Führung

Synchrone und asynchrone Kommunikation - die Muttersprachen virtuellen Arbeitens

Weil Kommunikation immer Teil des Problems ist

Ich gehe fest davon aus, dass die meisten von Euch, Corona sei Dank, im Laufe der letzten beiden Jahre irgendwann einmal in den Genuss des sagenumwobenen “Work from Home” gekommen sind. Wie war das so? Wie hat es sich angefühlt, nun virtuell, oder im besten Fall hybrid mit den Kollegen zusammenzuarbeiten? Keine schnellen Absprachen mehr auf dem Flur oder in der Kaffeeküche? Keine Zufallsbegegnungen mehr, die das ein oder andere Problem wie von Zauberhand gelöst haben? Dafür vielleicht mehr Fokus und Effizienz? Keinen Stau mehr? Und mehr Zeit für die Familie?

Die Erfahrungen aus zwei Jahren “Work from Home” sind durchwachsen. Die einen freuen sich, weil es ihnen zuhause leichter fällt, den Fokus zu halten, oder weil sie den Vorgesetzten tatsächlich häufiger sprechen als vorher, weil es nun feste Termine gibt. Andere wiederum empfinde die Arbeitsbelastung zuhause als größer, weil sie völlig gestresst von Meeting zu Meeting hüpfen und ohnehin viel mehr Stunden vor dem Computer verbringen, als vorher. Wenn der Küchentisch zum Büro wird, ist man da eben auch noch um 22:00 Uhr präsent. Zu dem bemängeln viele Kollegen, mit denen ich mich austausche, dass die Arbeits- und Führungskultur sich nicht mehr weiterentwickelt, dass es keine Anpassung an die neue, virtuelle Realität gibt. Teams brechen zusehends auseinander, weil der soziale Kitt der Kaffeeküche, der gemeinsamen Mittagspause oder der gemeinsamen Zigarette draußen im Regen fehlt und man noch keinen adäquaten Ersatz dafür in der virtuellen Welt gefunden hat.

“Work from Home” ist eine Chance, kann aber auch zu einer Last werden, weil Kommunikation sich verändert und diese Veränderung zu einer Belastung werden kann. Kommunikation ist eben immer Teil des Problems. Nicht zuletzt deshalb tut man gut daran, stets nach kommunikativen Lösungen Ausschau zu halten!

Zwei Muttersprachen der virtuellen Zusammenarbeit

Als Corona angefangen hat, seine Kreise zu ziehen und viele Unternehmen ihre Mitarbeiter fast über Nacht ins Homeoffice geschickt haben, musste alles schnell gehen. Da war keine Zeit, sich im Vorfeld über kommunikative Spielregeln, eventuelle Probleme, etc. Gedanken zu machen. Inzwischen scheint Corona auf dem Rückzug aber viele Unternehmen möchten ihren Mitarbeitern auch weiterhin virtuelles oder hybrides Arbeiten ermöglichen. Als Coach finde ich, sollte es spätestens jetzt an der Zeit sein, sich intensiv Gedanken darüber zu machen, wie man dieser neuen Realität gerecht wird und sie so gestaltet, dass nicht schon Kommunikation selbst zu einer Belastung wird.

Kenn Ihr das: Mitten im Zoom-Marathon flattert eine E-Mail rein. Drei Minuten später klingelt das Diensthandy: “Hast Du meine Mail schon gesehen? -Was meinst du?”

Das macht arbeiten nicht gerade entspannter. Aber was ist da genau passiert, dass uns so sehr stresst? Ganz einfach: Asynchrone Kommunikation wurde mir der Erwartungshaltung an synchrone Kommunikation belegt. Das kann nicht gut gehen.

Was bitte???

