Warum Reden Silber und Schweigen noch immer Gold ist...

Schon Oma hat es gewusst…

Ich war von jeher ein recht gesprächiges Wesen. Als Kind hatte ich sicher das Potenzial Menschen die Ohren blutig zu quatschen. So habe ich diesen alten Spruch meiner Oma “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!” nie wirklich gemocht, konnte ich doch meine Klappe einfach nicht halten, wusste aber dank Omas Weisheiten, dass das nicht der beste Weg war. So hatte ich schon recht früh immer mal wieder das Gefühl, irgendwie falsch, oder wenigsten nicht ganz richtig zu sein.

Ich wurde älter und auch ein klein wenig stiller. “Wer spricht von Kuchen, dass der Krümel sich meldet?” Die Direktive war, den “Großen” zuzuhören und schweigend zu lernen. Ich war dabei halbwegs erfolgreich, denke ich wenigstens. Die Schulzeit habe ich von einer Handvoll Eklats abgesehen unbeschadet durchlaufen. Gut, einmal musste mir ein Lehrer in mein Zeugnis schreiben, dass einige meiner Ausführungen zu emotional seien… Aber was soll ich sagen, emotional betrachtet war ich im Recht. Recht hin Recht her, zu Reden hat mir trotzdem nur Scherereien eingebracht.

Ich wurde also zum Schweigen erzogen, ebenso wie unzählige junge Menschen in unserer schönen Welt. So kam ich mit Anfang zwanzig zur Condor und plötzlich wurde von mir erwartet, den Mund aufzumachen, zu sprechen oder auch kritisch zu hinterfragen. Und das nicht obwohl ich jung und unerfahren war, sondern weil ich jung und unerfahren war. Mir wurde erklärt, warum eben auch diese Perspektive wichtig für ein Team ist, um erfolgreich in einer komplexen und dynamischen Welt agieren zu können. Was für ein Kulturschock! Aus dem einst so frei plappernden Kind, dem taktlosen und emotionalen Teenager wurde eine junge Frau, der es fast unmöglich war, offen und kritisch zu sprechen, obwohl sie sogar dazu aufgefordert wurde. Ich gebe zu, selbst heute muss ich mich manchmal ganz besonders ermutigen, bestimmte Fragen zu stellen, oder Feedback zu geben.

Ein gesellschaftliches Paradox

Ich schreibe das hier nicht, um die große Frage aufzuwerfen, ob unser Bildungssystem noch zeitgemäß ist, oder ob es jungen Menschen tatsächlich die Werte und Fähigkeiten vermittelt, die in der schönen neuen Welt der New Work unbedingt gebraucht werden. Diese Frage wird sich hoffentlich an anderer Stelle gestellt, an einer Stelle, die tatsächlich Einfluss nehmen kann. Ich konstatiere einfach, dass mein Werdegang vom Kind zur Berufstätigen mir die Fähigkeit in Teilen genommen hat, die laut Harvard Professorin Amy C. Edmondson diejenige Fähigkeit ist, die es am dringlichsten braucht, um in einem dynamischen und komplexen Umfeld erfolgreich zu sein.

In ihrem Buch “Die angstfreie Organisation” stellt Edmondson eine interessante Rechnung auf, warum Schweigen eben doch noch immer Gold ist und in unserer internen Abrechnung immer wieder gegen Reden gewinnt.

Wer profitiert davon, wenn ich spreche, unangenehme Fragen stelle und mich dem daraus resultierenden Gegenwind aussetze? Oder sogar Fehler öffentlich zugebe, die ansonsten keiner mitbekommen hat? - Ganz klar: die Organisation und /oder mein Kunde. Wann wird dieser Mehrwert spürbar? - Für gewöhnlich erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Und wie sicher ist es, dass dieser Mehrwert sich auch wirklich einstellt? - Auf jeden Fall nicht hundert Prozent sicher! Wie viele Situationen habe ich schon erlebt, in denen reden mir nichts als Stress eingebracht hat?

Schaue ich mir hingegen an, wer davon profitiert, dass ich schweige, dann bin ich das selbst. Außerdem profitiere ich sofort und ohne Zeitverzögerung, ganz, ganz sicher, denn ich vermeide Gegenwind, Nachfragen, potentielle Schuldzuweisungen, Konflikte und so weiter. “Be Grey!” lautet die Überlebensstrategie im Business…

Meine Bilanzrechnung ist hier sehr eindeutig! Denn diese Bewertung wurde mir kulturell anerzogen und Kultur lässt sich nun mal nicht über Nacht ändern. Allerdings verändert sich unsere Welt manchmal sogar mehrfach über Nacht. Die Dynamik unserer Zeit ist immens. Aus diesem Grund sind Organisationen sehr gut beraten, sich über dieses Reden-Schweigen-Dilemma Gedanken zu machen und sich zu Fragen wie sie es schaffen diesen inneren Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen.

Psychological Safety… - Mal wieder!

