Shared Leadership

Die helle Triade - vom Bad Leadership zum Good Leadership zum Shared Leadership und den mutigen Geführten

Wie dunkel bin ich?

Ich muss zugeben, dass ich während meiner Recherche zur Dunklen Triade für meinen Artikel von vor zwei Wochen (hier der Link) ein wenig schlucken musste, als ich über diese “Niederträchtigen Neun” gestolpert bin. So ein bisschen habe ich mich im ein oder anderen Punkt dann doch wiedererkannt. Ich habe mir wirklich intensiv Gedanken gemacht, wie es denn um meine eigene dunkle Triade bestellt ist. Das hat sich nicht besonders gut angefühlt, denn mal ehrlich, keiner von uns will auf diese Art und Weise “dunkel” sein und “Antisozialer Kern” hört sich auch echt fies an! Etwas leichter wurde mir ums Herz, als ich schließlich auf die helle Triade und die zwölf Items der hellen Triade (quasi der Gegenentwurf zu den Niederträchtigen Neun) gestoßen bin.

Der gute Mensch - Humanismus für Fortgeschrittene

Erst im letzten Jahr definierte eine Forschungsgruppe um den Psychologen Scott Kaufmann vom Positive Psychology Center der Universität in Pennsylvania die sogenannte helle Triade als Gegenentwurf zur dunklen Triade. Im Zentrum ihres Interesses stand der sogenannte “Everyday Saint”, also der Alltagsheilige, der überall, auch in Wirtschaftsorganisationen, zu finden ist und sich positiv und wohltuend von den Vertretern der dunklen Triade abhebt, indem er mit Folgender Triade auftrumpft:

  • Humanismus (der Wertschätzung der Würde und des Wertes eines jeden Menschens)

  • Kantianismus (nach dem Kategorischen Imperativ: die Behandlung der Mitarbeiter ist immer auch das Ziel, niemals nur das bloße Mittel zum Zweck)

  • Glaube an die Menschlichkeit (die Überzeugung, dass alle Mitarbeiter im Grund gut sind)

Parallel dazu entwickelten sie die zwölf Items der hellen Triade. Wie bei den Niederträchtigen Neun, seid ihr auch hier eingeladen zu reflektieren, in welchen Punkten ihr euch selbst wiederfindet:

  1. Ich neige dazu, das Gute im Menschen zu sehen.

  2. Ich vertraue darauf, dass andere Menschen mich fair behandeln.

  3. Ich glaube, dass die meisten Menschen gut sind.

  4. Menschen, die mich verletzt haben, vergebe ich schnell.

  5. Ich neige dazu, andere Menschen zu bewundern.

  6. Ich neige dazu, den Erfolg anderer freudig anzuerkennen.

  7. Ich neige dazu, anderen wertschätzend zu begegnen.

  8. Ich genieße es anderen Menschen zuzuhören, egal welcher sozialen Schicht sie angehören.

  9. Ehrlichkeit ist mir wichtiger als Freundlichkeit.

  10. Ich fühle mich schlecht, wenn ich andere manipuliere, damit sie in meinem Sinne handeln.

  11. Ich möchte authentisch sein, selbst, wenn das meinem Ansehen schadet.

  12. Wenn ich mit Menschen spreche, denke ich kaum an das, was ich von ihnen will.

Und? Habt ihr euch hier und da wiedererkannt? Ich jedenfalls habe festgestellt, dass ich offensichtlich deutlich heller bin, als nach den Niederträchtigen Neun gedacht. Glück gehabt!

Von Moral und Tugendhaftigkeit

Nun hat die Suche nach dem Guten im Menschen zum Glück nicht erst im letzten Jahr begonnen. Im Prinzip ist diese Suche so alt wie die Menschheit selbst. Ihren wohl bekanntesten Ausdruck findet diese sogenannte Tugendethik in den vier Kardinaltugenden:

  • Klugheit: sie gilt als die Mutter aller weiteren Tugenden, weil alle weiteren Tugenden in ihrer Umsetzung zwingend Klugheit benötigen. Klugheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man sowohl nach innen, auf sein Wissen und Gewissen, als auch nach außen, auf die Ideen und Argumente anderer, hört und entsprechend abwägt. - Es lebe das Feedback!

  • Gerechtigkeit: als ungerecht wird empfunden, dass einem Menschen das Seine vorenthalten, oder weggenommen wird, und zwar nicht durch ein Unglück, sondern durch andere Menschen, die daraus einen Vorteil für sich ziehen. Gerechtigkeit hat folglich immer auch mit dem Anderen zu tun.

