Gesellschaft

Winterkorn und der Eisberg der Ignoranz

“Dass ich erkenne was die Welt im Innersten zusammen hält…”

Diese weisen Worte der allumfassenden Neugier legte dereinst Johann Wolfgang von Goethe seinem tragischen Helden Faust in den Mund. Denke ich darüber nach, warum ich Coach oder Berater oder wie auch immer man das nennen mag, geworden bin, ist es genau das! Zunächst wollte ich wissen, warum der Mensch so ist, wie er ist, warum es an allen Ecken und Enden menschelt, egal wie sehr wir uns bemühen, professionell zu sein. -Was auch immer das ist! Erste Antworten fand ich im Human Factors Training. -Erst als Teilnehmer, schließlich als Trainer. Meine Erkenntnisse waren jedoch nur in Teilen befriedigend. Eines ist ganz klar, der Mensch wurde für ein eindeutiges, wenig komplexes Umfeld gemacht und unsere schöne neue Welt stellt den Urmenschen in uns zuweilen vor fast unlösbare Herausforderungen. Tja, ein paar läppische Jahrtausende vermeidliche Zivilisation ist nichts im Vergleich zur Evolution als Ganzes. Aber gut, da unser Gehirn alles in allem am Ende ja doch halbwegs kooperativ ist, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Menschheit sich hier noch etwas besser anpassen wird.

Darüber hinaus bin ich mit meiner Suche nach Erklärungen relativ schnell an meine Grenzen gestoßen. “No man is an island”, schrieb dereinst John Donne und genau das scheint das Problem und auch gleichzeitig die Lösung zu sein. Es liegt in der Natur des Menschen, sich in Gruppen zu organisieren, von je her. Es scheint das natürlichste überhaupt. Es gibt Stämme, Familien, Dörfer, Städte, Länder, Allianzen aus Ländern und natürlich auch Wirtschaftsorganisationen, also Gruppen von Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam besser oder erfolgreicher durchs Leben zu kommen. Diese Erkenntnis hat mich dazu bewogen, systemisch zu denken. Alles hängt zusammen und ich mag die Vorstellung, dass Organisationen eine Art lebendiger Organismus sind, der nur als Ganzes zu verstehen ist. Um zu verstehen, wie der Mensch funktioniert, muss ich verstehen in welchem System er sich bewegt. Um das System, oder die Organisation zu verstehen, muss ich wiederum den Menschen verstehen. Nicht dass ich meinen ganz persönlichen Stein der Weisen diesbezüglich schon gefunden hätte. Mit Nichten! Aber immerhin habe ich einen brauchbaren Ansatz für meine Suche.

Der Coach und die Organisation

So “studiere” ich nun seit Jahren alle möglichen Organisationsformen, angefangen von kleinen Teams, über ganze Abteilungen, bis hin zu kompletten Wirtschaftsorganisationen. Natürlich gibt es hier gewisse Gesetzmäßigkeiten. Eine Sache, die überall auftaucht, sind Hierarchien. Auch das scheint mir ein menschliches Grundbedürfnis zu sein. Diese Hierarchien sind sehr präsent und haben einen großen Einfluss auf den Erfolg oder den Misserfolg eines Teams. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal geschrieben haben, dass der Fisch für gewöhnlich immer vom Kopf her stinkt! Omas Sprüche sind und bleiben einfach wahr!

Eine Organisation, die über Jahre hinweg unfassbar erfolgreich gewesen zu sein scheint, war Volkswagen unter der Führung des großen Martin Winterkorn. Als Manager von altem Schlag hatte Winterkorn das Steuerrad fest in der Hand und navigierte den Konzern durch die unruhigsten Fahrwasser. Was es hierzu braucht, ist Entscheidungsfreudigkeit und natürlich auch die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen. Ich leite Gott lob keinen Weltkonzern, aber auch ich muss immer wieder Entscheidungen treffen und stelle an mir selbst fest, dass meine Entscheidungen besser werden, je mehr Fakten mir zur Verfügung stehen. Nun habe ich einen halbwegs passablen Überblick über meine kleine Organisation, die ich mein Leben nenne. Ich weiß nicht, wie gut Winterkorns Übersicht über seine Organisation, die wir alle unter dem Namen Volkswagen kennen, war. Irgendwo scheint der große Steuermann falsch abgebogen zu sein, ohne es zu merken. Der Erfolg seines Unternehmens stürzte plötzlich in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Ob Winterkorn überrascht war? Ich denke schon!

