Gesellschaft

Denn das Patriarchat hat versagt

#DearAfghanSister

Eigentlich habe ich für diesen Sonntag ein ganz anderes Thema geplant, aber da diese Welt nun mal sehr volatil ist und ich mir vorgenommen habe, mich in meinem Blog mit Themen auseinanderzusetzen, die mich auch in meiner (Arbeits-) Woche beschäftigt haben, gibt es mal wieder einen dieser “aus-gegebenem-Anlass-Artikel”. Es wäre nämlich eine glatte Lüge, so zu tun, als ob es bei mir in den letzten Tagen gedanklich vor allem um diese schönen Erst-Welt-Probleme der New Work gegangen wäre. Klar habe ich auch gearbeitet, sogar recht intensiv, aber gedanklich bin ich doch immer wieder abgeschweift. Dieses komplette Versagen der Nato im Allgemeinen und Deutschlands im Speziellen hat mich nicht mehr losgelassen. Viel wurde dieser Tage gesagt und geschrieben über Afghanistan und die Taliban. Besonders das Schicksal der sogenannten Ortskräfte hat mich bewegt. Haben sie doch vertrauensvoll ihr Leben in die Hände der anwesenden Streitkräfte gelegt, hoffend darauf, dass sie Teil eines neuen Afghanistans sein würden. Ich möchte nicht politisch einordnen müssen, was in diesem Zusammenhang schiefgelaufen ist. Moralisch gesehen ist es jedenfalls eine Schande.

Aber nicht nur die Ortskräfte haben mich beschäftigt. Naturgegeben ist es so, dass ich natürlich auch daran denken muss, was die Geschehnisse für all die Frauen wie mich bedeuten, wie sich ihr Leben ändern wird, wie all diese Freiheiten, die sich besonders auch Frauen meiner Generation in den letzten zwanzig Jahren in Afghanistan erkämpft haben, verloren gehen werden. Ich frage mich, was das alles besonders für die mutigsten unter diesen Frauen bedeuten mag, für die, die sich gezeigt haben, sich engagiert haben, politisch und gesellschaftlich. Ich habe eine grobe Vorstellung davon, wie das aus dem Blickwinkel der Scharia beurteilt und verurteilt werden wird. -Und ich würde am liebsten laut schreien!

Und dann beginnt die Wut zu arbeiten

Während ich nun also in meiner Gedankenwelt unterwegs war, wuchs in mir die nackte Wut. Angefeuert durch das Fotoprojekt einer iranischen Fotografin mit dem inhaltsschweren Namen “Das Verschwinden der Frau” (wer es noch nicht kennt, möge es bitte googlen) ist die wütende Feministin in mir zur Höchstform aufgelaufen und hat gleichzeitig resigniert! Denn was kann ich schon tun? Durch meine Freundin Sylvia wurde ich auf die Bewegung #DearAfghanSister aufmerksam. -Nichts Großes, nur eine Bewegung, die ihren Ursprung im Flüchtlingscamp auf Lesbos hat und Solidarität zeigt. Also habe ich meine Solidarität gezeigt, meinen Post abgesetzt und dann? Die Feministin in mir war noch immer kurz davor, zu platzen. Diese gottverdammte Männerwelt, in der Frauen nicht sicher sein können! Die Wut wurde globaler! Denn DIESE gottverdammte Männerwelt hört ja nicht an den Grenzen Afghanistans auf. Diese ewig gestrigen Taliban treiben sie lediglich auf die Spitze. Aber ist es im Rest der Welt besser oder sicherer für Frauen und Mädchen? Gewalt und Unterdrückung scheint kulturkreisübergreifend zu sein. Da werden weibliche Föten abgetrieben, weil Töchter weniger wert sind als Söhne, dort wird Vergewaltigung und ekelhafteste sexuelle Gewalt als probates Kriegsmittel gesehen und Abiy Ahmed hat noch immer seinen Friedensnobelpreis. Im wunderschönen Urlaubsland Mexiko gibt es Städte, in denen Frauen nicht mehr alleine nach draußen können, weil sie Vergewaltigung, Entführung und Tod fürchten müssen, während die Täter sich vor der Strafverfolgung nicht fürchten müssen, aus neusten Statistiken in Frankreich geht hervor, dass 80 Prozent aller Frauen mindestens einmal Opfer sexueller Belästigung im öffentlichen Raum waren, weshalb es dafür jetzt eine App gibt, die Türkei tritt aus der Istanbul Konvention aus, Vergewaltigung in der Ehe wird vielerorts nicht bestraft, weil es ja die Pflicht der Frau ist, dem Gatten zu Verfügung zu stehen und so weiter und so fort… Ich merke, ich schreibe mich schon wieder in Rage! Was für eine kranke Welt, in der die eine Hälfte der Bevölkerung offensichtlich weniger wert zu sein scheint und weniger Rechte zu haben scheint, als die andere!

