Riemann-Thomann

Und Schuld sind doch nicht immer die Eltern! - Glaubenssätze die Zweite und der wahnsinnige Zwang Menschen in Schubladen stecken zu müssen...

Du bist… -Und Ende der Geschichte!

Bereits vor vier Wochen, am Muttertag, habe ich mich an dieser Stelle mit Glaubenssätzen auseinandergesetzt. -Glaubenssätze: diese tief verankerten Annahmen, die wir Menschen über die Welt, die anderen, vor allem aber auch über uns selbst haben. Oft sind uns diese starken inneren Überzeugungen noch nicht einmal voll umfänglich bewusst und trotzdem, oder gerade deshalb, haben sie die Macht unsere Selbstsicht maßgeblich zu steuern. Das kann ein Geschenk sein, wenn ich Pippi Langstrumpf bin und unerschütterlich und aus tiefster Überzeugung fest daran glaube, alles erreichen zu können. “Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”, erklärte Pippi damals inbrünstig. Leider bin ich nicht Pippi sondern Constance und habe mich viele Jahre mit eher weniger hilfreichen Glaubenssätzen durchs Leben geschlagen.

“Du bist nicht gut genug.” “Eigentlich wirst du auch nie gut genug sein!” “IT verstehst du eh nicht, weil du technisch eine echte Niete bist!” “Du bist eher ein Distanz-Typ.” “Distanz-Typen wird häufig nicht so richtig vertraut.” “Deine Größe macht dich unnahbar.” “Du bist eine komplizierte Frau, jedenfalls bist du nicht einfach im Umgang.” “Ab 40 geht es langsam bergab!”

Ich könnte die Liste meiner inneren Gemeinheiten gegen mich selbst beliebig fortsetzen. Und natürlich muss die Frage erlaubt sein, warum ich diese Glaubenssätze hatte oder habe und Pippi Langstrumpf ganz andere. Ja, Pippis Papa Efraim, der Piratenkönig, hat sicher einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, ein starkes junges Mädchen aus ihr zu machen, bevor er mit der Hoppetosse in die Südsee aufgebrochen ist. Allerdings hat mein Papa auch einen guten Job gemacht. Vielleicht hatte Pippi einfach Glück nicht in die Schule zu müssen, wo sie nicht gnadenlos nach einer einheitlichen Skala kategorisiert wurde und ihr nicht erklärt wurde, dass sie Mathe eben einfach nicht könne, was ja für ein Mädchen auch nicht ungewöhnlich sei. Sie hatte in der Oberstufe auch keinen Physiklehrer, der ihr und ihren Freundinnen erklärte, dass sie ja immerhin noch Frisösen werden könnten, wenn sie das nicht verstünden. Ihr wurde auch nie erklärt, dass aus ihr nichts werden würde, weil sie sich nicht anpassen könne und sie ohnehin viel zu (vor-) laut sei. Sie wurde auch nie dafür getadelt, dass einige ihrer Aussagen eher emotional als rational begründbar sein. Und Emotion ist natürlich schlecht.

Nein, nicht an allen unseren toxischen Glaubenssätzen sind unsere Eltern schuld. Und wer glaubt, nach der Schule würden sich die Dinge signifikant ändern, der hat recht. Es wird noch viel, viel engstirniger. Die Kategorien, in die wir gesteckt werden, werden immer enger gefasst und haben am Ende vielleicht sogar die Macht uns das zu nehmen, was in einer komplexen und dynamischen Welt wohl das wertvollste Gut ist: Unsere Fähigkeit uns stetig und grenzenlos weiterzuentwickeln. Man spricht von sogenannter Neuroplastizität und meint damit, dass unser Hirn und damit auch unsere Persönlichkeit nie aufhört zu wachsen, sich zu verändern, sich weiterzuentwickeln, wenn wir es einfach nur erlauben, oder wenn wir daran glauben, dass wir grenzenlos sind.

