tiefe und ruhige Stimme, dass diese Studie so sehr mein Thema ist, weil ich mich nun schon so lange genau damit beschäftige, und zwar ganz praktisch, mit echten Menschen, im echten Austausch. Diese Stimme sagt mir, dass ich so unglaublich viel Wertvolles zu diesem Thema beizutragen habe. So habe ich nun wirklich die Möglichkeit mein Herzensthema breiter aufzustellen. Ich darf wachsen und andere wachsen lassen, denn ich kann alles sein, was ich will! Und für dieses Jahr habe ich mich entschieden, nicht nur Coach, sondern auch Forscher zu sein!

Freiheit im 21. Jahrhundert

Vielleicht ist genau das mein größtes Glück: ich wurde im 20. Jahrhundert in eine freie Gesellschaft geboren, in der ich sein kann, was ich will. Alles was es braucht ist Mut, viel weniger Mut, als ihn Freiheitskämpfer und Kriegerinnen brauchen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, dieser quietschenden Stimme in meinem Kopf, die stets versucht mich vor Blamagen zu schützen, zu sagen, dass ich ihr dankbar war und bin, aber dass ich sie momentan einfach nicht mehr brauche, denn ich bin frei, sogar frei mich zu blamieren.

Und während ich nun über diese Freiheit, meine Freiheit, nachdenke, stelle ich mehr und mehr fest, dass die Erfüllung meines Traums keineswegs das Ziel ist. Vielmehr ist das nur der Anfang. Noch mehr wird kommen und ich werde ganz sicher noch mehr sein können, vielleicht sogar irgendwann einmal Autorin!

Auch für die mutigen Menschen in der Ukraine wünsche ich mir, dass das nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang für sie ist. Ich hatte das Privileg in eine freie und demokratische Gesellschaft geboren zu werden. Ich musste nie dafür kämpfen und ich darf trotzdem Teil dieses exklusiven Clubs sein, der sich EU nennt. Wenn dieser Club mehr ist, als eine geopolitische und wirtschaftliche Interessengemeinschaft, wenn diese EU auch eine Wertegemeinschaft ist, dann frage ich mich, ob es momentan irgendein Volk mehr verdient hätte, Teil dieses Clubs zu sein. Meine Gedanken wandern immer zu den Menschen in der Ukraine und zu all jenen auf der Flucht. Dann wandern sie weiter zu den Menschen Russlands, zu all jenen, die dieses Vorgehen verurteilen, jedoch nicht die Freiheit haben, offen sprechen zu dürfen, die nicht sein können was sie wollen… und wahrscheinlich ist genau das das Problem: könnten alle Menschen sein, was sie wollen, dann könnten sie vor allem auch friedlich sein…

Das muss für heute reichen.

Genießt Euren Sonntag, umarmt Eure Liebsten und seht Euch an wie frei Ihr seid!

Eure Constance

Wer bin ich und wer will ich sein?

Denn Freiheit bedeutet auch die zu sein, die ich sein möchte! Coach und Forscherin, Träumerin und Weltenveränderin

Und dann haben sich alle meine Regenbogenfarben zu einem hässlichen Kackbraun vermischt - Coach und Nihilist!