Über Macht und Verantwortung

Dieser Tage beginnt die gerichtliche Aufarbeitung der Causa Diesel-Gate. Die Topmanager müssen sich vor Gericht verantworten. Dem großen Steuermann Winterkorn ist es jedoch gelungen, einen OP-Termin günstig zu legen und sich dem Tamtam zunächst einmal zu entziehen. Wie ich das finde, dazu später mehr! Zum Glück ist das ja mein Blog und kein seriöser Journalismus. Dementsprechend fühle ich mich frei, meine Meinung zu teilen!

Was derartige Gerichtsverfahren klären sollen, ist die Schuld, oder die Verantwortung. Was mich ein wenig ärgert ist, dass Winterkorn offensichtlich keinerlei Verantwortung zu übernehmen gedenkt. Schuld seien seine Ingenieure, diese Kriminellen! Er habe ja noch nicht einmal etwas gewusst, oder geahnt. Welche Informationen genau in diesem legendären Aktenköfferchen gesteckt haben, das Winterkorn jeden Freitag mit Nachhause nahm, wissen wir nicht. Nehmen wir jedoch zu seinen Gunsten an, er habe tatsächlich nichts gewusst, ist er trotzdem verantwortlich?

Hier beginnt das systemische Denken. Ich spekuliere mal und unterstelle den verantwortlichen Ingenieuren einfach mal, dass sie nicht eines morgens aufgewacht sind, und auf dem Weg zur Arbeit plötzlich die Idee hatten, einmal etwas Illegales zu tun, weil das ja vielleicht cool sein könnte. Irgendetwas muss sie angetrieben haben. Böse Zungen behaupten, es sei die Unternehmenskultur gewesen, die keinen Widerspruch duldete. Geht nicht gab es nicht, sonst drohte Jobverlust! Als Winterkorn nun das aus einem technologischen Blick Unmögliche forderte, fühlten sich die Ingenieure derart unter Druck, dass sie aus Angst zu schummeln begannen. Erste Erfolge traten ein, keiner traute sich, die Umstände aufzuklären, die Eigendynamik wurde zu einer Lawine, die schließlich den großen Martin Winterkorn mit sich gerissen hat. Und ja, er war sicher überrascht. Er hatte es nicht kommen sehen. Er wusste von nichts! Und schuld an seiner Unwissenheit waren nicht die bösen Ingenieure, sondern die Unternehmenskultur, die der alte Herr als absoluter Alpha maßgeblich gestaltete.

