Work-Work-Balance, Resilienz-Coachings und die Kunst der Abgrenzung

Wieviel Privatleben darf es sein?

In der letzten Woche durften mein Mann und ich Hochzeitstag feiern, haben wir aber nicht so richtig, denn wir hatten keine Zeit… Irgendwie haben andere Themen unseren Hochzeitstag überlagert. Abends saßen wir schließlich müde auf der Couch und haben bei einem Espresso und einem Stück Schokolade angestoßen.

Schon verrückt! Wir ziehen diese Arbeitsnummer doch eigentlich nur durch, damit wir uns “das Andere” finanzieren können und trotzdem frisst mich meine Arbeit hier und dort gefühlt auf. Ja, das liegt sicher daran, dass ich meinen Job liebe. Aber ist es das wert? Denn selbst wenn ich aus welchen Gründen auch immer meine geliebte Arbeit verlieren würde, wäre das nicht das Ende. Meine Familie wäre noch da, meine Gesundheit, mein Hund und die Fähigkeit das Leben zu genießen. Eigentlich wäre nichts verloren.

Burnout? - Wenn die Arbeit die Seele auffrisst

In den letzten drei Wochen hatte ich in meiner Rolle als Coach gleich mehrere Gespräche in denen es um das Thema Überlastung ging, Überlastung, die so groß ist, dass die Seele über den Körper nach Hilfe schreit. - Schlafstörungen, Herzrasen, Verdauungsproblem, Magengeschwüre, Ängste, Panik… Unsere Seele scheint recht kreativ zu werden wenn es darum geht, auf sich aufmerksam zu machen. In meiner Rolle als Coach empfinde ich es als besondere Herausforderung gepaart mit einer sehr großen Verantwortung, wann immer ich mit dem Thema Resilienz, Stress oder Burnout konfrontiert werde. Je nach Ausprägung der körperlichen Symptome kann es durchaus möglich sein, dass ich meine Coachees bitte zu einem Arzt zu gehen, weil eine dominante körperlich Symptomatik ärztlich abgeklärt werden muss und ich mir natürlich die Frage stellen muss, wo Coaching aufhören und Therapie anfangen sollte. Auch eine eben solche Situation habe ich in den letzten drei Wochen einmal erlebt. Mein Coachee wusste, dass ich Recht hatte und der Weg zum Arzt von vornherein der sinnvollere gewesen wäre. Dennoch hat mein Coachee den Weg zum Arzt gescheut und kam lieber zu mir. Offensichtlich sind psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft noch immer ausgesprochen schambehaftet. Ich habe noch keinen Menschen erlebt, der sich dafür geschämt hat, sich Arm oder Bein gebrochen zu haben. Hier wird sich die Zeit zur Heilung wie selbstverständlich genommen. Nicht selten habe ich sogar regelrechte Heldengeschichten gehört, wenn es darum ging zu berichten, wie es zum Bruch der Knochen gekommen ist. Warum ist das anders wenn unsere Seele bricht? Auch das kann doch mal passieren. Und wie bei Arm und Bein ist es doch keine Schande sich Zeit zur Heilung zu nehmen. Hier haben wir in meiner Wahrnehmung noch immer ein echtes gesellschaftliches Thema.

Resilienz im Coaching

Wer Burnout verhindern will sollte Resilienz stärken. In einer Welt, die immer dynamischer, komplexer und unübersichtlicher wird und dabei Leistung und Erfolg schon von den Jüngsten einfordert, wird Resilienz zu einer Art Kernkompetenz, die auch im (Business) Coaching eine große Rolle spielt.

Der Begriff Resilienz wird oft mit Widerstandfähigkeit unserer Seele übersetzt, kommt ursprünglich jedoch aus der Physik und beschreibt den Dehnungsmoment einer Feder. Ähnlich wie unterschiedliche Federn weisen unterschiedliche Seelen ganz individuellen Dehnbarkeiten auf. Denn wie bei einer Feder geht es bei unserer Seele nicht darum stabil zu sein, sondern auch mal stark beansprucht zu werden. Eine resiliente Feder springt selbst bei starker Dehnung oder Belastung immer wieder zurück in den ursprünglichen Zustand. Eine resiliente Seele reagiert ähnlich auf Belastungen: sie springt immer wieder zurück in den gesunden, ursprünglichen Zustand und ist bereit für die nächste Turbulenz, die das Leben ihr zu bieten hat.