  • Tapferkeit: tapfer zu sein bedeutet, sein Handeln in schwierigen, ggf. sogar bedrohlichen Situationen nicht von Angst, sondern von (Zivil-) Courage und Klugheit leiten zu lassen.

  • Mäßigung: Mäßigung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht etwa die Mäßigung beim Zuckerkonsum oder ähnlichen, sondern das agieren aus einer inneren Ordnung, Ruhe und Ausgeglichenheit. Selbstreflektion ist hier das Thema!

Die Supertugend der Arbeitswelt

Zu diesen vier Kardinaltugenden hat sich im Businessumfeld seit einiger Zeit noch ein Art Supertugend gesellt: die Integrität. Jeder spricht von ihr, aber was bedeutet es denn, integer zu sein? Es bedeutet als erstes, dass meine Worte auch meinen Taten entsprechen. Werte, die ich vertrete, müssen sich auch in meinem Handeln widerspiegeln. Zusätzlich wird von der integreren Person verlangt, standhaft zu sein und auch im Angesicht von Widerständen den eigenen Grundsätzen treu zu bleiben. Interessanterweise treffen diese ersten beiden Punkte auch auf den ein oder anderen Allerweltsdiktator zu. Deshalb muss sich bei integreren Menschen zwangsläufig noch eine Portion Moralität hinzugesellen. Wer integer handelt, dem ist wichtig, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch allen anderen gegenüber gerecht wird. Der kleine aber feine Unterschied zwischen Diktatoren und integreren Führungspersönlichkeiten! Ich denke, es war auch dieser Unterschied, den die Führungsethikerin Joanne Ciulla im Kopf hatte, als sie folgendes formulierte: “Es ist das Charakteristikum einer Führungsaufgabe in der Wirtschaft oder in jedem anderen Kontext, dass ihre genuine Tätigkeit gewöhnlich verlangt, mehr für die Interessen von Fremden Sorge zu tragen, als für die eigenen.”

Nichts ist für die Ewigkeit… Oder wie Unternehmenskultur Führung bedingt

So könnte man also meinen, dass eine gezielte Personalauswahl einfach nur die tugendhaften, integreren Kandidaten rausfiltern müsste und der Drops sei gelutscht. Integrität ist jedoch leider, wie alle Tugenden, keine Eigenschaft, die man einmal besitzt und dann ein Leben lang behält. Sie wird in einem langen Prozesse aufgebaut und gewahrt und stellt ein ausgesprochen zerbrechliches Gut dar, das schon in einem kurzen Moment zerstört werden kann. Die integersten Persönlichkeiten haben in einem Umfeld, dass diese Eigenschaften nicht auch durch eine entsprechende Unternehmenskultur fördert, auf lange Frist nur zwei Möglichkeiten: anpassen, oder weiterziehen. Kein Licht, egal will hell, strahlt eben für immer, wenn es nicht gepflegt wird.

Da Unternehmenskultur eine so große Bedeutung hat, finde ich es durchaus interessant, sich mal zu fragen, wo Unternehmenskultur herkommt, bzw. wer sie denn formt. Eine entsprechende Diskussion habe ich vor einigen Tagen in einem meiner Workshops vom Zaun gebrochen. Natürlich war man sich zunächst einig, dass die Kultur selbstverständlich von der Geschäftsführung gemacht werde und die Führungsebene dafür verantwortlich sei. Immerhin werden auf dieser Ebene ja die allseits bekannten Leitlinien oder Verhaltenskodexe erstellt. Natürlich musste ich fragen, ob die tatsächliche Unternehmenskultur denn das sei, was auf bunten Postern gedruckt ist, oder das, was auf Arbeitsebene gelebt wird. Böser Trainer! Zack war klar, dass ein jeder verantwortlich dafür ist, wie eine Unternehmenskultur sich darstellt. Natürlich haben auch Führungskräfte hierbei eine große Verantwortung und selbstverständlich gibt es Wechselwirkungen und Umstände, die sich komplex bedingen. Aber ich persönlich glaube, dass die Macht des “Fußvolks” noch immer deutlich unterschätzt wird. Lasst uns das Thema Gesellschaft und Kultur doch einmal historisch betrachten: wo wurden denn die wirklich großen gesellschaftlichen Veränderungen, wie zum Beispiel die Französische Revolution initiiert? Richtig, nicht auf Führungsebene. Es ist die breite Masse, die in der Lage ist, Gesellschaft und Kultur zu formen. Wenn die Masse “wir sind das Volk” brüllt (und damit meine ich ausdrücklich nur diejenigen, die das in den 80er Jahren gerufen haben!), kann das von oben übergestülpte, kulturelle oder gesellschaftliche Korsett noch so eng sein, es wird gesprengt.