Der Eisberg der Ignoranz

Bereits 1989 stellte Sydney Yoshida auf einem Symposium in Mexiko den sogenannten Eisberg der Ignoranz vor. Das spannende an Eisbergen ist sicher der Umstand, dass sie größtenteils im Verborgenen, unter der Wasseroberfläche, liegen. Yoshida hat beschrieben, dass dem Topmanagement für gewöhnlich nur etwa vier Prozent der zur Verfügung stehenden Fakten, bzw. der auf Arbeitsebene vorhandenen Problemen, bekannt sind. Der Rest liegt unter Wasser! Basierend auf diesen vier Prozent werden schließlich die großen strategischen Entscheidungen getroffen. Ganz ehrlich, das kann nicht gut gehen! Warum es die allermeisten Informationen nicht an die Spitze schaffen? Beantwortet es euch gerne selbst! Warum machen wir Dinge “chef-tauglich”? Das hat immer etwas mit der Unternehmenskultur zu tun, die maßgeblich von oben geprägt wird. In einem Klima der Unsicherheit, oder gar Angst, ziehe auch ich es vor zu schweigen, oder Probleme zu beschönigen! Man könnte meinen, dass dieser Umstand auch einem Herrn Winterkorn hätte bekannt sein können, zumal einige Jahre zuvor Nokia hieran fast zugrunde gegangen ist. Aber es schien ihm egal! Führung ohne Widerspruch ist einfach viel cooler und einfacher! So behaupte ich jetzt einfach ganz frech, dass Herr Winterkorn sich bewusst für den einfachen Weg entschieden hat. Kann man machen! Jeder Mensch ist frei in seiner Entscheidung. Ich finde jedoch auch, dass jeder die jeweiligen Konsequenzen tragen sollte. Das hat etwas mit eigenverantwortlichem Handeln zu tun! Und dass bei dem Schmerzensgeld, das ein VW Topmanager über die Jahre eingestrichen hat, die Fallhöhe eine andere ist, als bei einem einfachen Ingenieur, versteht sich vielleicht von allein. Natürlich möchte ich den Betrug dieser ausführenden Ingenieure keineswegs gutheißen, allerdings muss man in Betracht ziehen, dass sie vielleicht aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes keine andere Möglichkeit gesehen haben. “No man is an island!” Wir bewegen uns in einem komplexen System, das es uns manchmal leichter und manchmal eben schwerer macht. Für mich als Coach ist die primäre Aufgabe von Führung, es leichter zu machen! Ja, Führen ist unglaublich schwer. Ich finde es sogar beängstigend schwer! Strategische Entscheidungen zu treffen, die direkten Einfluss auf das Leben so vieler Menschen haben, ist der Wahnsinn. Müsste ich eine solchen Entscheidung treffen, würde ich sehr gerne alle Einflussfaktoren kennen, um bestmöglich agieren zu können. Ich würde mir wünschen, nicht alleine auf einem Eisberg zu sitzen. Ich würde an einer Kultur der Sicherheit, die die Harvard Professorin Amy C. Edmondson Psychological Safety nennt, arbeiten, hoffend, dass meine Mitarbeiter mir erzählen würde, was nicht läuft. Alles das, damit ich nicht irgendwann eine Überraschung erleben müsste, wie Martin Winterkorn, oder vor ihm Olli-Pakka Kallasvou, der unglückliche und ausgesprochen dominante Nokia-Boss, der nicht gemerkt hat, wie sein Unternehmen langsam zu Grunde ging, weil ihm alle aus Unsicherheit und Angst erzählten, dass alles selbstverständlich gut laufe!

Liebe Führungskräfte, fordert eure Leute heraus, seid kritisch und klar, aber gebt ihnen Gleichzeit das Gefühl, vertrauen zu können, offen sprechen zu dürfen, macht sie mutig und setzt euch mit ihnen auseinander, auch wenn diese “andere Art” der Führung leichter zu sein scheint. Ihr braucht die Augen und Ohren eurer Kollegen auf Arbeitsebene, um wirklich gute (strategische) Entscheidungen treffen zu können!

Was bleibt ist die Frage nach der Schuld…

Noch vor einigen Wochen sagte ich, wann immer man mal wieder auf der Suche danach war, wer denn Schuld habe, dass Schuld ein Ort in der Eifel sei… Alter Mediatoren-Witz! Das ist überholt und unangemessen geworden. Aber es bleibt dabei, dass es nicht um Schuld geht, sondern um Verantwortung! Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass der Hauptgrund, warum Menschen, die die Karriereleiter immer weiter nach oben klettern, ihr zusätzliche Gehalt dafür bekommen, dass sie ein immer größeres Maß an Verantwortung tragen. Und das finde ich völlig gerechtfertigt. Es ärgert mich jedoch, wenn diese Damen und Herren an den Punkt kommen, an dem sie Verantwortung mit Macht verwechseln. In meiner Welt, in meiner inneren Ordnung von Moral und Ethik, wäre es eine Katastrophe, wenn ein Herr Winterkorn unbehelligt davonkommt, auch weil das ein fatales Zeichen für all diese ambitionierten Jung-Manager senden würde. Ich würde mich in tiefstem Respekt verneigen, würde Martin Winterkorn erklären, vollumfänglich verantwortlich zu sein und schließlich die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Man kann nicht nur vom System profitieren und sich, wenn es eng wird, hinter Unwissenheit verstecken! -Also wenigstens nicht in meiner Welt! Aber wer bin ich schon und was weiß ich schon! Selbst Faust stellte fest, dass er nun hier stehe, er, armer Thor und sei dabei so klug als wie zu vor… Und wahrscheinlich muss auch ich noch sehr viel lernen, über Menschen, Systeme und Organisationen, eh ich wirklich anfange zu verstehen. Zum Glück kann ich heute damit beginnen!