In zwei Wochen werde ich euch an dieser Stelle etwas tiefer mit in die Welt der Resilienzforschung nehmen. Ich werde beschreiben, wie sich Resilienz über unser Leben hinweg entwickelt und wie wir selbst Einfluss auf unsere ganz individuelle Resilienz nehmen können. Heute möchte ich euch ein Modell vorstellen, das ich als Coach nutze, um meine Coachees dabei zu unterstützen, ihre eigene Resilienz zu verbessern.

Das Burn-O-Meter von Iris Fischer

Vor ziemlich genau zehn Jahren hat die systemische Supervisorin Iris Fischer ihre Methode zur Resilienzstärkung veröffentlich, die ich ausgesprochen gerne nutze, auch wenn ich mit dem Namen Burn-O-Meter ein wenig fremdle.

Iris Fischer stellt im Rahmen ihrer Methode Resilienz auf drei Säulen: Perfektionsstreben, Abgrenzungsfähigkeit und das Feiern von Erfolgen. Diese drei Säulen bekommen jeweils eine Skala von eins bis zehn zugeordnet, auf denen ich meinen Coachee bitte sich jeweils einzuordnen. Ebenso wie Iris Fischer arbeite ich an dieser Stelle am liebsten mit einer systemsichen Strukturaufstellung. Das heißt ich lege sie Säulen inklusive der Skalen auf dem Boden aus und meine Coachees ordnen sich mittels roter Kärtchen ein, die sie dann Schritt für Schritt ablaufen, um ihre Position bewusst körperlich und damit ganzheitlich zu erleben. Natürlich ist es insbesondere auch in der virtuellen Arbeit möglich eine entsprechende Anordnung an einem Whiteboard vorzubereiten und darüber zu arbeiten.

Ihr dürft nun selbst überleben, wie es sich wohl anfühlt, wenn ein hohes Perfektionsstreben, gepaart mit einer geringen Abgrenzungsfähigkeit daherkommt und Erfolge nicht als solche wahrgenommen werden.

Im Rahmen der Coaching-Session lasse ich meine Coachees nun die Regler an den drei Säulen rauf und runter schieben, um herauszufinden, in welchem Feld Bewegung möglich ist um eine bestmögliche Balance zu finden. Bei mir selbst ist es zum Beispiel so, dass mein Perfektionsstreben ausgesprochen hoch ist und mein ganzer Körper sofort negativ reagiert, wenn ich diesen Regler versuche nach unten zu ziehen. Dafür erlaubt mir meine Seele etwas mehr Flexibilität bei der Abgrenzung und ja, ein wenig mehr kann ich meine Erfolge auch feiern. -Aber nicht zu wild, weil ein gutes Ergebnis ist ja schließlich mein Job! Hier wünscht meine Seele keine allzu große Übertreibung, aber ein bisschen feiern ist schon OK!

So hat jede Seele, jedes Unterbewusste ganz eigene Ideen, was möglich ist und was eben absolut nicht. Ihr könnt gerne selbst kurz reflektieren, wo ihr euch mit Blick auf Perfektionsstreben, Abgrenzungsvermögen und Erfolge feiern einordnen würdet und wo Bewegung möglich wäre. Eine gesunde Balance in diesen drei Parametern könnte sich auch für euch resilienzstärkend auswirken. Oder ihr kontaktiert mich und wir schauen gemeinsam drauf, egal ob virtuell oder in meinem gemütlichen Coaching-Zimmer. Allerdings werde ich erst in einer Woche reagieren, denn ich werde mich in den nächsten Tagen ein wenig abgrenzen und meinen Hochzeitstag gebührend feiern. Wir fahren in einen Kurzurlaub mit viel Zeit um in Liebe und Dankbarkeit zurückzuschauen auf die letzten Jahren, auf alles das was wir erreicht und gewonnen haben und natürlich auch auf alles das und vor allem auf alle die, die wir seit der Hochzeit verloren haben. Denn auch das gehört zum Leben dazu und wenn wir eines über die letzten Jahre gelernt haben, dann das wir gemeinsam in der Lage sind auch die fiesesten Tiefschläge des Lebens einzustecken um uns danach wieder neu und gestärkt auszurichten.