Und natürlich muss man auch vor der eigenen Tür kehren

Natürlich könnte man behaupten, das alles passiert ja so weit weg und vielleicht hat mein Kindergartenfreund Björn auch recht damit, wenn er auf meine Wut mit der Frage reagiert, was er Frauen denn antue… Sorry dass ich nicht mehr geantwortet habe, Björn! Aber es war nicht an der Zeit! Zumal deine Frage ja völlig berechtigt ist. Aber aus meiner Sicht ist genau das das Problem. Natürlich sind wir hier in Deutschland weiter, als in Afghanistan! Gott Lob, ja, das sind wir! Aber gleichzeitig sitzt meine zauberhafte Stieftochter nebenan am Esstisch und arbeitet an ihrer ersten Hausarbeit für die Uni. Arbeitstitel “Genderproblematik in der sozialen Arbeit”, und zwar in der sozialen Arbeit in Deutschland! Inhalt: Es ist ein Frauenjob und weil es ein Frauenjob ist, ist er wie so viele Frauenjobs mies bezahlt und die besser bezahlten Jobs auf Führungsebene haben die Männer inne! Toll! Woher kommt diese Diskrepanz? Sicher nicht, weil Frauen alle weniger klug oder schlechter ausgebildet sind. Es ist ein altes, krankes Rollenbild: Die Frau kümmert sich und der Mann sagt wo es lang geht! Auch hier in Deutschland! Und schwingt sich doch mal eine auf, den Olymp der Führungsetagen zu erklimmen, wird sie natürlich erstmal in Frage gestellt. Aus dem Nähkästchen des Coaches: In einer typischen Männerdomäne gibt es einen neuen “Abteilungsleitenden” und einen “stellvertretend Leitenden”. Beide sind gleichermaßen qualifiziert. Der Leitende ist ein “Er” und wird ohne weiteres Hinterfragen seitens des Teams akzeptiert. Er muss nicht beweisen, dass er qualifiziert genug ist, um das Team zu leiten, wird nicht gechallenged, etc. Ihr ahnt es, der Stellvertretende ist eine “Sie”, qualifiziert bis unter die Halskrause. Aber das ist den Herren im Team herzlich egal. Die arme Frau verbringt die ersten Monate damit, sich jeden Tag doppelt und dreifach beweisen zu müssen, bis ihr die gleiche Gnade wie ihrem Chef zu Teil wird und die Herren sie endlich als fachlich qualifiziert akzeptieren. Das ist Gleichstellung und Emanzipation im 21 Jahrhundert und das ist das Problem. Irgendwann wird ja auch die Frau akzeptiert und am Ende tut den Frauen hier bei uns ja niemand etwas. Ach so, OK, abgesehen, von anzüglichen Kommentaren, nicht enden wollenden Cat Calls, dem Klapps auf den Hintern und so weiter! Ey, ehrlich, ich habe schon den ein oder anderen sehr anziehenden Männerpo gesehen und ich habe nie einfach hin gepackt, weil sich das nicht gehört. Das ist respektlos. Aber wie oft hatte ich schon Hände an meinem Hintern! Das ist offensichtlich normal und höchstens ein klitzekleines Kavaliersdelikt! Habe ich mich beschwert, durfte ich mir mehr als einmal anhören, dass ich mich nicht so anstellen solle! Und wo ich gerade bei meiner ganz persönlichen Generalabrechnung bin: Verbrechensstatistiken in Hinblick auf häusliche Gewalt: Wer sind fast immer die Opfer? Fast täglich eine tote Frau, die beschönigend Opfer einer Beziehungstat genannt wird! -In Deutschland, by the way! Und von dem was online los ist, will ich erst gar nicht anfangen!