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Vergesst nicht, wählen zu gehen, auch wenn das für den ein oder anderen sicher keine einfache Entscheidung sein wird.

Eure Constance

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Die Spitze des Eisbergs

Wie man ein Pferd reitet, ohne zu merken, dass es bereits tot ist…

Ich schaff's! -Heute mal was fürs Herz

Ben Furman und die glücklichen Kinder

In der letzten Woche bin ich im Rahmen einer eigenen Weiterbildung in die Untiefen der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) eingetaucht und irgendwie war mir bereits am Montag klar, dass ich an diesem Wochenende etwas über NLP würde schreiben wollen. Winterkorn und Konsorten nehme ich mir dann nächste Woche vor! Natürlich dachte ich an irgendeinen Klassiker, irgendwas mit Refraiming oder Pacing, oder so… Dachte ich! Schaue ich jetzt allerdings auf die letzte Woche zurück ist es etwas ganz anderes, das besonders nachhaltig in meinem Kopf hängen geblieben ist. De Facto glaube ich sogar, dass es nicht nur in meinem Kopf, sondern direkt in meinem Herz hängen geblieben ist.

Dank meiner wundervollen Ausbilderin Anita durfte ich den finnischen Psychologen Ben Furman kennenlernen, der sich vor allem mit problematischen Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt. Dies tut er mit einer derart respekt- und liebevollen Art, dass mir das Herz aufgeht und ich nicht umhinkomme, seine Methode, die er “Ich schaff’s!” nennt, mit euch zu teilen. -Nicht zu Letzt auch, weil wir ja alle das Kind in uns mit durch unser Leben tragen und vielleicht deshalb auch als Erwachsene davon profitieren können.

Von zarten Kinderseelen

Im Rahmen des Seminars haben wir unter anderem einen Vortrag von Ben Furman angeschaut, in dem er von einer Reise nach Japan berichtet. Eine Mutter kam mit ihrem Sohn, der zwanghaft seine Fingernägel abgekaut hat, zu ihm. Dieses Problem galt es zu lösen. Interessanterweise interessierte sich Furman zunächst überhaupt nicht für das Problem. Vielmehr beschäftigte er sich in den ersten zehn bis fünfzehn Minuten mit dem, was der Junge schon alles gut konnte. Woraufhin der Junge seine Mama bat, am liebsten den ganzen Tag beim Therapeuten bleiben zu dürfen. Offensichtlich hat er sich wohl damit gefühlt, all das berichten zu dürfen, was er schon alles kann. Wie gut kann ich diesen kleinen Mann hier verstehen! Sicher fühlte er sich sehr stolz.

Als es schließlich darum ging, herauszufinden, was denn wohl das Problem sei, fragte Furman nicht nach dem Problem, sondern danach, was der Junge denn noch alles lernen möchte, obwohl er doch schon so viel konnte. Er wollte lernen, nicht mehr an seinen Fingernägeln zu kauen.