Ich verabschiede mich für drei Tage in den wunderschönen Rheingau. Über Instagram gibt es auf Impuls_Consulting sicher das ein oder andere Foto. Euch wünsche ich einen erholsamen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche. In zwei Wochen bin ich an dieser Stelle mit einem Blog zum Thema Resilienz zurück, denn natürlich ist diese Thematik deutlich größer und komplexer als ein Coaching-Modell.

Eure Constance

Bis hierher und nicht weiter!

Abgrenzung! -Mein persönlicher Weg zu mehr Resilienz!

Warum Flugzeuge abstürzen... - Wie Kultur Unternehmensziele unterstützen kann

Die Unfallserie der Korean Airline - Pech? - Mangelhafte Ausbildung? - Veraltete Flugzeuge? - Oder doch etwas ganz anderes?

In den achtziger und neunziger Jahren galt die Korean Air als die Airline weltweit mit den schlechtesten Safety Records, oder etwas reißerisch ausgedrückt als die gefährlichste Airline der Welt. Diese Feststellung speiste sich aus der Tatsache, dass es die Fluggesellschaft seit ihrer Gründung 1962 unter ihren verschiedenen Namen auf sage und schreibe 17 Totalverluste von Flugzeugen gebracht hat. Bei zehn dieser Unfälle kamen insgesamt über 700 Menschen ums Leben. Unter den verlorenen Fliegern waren auch einige Frachtflugzeuge ohne Passagiere und bei einigen der Unglücke konnten es die Passagiere lebend aus den verunglückten Maschinen schaffen. Selbstverständlich wurde akribisch recherchiert welche Ursachen es für die unterschiedlichen Unfälle gab. Hierbei ist eine Art Ursachenhäufung in den Achtzigern und Neunzigern von besonderem Interesse für mich, sowohl in meiner Rolle als Human Factors Trainer in der Luftfahrt, als auch in meiner Rolle als Business Coach und Consultant.

Als sich die Ermittler auf die Suche nach der Ursache für diese Unfälle machten, standen sie immer wieder vor einem Rätsel. Die Piloten waren alle samt gut ausgebildet, erfahren und erfreuten sich bester Gesundheit und auch die Flugzeugtechnik wies keine Mängel auf, die einen Totalverlust rechtfertigten. So suchten die Ermittler weiter und wurden schließlich beim Abhören der Cockpit Voice Records, also der aufgezeichneten Kommunikation im Cockpit, fündig. Was auffiel, war, dass es in der Kommunikation zwischen den Piloten ein interessantes Muster gab.

Denn Kommunikation ist immer Teil des Problems

Bei Analyse der Kommunikation im Cockpit fiel auf, dass die Ersten Offiziere (oder Co-Piloten) ihre Kapitäne niemals direkt und klar ansprachen, selbst wenn sie sehen konnten, dass die Kapitäne glasklare Fehler machten. Vielmehr wählten sie eine Art “Mitigated Speech” (abgeschwächte Sprache), um das Thema zu platzieren. - Wahrscheinlich damit sie den Vorgesetzten nicht verärgerten oder gar bloßstellten. Anstatt augenscheinliche Probleme wie zum Beispiel eine vereiste Tragfläche direkt anzusprechen, wählten die Ersten Offiziere verklausulierte Aussagen oder Andeutungen wie: “Es könnte vielleicht ein Problem mit den Tragflächen geben. Unter Umständen wäre es eine gute Idee sich das einmal anzuschauen und zu prüfen.”

Insbesondere Menschen mit einem hohen Grad an Empathie und Nähebedürfniss neigen dazu in einen “Mitigated Speech” fallen, was sich ganz wunderbar auf die Beziehungseben auswirken kann. Im beruflichen Kontext, wo es häufig um faktenbasierte Entscheidungsfindungen geht, ist diese Form der Rhetorik jedoch selten hilfreich. In diesem Kontext ist zu beobachten, dass diese beziehungsorientierte Form des Sprechens deutlich häufiger in Organisationen mit besonders steiler Hierarchie auftritt.