Was ich mir wünsche

Ich weiß gerade nicht, ob irgendeiner meiner männlichen Lesenden bis hier her durchgehalten hat! Und ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob meine männliche Stammleserschaft mir auch noch zukünftig die Ehre erweisen wird, meine Artikel zu lesen! Vielleicht sind sie jetzt alle sauer gefahren! Aber falls du, als Mann, modern und aufgeklärt, bis hierher weitergelesen hast, fragst du dich jetzt vielleicht was wir Frauen, oder ich Emanze, denn nun von dir wollen! Wie sollst du sein? Was kannst du tun? Ganz einfach: Hör auf Politikerinnen nach ihrem Äußeren zu beurteilen, während du Politiker nach ihrer Arbeit beurteilst. Und hör auf, dich zu fragen, ob die hübsche Kollegin sich vielleicht doch nur “hoch-geschlafen” hat. Hör auf, mit deinen Kollegen über die Körper deiner Kolleginnen zu lästern. Hör auf uns in diese uralten Schubladen zu stopfen und hör auf, dich zu wundern, wenn eine Frau eben doch mal selbstbewusst zu Führen beginnt. Das hat nichts mit Zickerei und Mannsweib zu tun! Hör auf zu feiern, dass Deutschland ja so fortschrittlich ist, weil wir ja sogar eine Kanzlerin haben. Sich darauf auszuruhen wäre töricht! Bringe Frauen den gleichen Respekt entgegen, wie Männern und kämpfe mit uns Ladies dafür, dass sich die Dinge nicht nur auf dem Papier ändern, sondern auch in den Köpfen und den Herzen. Frauenquoten machen Quotenfrauen und noch lange keine Gleichberechtigung. Gleichberechtigung wird es erst dann geben, wenn man den Wert der Frau in jederlei Hinsicht erkennt und anerkennt. So weit sind wir gesellschaftlich noch lange nicht! Sonst müssten Frauen sich nicht immer wieder beweisen und sonst würden diese klassischen Kümmer-Berufe wie Sozialarbeit, Krankenpflege, Kinderbetreuung auch nicht so schlecht bezahlt werden. Gegenwärtig scheinen Frauen und das, was Frauen häufig tun, unserer Gesellschaft einfach weniger wert zu sein. Denn weniger anspruchs- oder verantwortungsvoll ist es sicher nicht. Traurig, sehr traurig, zumal ich davon überzeugt bin, dass mehr “Weiblichkeit” der Welt nicht schlecht zu Gesicht stünde. Kümmern, Mitgefühl und Sanftmut sind verdammte Stärken! Hört auf sie als Schwächen zu kategorisieren!

Denn das Patriarchat hat ausgedient

Zurück zu Afghanistan: Diesbezüglich habe ich mich gefragt, was denn gewesen wäre, wenn es mehr Frauen in der Politik und der Armee gegeben hätte! Denn Fakt ist, die allermeisten dieser, von der Nato gut ausgebildeten, männlichen Pantoffelhelden, haben ja sehr schnell und bereitwillig die Waffen gestreckt, als die Moped-Armee der Taliban angeknattert kam, um dann schnellstmöglich das Weite zu suchen. Wie den Pressemeldungen der letzten Woche zu entnehmen war, ist der oberste Held ja sogar tatsächlich in Pantoffeln davongelaufen. Ich frage mich, wie die Moped-Offensive abgelaufen wäre, hätte man die Frauen Afghanistans in die Position gebracht, selbst für ihre Freiheit kämpfen zu können. Im Kopf habe ich das Bild dieser kleinen Gruppe mutiger junger Frauen, die sich den Taliban entgegengestellt haben, indem sie für ihre Freiheit demonstriert haben, mitten in Kabul. Die sogenannten Gotteskrieger waren sichtlich irritiert.