Während mir an dieser Stelle schon das Herz aufging, weil ich so berührt von diesem respektvollen und achtsamen Umgang mit diesem kleinen Menschen war, setzte Furman noch einen drauf: Gleich damit aufhören zu wollen, an allen zehn Fingern zu kauen, sei doch ganz schön viel auf einmal. Der Junge stimmte zu und Furman schlug vor, zunächst erstmal mit einem Finger zu beginnen. Furman nannte das “Baby-Steps” und der Junge entschied sich für einen seiner Daumen. Er durfte sich sogar noch Unterstützer suchen. Mit Hilfe dieser kleinen Schritte und seiner Unterstützer konnte der Junge schnell erste Erfolge feiern und war schließlich so motiviert, dass es ihm gelang, seine neue Fähigkeit, keine Fingernägel mehr zu kauen, voll umzusetzen! Er hat nichts aufgegeben, oder mit nichts aufgehört, sondern etwas Neues angefangen.

Ich schaff’s!

“Ich schaff’s” nennt Ben Furman seine zauberhafte Methode, die er in sieben Schritte einteilt:

  1. Die Definition eines Ziels: Dieses Ziel soll dabei positiv formuliert sein. Es geht nicht darum, etwas sein zu lassen, oder sich zu ändern, sondern darum, eine neue Fähigkeit zu lernen. Lernen fühlt sich immer positiv an, finde ich!

  2. Diese Fähigkeit bekommt sogar einen richtigen Namen, damit sie greifbarer, realer wird.

  3. Da wir im NLP sind, bekommt die Fähigkeit auch einen Anker, oder ein Symbol, dass man nutzen kann, um nicht zu vergessen, was man lernen möchte. -Der berühmte Knoten im Taschentuch!

  4. Weil alles mit Unterstützung leichter geht, wählt man sich als nächstes ein paar Unterstützer aus. Es geht darum, sein Ziel zu teilen und mit der Unterstützung anderen, nicht allein, daran zu arbeiten.

  5. Im nächsten Schritt geht es darum, seine bereits etablierten, individuellen Muster für das Erreichen seines Ziels zu nutzen. Es geht darum, bewusst zu überlegen, wann es einem schon einmal gelungen ist, ein Ziel zu erreichen, oder etwas Neues zu lernen und wie man das gemacht hat.

  6. In Ben Furmans Welt ist es gar nicht schlimm, eine kleine Ehrenrunde zu drehen. Natürlich wird man wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Es ist sogar zu erwarten, denn diese alten Muster sind selbstverständlich im Vorteil. Hat man sie doch über Jahre hinweg geübt! Deshalb darf man auch gerne großzügig mit sich selbst sein. Man darf sogar liebevoll mit sich umgehen, wenn man seine neue Fähigkeit doch einmal vergisst.

  7. Zu guter Letzt kommt die Party! Natürlich müssen Erfolge auch ausgiebig gefeiert werden, auch die kleinen! Das macht man dann am besten mit all seinen Unterstützern!

Jetzt stell dir mal vor…

Den Ansatz von NLP, mit dem ich mich gerade beschäftige, hat einen hypnosystemischen Hintergrund, angelehnt an Dr. Gunther Schmidt. Hypnosystemisch… -Hört sich befremdlich für dich an? Keine Sorge, ist alles ausgesprochen wissenschaftsbasiert! Und weil das eine so gute Basis hat, hast du ja jetzt vielleicht Lust auf ein kleines Gedankenspiel.