Mal von vorne: Wenn wir über Kommunikation in virtuellen oder hybriden Settings sprechen, sprechen wir tatsächlich von zwei unterschiedlichen Arten von Kommunikation, die wir tunlichst voneinander trennen sollten. Es sind sozusagen zwei Muttersprachen, die man nicht mischen sollte. Zum einen ist das die sogenannte synchrone Kommunikation, also die Kommunikation mit direkter und prompter Interaktion, wie zum Beispiel in (Video-) Calls und Konferenzen. Zum anderen ist da die asynchrone Kommunikation, also Kommunikation ohne direkte Reaktion oder Interaktion, wie zum Beispiel über Mails oder Messenger-Nachrichten jedweder Art. Kommuniziere ich nun also asynchron habe an die Kommunikation jedoch eine synchrone Erwartungshaltung, kann das nicht gutgehen. Falscher Kanal! Entweder setze ich mich selbst unter Druck, weil eine Antwort, die ich dringend brauche, nicht sofort kommt, oder ich setze meinen Kommunikationspartner unter Druck indem ich ihn nerve. Vielleicht kennt ihr ja auch Menschen, die bei WhatsApp dafür sorgen, dass die anderen nicht sehen können, ob ihre Nachricht schon gelesen wurde, oder nicht. Gleiches Prinzip: Ich will mich nicht unter Druck setzen lassen, sofort zu antworten. Ich möchte nicht, dass meine Kommunikationspartner asynchrone Kommunikation mit einer synchronen Erwartungshaltung belegen.

Denn Absprache ist alles

Wie soll man denn nun damit umgehen, im virtuellen oder hybriden Arbeitsalltag? Ganz einfach, man spricht drüber, welche Art der Kommunikation wann erforderlich ist. Ziel sollte es hierbei jedoch immer sein, den Anteil der synchronen Kommunikation so gering wie irgend nötig zu halten. Es soll Teams geben, die mehr Zeit in Meetings und Ansprachen verbringen, als bei ihrer tatsächlichen Arbeit. Ich denke, gerade zu Anfang der Pandemie ist so ziemlich jeder in die Falle getappt, die synchrone Kommunikation stark zu überbetonen. Klar, plötzlich fehlen die sozialen Kontakte. Wie macht man das wett? Durch Videokonferenzen. So stillt man nicht nur das menschliche Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, sondern auch das Bedürfnis nach fachlichem Austausch. Nur zum Arbeiten kommt man so nicht! Deshalb ist meine wichtigste Lesson Learned nach über einem Jahr im Homeoffice, dass man sich ganz genau anschauen sollte, was man wann, wie und über welche Kanäle kommuniziert und natürlich habe ich auch die ein oder andere Idee entwickelt, die mir gerade hilfreich erscheint und die ich gerne mit Euch teilen möchte:

  • Vorbereitung ist alles: je besser ich das Meeting inhaltlich vorbereite, desto effizienter und schneller ist es. Dabei hilft es ungemein, komplexe Themen kurz zu visualisieren. Das sorgt häufig für ein schnelleres Verständnis, als endlose Erklärungen. Auch das Ziel des Meetings und die Agenda sollten am Anfang klar benannt werden.

  • Ergebnis- und Beziehungsorientierung bestmöglich trennen, indem ich zum Beispiel das Meeting etwas früher eröffne, um den Kollegen die Möglichkeit zu geben, sich vorab persönlich auszutauschen, oder indem ich die ersten X Minuten bewusst für den Austausch zu persönlichen Themen zur Verfügung stelle. Denkbar wären sogar Meetings speziell für den persönlichen Austausch.

  • Generell ist es sinnvoll, sich in Meetings diszipliniert zu timen um den sogenannten Gaseffekt zu vermeiden. So wie Gas recht schnell einen Raum einnehmen kann, kann ein Thema, eine Diskussion sehr schnell den kompletten Raum eines Meetings einnehmen, obwohl es eigentlich noch nicht einmal auf der Agenda stand.

  • Außerdem ist es hilfreich, die zur Verfügung stehenden Medienkanäle bewusst zu sortieren, gerne auch mit dem gesamten Team! So ist klar, dass E-Mails und Messages keine direkte und sofortige Antwort bedürfen, weil sie eben asynchron sind. Habe ich ein Thema, das sofortige Reaktion bedarf, muss ich einen synchronen Kanal nutzen.

  • Begleitkommunikation ist in jedem Fall hilfreich und Miro Boards oder andere Social Collaboration Tools können für so viel mehr als nur für Ergebnisprotokolle genutzt werden.

  • Des Weiteren ist es ausgesprochen hilfreich das Wissen im Team transparent zu machen, zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass jeder im Team weiß, wo etwas abgelegt ist, bzw. wo er/sie etwas finden kann. In der guten alten Zeit reichte dafür ja der kurze Ruf Richtung Nachbarschreibtisch. Heute muss es ja direkt eine E-Mail sein, oder doch besser gleich ein Anruf?