“Mutige Geführte” und warum Followership ebenso wichtig ist wie Leadership

Weil man sich der Bedeutung der “Geführten” inzwischen auch auf Businessebene immer bewusster wird, fängt man zum Glück langsam aber sich an, sich nicht nur über gute Führungskräfte und optimale Führungskräfteentwicklung Gedanken zu machen, sondern auch über gute “Geführte”. 2009 hat der Publizist Ira Chaleff sein Konzept der “Mutigen Geführten” (Courageous Follower) veröffentlicht. In diesem Rahmen hat er die fünf Dimensionen einer mutigen Gefolgschaft dargestellt: Als erstes steht der Mut zum moralischen Handeln (mal wieder!), gefolgt vom Mut zur Verantwortungsübernahme und den Mut zur Herausforderung (der nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als die Fähigkeit, auch den Führungskräften eine konstruktive Kritik angedeihen zu lassen, sollten diese sich gefühlt auf dem Holzweg befinden), außerdem wäre dann noch der Mut zum Mitwirken an Veränderungen und abschließend der Mut zu dienen (was in diesem Kontext so viel bedeutet, wie ein hohes Engagement zur Zielerreichung).

Relativ zeitgleich wurde auch an der Universität von Virginia unter dem Titel “Workplace Courage” oder “Mut am Arbeitsplatz” ein weiterer Ansatz zu Thema “Good Followership” veröffentlicht, der ebenfalls zum Schluss kommt, dass gute Follower Menschen sind, die mutig sind, Verantwortung übernehmen, die sich trauen kritisch zu sein und diese Kritik auch auszusprechen, die selbstständig und selbst-organisiert sind, gemeinsam mit ihren Kollegen auf ein Ziel hinarbeiten und selbstverständlich dabei auch kompetent und gut für ihren jeweiligen Bereich ausgebildet sind. Tja, da sind wir wohl beim mündigen Arbeitnehmer, der sich selbst bewusst führt und einbringt.

All diese Überlegungen führen uns schließlich zu einer hochaktuellen Richtung der Führungsforschung: der geteilten Führung, oder Neuhochdeutsch dem “Shared Leadership”.

Shared Leadership, weil das Team der Star ist!

Wenn wir von Shared Leadership sprechen, sprechen wir von nicht mehr und nicht weniger als von einem fundamentalen Wandel in der Grundauffassung von Führung. Shared Leadership versteht sich als Gegenposition zur sogenannten herrschenden Führung, wonach Führung nur von einzelnen positional ausgeübt wird. Im Shared Leadership geht man davon aus, dass effektiver und auch ethisch korrekter Führung ein dynamischer und multidirektionaler Gruppenprozess zu Grunde liegt, an dem die Geführten als kompetente, verantwortliche und verantwortungsbewusste Mit-Führende (“Coleader”) beteiligt sind. Als Kind der Luftfahrt freue ich mich sehr, dass man diese Idee inzwischen auch im Kreise der “Fußgänger” für sich zu entdecken scheint, denn in der Luftfahrt wurde schon vor Jahrzehnten festgestellt, dass diese Art des Teammanagements die beste Möglichkeit ist, alle Ressourcen zu nutzen, um zum Erfolg zu kommen. In meinem Artikel vom 17. Mai habe ich euch die Herren Haynes und De Crespigny vorgestellt (hier der Link). Ihre Art des Shared Leadership hat hunderte von Menschenleben gerettet. Und liebe Führungskräfte, keine Angst vor Shared Leadership. Ihr müsst nichts abgeben. Im Gegenteil, ihr gewinnt dazu und bleibt trotzdem Chef, so wie diese beiden großartigen Flugkapitäne.

In diesem Sinne, lasst euch nicht entmutigen, egal auf welcher Ebene ihr unterwegs seid! Es lohnt sich!

Eure Constance

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Das zarte Pflänzchen guter Führung

Es will sich gehegt und gepflegt fühlen