Stell dir mal vor, es gibt eine Seite von dir, ein Verhalten, oder ein fehlendes Verhalten, dass du gerne ändern möchtest. Oder es gibt dieses eine große Ziel, dass du erreichen möchtest. Jetzt stell dir weiter vor, das Ziele wäre nicht, etwas sein zu lassen, etwas los zu werden, sondern etwas Neues zu erreichen oder zu lernen. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich bin nicht so gut darin, etwas sein zu lassen, oder etwas los zu werden. Das fällt mir immer schwer. Egal ob es die zwei Kilo extra sind, die ich gerne loswerden möchte, oder meine ewige Ungeduld, die ich gerne sein lassen möchte. Dieses “Loswerden” klappt bei mir meistens nur semi-gut! Worin ich aber offensichtlich gut bin, ist darin, neue Dinge zu lernen. Immerhin habe ich in meinem Leben schon so unglaublich viel gelernt, ich muss gut darin sein, etwas Neues zu lernen. Du ja vielleicht auch! Wenn dein Ziel also so formuliert ist, dass du durch lernen daran arbeiten kannst, ist es plötzlich erreichbar! Vielleicht ist das ja bei dir ganz ähnlich. Stell dir also vor, du weißt ganz genau, was du lernen möchtest, um dein Ziel zu erreichen, weil du dieser neuen Fähigkeit sogar einen Namen gegeben hast. Vielleicht hat sie in deiner Vorstellung vielleicht sogar eine Gestalt. Jedenfalls ist das für dich kein abstraktes Etwas mehr. Damit du das auch nicht vergisst, hast du dir einen Knoten in dein Taschentuch gemacht. Das Ziel und damit die Marschrichtung liegen also glasklar vor dir. Jetzt stell dir vor, du musst diesen Weg nicht allein gehen, weil du Menschen hast, die dich dabei unterstützen. So gehst du also los, getragen von deinen Unterstützern, in kleinen, aber dafür realistischen Schritten. Die ersten Erfolgserlebnisse treten schnell ein. Das wird natürlich gefeiert! Und falls du bei all deinen Baby-Steps mal eine kleine Ehrenrunde drehst, lächelst du und bist ganz entspannt mit dir selbst, weil du weißt, dass das normal ist und passiert. Du bist ein Mensch und so funktionieren Menschen nun mal! “Die alten Muster haben immer einen Wettbewerbsvorteil!”, sagt meine Ausbilderin Anita in solchen Fällen! Und Recht hat sie!

Du darfst dich gerne kurz zurücklehnen, vielleicht machst du sogar die Augen zu und lässt dich für einen Moment ganz bewusst auf dieses Gedankenspiel ein. Fühlt sich gut an, oder?

Mit den Ressourcen im Scheinwerferlicht

Manchmal frage ich mich wirklich was mit uns Menschen los ist! Von Kindesbeinen an liegt der Fokus auf den Defiziten, dem was man noch nicht kann, was man falsch macht, oder worin man unbedingt noch besser werden muss. Ben Furman interessiert sich nicht dafür! Was hilft es ihm, sich in endlosen Schleifen um das Problem zu drehen. Er möchte Lösungen finden und dabei sind vor allem unsere Ressourcen hilfreich, die internen, wie unsere Fähigkeiten, die wir alle in uns tragen, aber auch die externen, unsere Unterstützer, die Menschen um uns herum, die nur darauf warten, uns unterstützen zu dürfen. Oder wie würdet ihr reagieren, wenn euch jemand um Unterstützung bittet, wenn euch jemand ins Vertrauen zieht? Ich fühle mich jedes Mal geehrt! Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal Menschen um Unterstützung gebeten? Ich tue es zu selten und strample mich viel zu oft alleine ab, um meine Ziele zu erreichen. Aber wahrscheinlich ist das nur mein ganz eigenes Thema und Ben Furmans Modell “Ich schaff’s!” ist doch nichts für Erwachsene, sondern nur etwas für das Kind in mir! Als Coach muss ich ja auch nicht immer Recht haben.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag!

Eure Constance

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Ich schaff’s!

Denkt sich auch mein kleiner Kurt und übt lustig weiter, aufs Sofa zu klettern…

Kann konsequente Agilität das Ende von Innovation bedeuten?

Zum Einstieg geliehene Worte eines klugen Mannes:

“Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde.”

Das sprach Henry Ford vor mehr als einem Jahrhundert. Seitdem hat sich viel getan. Inzwischen erobern Elektroautos, hybride Autos und was weiß ich was die Welt! Überhaupt spielt Mobilität eine große Rolle, auch wenn die Bedeutung des Autos selbst in der Veränderung begriffen zu sein scheint.