Zurück in das Cockpit der Korean Air: Der Erste Offizier schlägt also ganz unverbindlich vor doch mal vielleicht unter Umständen und ganz ohne Druck darüber nachzudenken, sich die Tragflächen anzuschauen und der Kapitän sagt nein, mache er nicht, weil er es nicht für notwendig erachte…

Die Unfähigkeit zu sprechen

Jeder Pilot, eigentlich überhaupt jeder, weiß, dass Eis auf den Tragflächen lebensgefährlich ist, weil es sich ausgesprochen ungünstig auf die Aerodynamik eines Flugzeuges auswirkt. Deshalb könnten man meinen, dass der Erste Offizier in unserem Fall etwas vehementer werden müsste, da er sich ja ebenfalls in der Maschine befindet und wir unterstellen, dass er seines Lebens nicht überdrüssig ist. In unserem Beispiel sagt er einfach nichts und verliert sein Leben.

Einen vergleichbaren Vorfall hat es bei der Korean Air Cargo tatsächlich gegeben, in dem der Erste Offizier den Fehler des Kapitäns deutlich gesehen hat, ihm klar war wie man den Flieger hätte vor einem Unfall bewahren können und trotzdem stirbt er lieber, als den Kapitän zu korrigieren.

Um diese Reaktion nachvollziehen zu können ist es wichtig zu verstehen, dass das kulturelle Miteinander im Cockpit der Korean Air Flugzeuge ein Abbild der koreanischen Kultur war, in der Hierarchie und Machtpositionen eine elementare Rolle spielten und zum Teil auch bis heute noch spielen. Der Respekt vor hierarchisch höhergestellten Menschen oder Autoritäten war und ist ausgesprochen groß. Auf die Zusammenarbeit im Cockpit hatte das die Auswirkung, dass Erste Offiziere nicht wie in der Branche üblich Redundanzen und Partner auf Augenhöhe darstellten, sondern reine Befehlsempfänger waren. Der Kapitän hatte die uneingeschränkte Hoheit und das absolute Kommando. Man weiß von Berichten darüber, dass es zu dieser Zeit nicht unüblich war, dass Kapitäne ihre Ersten Offiziere sogar körperlich attackierten, wenn diese einen Fehler machten.

Die Theorie der kulturellen Dimensionen

Es gibt viele Theorien und Ansätze, die das Phänomen Kultur erklären und erläutern. Ein Modell, das ich im Kontext meines heutigen Themas besonders interessant finde, ist das Modell der Kulturdimensionen nach Geert Hofstede. Im Rahmen dieses Modells geht es darum insbesondere kulturelle Unterschiedlichkeit messbar zu machen. In diesem Zusammenhang führt Hofstede sechs Ebenen an, an Hand derer er diese Unterschiedlichkeit messbar oder greifbar machen kann: Genuss und Beschränkung, Kurzzeit- und Langzeitorientierung. Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität und Femininität , Kollektivismus und Individualismus und schließlich die Ebene, die in der Betrachtung unserer Piloten besonders interessant ist: die Ebene der Machtdistanz. Hierfür hat Hofstede den sogenannten Power Distanz Index (PDI) oder Machtdistanzindex entwickelt, der wiedergibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Menschen in einem bestimmten Land gegen Autoritäten aufbegehren. In Ländern mit niedrigem PDI fühlen sich Menschen sicher(er) Machthaber in Frage zu stellen. In Ländern mit hohem PDI wird das aufbegehren gegen Autoritäten (egal ob im beruflichen oder privaten Kontext) schwerer und schwerer bis hin zu unmöglich.

Einen besonders niedrigen PDI findet man laut Hofstede in den USA, den skandinavischen Ländern und in Deutschland. Südkorea hingegen hatte in den 1980er Jahren den zweithöchsten PDI der Welt. Die ersten Offiziere in der Reihen von Unfällen der Korean Air waren durch kulturelle Umstände und Regeln wie gelähmt. Sie konnten schlicht und ergreifend nicht aufbegehren.