Komisch, rückblickend war mein Papa der Einzige, der mir immer und immer wieder erklärt hat, dass ich alles erreichen kann, was ich will, dass ich grenzenlos bin. Leider habe ich irgendwann aufgehört ihm zu glauben. Diese anderen Stimmen waren zu viele und zu laut. Liebe Grüße ins Taka-Tuka-Land und sorry Papa, dass ich dir nicht bedingungsloser geglaubt habe. Du hattest so recht.

Und dann kommt HR und gibt uns den Rest!

So trudelte ich also durch mein Leben direkt ins Zeitalter der Persönlichkeitstests: DISC, Myers-Briggs, LIFO, 16 Personalities und wie sie alle heißen. Das Schöne war, ich musste mir keine Gedanken mehr darüber machen, wer ich bin. Das wurde mir in einer kurzen Zusammenfassung feierlich schriftlich überreicht. Wie schön, dass man in Organisationen an Hand dieser Typisierungen fortan Teams zusammenstellen kann, Führungskräfte darauf vorbereiten kann, wie sie bestmöglich mit Typ A oder B umgehen, man weiß vorher mit wem man sich gut verstehen würde und bei wem Konflikte vorprogrammiert sind… Alles so einfach! -Und ich habe ihnen allen geglaubt, mehr als meinem Papa. Es handelt sich ja immerhin um angewandte Wissenschaft! So saß ich also fest in meiner Kategorie, in meiner inneren Überzeugungen über mich selbst und die Welt. Das Schöne war, ich hatte massiv viel Klarheit über mich, der Nachteil war, ich habe mich mit dem zufriedengegeben was war. So war ich eben. Ende der Geschichte!

Fun-Fact am Rande: Im Privatleben geht es direkt weiter. Selbst bei Tinder wird typisiert was das Zeug hält, damit man ganz einfach sein perfektes Match finden kann.

Ich weiß nicht wie er wieder an die Oberfläche gespült wurde, aber irgendwann war dieser verloren gegangene Glaube daran, dass ich grenzenlos bin, alles erreichen kann, alles lernen kann, was ich nur möchte, wieder da. -Ganz, ganz leise und zaghaft flüsternd irgendwo ganz hinten in meinem Kopf und in meinem Herzen versteckt wurde er irgendwann immer lauter und eines Tages hat er mich angeschrien, bis ich angefangen habe es zu glauben. Und plötzlich, mit Anfang 40 hat sich mir die Welt noch einmal ganz neu geöffnet. Vor mir lagen Träume, Möglichkeiten, Chance in Hülle und Fülle. Ich bin einfach aus meiner vorgesehenen Kategorie gesprungen! Unerhört eigentlich.

Zuschreibungen auf Identitätseben

“Zuschreibungen auf Identitätsebene” hat eine meiner Mentorinnen es immer genannt, wenn Menschen glaubten sagen zu können wie ein anderer Mensch ist, oder wie eben nicht. Zurecht hat sie darauf ziemlich allergisch reagiert. Niemand von uns, auch nicht der bester Persönlichkeitstest dieser Welt, ist in der Lage die menschliche Persönlichkeit allumfassend zu greifen, wahrzunehmen, zu verstehen. Alles das, was das Leben uns serviert sind kontextgebundene Momentaufnahmen unserer Mitmenschen. Und plötzlich kommt eine Instanz daher, nimmt diese kontextgebundene Momentaufnahme und macht sie zu unserer Persönlichkeit, zu unserer Identität, an die wir beginnen zu glauben. So bin ich also! Damit wird nicht nur ein großer Teil meines Ichs unterschlagen. Zusätzlich wird mir gefühlt die Möglichkeit und die Notwendigkeit genommen, mich weiterzuentwickeln. So bin ich eben: gut oder schlecht, erfolgreich oder eine Verliererin, kalt oder emotional, sensibel oder ausgeglichen, ernst oder fröhlich… Ich habe Jahre gebraucht um wirklich davon überzeugt zu sein, dass ich alles sein kann, wenn ich möchte sogar gleichzeitig!