Aber heute soll es keinesfalls um Autos oder Mobilität gehen! Fords Zitat bietet mir lediglich einen formidablen Einstieg in das Thema Innovation und Kundenzentrierung. Beides spielt im Business-Umfeld eine zunehmend große Rolle und besonders die Kundenzentrierung sollte mir als Agile Coach und Scrum Master ganz besonders am Herzen liegen! Und ja, es ist super wichtig, dass wir uns mit dem, was wir tun, an unseren Kunden orientieren, denn immerhin tun wir es ja für sie. Aber ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Mit dieser Frage habe ich mich in der letzten Woche immer wieder beschäftigt und möchte meine Gedanken an dieser Stelle gerne mit euch teilen.

Und alle sind ja so agil!

Die Bezeichnung agil ist inzwischen im geschäftlichen Umfeld gefühlt omnipräsent geworden! Unternehmen sind agil, Teams sind es, Menschen sind es, sogar Mindsets sind inzwischen agil geworden. Aber was bedeutet das überhaupt? Als vor gut zwanzig Jahren das sogenannte Agile Manifest Einzug in Wirtschaftsorganisationen hielt, handelte es sich dabei um eine neue, effiziente Art der Softwareentwicklung. Es ging darum, im Gegensatz zu den bis dato üblichen Wasserfallmodellen, Software besser und schneller ausliefern zu können, um den Kunden dementsprechend schneller zufrieden zu stellen. Software wird seitdem inkrementell, das heißt in vielen kleinen funktionalen Teilstücken, ausgeliefert. So ist der Kunde intensiv in den Entwicklungsprozess eingebunden, gibt die Richtung vor und ist sogar im laufenden Prozess in der Position diese Richtung zu ändern oder anzupassen. Eines der Kernziele agiler Softwareentwicklung ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierlich Lieferung von funktionsfähiger und wertvoller Software zufrieden zu stellen. -Kundenzentrierung eben!

Schauen wir uns also an, für wen Agilität in ihrer ursprünglichen Form entwickelt wurde, stellen wir schnell fest, dass es sich hierbei um “Zulieferer” handelt, deren Ergebnis im Vorfeld vom Kunden möglichst detailliert definiert und umrissen wurde. Genau dafür ist Agilität großartig! Scrum ist in diesem Zusammenhang ein unglaublich wertvolles Tool.

Allerdings war Agilität im Allgemeinen und Scrum im Speziellen derart erfolgreich, dass es inzwischen zu einer scheinbar inflationären Modeerscheinung geworden ist. Als Coach würde ich mir an der ein oder anderen Stelle tatsächlich wünschen, Agilität nicht auf Teufel komm raus umsetzen zu wollen, sondern sich bewusst zu hinterfragen, macht Agilität hier Sinn? Was sind die Vor- und Nachteile? Brauchen wir vielleicht etwas ganz anderes, um auch weiterhin am Markt erfolgreich bestehen zu können? Und bedeutet Agilität die Umsetzung agiler Modelle und Methoden?

Lässt man sich dieses Zitat von Henry Ford nochmals ganz genüsslich auf der Zunge zergehen, stellen wir fest, dass wir den Erfolg ganzer Unternehmen und Unternehmenssparten keinesfalls ausschließlich in die Hände von “Auftragsarbeitern” legen sollten. Ich denke weder ein Steven Jobs noch ein Elon Musk haben ihre großen Innovationen Hand in Hand mit deren Kunden entwickelt. Denn Kunden können häufig gar nicht einschätzen, was möglich ist. Kunden können Ideen zu stetigen Optimierungen einbringen, um das Produkt bestmöglich an deren Bedürfnisse anzupassen. Kunden können den Entwicklern helfen, zu verstehen, was sie wirklich brauchen und wofür. So sind Entwickler permanent in der Lage, ihr Produkt zu verbessern! “Inspect and adapt” nennt das der Agilist von Welt! Aber ist das wirklich innovativ? -Oder wie es der großartige Oren Hariri einmal beschrieben hat: “Elektrisches Licht entstand nicht durch die permanente Verbesserung der Kerze.” Recht hat er!