Frauen sind klug, mutig, stark, sanftmütig und klar! Frauen sind ein verdammtes Geschenk für die Welt und ich finde das Patriarchat hat ausgedient, überall auf dieser Welt! Und nein, liebe Männer, es muss auch kein Matriarchat sein! Aber wie wäre es denn mal mit einem System auf tatsächlicher Augenhöhe?

Genug der Emotion! Schönen Sonntag wünsche ich euch, Männern wie Frauen! Und wenn ihr Lust habt, unterstützt #DearAfghanSister mit einem Bild und einer klaren Haltung. Ich weiß, es ist nicht viel, aber es ist mehr als nichts. Wie hat mir letzte Woche eine ziemlich starke Frau geschrieben, der ich sofort abkaufen würde, dass sie aufsteht und kämpft: “Das Problem ist auch diese Hilflosigkeit. Wir könnten ja aufstehen und kämpfen, aber gegen wen? Gegen unsere Politiker? Gegen die Männer in Afghanistan, die nur zu bereitwillig aufgegeben haben, um für ihre Frauen zu kämpfen?”

Lasst uns damit anfangen, gegen diese archaischen Dämonen in unseren eigenen Köpfen zu kämpfen!

Eure Constance

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#DearAfghanSister

Was für eine Welt…

Der Shruggie - agiles Denken 2.0, oder wenn Coaches loslassen müssen

Weil loslassen in der Praxis doch schwerer ist, als in der Theorie

Es gibt Tage, an denen bin ich ausgesprochen froh, keine eigenen Kinder zu haben! Nicht der Anstrengung und der Sorgen wegen, sondern weil ich manchmal glaube, dass ich keine einfache Mutter wäre… Etwas, das Mütter ab dem Moment, in dem ihr Kind auf der Welt ist, leisten müssen, damit das liebe Kleine im späteren Leben gute Chance hat, erfolgreich durch diese wilde Welt zu navigieren, ist Schritt für Schritt loslassen. Das geht damit los, dass das Baby seine Flasche allein halten kann (und auch will!), irgendwann kann es alleine zur Toilette und schwupps ist es ausgezogen und macht sein eigenes Ding. Bis dahin begleitet Mama das liebe Kleine nach Kräften und coached es durch alle Herausforderung, die so anstehen, vom Streit im Kindergarten, über den ersten Liebeskummer, bis hin zur ach so schweren Berufswahl. Dabei sollte es die oberste Prämisse einer verantwortungsvollen Mutter sein, sich Schritt für Schritt überflüssig zu machen, sich quasi selbst abzuschaffen. Und was soll ich euch sagen, genauso verhält es sich auch mit meiner Vorstellung eines guten Coaches. Da ich mich natürlich in aller Bescheidenheit für einen guten Coach halte, stehe ich gegenwärtig einmal wieder kurz davor mich selbst abgeschafft zu haben. Das macht mich stolz und wehmütig zugleich. Das Team, das sich mir anvertraut hat, wird sehr bald ohne mich durch diese manchmal doch recht feindselige Welt navigieren und ganz unter uns und im Vertrauen: da ist ein Teil von mir der sehr gerne noch ein wenig klammern würde, weil es doch grade so einen Spaß macht! Aber nein, Mutti lässt jetzt los! Vorgestern habe ich eine letzte gemeinsame Retrospektive, also dieses Meeting, in dem man sich anschaut, wie die Zusammenarbeit läuft und ob man etwas verbessern oder verändern möchte, vorbereitet und natürlich habe ich mir in der Vorbereitung ausführlich Gedanken darüber gemacht, was ich diesem Team noch mitgebe. Es hat sich so eingebürgert, dass wir die Retros dieses Teams immer mit einem Zitat beenden, das ich mitbringe. -Manchmal etwas Lustiges und manchmal auch etwas, das zu Nachdenken anregen soll. Diesmal wird es ein Zitat sein, das der gute alte Sherlock Holmes seinem Dr. Watson zugeflüstert hat und das meine ganz persönliche Grundidee agilen Denkens vortrefflich zusammenfasst:

We all learn by experience and your lesson this time is that you should never lose sight of the alternative.