Aus Prinzip dagegen - der Nihilist, der keiner sein möchte…

Als meine Lehrerin Anita vor kurzen feierlich erklärte, dass Erleuchtung auch nicht ewig andaure, hat mich das tatsächlich ein wenig glücklich gemacht. Geht es ihr also auch so, trotz ihrer großen Erfahrung und ihrem mindestens ebenso großen Können als Coach, Trainer, Mediator… Ich weiß nicht, wie es euch geht, ich jedenfalls nehme mir immer wieder vor, mich in dieser positiven “du-bist-gut-ich-bin-gut-Haltung” durch den Tag tragen zu lassen und ich finde ich bin darin auch schon wirklich gut geworden. Ich bin weniger wertend, bin wertschätzend, auch mit anderen Positionen und ich bin zumeist sehr gut darin, die vermeintlichen Ärgernisse direkt positiv zu reframen. -Also meistens! So schwebe ich umgeben von der positiven Ausstrahlung eines schimmernden Regenbogens durch meine Welt! Manchmal jedoch zieht ein Sturm auf, verwirbelt alle meine Regenbogenfarben und was zurückbleibt ist ein ausgesprochen hässliches Kackbraun! Ich kann gefühlt nichts dagegen tun, aber plötzlich bin ich DAGEGEN! Es fühlt sich an wie ein Automatismus, wie ein nicht guter Automatismus, denn natürlich möchte ich doch DAFÜR sein! Coach und Nihilist passt einfach nicht zusammen. Aber irgendwie scheint es in meiner DNA zu liegen!

Vom Sündenfall und verbrannten Kinderfingern

Denke ich über diesen Automatismus nach, habe ich sofort kleine Kinder vor Augen, denen man sagt: “Nicht anfassen, das ist heiß!”. Nun haben diese Kinder die ganze Küche vor sich, so vieles, dass man anfassen könnte, aber nach dieser Aussage können sie nicht anders, als direkt an den heißen Ofen zu packen, der sie ansonsten wahrscheinlich nicht interessiert hätte! Aus Prinzip dagegen! Ich lass mir doch von Mutti nichts sagen! Mit dieser Einstellung sind die lieben Kleinen in bester Gesellschaft. Schon unsere Ur-Mutter Eva hatte ein ganzes Paradies, voll mit Früchten und Köstlichkeiten, die sie alle genießen durfte. Die haben Eva aber nicht interessiert! Das Einzige was wirklich spannend war, war dieser eine Apfel… Eva und Adam im Regenbogenland! Alles ist wunderschön, friedlich, erleuchtet und dieses eine Verbot, diese eine Bitte lässt den Sturm des Widerstandes aufziehen, der die Regenbogenfarben verwirbelt und heraus kommt das Kackbraun eines Lebens in Arbeit und Schmerzen.

Intuitive Abwehr - ein Phänomen unserer Psyche

Auch wenn Anita mir glaubhaft versichert hat, dass es normal sei, dass Erleuchtung manchmal nur ein vorübergehendes Phänomen ist, fühle ich mich trotzdem manchmal defizitär. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, etwas tiefer in die Materie einzusteigen. So habe ich schließlich herausgefunden, dass ich keineswegs defizitär bin, sondern einfach nur ganz normal ticke! Gott sei Dank! Diese automatische und intuitive Abwehr wird in der Psychologie als Reaktanz bezeichnet und ist Teil des Menschseins. Offensichtlich ist es normal, dass wir Menschen zunächst einmal auf so ziemlich alles mit Abwehr reagieren. Manchmal wissen wir noch nicht einmal warum wir mit Abwehr reagieren. Eine Freundin hat zum Beispiel vor Jahren einmal zugegeben, dass sie in diesem Jahr nur Silvesterfeuerwerk gekauft hat, weil ihr die Kampagne gegen Feuerwerk so unfassbar auf den Wecker ging. Druck erzeugt Gegendruck, oder eben Widerstand. -Blindwiderstand, dem in der Psychologie offensichtlich eine vergleichbare Gesetzmäßigkeit zu Grunde liegt, wie in der Elektrotechnik. Aus diesem Grund ist auch recht gut erforscht, was uns alles in den Widerstand versetzt. Hierbei gibt es so unscheinbare Auslöser wie vermeintlich falsche Worte. So triggern zum Beispiel sogenannte vereinnahmende Pronomen Reaktanz. Dabei handelt es sich um Verallgemeinerungen wie “man” oder “wir”: “Man kann das so nicht sagen!” oder “Wir sind stets professionell!”. Diese eigentlich menschenleeren Sätze lenken tatsächlich vom eigentlichen Inhalt ab und können deshalb reaktant machen. Auch direktive Verben wie “müssen” und “sollen” haben eindeutiges Reaktanz-Potenzial, ebenso wie negative Formulierung. “Gegen Umweltzerstörung” ruft ja geradezu zum Widerstand auf! Ebenso wie “fass das nicht an, das ist heiß!”. Aus Prinzip dagegen!