Coaching und Persönlichkeitstests

Grundsätzlich finde ich all diese Persönlichkeitstest gar nicht schlecht. Bitte nicht falsch verstehen. Ihre Nutzung im organisationalen Kontext finde ich häufig nicht hilfreich, ehrlich gesagt sogar falsch! Ich selbst arbeite zum Beispiel immer wieder und sehr erfolgreich mit der Riemann-Thomann-Matrix. Allerdings nutze ich diese Matrix nicht um Menschen aufzuzeigen wie sie sind, sondern um sie dabei zu unterstützen, sich ihren möglichen Entwicklungsraum zu erschließen. Ich zeige ihnen, wie sie außerdem noch sein können.

Riemanns “Grundformen der Angst” sind für mich so etwas wie das “Urkonstrukt” vieler Typisierungen. Fritz Riemann ging es darum psychische Erkrankungen zu verstehen. Er kam zu dem Schluss, dass Menschen, die eine der vier Grundängste (Angst vor Nähe, vor Distanz, vor Dauer und vor Veränderung) ausschließlich und im Extrem empfinden, psychische Erkrankungen entwickeln, die er diesen Ängsten zuordnen konnte. Als Coach arbeite ich nicht diagnostisch. Schaut man sich diese Theorie jedoch ressourcenorientiert an, lässt sich daraus Schlussfolgern, dass der gesunde emotional Zustand das Gefühl der Zerrissenheit zwischen der Angst vor zu viel Nähe und zu viel Distanz und der Angst vor zu viel Dauer und zu viel Veränderung ist. Das heißt, alles ist bereits in uns angelegt, alles ist da und es liegt an uns alles das zu nutzen, bewusst, um vielseitige Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des eigenen Reaktionsrepertoires zu haben.

In meinen Workshops und Coachings nutze ich die Riemann-Thomann-Matrix sehr gerne in Kombination mit den Führungskulturstilen aus dem Harvard Business Review um meinen Coachees oder Teilnehmenden dabei zu helfen, sich im Moment zu orientieren. Zu verstehen, wo ich mich gerade befinde ist wichtig um bewusst und zielgerichtet dorthin zu gehen, wo ich hinmöchte. Ich nutze diese Typisierungen nicht um zu kategorisieren und damit Grenzen zu ziehen, sondern um Räume zu öffnen. Wir sind grenzenlos und alles ist möglich! Ich selbst musste 40 werden, um dieses Satz nicht nur zu verstehen, sondern auch wirklich tief in mir zu glauben und ich stelle mir manchmal vor wie es gewesen wäre, wenn dieser Glaube schon zehn, zwanzig Jahre früher eingetreten wäre, bzw. wenn ich ihn nie verloren hätte. So ist es mir zu einer Art inneren Mission geworden, Menschen dabei zu unterstützen, frei zu sein, frei zu denken, die Kategorien die ihnen zugeschrieben werden, oder die sie sich selbst zuschreiben, abzuschütteln. Und natürlich glaube ich ganz fest daran, dass es irgendwann auch möglich sein wird, dass große Organisationen, von Kindergärten über Schulen und Unis hin zu Konzernen und Unternehmen eines Tages verstehen werden, dass es nicht darum geht, Menschen zu kategorisieren, sondern ihnen zu zeigen, dass sie grenzenlos sind. Ich bin in der Vergangenheit so unendlich viel gereist. Man darf sagen ich habe die Welt gesehen. Die einzigen Grenzen, die ich dabei ausmachen konnte, waren alle ausnahmslos von Menschhand geschaffen. Das gilt, so denke ich, auch für die inneren Grenzen. Somit möchte ich meinen Blog in dieser Woche mit einem Zitat beenden, das schon über 700 Jahre alt ist und aktueller nicht sein könnte. Irgendwann um 1270 notierte ein gewisser Meister Eckhart, seines Zeichens Philosoph und Theologe, folgenden Satz:

“Wir selbst sind die Ursache aller unserer Hindernisse.”

