Das Karussell unserer Gedanken
Ich habe sicher schon mehrfach über die Macht unserer Gedanken geschrieben. Diese ungreifbaren Realitätskonstruktionen, die wie Geister durch unser Bewusstsein schweben, sind tatsächlich machtvoll. Manchmal sind sie jedoch auch kleine Plagegeister, die uns das Leben ganz schön schwer machen. -Besonders wenn wir auch noch glauben, was wir den lieben langen Tag so denken. Dann fängt sich das Karussell manchmal ganz schön schnell an zu drehen und es scheint ausgesprochen schwer, die Notbremse zu finden. Eine Dame, die Menschen auf geradezu verblüffende Weise hilft, die Notbremse zu ziehen, ist die US-Amerikanerin Byron Katie, die ihr Format schlicht und ergreifend “The Work” nennt. Ihr Kerngedanke ist, einfach nicht alles zu glauben, was man denkt.
Ich selbst durfte Byron Katie und “The Work” erst vor einigen Wochen im Rahmen eines Supervisionswochenendes kennenlernen und ich war mehr als beeindruckt. Seitdem lässt mich “The Work” nicht mehr los und ist somit geradezu prädestiniert dafür, es in diesem Rahmen mit Euch zu teilen.
Denn ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!?
Wer meinen Blog kennt, weiß dass ich ein großer Fan von Pippi Langstrumpf bin, erklärt sie doch auf erfrischend einfach Weise Watzlawicks Idee vom Radikalen Konstruktivismus: Wir machen uns die Welt, ganz so wie wir uns entscheiden, unsere Welt zu wollen! Es gibt jedoch einen kleinen aber nicht unbedeutenden Unterschied zwischen Pippi Langstrumpf und Paul Watzlawick, den ich in der Vergangenheit nie richtig beleuchtet habe. Denn Pippi ist eine fröhliche Optimistin und mit dieser Geisteshaltung offensichtlich in der Welt recht einsam. Dank ihrer uneingeschränkt positiven Grundhaltung macht Pippi sich ihre Welt tatsächlich so wie sie ihr auch wirklich gefällt, positiv und bunt! Unsereins hingegen macht sich die Welt ziemlich häufig so, wie sie uns eben nicht gefällt und katapultieren uns auf diese Weise in dieses immer schneller werdende Karussell aus fiesen und wenig hilfreichen Gedanken. Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in seiner Geschichte vom Mann mit dem Hammer ganz wunderbar zusammengefasst, die ich Euch an dieser Stelle gerne erneut mitbringen möchte:
Wie nun aussteigen aus dem Gedankenkarussell
Natürlich kennen wir ähnliche Geschichten, wie die vom Mann mit dem Hammer aus dem eigenen Erleben nicht! Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir doch einmal hineingeraten, in diese Achterbahn aus Emotion und Wirklichkeitskonstruktion, kann es hilfreich sein, das ein oder andere Tool zur Verfügung zu haben, mit dem wir unser Karussell anhalten und unsere Wirklichkeitskonstruktion neu bewerten können.
Ich nehme Euch mal kurz mit in mein Karussell:
Patricia ist wirklich nervig und komplett beratungsresistent!
Patricia sollte ihr eigenes Handeln wirklich einmal selbst kritisch hinterfragen!
Ich brauche von Patricia, dass sie mir endlich mal zuhört und sich das Gesagte dann auch zu Herzen nimmt.
Patricia ist ganz schön überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert!
Denn alles kann sein, auch das Gegenteil!
Patricia also! Nervensäge! Aber sind diese Gedanken, die gerade in meinem Kopf rumschwirren auch tatsächlich wahr? Ich meine, kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass Patricia wirklich überheblich, arrogant, beratungsresistent und überfordert ist? - Natürlich kann ich das! Doofe Fragerei! Patricia mach mich mit ihrer Arroganz ganz verrückt!
Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken wirklich glaube? - Der Mann mit dem Hammer! - Gestresst, engstirnig und gefühlt im Kampf mit meiner Umwelt! Zeit sich zu fragen, wer ich ohne diese Gedanken in Hinblick auf Patricia wäre. Mmmmmm…. Ich glaube ich wäre entspannter! Vielleicht sollte ich einfach nicht alles glauben, was ich denke und mal schauen, ob denn auch das Gegenteil wahr sein könnte. So überlege ich mir drei konkrete Situationen, in denen Patricia NICHT überheblich und arrogant war, drei konkrete Situationen, in denen Patricia nicht beratungsresistent war, sondern vielleicht sogar eine Beratung dankbar angenommen hat. Und ist Patricia wirklich immer überfordert? Oder fallen mir vielleicht drei Situationen eine, in denen sie genau das eben nicht war, in denen sie alles im Griff hatte?
Die Situation, selbst die, in der ich mich wirklich über Patricia geärgert habe, stellt sich direkt etwas anders dar und gefühlt dreht sich das Karussell bereits etwas langsamer.
Der letzte Schritt, den “The Work” von Byron Katie vorschlägt, könnte etwas schmerzhaft werden, gleichzeitig aber auch heilsam. Ich überlege mir also, ob mir drei konkrete Situationen einfallen, in denen ich selbst überheblich und arrogant war und drei weitere, in denen ich selbst beratungsresistent war. Schließlich überlege ich mir drei Situationen, in denen ich selbst überfordert war.
Vielleicht ist es sogar hilfreich, sich das alles kurz zu notieren, schwarz auf weiß vor sich zu sehen, wie die Grenzen langsam anfangen zu verschwimmen und vielleicht sehe ich dann Patricia mit anderen Augen und kann ihr mit einer anderen Haltung begegnen. Vor allem aber hilft es mir dabei, mir selbst mit anderen Augen und einer anderen Haltung zu begegnen, meine eigene Wirklichkeit weniger kategorisch zu konstruieren, mich weniger über Dinge zu ärgern, die vielleicht nur meine eigene Gedankenkonstruktion sind. Und vielleicht entscheide ich für mich tatsächlich etwas mehr wie Pippi zu sein und mir die Welt eben so zu machen, wie sie mir wirklich gefällt, wenn ich mir meine Wirklichkeit schon selbst gestalte und alles sein kann, auch das Gegenteil!
Ich weiß, dass ist eine Form der Gedankenreise, die vielleicht zunächst etwas befremdlich wirken kann. Aber mal ehrlich, mit welchen Gedanken machst Du Dir denn Dein Leben hin und wieder nicht gerade leichter und fröhlicher? Vom Liebeskummer geplagt, sitzt da die junge Frau, die fest davon überzeugt ist, dass der Typ, der sie belogen und betrogen hat und jetzt weg ist, der Mann ihres Lebens war und kein Besserer mehr nachkommt - Ist das wirklich wahr? Im Ernst? Kein Besserer? Der Beste ist also ein Idiot, der lügt und betrügt? Komische Welt!
Du hältst Dich hier und da und dort nicht für gut genug? - Ist das wirklich wahr? Könnte nicht auch das Gegenteil wahr sein und Du bist nicht nur gut genug, sondern auch großartig? Wer bist Du, wenn Du diesen Gedanken wirklich glaubst? Wer wärst Du, wenn Du den Gedanken, nicht gut genug zu sein, nicht hättest?
“Ich kann das nicht!” - Ist das absolut wahr? Kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass dieser Gedanke wahr ist? Wer bin ich, wenn ich diesen Gedanken glaube? Und wer könnte ich ohne diesen Gedanken sein?
Zum Abschluss gibt es noch ein Pippi Langstrumpf Zitat, um Euch eine Idee davon zu geben, wie jemand sprich, der diesen Gedanken einfach nicht glaubt, sondern der das Gegenteil glaubt:
“Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”
Heute ist Sonntag und vielleicht habt Ihr ja ein wenig Zeit, einmal zu beobachten, was Ihr denkt und für wahr haltet. Und vielleicht habt Ihr ja Lust, Euch einmal zu fragen, ob nicht auch das Gegenteil wahr sein könnte!
Die Realität ist freundlich, werte Leserschaft! - Wenigstens meine Realität!
Eure Constance