Und manchmal hilft nur eins…

Auch bei perfekt vorbereiteten und dokumentierten Meetings kann es trotzdem sein, dass es Menschen gibt, die vor lauter Meeting-Marathon nicht wirklich konzentriert dazu kommen, ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. In diesen Fällen hilft nur eines: Meetings minimieren. Wie ich das machen? Als erstes ist es sinnvoll sich bei jedem Meeting, dass man einplant, kurz zu fragen, was denn wohl passiert, wenn dieses Meeting nicht stattfindet. Ist die Antwort “nichts”, ist die Sache bereits im Vorfeld ziemlich klar! Zusätzlich ist es auch nach jedem Meeting sinnvoll, sich zu fragen, wie hilfreich dieses Meeting war. Hierzu kann man eine einfache Skala von 1 bis 10 nutzen (1 wäre absolut unnötig und nicht hilfreich und 10 wäre sehr, sehr hilfreich) und die Teilnehmer am Ende kurz befragen, um so für die Zukunft zu lernen und ein Gespür dafür zu bekommen, welche Meetings wirklich hilfreich und notwendig sind und welche eben nicht. Ganz nebenbei bemerkt kann es durchaus sein, dass es Kaffeeklatsch-Meetings gibt, die als wichtiger und notwendiger eingestuft werden, als Meetings zum fachlichen Austausch. Dann ist das eben so und sollte unbedingt im Arbeitskontext und im Rahmen der Absprachen berücksichtigt werden. Denn Menschen haben wie bereits erwähnt nicht nur das Bedürfnis, sich fachlich auszutauschen, sondern auch auf der Beziehungsebene Zugehörigkeit zu empfinden. In hybriden oder virtuellen Settings sollte man sehr genau darauf achten, beiden Seiten gerecht zu werden. Es ist wichtig, immer wieder ins Team reinzuhören, ob da gerade ein Bedürfnis dominanter ist, als das andere. Oft verschiebt sich das in regelmäßigen Abständen. Darauf gilt es dann zu reagieren. Denn bei all dieser Technisierung unserer Welt ist und bleibt der Schlüssel zu Erfolg unserer Systeme der Mensch in all seinen Farben und mit all seinen Emotionen und Bedürfnissen!

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

PS: Zum Anschluss noch kurz Werbung in eigener Sache: In dieser Woche veröffentlicht der Blog von t2informatik einen Gastbeitrag von mir! So please watch out!!!

Homeoffice!

Der kommunikative Segen oder der ganz große Wahnsinn?

Die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation - und was das mit Körperkontakt zu tun hat...

Denn Neugier hält die Welt am Laufen

Gebt es zu, ihr fangt gerade nur an zu lesen, weil ihr über das Wort Körperkontakt im Zusammenhang mit Mitarbeitermotivation gestolpert seid und euch denkt, dass das ganz schön schräg ist! Willkommen im Club! Einzig und allein, weil ich das mit dem Körperkontakt verstehen wollte, habe ich mir bei meiner zauberhaften NLP-Ausbilderin Anita gleich ein ganzes Buch ausgeliehen. Eigentlich wollte ich wirklich nur das mit dem Körperkontakt genauer wissen, doch jetzt ertappe ich mich dabei, gefühlt den ganzen 300 Seiten-Schinken zu lesen! Hat meine Neugier mal wieder dazu geführt, dass ich immer klüger werde!

Gary Chapman und die Geheimnisse der Mitarbeitermotivation

Aber für euch beschränke ich mich auf das Wesentliche und fasse mich kurz! Ich fange mal von vorne an. Also, dass ich meine Wochenenden momentan vorzugsweise im NLP-Training verbringe, habe ich, glaube ich, bereits erzählt. Klares Ziel ist es noch weitere Coaching Tools im Bereich Persönlichkeitsentwicklung zu erlernen. Besonders an diese sagenumwobene Glaubenssatzarbeit möchte ich ran. Und natürlich möchte ich mich dann ab Frühsommer NLP Master nennen! Titel sind schon fein…