Denn Visionen passen nicht in Scrum Zyklen

Sind wir mal ehrlich, Kunden hätten sich weder Elektrizität, noch Autos, das iPhone oder den PC vorstellen können! Was es braucht, wenn wir von Innovationen sprechen, sind Menschen, die sich nicht fragen was der Kunde will, sondern womit man den Kunden überraschen kann. Es braucht Menschen, die sich Fragen welche Innovationen globale Probleme lösen, selbst Probleme, die der potenzielle Kunde Stand heute noch nicht sehen kann. Danach kann man gerne irgendwann im Rahmen des Entwicklungsprozesses anfangen mit agilen Methoden zu arbeiten (macht Apple ja auch).

Schauen wir uns an, was in dieser digitalisiert und globalisierten Welt los ist, in der alle Krisen und Katastrophen früher oder später auch Einfluss auf unser ganz individuelles Leben haben, bin ich fest davon überzeugt, dass es zukünftig nicht darum gehen wird, Bestehendes zu optimieren oder weiterzuentwickeln. Vielmehr wird es darum gehen, Dinge neu zu denken und diesen großen Geistern, die dazu in der Lage sind, den Raum und die Möglichkeiten zu geben, genau das zu tun. Agilitätsmodelle können natürlich auch hier eine Rolle spielen, aber sicher ist, dass sie nicht die Lösung sein werden. Aus meiner Sicht sind Unternehmen gut beraten, sich nicht blindlings auf alle möglichen Agilitätsmodelle zu stürzen, im festen Glauben, dass die dadurch zukunftsfähig werden. Es gehört mehr dazu. Der reinen Lehre von Agilität (selbst Teilen des klassischen agilen Mindsets) sind klare Grenzen gesetzt. In einer post-agilen Welt, so wie ich sie mir wünsche, werden diese Grenzen auch gesehen und verstanden und agile Methoden werden da genutzt, wo sie einen Mehrwert bringen. In meiner post-agilen Welt müssen Organisationen nicht mehr zu komplett agilen Organisationen transformiert werden. Ich stelle mir lernende Organisationen nach der Idee der Harvard Professorin Amy C. Edmondson vor, die sich stetig aus sich heraus entwickeln und selbst sehen, wann es wo und wie Sinn macht, auf agile Methodik zurückzugreifen.

Es sind lernende Organisationen, die durch eine gut funktionierende und ehrlich Feedbackkultur ihren Mitarbeiten das Sicherheitsgefühl geben, dass diese brauchen, um frei und “out of the box” zu denken, um kreativ und verrückt zu sein, innovativ und offen für alle Veränderungen die tagtäglich auf einen einprasseln. Aus Sicherheit entsteht Mut und aus Mut entsteht Innovation!

Es gibt sie, diese Organisationen...

Natürlich bin ich gefühlt permanent auf der Suche nach Organisationen, die Agilität frei umsetzen; genauso eben, wie sie es benötigen, um in ihrem Bereich zu High Performern zu werden. Diese Suche treibt mich zuweilen in komplett ungewöhnlich Ecken. Gegenwärtig lese ich über die agile Transformation der US Army! Ja, ihr lest richtig! Und wer jetzt glaubt, dass Servant Leadership und die steilen Hierarchien von Streitkräften nicht zusammenpassen, der darf nächste Woche gerne reinlesen. Ich denke bis dahin weiß ich genug, um darüber zu berichten! Sicher spannend für all jene, die in hierarchischen, ggf. sogar international aufgestellten, traditionellen Großkonzernen das Wagnis Agilität durchdenken oder sogar durchleben!

Habt einen schönen Sonntag! Ich beschließe mit den weisen Worten Immanuel Kants, der da postulierte: “Sapere Aude!” -Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Seid innovativ und mutig genug, über den Tellerrand hinaus zu denken und lasst euch nicht in Formen stecken, die euch nicht passen!

Eure Constance

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Schnellere Pferde…

Perfekt als Hobby, aber kein Ersatz für wirkliche Innovation