Herkunftskultur vs. Unternehmenskultur

Nachdem die Gutachten der Unfallermittler veröffentlicht waren mussten sich die Verantwortlichen bei Korean Air natürlich die Frage stellen, wie sie mit diesen faktischen Aussagen als Unternehmen umgehen möchten. Zunächst wurde Englisch als verbindliche Sprache im Cockpit eingeführt, da Englisch deutlich weniger hierarchisch ist, als Koreanisch. Außerdem wurden und werden immer wieder Piloten aus anderen Ländern eingestellt um die herkunftskulturelle Prägung der Pilotenschaft bei Korean Air aufzubrechen. So hat sich Korean Air bewusst eine Unternehmenskultur geschaffen, die von der originären Kultur in Südkorea abweicht. Dieser eingeschlagene Weg der Fluggesellschaft scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Seit 1999 gab es bei Korean Air keinen ähnlich gelagerten nennenswerten Zwischenfall mehr.

Betrachte ich mir diese Zusammenhänge in meiner Rolle als Business Coach und Consultant wird es mir noch einmal bewusst, wie wichtig es für Organisationen oder Unternehmen ist, sich die Kulturfrage zu stellen und die eigene Kultur bewusst zu gestalten. Die Frage danach, wofür ich als Organisation meine Kultur nutzen möchte, oder was das Ziel meiner ganz individuellen Unternehmenskultur ist, sollte hierbei im Fokus stehen. Ist das Ziel klar lässt sich schließlich definieren mit welchen Maßnahmen man auf dieses Ziel hinarbeiten kann. Korean Air ist für mich ein ganz wunderbar greifbares Beispiel aus der Luftfahrt, um zu belegen, dass bewusst gesteuerter unternehmenskultureller Wandel möglich ist. Schaue ich auf die Welt jenseits der Flugzeuge fällt mir direkt Nokia ein. Auch hier musste Unternehmenskultur bewusst und gesteuert verändert werden, um eine wirtschaftliche Schieflage zu korrigieren.

In meiner Rolle als Mitarbeiterin stellt sich für mich natürlich auch die zusätzliche Frage, welchen Machtdistanzindex ich in meinem Unternehmen und selbstverständlich auch in meinem Team vermuten würde und ob das so für mich passt, oder ob ich ihn verändern würde, wenn ich dazu in der Lage wäre. Vielleicht geht es euch ja ähnlich. Also fühlt euch eingeladen, darüber bei einer Tasse Kaffee am Sonntagmorgen nachzudenken, wenn ihr möchtet! - Und lasst mir gerne ein Feedback zu euren Erkenntnissen da.

Eure Constance

Hoch hinaus

Es geht nur mit der passenden gemeinsamen Basis, mit den oft ungeschriebenen Regeln des Miteinanders, das wir als Kultur bezeichnen. Sie macht uns als als Gemeinschaft entweder unendlich stark oder sehr verwundbar.

Buridians Esel und die Möglichkeiten von Entscheidungs-Coachings

Das oder das oder doch etwas ganz anderes?

Es war einmal ein durstiger, hungriger Esel, der genau in der Mitte zwischen einem Eimer Wasser und einem Heuhaufen stand und verzweifelt den Kopf hin und her schwenkte. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er zuerst fressen oder trinken sollte. Schließlich starb das Tier - an Hunger und Durst!

Dieses Gleichnis wird dem gelehrten Jean Buridian zugeschrieben, der um 1300 geboren wurde. Wahrscheinlich ist es sogar noch viel älter und geht auf den Philosophen Al-Ghazali zurück. Das heißt das Motiv, sich nicht entscheiden zu können, scheint so alt wie die Menschheit. Die Situation des Esels können wir alle sicher gut nachempfinden. Je länger wir in einer als Dilemma empfundenen Situation nachdenken, desto klarer wird, dass sich die Argumente für und wider die Waage halten. Daraus resultiert häufig die Angst zum Falschen ja oder nein zu sagen. Mein alter Herr pflegte zu sagen, dass das Leben in der Form unendlich vieler Möglichkeiten auf uns einprasselt, die wir ganz sicher auch immer erkennen, sobald wir sie vertan haben!