Glaubt nicht alles was man euch sagt oder zuschreibt. Glaubt vielleicht noch nicht einmal alles was ihr selbst denkt oder glaubt!

Eure Constance

Rein in die Schublade und am Besten zuschließen

So ist sie eben! -Ende der Geschichte.

Über unsere vier Grundängste, über Riemann und Thomann und darüber wie Riemanns Ängste zu Thomanns Ansatz zum Konfliktmanagement werden

Meine Ängste, meine Widersprüche

Der Psychoanalytiker Fritz Riemann, der übrigens in dem Jahr verstorben ist, in dem ich geboren wurde (ich weiß, total überflüssige Zusatzinfo!), veröffentlichte 1961 sein Hauptwerk “Grundformen der Angst”. Hierin erklärt Riemann, dass wir Menschen von vier grundlegenden Ängsten gesteuert werden, von denen sich jeweils zwei quasi als Pärchen diametral gegenüberstehen und dadurch ein inneres Spannungsfeld erzeugen, indem sie uns stetig in die eine oder andere Richtung zerren.

Pärchen Nummer eins sind Distanz und Nähe: die Angst vor zu viel Nähe, sich anderen Menschen voll und ganz anzuvertrauen, alle Masken fallen zu lassen und quasi nackt und wehrlos dazustehen, steht der Angst vor Einsamkeit, Distanz und Isolation gegenüber.

Pärchen Nummer zwei sind Veränderung und Dauer, bzw. Beständigkeit: auf der einen Seite haben wir Angst vor Endgültigkeit und davor in unseren festen Bahnen gefangen zu sein, auf der anderen Seite fürchten wir uns aber auch vor Wandel und Vergänglichkeit. Wer kennt ihn nicht, diesen Satz: eigentlich ist alles gut so wie es ist! Eigentlich!

Die kleinen Teufelchen meiner Ängste…

Ich stelle mir diese Ängste gerne wie kleine Teufelchen vor, die sich permanent darum streiten wer wichtiger ist und aus diesen Streitereien, dem Geziehe und Gezerre entsteht meine Persönlichkeit, meine ganz individuelle Balance, die sich zwischen den extremen Polen meiner Ängste einpendelt. Denn kommt es zu einer absoluten Dominanz einer dieser vier Ängste, drohen laut Riemann ernsthafte Erkrankungen: bei einer starken Dominanz der Angst vor Nähe besteht die Gefahr einer schizoiden, bindungsunfähigen Persönlichkeitsstruktur, während die Angst vor Distanz laut Riemann depressiv macht, die Angst vor Veränderung ruft zwanghafte und die Angst vor Dauer und Beständigkeit hysterische Persönlichkeiten hervor. Verrückt, dass es nach Riemann für emotional gesunde Menschen völlig normal ist, sich gelegentlich hin und her gerissen zu fühlen. Irgendwie aber auch total tröstlich! Innere Zweifel und innerer Dialog nicht nur erlaubt, sondern sogar wünschenswert!

Was wir von den Teufelchen unserer Ängste lernen können

Es war der Psychologe Christoph Thomann, der diese Erkenntnisse Riemanns genommen hat um sich die Frage zu stellen, wie man das Wissen um seine Ängste und somit um seine Persönlichkeit für sich nutzen kann. Thomann hat Riemanns Ansatz zu einem ressourcenorientierten Persönlichkeitsmodell weiterentwickelt, dass nicht nur die Schatten-, sondern auch die Sonnenseiten der einzelnen Persönlichkeitsausprägungen darstellt.