Im Rahmen dieser Ausbildung ging es am letzten Wochenende um Systeme. In diesem Zusammenhang durfte ich dank Anita einen Herren namens Gary Chapman kennenlernen. -Eigentlich Paartherapeut! Aber im Job geht’s ja manchmal zu wie in einer guten oder schlechten Ehe. Das hat auch Chapman gemeinsam mit Dr. Paul White festgestellt und hat sich die Beziehungen und das Miteinander im Job intensiv angeschaut. Die Frage war und ist, was braucht der Mensch um sich wohl zu fühlen, um motiviert zu sein. Chapman hat festgestellt, dass sich das nicht so pauschal benennen lässt, dass wir Menschen eben ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. Möchte ich als Chef alle meine Mitarbeiter gleichermaßen motivieren, muss ich auch alle Bedürfnisse befriedigen. Das hört sich nach einer fast unlösbaren Aufgabe an. Zum Glück bietet Chapman hierfür eine wie ich finde formidable Lösung an. Denn den Herren Chapman und White ist es gelungen, diese diffuse Bedürfnislandschaft zu clustern und auf fünf Gruppen runterzubrechen. Sie nennen das die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation, die ich euch natürlich gerne vorstelle:

  1. Lob und Anerkennung

  2. Sich Zeit nehmen

  3. Hilfsbereitschaft

  4. Geschenke (ja, Geschenke!)

  5. Körperkontakt (wot?)

So weit so gut…

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber bei der Betrachtung dieser fünf Punkte ist mir sofort mein wichtigster ins Auge gesprungen: Hilfsbereitschaft! -Wahrscheinlich, weil ich durch und durch ein Teamplayer bin, oder es vielleicht durch meine vielen Jahre in der Luftfahrt geworden bin, habe ich während dieser Zeit doch verstanden, dass ich allein ziemlich verloren bin, egal wie gut ich bin. Selbst Perfektion reicht nicht, denn “A flying mission is always a team task!” sagte dereinst ein gewisser Herr Foushee, seines Zeichens Luftfahrtpsychologe und Human Factors Experte. Wenn ich genauer darüber nachdenke, werden mir tatsächlich immer mehr Job-Situationen bewusst, in welche ich diese Hilfsbereitschaft erfahre. Vielleicht bin ich auch deshalb stets hoch motiviert. Außerdem gebe ich zu, dass mich auch die anderen Bereiche nicht kalt lassen. Lob und Anerkennung tut auch mir gut. Ich liebe es, wenn meine Kollegen sich auch mal Zeit für einen (virtuellen) Kaffee nehmen und die Weihnachtspäckchen, die ich kürzlich von meinem Arbeitgeber bekommen habe, habe mich riesig gefreut. Sie haben mich tatsächlich sogar ein bisschen Stolz gemacht.

So weit so gut. Ich attestiere, Punkte eins bis vier funktionieren auch im virtuellen und hybriden Raum ganz formidabel. Tatsächlich hätte ich bei allen Punkten selbst sogar die ein oder andere Idee, was man noch zusätzlich tun könnte, um Mitarbeiter ganzheitlich zu erreichen und zu motivieren, wenn das eben diese Kanäle sind, die es zu bespielen gilt.

Und dann sind da nur Fragezeichen…

So weit so gut. Jedoch gebe ich unumwunden zu, dass ich in Hinblick auf Punkt fünf tatsächlich mehr Fragezeichen im Kopf hatte als sinnvolle Ansätze. De Facto hatte ich noch nicht mal den Hauch einer Idee… Körperkontakt zur Mitarbeitermotivation erschien mir zunächst mehr als befremdlich. Und Anfassen in eine virtuellen Umgebung… Ausgesprochen lustig, Herr Chapman!

Was mir einleuchtet sind Chapmans Beispiel mit dem festen Händedruck, dem aufmunternden “Schulter-Klapps”, vielleicht sogar noch das mit der Umarmung. Aber sollte ich die Führungskräfte, mit denen ich als Coach arbeite, tatsächlich dazu motivieren, ihre Mitarbeiter bewusst zu berühren??? Allein der Gedanke sorgt bei mir für Gänsehaut und die Nackenhaare stellen sich auf. Denn Körperkontakt ist ja nicht gleich Körperkontakt und ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich mich als junge Frau mehr als einmal als Opfer unangemessenen Körperkontakts gefühlt habe. Zum Glück differenziert Chapman da ganz klar und spricht von angemessenem Körperkontakt und was als angemessen gelte bestimme hier ganz klar die jeweilige Kultur in der ich mich bewege, schreibt er. Innerhalb meiner Kultur habe ich hinsichtlich der Angemessenheit einer Berührung ein gutes intuitives Gefühl. Was bleibt ist natürlich die Frage, ob Chefs, die einen Klapps auf den Hintern der jungen Kollegin als angemessen einordnen, nun in einer anderen Kultur leben als ich. Aber das würde für diesen Blog zu weit führen.