Weil unsere schöne neue Welt aus Alternativen besteht

Warum ich glaube, dass es genau diese Offenheit für Alternativen ist, die die Grundlage der Agilität sein soll? Ganz einfach: der Mensch ist über viele, viele Jahrhunderte hinweg sehr gut damit gefahren, überall Muster zu entdecken, das was er wahrnimmt, in vorgefertigte Schubladen einzuordnen, daraus feste Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, Kausalitäten astrein zu identifizieren und sich so durch eine sehr klare und eindeutige Welt zu schlagen. Unser ganzes Denken und Handeln ist auf eine solche Welt abgestimmt. Fakt ist jedoch, dass die Welt sich immer weiterentwickelt hat und gegenwärtig weit davon entfernt ist, eindeutig und überschaubar zu sein. In der Wirtschaftspsychologie wird diese Welt gerne als “VUKA” bezeichnet: ein Umfeld, das von hoher Dynamik, extremer Komplexität, Unübersichtlichkeit, Widersprüchlichkeit und Wissenslücken geprägt ist. Hält der Mensch in dieser Welt am altbekannten Kontrolldenken fest, steckt Wahrgenommenes in Schubladen und glaubt Kausalitäten 1A identifiziert zu haben, wird es schwierig, denn diese Art des Denkens passt einfach nicht mehr. In komplexen und dynamischen Situationen daran festzuhalten, ist nicht hilfreich. Eigentlich sogar im Gegenteil: zum einen geraten wir unter Kontrollstress, weil wir auf der Suche nach den alten Schubladen und den klaren Kausalitäten fast verzweifelt immer mehr Informationen sammeln, die uns jedoch nicht weiterbringen. Viel mehr verunsichern sie uns nur weiter und führen schließlich zu totaler Orientierungslosigkeit. Zum anderen führt das stakkato-artige Festhalten an diesem alten Kontrolldenken besonders in Situationen, die subjektiv empfunden von einem Informationsdefizit geprägt sind, nicht selten zu fatalen Fehleinschätzungen. Hierbei kann es dann dazu kommen, dass wir einzelne uns zur Verfügung stehende Fakten überbewerten (wie zum Beispiel die eher seltenen Nebenwirkungen einer generell sinnvollen und auch gut kontrollierten Impfung) und somit zu Panik und Hysterie neigen. Weil dieses altbewährte Kontrolldenken einfach nicht mehr funktioniert, haben Verschwörungstheorien und Fake News Hochkonjunktur!

Was hilft, ist möglichst viel Perspektiven und Alternativen in Betracht zu ziehen, um eine für sich bestmögliche Entscheidung zu treffen. Wichtig hierbei ist, dass keiner von uns das objektive Richtige oder Falsche kennt. Vielmehr ist es so, dass wir in einer Welt des “Vielleicht” leben.

Wer weiß was ein Shruggie ist?

Ich gebe zu, ich musste mich bei Menschen, die deutlich jünger sind als ich, danach erkundigen, wie dieses Emoji, das mit breit geöffneten Armen die Schultern zu den Ohren zieht, heißt! Shruggie eben. Und dieses Shruggie spiegelt für mich agiles Denken, eine agiles Mindset geradezu vortrefflich wider! Ja, ich sehe eure ungläubigen Blicke, aber ich versuche mich zu erklären und fange einfach mal bei den altgriechischen Anhängern der philosophischen Schule der Skeptiker an. Ihr seht, nachdem ich zweimal einfach nur über Träume geschrieben habe, wird es heut fast intellektuell! Also, die alten Skeptiker: ebenso wie Menschen mit agilem Mindset beschäftigen sie sich mit der sogenannten Erkenntnis der Dinge. Das heißt in “nicht-philosophisch”, dass sie sich nicht festlegen, welcher ihrer Gedanken der Wirklichkeit entspricht. Alles ist möglich und alles ist denkbar. Deshalb rechnen Skeptiker jederzeit mit starken Gegenargumenten, oder einer radikalen Veränderung der Gesamtsituation. Dadurch ist es fast unmöglich, den Skeptiker zu überraschen. Skeptiker verirren sich nicht, weil sie sich nicht festlegen. Vielmehr rechnen sie sogar damit, falsch liegen zu können. Unglaublich, wie wertvoll die Perspektiven und Meinungen anderer für Skeptiker sein müssen! Und wieviel innere Stabilität man dadurch erlangt, dass man weiß, dass man sich nicht irren kann, weil man sich eben nicht festlegt! Ja, alles ist möglich!