Denn in der Höhle hat alles einen Sinn ergeben

Als Human Factors Trainer und Consultant stelle ich bei vielen typisch menschlichen Verhaltensweisen, die heutzutage ganz schön hinderlich sein können, fest, dass sie ihren Ursprung in Verhaltensweisen und Reaktionen haben, die uns Menschen im Verlauf der Evolution tatsächlich erst erfolgreich gemacht haben. Häufig waren sie Teil unseres Frühwarnsystems, das unser Überleben gesichert hat. Schauen wir uns mal vier Felder an, die mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit bei uns allen Reaktanz hervorrufen und versuchen wir zu verstehen, warum dieser Automatismus auch durchaus positiv gesehen werden kann, nicht nur damals, in der Hähle, sondern auch heute, in einer komplexen und dynamischen Welt:

  1. Fühlen wir uns in unserer Freiheit eingeschränkt, reagieren wir häufig mit Widerstand. Leider sorgt auch gefühlte emotionale Bevormundung (z.B. durch übertriebenes Schwärmen, oder starke Herabwertung) für Widerstand. Manchmal tritt dieser Blindwiderstand auch auf, wenn die Einschränkung völlig gerechtfertigt ist, wie z.B. im Rahmen von Geschwindigkeitsbeschränkungen oder auf einem Parkplatz. Das positive an dieser Reaktion ist jedoch, dass diese Reaktanz auch eine Art Autonomiegespür ist, das wir bewusst nutzen können, um Einschränkungen abzuwägen. So gesehen ist es nicht die Reaktanz, die den Sündenfall hervorgerufen hat, sondern der Umstand, dass Eva sich ihr unterwarf und nicht bewusst abgewogen hat: Apfel oder lieber doch all die anderen Früchte?

  2. Alles Unbekannte und Neue, oder Fremde sorgt naturgemäß zunächst einmal für Abwehr, könnte es doch eine Gefahr in sich tragen. Dieses “Fremdeln” war früher absolut überlebenswichtig. Und auch heute können wir diesen Widerstand als Frühwarnsystem vor Risiken nutzen.

  3. Ungerechtigkeit sorgt recht regelmäßig für Widerstand und lässt unter Umständen sogar Mitleid mit Menschen entstehen, die uns total unsympathisch, wenn sie nur in einem ausreichenden Maße drangsaliert werden. Deshalb kann Reaktanz immer auch ein Gerechtigkeitssensor sein.

  4. Und last but not least reagieren Menschen sehr häufig auch bei “Unfrieden” mit Widerstand, z.B. bei Streit oder Mobbing im Büro, bei Gewalt, unfairen Entscheidungen oder rassistischen Äußerung in der Bahn. Hierbei führt Reaktanz manchmal sogar dazu, dass Menschen zu Helden werden und sich einmischen. Das heißt also, unser intuitiver Widerstand kann für Harmonie und Fairness sorgen! Gar nicht so schlecht, oder?!