Nehmen wir also an, ich bewege mich in einem Umfeld, in dem alle das gleiche Verständnis für angemessenen Körperkontakt hätten, wäre ja alles gut… -Wäre da nicht die fortschreitende Digitalisierung, virtuelle und hybride Arbeitswelt und der Fakt, dass viele Kollegen sich nur sehr selten bis gar nicht sehen. Hier ist guter Rat teuer. Dann ist das ein Bedürfnis dem ich als Chef nicht gerecht werden kann!

Also lasst uns doch mal ein paar Chefs dazu befragen

Nein, ich habe diesbezüglich keine sinnvolle Lösung parat, aber zu Glück arbeite ich ja tagtäglich mit Führungskräften zusammen, die eigentlich vor genau diesem Dilemma stehen müssten. Also habe ich dieses Thema mal in einem Workshop zum Thema Führung (in virtuellen und hybriden Teams) zur Diskussion gestellt und war mehr als erstaunt, was ich zu hören bekam. Am meisten war ich darüber erstaunt, dass die in der Mehrzahl männlichen Führungskräfte das Thema Körperkontakt nicht “weggelacht” haben, sondern sich sehr differenziert damit auseinandergesetzt haben. Die Kollegen konnten alle Situationen benennen, in denen Körperkontakt subjektiv empfunden wichtig war und gegenwärtig fehlt. - Zur Erklärung: Die betreffenden Führungskräfte befinden sich mitsamt all ihren nachgeordneten Strukturen Corona-bedingt seit zwei Jahren im Homeoffice und werden nach dem offiziellen Ende der Pandemie in hybriden Teams zusammenarbeiten.

Zurück zur Diskussion auf Führungskräfteebene: Ich war erstaunt, dass, nachdem sie etwas Zeit hatten darüber nachzudenken, eine Vielzahl konkreter Beispiele benannt wurden, wann Körperkontakt “damals” gefühlt wichtig für sie, oder die Kollegen war. Diese Diskussion ging weit über den Händedruck, oder den aufmunternden oder unterstützenden Klapps auf das Schulterblatt hinaus. -Highfives wenn etwas gut gelaufen ist und sogar Umarmungen, wenn eine besonders knifflige Aufgabe gelöst war, wurden genannt! Während erzählt wurde war eine wirklich positive Energie zu spüren. Und dann machte sich plötzlich etwas Ratlosigkeit breit, denn man hatte sich bisher nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, was in der neuen Welt fehlt und vor allem was das für Auswirkungen hat. Plötzlich stand da einer dieser großen rosa Elefanten im Raum und man wusste nicht damit umzugehen. Problem erkannt! Lösung leider nicht! Denn unter den gegenwärtigen Umständen und auch in Hinblick auf die zukünftige Zusammenarbeit in vielen Unternehmen gibt es keine Lösung, die so einfach wäre, als dass die Führungskraft wieder Hände schütteln könnte, Teams sich bei Erfolgen abklatschen und in den Arm nehmen können, die unterstützende Hand im Rücken lässt sich nicht mehr so einfach darstellen.

Gemeinsam stellten wir fest, dass es etwas ganz Neues braucht, etwas Anderes, etwas, das es noch nicht gibt, um der Herausforderung der virtuellen Führung wirklich gerecht zu werden. Natürlich werde ich als Coach gerne fragend angeschaut. Jedoch weiß auch ich (noch) keinen Rat und keine Methode. Ich freue mich aber etwas ganz Neues zu erfinden, was für diesen einen Kontext passt und in diesem einen Kontext die Nähe aufbaut, für die es eigentlich Körperkontakt bräuchte. Ob und das gelingt? Keine Ahnung, aber einen Versucht ist es wert. Meine Pionier-Gruppe begibt sich jedenfalls ab nächster Woche auf eine zwölfwöchige Reise zum Thema “Kommunikation als Führungstool (in einer virtuellen Welt)”, die ich Leading out Loud Circle genannt habe. Ziel ist es, die subjektiv empfunden psychologische Sicherheit innerhalb der Organisationseinheit zu verbessern indem wir das Thema Kommunikation zum bewussten Aufbau von Nähe und Beziehungen in die “neue Welt” tragen. Ich bin mehr als gespannt und werde das ein oder andere sicher auf diesem Kanal mit euch teilen.