Sich damit zu beschäftigen ist, wie ich finde, extrem sinnvoll, weil eine der Hauptursachen für Konflikte darin liegt, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse oder Werte haben, die natürlich durch deren individuellen Persönlichkeitsstruktur geprägt werden und selbstverständlich sind mir Menschen, die ebenso funktionieren oder reagieren, wie ich selbst, von Natur aus näher, als jene, die grundlegend anders reagieren. Die müssen ja irgendetwas falsch machen! Konflikt!

Also nennen wir die vier kleinen Teufelchen nicht mehr Ängste sondern vier Grundbestrebungen, die dem Menschen inne wohnen. Jeder hat das Bedürfnis nach Nähe, Distanz, Wechsel und Dauer, alles auf einmal, gleichzeitig! Die Frage ist, wie stark sind diese einzelnen Bestrebungen bei mir ausgeprägt. Für all jene, die jetzt Lust bekommen haben, sich selbst einzuordnen, hier eine kleine Hilfestellung:

  • Eine starke Nähe-Orientierung sorgt dafür, dass Menschen kontaktfreudig und ausgleichend sind. Sie sind verständnisvoll und akzeptierend. Im Büro sind sie für Harmonie verantwortlich, sorgen dafür, dass alle die Geburtstagskarten unterschreiben. Sie haben stets einen freien Stuhl an ihren Schreibtischen, der auch gerne genutzt wird, weil man ihnen auf Grund ihrer Offenheit und Warmherzigkeit vertraut. Allerdings vermeiden diese Menschen auch gerne Spannungen und Auseinandersetzungen. Weil es ihnen wichtig ist, gemocht zu werden, können sie nur schwer nein sagen oder ihrem Ärger Ausdruck verleihen.

  • Für Menschen mit einer hohen Distanz-Orientierung gilt das Gegenteil: sie wirken sachlich, kühl, unpersönlich und distanziert. Generell arbeiten Distanz-Menschen gerne alleine. Wenn Teamwork notwendig ist, ist es ihnen wichtig, dass Aufgaben klar verteilt und umrissen sind. Unnötiges “Geschwätz”, wie zum Beispiel in Meetings, mag der Distanz-Typ genauso wenig wie kollegiales Zusammensein nach Feierabend. Allerdings macht ihn das alles auch ausgesprochen abgrenzungsfähig. Er kann gut nein sagen, ist ein ausgezeichneter sachlich-kritischer Beobachter und kann sich auch in Konfliktsituationen klar artikulieren. Auch wenn es hitzig wird, ist es ihm wichtig, sachlich richtige, auf Fakten basierende Entscheidungen zu treffen.

  • Menschen mit einer hohen Dauer-Orientierung sind ordentlich, strukturiert, organisiert, gewissenhaft, verfügen über ein scheinbar perfektes Zeit-Management, sie schätzen Listen und Planungssysteme und haben ein ausgeklügeltes Ablagesystem. Allerdings neigen diese Zeitgenossen auch gerne zu Prinzipienreiterei und Dogmatismus, sind konservativ und kontrollierend und wirken fast schon pedantisch. Neuerungen sehen sie ziemlich kritisch.

  • Im Gegensatz dazu steht der Wechsel-Mensch, der kreativ, flexibel und ausgesprochen phantasievoll durch den Arbeitsalltag flattert. Der Schreibtisch versinkt im Chaos und der Terminkalender ebenso. Er ist spontan, mag Risiken und alles was neu und unkonventionell ist. Er ist charmant und unterhaltsam und bringt verdammt viel Farbe in den Büroalltag. Allerdings weicht er Verpflichtungen, Vorschriften und Gesetzen gerne aus, genauso wie den Konsequenzen seines Handelns. Der Wechsel-Typ hat immer noch ein Hintertürchen, durch das er verschwinden kann, wenn es eng wird. Über Pünktlichkeit und Ordnung muss ich in diesem Zusammenhang wohl eher nicht referieren…

Und? Konntet ihr euch ein bisschen einordnen, auf der X- und auch auf der Y-Achse? Das ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zum erfolgreichem Konfliktmanagement.