Denn am Ende gibt es immer mehr als eine Perspektive

So stellt sich gegen Ende meines Blogs natürlich auch dieses Mal die Frage, wie mir das Wissen um diese Reaktanz im Alltag weiterhelfen kann. Klar, im Umgang mit anderen erwarte ich als mögliche Reaktion ab jetzt Reaktanz, weil sie zum normalen menschlichen Verhalten gehört. Vielleicht schaffe ich es sogar, etwas achtsamer mit meinen Mitmenschen umzugehen, um ihren möglichen intuitiven Widerstand nicht zusätzlich noch zu befeuern. Das ist für gewöhnlich sogar der Schritt, der mir eher leichtfällt. Der wirkliche Brocken ist die Frage, wie ich zukünftig mit mir selbst umgehen möchte. Allein das Wissen um den Ursprung dieser Situationen, in der sich alle meine zauberhaften Regenbogenfarben wieder zu diesem widerlichen Kackbraun vermischen, sorgt ja nicht dafür, dass diese Situationen zukünftig ausbleiben. Gefühlt ist es ja nun sogar so, dass ich wissenschaftlich verbrieft weiß, dass sie gar nicht ausbleiben können. Unter Umständen ist es ja möglich, dass mein Problem in der Bewertung dieser Situationen liegt. Ich müsste also um bewerten… So einfach, so schwer! Ich denke, ich fange damit an, es nicht mehr Kackbraun, sondern Cognac zu nennen. Cognac ist eine wunderschöne Farbe. Ich habe eine tolle Handtasche und zauberhafte Stiefel in Cognac. Denn so wie Kackbraun und Cognac in ihrem Kern das Gleiche sind, ist auch Reaktanz im Kern gleichzeitig hilfreich und hinderlich. Ich stelle mir vor, ich könnte auch hier entscheiden, wofür ich meinen inneren Widerstand nutze: als automatischer Verhaltenstrigger oder als wunderbares Alarmsystem, das mir die Evolution mitgegeben hat, um erfolgreich zu sein. Ab diesem Punkt muss ich eigentlich nur das umsetzen, was ich vor Jahren als junge Stewardess in der Schulung zu Bränden auf der Bordtoilette gelernt habe: schlägt der Rauchmelder in einer Toilette Alarm wird nicht blind der Feuerlöscher draufgehalten. Nein, um erfolgreich agieren zu können, wird zunächst die Echtheit der Warnung überprüft!

Und so führt uns auch das Thema Reaktanz unweigerlich zu meinen Coach-Thema Nummer eins: bewusste Selbstführung. In einer dynamischen und komplexen Welt ist das der wichtigste Leuchtturm des Erfolges. Es geht darum, den Überblick zu behalten und bewusst zu reagieren. -Ebenso, wie damals als Stewardess. Nicht auszudenken, sie hätte alle verfügbaren Feuerlöscher für eine falsche Rauchwarnung genutzt, weil der Alarm sie in Aufruhr versetzt hätte, und dann hätte es ein echtes Feuer gegeben und die Ressourcen zum Löschen wären aufgebraucht gewesen.

Hätte, wäre, wenn… Vielleicht ist mein Wunsch ja auch gar nicht ewige Erleuchtung am Ende des Regenbogens. Vielleicht möchte ich einfach nur bewusst entscheiden können, wann ich in den Widerstand gehe, denn das System “aus-Prinzip-dagegen” ist auch ganz schön anstrengend. Aber mal ehrlich, wenn ich es mit echter Ungerechtigkeit, greifbarer Gefahr, Rassismus, Gewalt oder einer tatsächlichen und unangemessenen Einschränkung meiner persönlichen Freiheit (und nein, eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist in den wenigsten Fällen wirklich unangemessen) zu tun habe, möchte ich in meine cognac-farbene Kampfuniform springen und mit aller Kraft und aller Energie in den Widerstand gehen, um das Regenbogenland zu schützen…

In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Wochenende. Vielleicht habt ihr ja auch das ein oder andere Thema, von dem ihr sagt, dass sich bewusster Widerstand an dieser Stelle lohnt und vielleicht habt ihr auch Themen, die euch immer wieder auf die Palme bringen, ohne dass ihr ganz bewusst versteht warum. Wenn ihr Lust habt, schließt euch mir an und versucht diese Themen loszulassen, um eure Reaktanz zukünftig besser und bewusster für euch nutzen zu können.

Eure Constance

Erleuchtung am Ende des Regenbogens

… Und das Menschsein, das Erleuchtung höchstens zu einem vorübergehenden Phänomen macht!