Für heute wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag und einen guten Start in die Woche, egal ob virtuell oder analog! Vielleicht werdet ihr ja auch an der ein oder anderen Stelle darüber nachdenken, ob es etwas Neues braucht!

Eure Constance

Körperkontakt - ein verdammt heißes Eisen

… und ein Grundbedürfnis, auch im Büro?!

Let's make some noise! Oder schlafende Hunde besser nicht aufwecken? - Entscheidungsfindungsprozesse mit Hintergrundrauschen

Happy New Year…

Darf man sich ja noch wünschen, oder? Ich hoffe ihr seid gut ins neue Jahr gekommen. Ich für meinen Teil bis sehr gespannt, was dieses Jahr 2022 mit sich bringt. Ein paar Ideen habe ich, aber am Ende kommt ja doch immer alles anders, als man denkt. Zumindest der Anfang war für mich recht entspannt, was aber ganz sicher nicht so bleiben wird.

Ich liege gerade mit Kurt, unserem neusten Familienmitglied auf der Couch und die sonst gerne auch mal recht quirlige kleine Französische Bulldogge döst friedlich vor sich hin. Schlafende Hunde soll man nicht aufwecken, schießt mir in den Kopf und ich verhalte mich ganz ruhig, um in Ruhe weiterschreiben zu können.

Schlafende Hunde soll man nicht aufwecken… So oder so ähnlich höre ich es gerne auch mal im Job, wenn ich mich in den Organisationseinheiten, die ich begleite, dazu aufmache, allen Mist, Staub und Dreck, der sich naturgemäß so ansammelt, an die Oberfläche zu spülen. Ist es sinnvoll, hierbei proaktiv oder reaktiv zu sein? Ich komme aus der Luftfahrt und habe mehr als deutlich gelernt, dass eine reaktive Haltung verdammt blutig enden kann. Zwischen den Jahren bin ich über ein Thema gestolpert, das ich ganz sicher proaktiv bei meinen Kunden ansprechen werde. Ebenso proaktive möchte ich meine Gedanken dazu auch mit euch teilen. - Und vielleicht einen schlafenden Hund wecken!

Das Märchen der richtigen Entscheidung

Ich habe schon häufiger über Entscheidungsfindungsprozesse geschrieben, stellen sie doch den Kern unseres Schaltens und Waltens auf Erden dar. Wir wachen morgens auf und treffen bereits die erste Entscheidung: direkt raus aus den Federn oder nochmal 10 Minuten auf Snooze? Schon an dieser Stelle durchlaufen wir alle einen individuellen Prozess mit unterschiedlichen Ergebnissen. Was ist richtig? Was ist falsch? -Beides, wenn es eben passt! Kaffee oder Tee? Frühstück oder gleich los? Und natürlich: was ziehe ich an?

So hangeln wir uns durch den Tag, jeder für sich und doch alle gemeinsam. Was uns sicher eint ist, dass jeder von uns immer bestmöglich entscheiden möchte, bzw. keiner von uns absichtlich eine falsche Entscheidung trifft.

Im Job geht es direkt weiter. Eine Entscheidung jagt die nächste. Besonders spannend wird es, wenn die Entscheidungen, die wir im Job treffen Folgen haben. Natürlich entscheiden wir auch hier nach bestem Wissen und Gewissen und trotzdem jeder von uns ein bisschen anders. Nehmen wir zum Beispiel einen Richter, der sich an Recht und Gesetz hält und seine Urteile natürlich bestmöglich trifft. Eigentlich müssten folglich alle Richter in Fällen mit exakt gleicher Sachlage auch immer gleich entscheiden. Tun sie aber nicht! Natürlich liegt das an der subjektiven Beurteilung der Fakten. So ist der eine Richter milder als der andere. Den einen empört zum Beispiel Betrug ganz besonders, der andere ist genau hier weniger scharf in seinem Urteil. Auf diese Weise entsteht selbst in unserem Rechtssystem eine gewisse Zufälligkeit. Und es gibt noch mehr Umstände die die Zufälligkeit noch viel zufälliger werden lassen. Studien aus den USA belegen, dass sogar Temperaturschwankungen Einfluss auf Gerichtsurteile haben, oder ob die örtliche Football-Mannschaft am Wochenende verloren hat, der Angeklagte Geburtstag hat, oder um den wievielten Fall des Tages es sich handelt. Total unberechenbar, oder?