Die moderne Form dieser skeptischen Neutralität ist der Shruggie. Er steht stabil mitten im Chaos, ist sich nicht sicher, aber das ist OK für ihn, denn weder die sich stetig verändernde Welt, noch die gegensätzliche Meinung seines Gegenübers kann ihn aus der Ruhe bringen, weil beides elementare Teile seiner Welt sind. Nicht falsch verstehen, dem Shruggie ist seine Welt nicht egal! Ganz und gar nicht! Der Shruggie hat verstanden, dass er selbst in dieser Welt des Wandels sein wichtigster Anker ist! -Und zwar nicht, in dem er sich auf unveränderliche Meinungen und Aussagen festlegt, sondern indem er sich seiner Welt wertneutral und mit unendlich viel Offenheit zuwendet und dabei stetig Neues lernt und sich weiterentwickelt! Der Shruggie ist diese lernende Ich-AG, von der ich euch vor einigen Wochen berichtet habe. Die einzig wahre Antwort auf VUKA!

Ein Team voller Shruggies

Während ich meine Retro für dieses Team, das seine Wege zukünftig sicher höchst erfolgreich ohne mich gehen wird, vorbereitet habe, war es ein ziemlich guter Trost für mich, dass ich hier eine Gruppe von Shruggies zurücklasse, die gemeinsam ausgesprochen erfolgreich sein werden, weil sie so unterschiedlich sind und diese Unterschiedlichkeit wertfrei zum Wohle des Teams nutzen können. Deshalb wird die Mutti, äh sorry, der Coach nächste Woche nach der Retro auch nicht wehmütig sein, sondern total stolz! Mission complete! Und natürlich wird der Coach parallel auch daran arbeiten, selbst ein noch besserer Shruggie zu werden!

Eure Constance

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Alles ist möglich

Mein Leben als weltoffener Shruggie…

Ansichten einer Träumerin Vol. 2

… Oder wenn Träumereien plötzlich wahr werden…

Zurück aus meiner Sommerpause dachte ich mir, ich mache einfach da weiter, wo ich vor gut vier Wochen aufgehört habe. Auf meinem Weg in den Urlaub habe ich davon berichtet, wie es sich anfühlt, wenn einem klar wird, wo man hin möchte, wenn man seinen eigenen Purpose, sein Ziel und seine Bedeutung plötzlich glasklar vor Augen hat und wenn diese eine große Ziel aber doch noch einen winzigen Millimeter zu weit weg ist, um es tatsächlich zu greifen! Mit diesen Gedanken habe ich mich in meinen Urlaub verabschiedet, um nicht zu sagen, natürlich habe ich ihn mit in meinen Urlaub genommen.