Im Prinzip muss man das Gleichnis von Buridians Esel so lesen, als dass nicht die Entscheidung an sich uns verzweifeln lässt, sondern das Sich-Nicht-Entscheiden-Können uns immer tiefer in die Verzweiflung treibt. Dabei geht es in unserer ausgesprochen dynamischen und komplexen Welt nicht primär darum sich richtig zu entscheiden, sondern vielmehr darum sich überhaupt zu entscheiden. Nicht selten ist die einzig wirklich falsche Entscheidung die Entscheidung, die nicht getroffen wird, beruflich wie privat. Die Welt dreht sich stetig und gnadenlos weiter und wir Menschen sind gut beraten hier flexibel mitzugehen, damit sie uns nicht überrollt.

Entscheidungs-Coachings als Element im Business-Coaching

In meiner Rolle als Coach kenne ich diese Entscheidungsdilemmata nicht nur aus dem eigenen Erleben, sondern auch immer und immer wieder aus dem Erleben meiner Kundinnen und Kunden. Und wer soll es ihnen verdenken. Es ist nicht einfach in dieser verrückten Welt, in der gefühlt alle auf einen schauen, man glaubt omnipräsent zu sein und manchmal denkt, dass alle anderen nur darauf warten, dass man selbst einen Fehler macht. Gefühle von Angst und Lähmung sind hier nur zu verständlich. Wie gehe ich als Coach mit dieser Gemengelage um? Wie unterstütze ich meine Coachees dabei, eine für sie passende Entscheidung zu treffen und diese auch umzusetzen? Im Prinzip habe ich hierfür zwei Lieblingsmodell, mit denen ich arbeite. -Was nicht heißt, dass andere Modell schlechter sind! Meine beiden Liebsten möchte ich euch heute gerne vorstellen. Eines als Hilfe zur Selbsthilfe und eines um euch ein Modell vorzustellen, mit den ihr im Rahmen einer Coaching-Session gemeinsam mit einem systemischen Coach arbeiten könnt.

Analytische Entscheidungsfindung mit dem FOR-DEC-Modell

Das erste Modell, das ich auch in Coachings gerne nutze, verfolgt mich bereits seit fast 25 Jahren, da es seinen Ursprung in der Luftfahrt hat und Piloten, bzw. Crews dabei unterstützen soll, analytische Entscheidungen auch unter großem Stress und Ungewissheit zu treffen. Wahrscheinlich hat es auch den inzwischen berühmten Sully Sullenberger dabei unterstützt, seinerzeit die Blitzentscheidung auf dem Hudson zu landen, zu treffen. Es ist ebenso simpel wie effektiv und ihr seid herzlich eingeladen, es für euch zu nutzen.

Bei FOR-DEC handelt es sich um ein Akronym aus den Worten “Befor Decision” und soll Menschen in unklaren Situationen helfen, eine schnelle und analytische Entscheidung zu treffen. Im Prinzip ist es wie eine Check-Liste, die sequenziell abgearbeitet wird. Dabei stehen die sechs Buchstaben für folgende Schritte:

  1. F für Facts: Man beginnt mit einer Faktensammlung. Welche Informationen habe ich? Wichtig ist in diesem Schritt eine bewusste Unterscheidung von Fakten und Annahmen zu vollziehen.

  2. O für Options: Welche möglichen Optionen habe ich? Hierbei ist es erfahrungsgemäß ausgesprochen hilfreich nicht nach der zweiten möglichen Option aufzuhören. In vielen Situationen, die wir als Entweder-Oder erleben, gibt es zumeist noch mehr Möglichkeiten, die es zu betrachten gilt. Dabei ist selbstverständlich auch die Frage, was ich überhaupt erreichen möchte, wichtig.

  3. R für Risks & Benefits: Wie sind die einzelnen Optionen mit Blick auf Für und Wider einzuwerten?

  4. D für Decision: Dann muss entschieden werden. Diesen Punkt kann man sich auch im Rahmen des FOR-DEC-Modells nicht ersparen.

  5. E für Execution: Wie genau setze ich die Entscheidung um? Welche konkreten Schritt müssen wann von wem gegangen werden? Was ist mein Anteil?