Weil ein klein wenig Achtsamkeit nicht schadet

Das wirklich interessante an Konflikten ist, dass sie häufig viel mehr mit uns selbst, als mit unserem Konfliktpartner zu tun haben. Es bringt mich nicht weiter, es ganz furchtbar zu finden, dass der Gegenüber ein so verdammter Dauer-Typ ist, so ein verdammter Pedant, nur weil ich damit konfrontiert wurde, dass es Menschen gibt, die mit meinen chaotischen, bunten, kreativen, schönen und unstrukturierten Ansätzen nichts anfangen können. Klar kann ich mich aufregen oder beleidigt sein, es hilft aber nichts, weil es hier kein Richtig oder Falsch gibt! Ist es richtig, ordentliche und strukturiert zu sein? Oder ist es richtig kreativ und flexibel zu sein? Eben! Dann mal auf zu einer kleinen Schritt für Schritt Anleitung zum Umgang mit Konflikten und zu einer wertfreien Betrachtung meiner Kollegen:

  1. Schritt: Achtsamkeit! Ich muss wissen, wie ich selbst funktioniere, um zu verstehen, warum mich die vermeintlich chaotischen Aussagen meines Kollegen rasend machen, oder warum mich dieses permanente Bla-Bla am Schreibtisch gegenüber so sehr nervt, oder, oder, oder…

  2. Schritt: Wenn ich selbst verstanden habe, was “für ein Typ” ich bin, überlege ich, was denn die Tendenzen meines Gegenübers sind und warum sie mich emotional tangieren. Interessanterweise stellen wir dabei nicht selten fest, dass wir besonders häufig mit Typen aneinandergeraten, die uns selbst in der Riemann-Thomann-Matrix diametral gegenüberstehen! Überraschung!

  3. Schritt: Jetzt wird es super einfach! Ich muss mir eigentlich nur kurz überlegen, was mein Gegenüber für Bedürfnisse in Konflikten hat, diese muss ich befriedigen und Konfliktmanagement wird zum Kinderspiel. Das funktioniert natürlich nur, wenn ich es schaffe, mein Gegenüber WERTFREI zu betrachten und das, was mich nerv nicht als zwangsläufig böse gemeint einzuordnen. Genau dazu habe ich mal einen Blog geschrieben. Es ging um Gewaltfreie Kommunikation und innere Haltung, damals, als mir die Giraffe in den Sekt gespuckt hat (verrückte Geschichte!). Den Link zum Blog findet ihr hier falls ihr nochmal nachlesen möchtet.

Kleine Checkliste für alle Fälle

Damit ihr etwas habt, worauf ihr in einer Akutsituation aufbauen könnt, hier in aller Kürze die Bedürfnisse unserer vier Typen in Konflikten:

Der Nähe-Typ braucht in Konflikten unbedingt das Gefühl, dass es um die Sache und auf keinen Fall um ihn als Person geht. Er benötigt das Gefühl, gemocht und geschätzt zu werden und Vertrauen baut er nur auf, wenn ihm zum einen zugehört wird und sich zum anderen auch sein Gegenüber emotional öffnet. Zur Einleitung kann hier ein wenig Smalltalk Wunder wirken. -Etwas, das der Distanz-Typ so gar nicht mag.

Der Distanz-Typ kann Kritik nur akzeptieren, wenn diese sachlich vorgetragen wird. Er mag klare Aussagen und hasst es, wenn um den heißen Brei herumgeredet wird. Was er übrigens noch mehr hasst, ist wenn man versucht, seine Gefühle und Bedürfnisse zu ergründen. Außerdem braucht er etwas Zeit, um die Situation für sich und mit sich zu klären, weshalb man ihm nach dem Konflikt erstmal in Ruhe lassen sollte. Der Nähe-Typ freut sich im Gegensatz zum Distanz-Typ nach einem Konfliktgespräch wahrscheinlich über einen gemeinsamen Kaffee!