Diese unberechenbare Abweichung bezeichnet der der Wirtschaftspsychologe Daniel Kahneman in seinem neusten Buch, das er gemeinsam mit den Herren Sibony und Sunstein geschrieben hat, als Noise.

Noise oder Bias

Nun wird der ein oder andere von euch sich völlig zurecht denken: diese Abweichung zur Norm kenne ich schon. Das habe ich bisher Bias genannt. Warum braucht es dafür ein neues Wort? Ganz einfach: weil es sich um zwei unterschiedliche Paar Schuhe handelt. Ich erkläre es kurz.

Wir stellen uns vor, eine gesamte Personalabteilung sei der Meinung, dass Frauen weniger geeignet wären eine Führungsposition einzunehmen! Das ist natürlich nur rein hypothetisch und total konstruiert! Aber stellen wir uns das einfach mal vor. So würde es zu einer einheitlichen Abweichung in der Beurteilung der Eignung von Frauen kommen. Das wäre dann ein unschöner, aber doch sehr berechenbarer Bias.

Stellen wir uns nun vor, dass es in ein und derselben Personalabteilung Kollegen gibt, die Frauen als weniger geeignet für Führungspositionen sehen, andere, die glauben, Frauen, seien generell besser geeignet, und natürlich gibt es auch die eine Hardlinerin, die glaubt es braucht generell mehr Frauen in der Chefetage, Qualifikation erstmal zweitrangig. Auch hier gibt es eine Abweichung von der Norm oder dem Ideal, allerdings eine komplett unberechenbare Abweichung, welche die drei W eisen aus den USA als Noise bezeichnen.

Sowohl Bias als auch Noise führen zu falschen Entscheidungen. Während das eine berechenbar ist, ist das andere total unberechenbar, weil es auf individuellen kognitiven Fehlleistungen beruht.

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Diese Frage stellte sich dereinst Paul Watzlawick, als er seine Theorie des radikalen Kontruktivismus beschreibt. Watzlawick legt sehr eindeutig dar, dass wir Menschen uns unsere Wirklichkeit selbst konstruieren, passend zu unseren Erfahrungen, unserem Wertesystem, unseren Vorlieben und so weiter. Hier bringt jeder sein ganz eigenes Päckchen mit, was toll ist! Macht uns das doch ganz einzigartig. Gleichzeitig ruft genau das Noise hervor, da es dazu führt, dass wir ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich einordnen oder beurteilen. Hierzu gab es Studien bei Versicherungen, die belegen, dass unterschiedliche Sachbearbeiter den gleichen Umstand unterschiedlich bewerten. Die Abweichung liegt laut den Erkenntnissen Kahnemans bei über 50 Prozent. Das ist eine Menge! Besonders wenn es wie bei Versicherungen, oder Banken ums Geld geht, ganz zu schweigen, davon, wenn Justitia ins Spiel kommt!

Noise in Organisationen

Wie bei all diesen neuen Erkenntnissen aus den Federn der Wirtschaftspsychologen und Beratern, stellt sich die Gretchen-Frage, was Organisationen nun damit anfangen sollen. Als Coach würde ich mir im ersten Schritt mal anschauen, wie es denn um Noise, dieses Hintergrundrauschen, in der jeweiligen Organisation (-seinheit) bestellt ist. Wie? Ganz einfach! Ich konstruiere einen Sachverhalt, den es zu beurteilen gilt und gebe diesen unterschiedlichen Mitarbeitern und schaue mir am wie sie entscheiden, bzw. wie groß die Streuung der Ergebnisse ist.

Im zweiten Schritt geht es darum, die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Thema Noise zu lenken. Hier muss ich quasi den schlafenden Hund der kognitiven Diversität innerhalb meiner Organisation wecken!