Weil Perspektivwechsel Wunder bewirken

In diesen vier Wochen, die ich hier liebevoll Urlaub nenne, war bei mir natürlich wie immer eine ganze Menge los! Zunächst habe ich mit meiner NLP Ausbildung begonnen, da ich mich als Coach noch etwas breiter aufstellen möchte und um mich selbst in all diesem Wahnsinn nicht zu verlieren, um im Hier und Jetzt zu bleiben, hat es mich danach in ein Yoga Retreat an die Nordsee verschlagen. Beides war großartig und hat mir den Kopf ganz wundervoll freigepustet. Es tat gut, endlich mal wieder raus zu kommen und andere Menschen zu treffen, neue Impulse zu bekommen, Neues zu sehen und auszuprobieren. Ich habe mich, wie viele von euch sicher auch, prinzipiell ja recht gut in mein Leben im Homeoffice eingefunden. Jeder Tag war irgendwie gleich, vielleicht etwas reizarm, aber doch ganz OK. Was soll man jammern, wenn man es ohnehin nicht ändern kann. Radikale Akzeptanz ist hier das Mittel der Wahl! Was dabei wirklich auf der Strecke geblieben ist, wurde mir vollumfänglich erst bewusst, als mir den Wind in Sankt Peter Ording gehörig den Kopf durchgepustet hat. Diese Reizarmut der letzten Monate hat meine Kreativität auf ein Minimum zurückgefahren. Mein Zuhause wurde plötzlich auch zu dem Ort, an dem ich arbeite und war eben nicht mehr dieser heilige Ort, an dem ich runterfahre und den Abstand zu meinem täglichen Tun gewinne, den ich brauche, um dann auch wieder (kreative) Höchstleistungen zu erbringen. Mir hat es gefehlt, in Straßencafés zu sitzen, die Leute zu beobachten, das bunte Leben um mich herum aufzusaugen, der Small Talk mit Fremden hat mir gefehlt und mir hat gefehlt, alle meine Freunde endlich mal wieder auf einem Haufen zu erleben, diese laute Lachen, die lauten Geschichten, die man braucht, um dann auch die Stille wieder genießen zu können. Mein Leben im Homeoffice war so geordnet, dass das kreative Chaos in mir eingeschlafen ist. -Und ich habe es nicht gemerkt! Im Gegenteil, ich war so stolz auf mich, wie gut ich das alles meistern würde! Tja, am Nordseestrand wurde mir bewusst, dass ich mich einfach nur diesem Alltags-Hamsterrad ergeben habe! Und genau das hatte natürlich auch Einfluss auf mein Denken und Fühlen und die Art und Weise, wie ich vor meinem Urlaub geträumt habe. Nicht falsch verstehen, mein großer Traum, mein Purpose, ist noch immer der gleiche. Ich habe bei dessen Bewertung und bei den Überlegungen, wie ich meinem Traum nun endlich so dicht auf die Pelle rücken kann, damit ich ihn umsetzen kann, zwei Kardinalfehler begangen, die ich bei anderen natürlich sofort identifiziert hätte:

  1. Ich bin davon ausgegangen, dass die Organisation oder das System um mich herum zulassen muss, dass dieser Traum wahr wird. Sprich ich habe mich abhängig gemacht, ohne möglich Alternativen zu sehen.

  2. Ich befürchte, ich hatte Angst vor der eigenen Courage, Angst davor, anzukommen. Denn was ist denn dann…??? Wie sollte es weitergehen? Mein Tutor zu Abi-Zeiten hat mir damals in mein kleines Abschluss-Poesiealbum geschrieben, dass er mir wünsche, dass fast alle meine Träume wahr werden, ich aber gleichzeitig auch immer noch genügend unerfüllte Träume in meinem Herzen behalten solle, da es die sind, die das Leben lebenswert machten. Verdammt, hat er etwas recht?

Denn ich bin die Organisation…

Wenn ich so zurückschaue, war es natürlich immer wieder das System oder die Organisation um mich herum, die mich mal näher an meinen Traum herangeführt, oder auch mal weiter davon weggespült hat. Klar könnte man das jetzt so hinnehmen und akzeptieren, weil das Leben eben so ist. Im Wind der Nordsee ist mir da aber plötzlich wieder Steven Coveys Opfer-Gestalter-Modell in den Kopf gekommen. Meinen allerersten Blog-Artikel überhaupt habe ich darübergeschrieben, dass wir uns in unserem Leben in zwei Bereichen bewegen: dem Einfluss- und dem Interessensbereich. In unserem Einflussbereich liegen die Dinge, die wir proaktiv beeinflussen können. Hier sind wir als Gestalter unterwegs. In unserem Interessensbereich liegen all die Dinge, die uns beeinflussen, wir aber nicht beeinflussen können. Hier sind wir als Opfer unterwegs. In meinen Coachings ist es immer wieder Thema, diese beiden Bereiche klar voneinander abzugrenzen. Denn nur allzu oft fokussieren wir Menschen uns so sehr auf unseren Interessensbereich, dass wir den Einflussbereich nicht mehr wahrnehmen. Wir machen uns zum Opfer unseres Lebens. Oder wir machen den Interessensbereich größer als er in Wirklichkeit ist, weil wir unseren Einfluss auf die Dinge nicht wahrnehmen. Zweites ist mir wohl passiert! Vielleicht brauche ich einen Coach! Nachdem ich mein Traum-Dilemma einmal aus einer anderen Perspektive betrachtet habe, wurde mir klar, dass ich immer wieder gute Gründe (und manchmal auch nur gute Ausreden) dafür hatte, dem Leben zu erlauben, mich mal wieder ein Stück weit von meinem Traum wegzureißen. Ich habe mich entschieden, mitzumachen und es geschehen zu lassen, denn ich bin die Organisation meines Lebens. Hört sich sehr nach zu viel Yoga an, ich weiß! Aber mal ehrlich, wir alle kennen diese Situationen, die uns immer wieder in den Kopf spring: wenn ich es damals soundso gemacht hätte, wäre heute alles anders! Unser Leben ist eine Aneinanderreihung von Entscheidungen, die wir in der jeweiligen Situation immer bestmöglich treffen. Die Wahl haben wir trotzdem und so bleibt für den Interessensbereich bestenfalls das Wetter übrig!