  6. C für Check: An einem bestimmten Punkt (und dieser kommt in der Luftfahrt zumeist deutlich schneller als in meinen üblichen Business-Coaching-Kontexten) muss ich überprüfen, ob meine Entscheidung zum gewünschten Erfolg geführt hat. Dazu muss ich natürlich auch meine eigenen Erfolgskriterien kennen. Passt alles, fein, passt es nicht, zurück auf Anfang, denn dann habe ich nicht alle Fakten berücksichtigt… So kann ich mit FOR-DEC zu mindestens ein Stück weit die Angst vor sogenannten falschen Entscheidungen nehmen. Im Prinzip ist es ein Kreislauf, der der Dynamik des Umfelds gut Rechnung tragen kann.

Mit meinen Coachees arbeite ich in der ersten Session zumeist an den Punkten 1. bis 5. und für den Check vereinbaren wir, so gewünscht einen weiteren Termin. - Oder sie bekommen, so wie ihr, eine kleine Anleitung und dürfen selbst aktiv werden.

Das Tetralemma - Entweder, oder, sowohl, als auch oder doch ganz anders

Die zweite Methode, die ich im Rahmen von Entscheidungs-Coachings ausgesprochen gerne nutze, ist das sogenannte Tetralemma nach Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd, die ein Schema aus der indischen Logik genutzt haben, um daraus eine systemsiche Strukturaufstellung zu entwickeln. Wie die Bezeichnung Strukturaufstellung vermuten lässt, handelt es sich um eine Form der gemeinsamen Arbeit, in der der Raum genutzt wird. Das heißt jede der fünf Positionen bekommt einen Platz im Raum zugeordnet, die der Coachee nacheinander abschreitet. Dazwischen geht es physisch und gedanklich immer wieder zurück auf eine Metaposition, die meinen Coachees die Möglichkeit gibt, sich selbst von außen zu betrachten.

Ziel des Tetralemmas ist es, den Entscheidungs- und Handlungsraum innerhalb eines sogenannten Dilemmas zu erweitern. Ausgegangen wird von zwei Optionen: “Das eine” und “das andere” die direkt auch die ersten beiden Optionen im Tetralemma darstellen. Die dritte Position ist “Beides” was integratives Denken und eine Kompromissbereitschaft in Betracht ziehen soll. Die vierte Position ist eine Art paradoxe Position, die dazu dient, die Absolutheit von “entweder-oder” abzuschwächen und die “keins von beidem” genannt wird. Die fünfte Position führt sogar noch über die vierte Position hinaus und stellt eine Form der reflexiven Musterunterbrechung dar. Sie nennt sich “alles dies nicht und selbst das nicht”. Sie ermöglicht es den Coachees sich von den vorherigen Punkten zu lösen und somit auch die als Dilemma empfundene ursprüngliche Fragestellung hinter sich zu lassen.

Für einen kompletten Prozess plane ich für gewöhnlich nicht mit einer bei mir üblichen 60-minütigen Coaching-Session, sondern mit 90 Minuten. Während dieser Zeit beobachte ich immer wieder, wie meine Coachees ihren Entscheidungs- und somit auch Einflusshorizont stetig erweitern und nicht selten erlebe ich, dass die Entscheidung, die meine Coachees im Anschluss treffen, jenseits von “entweder-oder” liegen

Zurück zum Esel…

Tja, hätte Buridians Eseln nur einen Coach gehabt… Gestorben wäre er sicher nicht. Vielleicht denkt ihr ja an das arme Eselchen, wenn ihr das nächste Mal glaubt, euch in einem Entweder-Oder-Dilemma zu befinden und vielleicht könnt ihr euch dann sogar mit den FOR-DEC-Modell wunderbar selbst helfen, oder ihr meldet euch und bucht ein Entscheidungs-Coaching bei mir. Das Tetralemma ist eine ausgesprochen ganzheitliche und effektive Methode, die deutlich effektiver und klarer wirkt, wenn sie von einem erfahrenen systemsichen Coach begleitet wird. Auch ich coache mich in einem solchen Kontext nicht selbst, sondern wende mich vertrauensvoll an eine Kollegin oder einen Kollegen und lasse mich kompetent begleiten.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Mein gerade zu klärendes Dilemma ist, ob ich erst bügeln oder erst ein wenig auf der Coach liegen möchte… Ich denke, das schaffe ich ohne Coach!

Eure Constance

So oder besser so oder besser doch so

Gefangen im Entscheidungsdilemma