Und dann? Dann ist es erstmal wichtig zu betonen, dass diese Unterschiedlichkeit keineswegs schlecht ist. Im Gegenteil! Es geht nämlich aus meiner Sicht nicht darum, ein Noise-freies System zu konstruieren. Das wäre das Ende von Innovation und Kreativität. Auch darf es keineswegs passieren, dass individuelle Ermessensspielräume genommen werden. In einem dynamischen und komplexen Umfeld würde dies das relative sichere Ende der Organisation bedeuten.

Also, was tun? Selbstverständlich das, was wir VUKA-Priester und Coaches Tag ein Tag aus von unserer hohen Kanzel aus predigen: analytisch das Team als Ressource auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen nutzen und Transparenz schaffen. Aber gerne mal eins nach dem anderen:

  1. Zunächst muss jeder einzelne Mitarbeiter verstehen, dass es bei Entscheidungen nicht um den Ausdruck von Persönlichkeit, sondern von Genauigkeit geht. Dazu ist es hilfreich, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, sich hinsichtlich ihrer ganz persönlichen Einflussfaktoren zu reflektieren.

  2. Während des Prozesses der Entscheidungsfindung ist es sinnvoll, eine Art Metaebene einzunehmen, von der aus man seinen individuellen Fall nicht als isolierten Einzelfall sieht, sondern versucht sich im Rahmen der Entscheidung auf eine Referenz ähnlich gelagerter Problemfälle zu beziehen.

  3. Auch ist es immer hilfreich, sich Beratung oder Unterstützung zu holen. Vielleicht lässt sich die eine, große Entscheidung in mehrere Teilentscheidungen zerlegen, die von unterschiedlichen Menschen getroffen werden können. Laut Kahneman und Konsorten ein ausgesprochen zielführendes Vorgehen.

  4. Warum nicht das Team nutzen, um andere Perspektiven einzubeziehen?! Aber bitte so, dass erst jeder für sich eine bestmögliche Entscheidung trifft und dann darüber gesprochen wird. Wird erst diskutiert, ist es den einzelnen Teammitgliedern nicht mehr möglich, ihre Entscheidung ganz unabhängig zu treffen. Eine Diskussion im Vorfeld würde diese verfälschen. Am dieser Stell muss ich gestehen, dass ich nicht zu hundert Prozent mit Kahneman übereinstimmen kann. Ich weiß natürlich was er meint. Diese Art der Voreingenommenheit möglichst zu verhindern um ein halbwegs objektives Bild der Situation zu bekommen, sollte Thema sein. Allerdings merke ich immer wieder an mir selbst, wie wichtig diese Diskussionen für meinen eigenen Horizont sind. Allerdings sollten diese faktenbasierend und nicht basierend auf Meinungen stattfinden.

  5. Ferner ist es laut Kahneman ausgesprochen hilfreich, Menschen nicht mit zu vielen Informationen zu überfrachten. Weniger ist mehr und hilft den Fokus zu halten. -Nicht einfach, betrachtet man den teilweise inflationären Informationsfluss in Organisationen.

  6. Abschließend schreibt Kahneman, dass Intuition durchaus am Ende des Prozesses eine Rolle spielen darf, da Entscheider das belohnende Gefühl brauchen, ihrer Intuition vertrauen zu können. Niemals darf Intuition jedoch am Anfang des Prozesses stehen. Stattdessen ist es wichtig, analytisch und faktenbasierend in den Prozess einzusteigen. Der intuitive Teil darf dann nach der analytischen Betrachtung aller Dimensionen mit einem gewissen zeitlichen Abstand folgen.

Natürlich kann man auch mit Hilfe von Algorithmen versuchen Noise in einer Organisation zu reduzieren, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Algorithmen dann rassistisch, sexistisch oder anderweitig diskriminierend sind. Das erscheint mir persönlich wenig hilfreich! Also eben doch die schlafenden Hunde wecken und über Noise reden, Menschen, Teams, Organisationen dazu anregen sich selbst hinsichtlich ihrer Entscheidungsfindungsprozesse zu reflektieren und sich darüber bewusst sein, dass es diese eine objektiv richtige Entscheidung zumeist nicht gibt.

Ich wünsche euch einen wunderschönen Sonntag. Ich werde wohl in aller Stille mit dem Hund in den Schnee gehen, der schon seit Freitag ganz lautlos fällt.

Eure Constance

Schlafenden Hunde sollte man nicht aufwecken!

Trotzdem ist es manchmal sinvoll, anständig Krach zu machen…