Aus diesem Grund hab ich entschieden, mich nicht mehr von meinem Traum abhalten zu lassen. Die ersten konkreten Schritte müssen nur noch geplant werden. In absolut urlaubsschwangerer Leichtigkeit habe ich mich dazu entschieden, ab nächstem Jahr nun endlich auch mal offene Workshops anzubieten! Raus aus den Zwängen, die mir meine Organisation auferlegt! Ich weiß schon was und ich weiß schon wo! Was noch fehlt ist ein Marketing-Konzept, denn darin bin ich eine echte Niete! Aber irgendwie werde ich das schon hinbekommen! Wenigstens muss ich es mal ausprobieren! Und wenn ihr dann nicht nur von mir lesen möchtet, sondern Lust habt, an einem Workshop mit mir teilzunehmen, ohne, dass euer Arbeitgeber mich bucht, habt ihr ab nächstem Jahr die Chance dazu! Denn wir sind die Organisation! Wir sind das System unseres Lebens! BÄHM!

Was bleibt ist die Angst vor der eigenen Courage

Das einzige, was jetzt noch bleibt, ist die Angst davor, dass sich der große Traum auch wirklich erfüllt. Vielleicht hat er sich ja auch schon ein Stück weit erfüllt, ohne dass ich es bewusst mitbekommen habe. Vielleicht müsste ich einfach nur loslassen, aufhören zu kämpfen und die Dinge passieren lassen. Aber das kann und will ich mir Stand jetzt wohl noch nicht zugestehen! Denn was würde das bedeuten? Unter anderem würde es bedeuten, dass ich aus meinem eigenen Schatten heraustrete, dass ich mich bewusst ins Rampenlicht stelle und alles zeige, was ich kann. Hierbei geht es mir ein Stück weit wie es Marianne Williamson in ihrem Gedicht “Unsere größte Angst” beschrieben hat:

Unsere größte Angst ist nicht, dass wir unzureichend sind. Unsere größte Angst ist, dass wir unermesslich kraftvoll sind (…).

Schon verrück, wir Menschen…

Und ihr so?

Was mich natürlich immer wieder umtreibt, ist ob ich die einzige bin, die sich gerne so konsequent selbst im Weg steht? Habt ihr diesen einen großen Traum? Was tut ihr dafür, dass er sich erfüllt? Oder was tut ihr dafür, dass er nicht in Erfüllung geht? Und warum? Seid ihr Opfer oder Gestalter? Vielleicht lohnt es sich ja, darüber kurz nachzudenken! Denn wirklich fatal ist es doch am Ende, wenn wir es nicht schaffen, Möglichkeiten, die sich uns bieten, zu ergreifen, Chancen nicht anzunehmen, weil wir es dem Hamsterrad unseres Lebens erlauben, die Führung zu übernehmen, anstatt die Dinge wirklich für uns selbst zu organisieren!

Habt einen wunderschönen Sonntag!

Eure Constance

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