Dauer-Typen brauchen Struktur. Vom Hundertstel ins Tausendstel zu kommen, hilft beim Dauer-Typ nicht weiter. Viel mehr braucht er Zahlen, Daten, Fakten, konkrete Beispiele und eine konkrete Übereinkunft, die von beiden Seiten eingehalten wird, gerne auch schriftlich.

Der Wechsel-Typ braucht vor allem zwei Dinge: Verständnis, bzw. Toleranz für seine Emotionen und Freiraum. Er möchte nicht festgenagelt werden und er möchte nicht dafür verdammt werden, wenn er in der Situation Gefühle zeigt. Außerdem ist es ihm wichtig, offen und flexibel auch nach kreativen Lösungsansätzen suchen zu dürfen. Wenn ihr in ein Konflikt- oder Feedbackgespräch mit einem Wechsel-Typ geht, seid großzügig, er meint es nicht so!

Wir sind doch nicht bei “wünsch-dir-was”!

Klar darf die Frage erlaubt sein, warum ich mich auf mein Gegenüber einstellen sollte. Und natürlich kann mich nichts und niemand dazu zwingen, noch nicht einmal im Business. Das schöne ist, dass ich jederzeit selbst entscheiden kann, ob ich eine bestimmte Situation oder einen Konflikt durch ein Gespräch oder Feedback lösen möchte oder nicht. In Hinblick auf das Businessumfeld gebe ich gerne zu bedenken, dass ein funktionierendes Team meine vielleicht wertvollste Ressource darstellt. Um des Erfolgs Willen sollte ich alles tun, was notwendig ist, um dieses Team in einem guten Performance Bereich zu halten. Mit einem schwelenden Konflikt ist das unmöglich. Und ganz ehrlich, wenn ich in einer solchen Situation immer darauf warte, dass der andere den ersten Schritt auf mich zu macht, mache ich mich erstens selbst zu einem armen, passiven Opfer (wer will das schon) und zum anderen kann es durchaus sein, dass dieser andere, der so viele meiner Ressourcen bindet, weil er mich echt wütend macht, noch gar nicht weiß, dass er einen Konflikt mit mir hat, weil er alles so macht wie immer und sich nichts Böses dabei denkt.

Im Prinzip ist es auch gar nicht schwer, ein erfolgreiches Gespräch zu suchen, noch eh der Konflikt eskaliert. Mit der entsprechenden inneren Haltung wird es mit der Zeit sogar immer leichter! Ich habe für mich festgestellt, dass es mir sehr guttut, meinen Mitmenschen per se erstmal nur die besten und positivsten Motive zu unterstellen. Ich habe mich dazu entschieden, dass es absolut in Ordnung ist, wenn jemand nicht genauso tickt wie ich selbst. Es ist nicht besser oder schlechter, weil jeder Mensch Sonnen- und Schattenseiten mitbringt, die all gleichermaßen wertvoll und wichtig sind. Bringt mich eine Verhaltensweise auf die Palme, unterstelle ich meinem Gegenüber auch erstmal keine bösen Absichten. Vielleicht ist es ausgerechnet die totale Pedanterie meines Kollegen, die mich fast in den Wahnsinn treibt, mir aber auf meinem nächsten Flug das Leben rettet, weil ihm etwas auffällt, das ich total kreativ übersehen habe! Im Job geht es darum und zwar nur darum. Unterschiedlichkeit macht ein Team nun mal erfolgreicher. Nur wenn ich diese Unterschiedlichkeit akzeptiere und respektiere fühlen sich auch meine Kollegen anerkannt und sicher, sicher genug, um den Mund aufzumachen, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas schiefläuft. Der Schlüssel zu High Performance im Team! Tja, und da sind wir wieder bei den Giraffen, mir selbst und meiner eigenen inneren Haltung!

Eure Constance

PS: Privat sind total unprofessionelle Streits übrigens voll OK, finde ich!

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Die Riemann-Thomann-Matrix

Und wo ordnet ihr euch ein?