So landen wir einmal mehr bei diesem Thema, das mich seit Jahren umtreibt. Stellt euch vor, wir würden uns in unseren Organisationen so sicher fühlen, wie ich als Kind bei meiner Oma? So sicher, dass wir sprechen, einfach so? - Denn wir wüssten, dass uns niemand böse wäre, dass man uns zuhören und wohlwollend mit unseren Fehlern und Fehltritten umgehen würde, da wir ja noch am Lernen sind! Stellt euch vor, wir würden uns in einem Umfeld wiederfinden, in dem wir ganz sicher wüssten, dass jeder uns mit absolutem Wohlwollen betrachtet? Utopisch sagt ihr? Ja, klar, der Weg ist lang, fordert er von uns doch nicht mehr und nicht weniger als eine kulturelle Revolution, weg vom Misstrauen und Besserwissen hin zu einem wohlwollenden Menschenbild. So würde sie lebendig werden, die lernende Organisation wie sie Amy C. Edmondson immer wieder beschreibt.

Einfach nur den ersten Schritt gehen

Ja, ich gebe zu, diese lernenden Organisationen stehen vor uns wie ein riesiger und unbezwingbarer Berg. Vielleicht fühlt ihr euch vor diesem Berg so klein und unbedeutend wie ich. Diese Perspektive lädt auf jeden Fall zur Resignation ein. Mir hilft es dann, mich nicht auf den ganzen Berg, sondern auf meinen nächsten Schritt zu konzentrieren. Und sind wir mal ehrlich, was oder wer hält mich ganz persönlich davon ab, anderen mit dieser wohlwollenden Haltung zu begegnen? Gelegentlich ist es höchstens mein eigener innerer Tasmanischer Teufel, der manchmal Spaß daran hat, mit mir Achterbahn zu fahren. Er setzt mir Flausen in den Kopf, die mich glauben lassen, dass mein Gegenüber gegen mich ist, mich ärgern oder ausstechen will. Dahin ist die wohlwollenden Haltung und ich bin im Überlebenskampf. Vielleicht ist jeder weitere Schritt Richtung Gipfel jeder einzelne Moment, in dem es mir gelingt, mich nicht von diesem kleinen Quälgeist führen zu lassen, sondern ihn zu führen und auf die stille Treppe zu verbannen, ein Schritt hin zu diesen sagenumwobenen lernenden Organisationen.

Betrachten wir uns, wie Kultur entsteht, oder wie sie sich verändert, dann handelt es sich dabei niemals um Handlungsdirektiven, die von oben oder von außen vorgegeben werden. Die tatsächliche Kultur wird immer von denjenigen definiert, die sie leben, tagtäglich. Und vielleicht haben ja ein paar von euch Lust, Kultur zu verändern und als ersten Schritt mit der eigenen inneren Haltung zu beginnen. Ich glaube jedenfalls ganz fest daran, dass es unendlich viele Menschen gibt, die diesen Wandel mittragen. Deshalb glaube ich auch ganz fest an die Idee der psychologisch sicheren und lernenden Organisation und werde nicht müde diese mitgestalten zu wollen.

Habt einen wunderschönen Sonntag. Redet und hört wohlwollend zu, auch euren Kindern und Teenagern. Sie sind unsere Zukunft und es wird sehr wichtig sein, dass sie alle ihr Potenzial einbringen können, um diese Welt zu bewahren und besser zu machen. Dazu müssen sie angstfrei reden können, anstatt unsicher zu schweigen. Denn Reden ist Gold und Schweigen ist Stillstand!

Eure Constance

PS: In zwei Wochen wird mein Blog pausieren. Ich werde in Kassel sein, auf dem Jahreskongress der Milton Erickson Gesellschaft. Unter der Überschrift “Out of Fear” werde ich mich ein langes Wochenende damit beschäftigen, welche Möglichkeiten ich als Coach im Umgang mit Ängsten habe. Und ja, Ängste spielen auch im Business Coaching eine Rolle. Angst vor Veränderung, Angst vor Jobverlust, Angst vor Digitalisierung, Angst nicht gut genug zu sein, nicht (mehr) mithalten zu können… All diese Ängste sind sehr aktuell und haben das Potenzial ganze Organisationen zu lähmen. Auf LinkedIn und Instagram nehme ich euch mit auf die Reise und in drei Wochen gibt es meinen nächsten Blog, der sicher das ein oder andere Takeaway beinhalten wird.

Speak up! Aber höchstens ganz leise…

Warum Schweigen Stillstand und Reden Gold ist

Next Level Führung: Vulnerable Leadership als Frage zur und Antwort auf die schöne neue Welt im Business

Wieviel Persönlichkeitsentwicklung darf ich als Coach erwarten?

Ich gebe zu, als ich zum ersten Mal in einer Überschrift zu einem Artikel über erfolgreiche Führung gelesen haben, dass der neuste, heißeste Scheiß nun “Vulnerable Leadership” sei, war ich nur mäßig begeistert. Reicht es nicht, wenn ich mit Begriffen wie Servant Leadership, Humble Leadership, Managerial Coaching und True Leadership um mich schmeiße? Irgendwann werfen mich die Führungskräfte, die ich begleite, einfach raus! -Und ich könnte es verstehen. Wieviel “Changeability” darf ich als Coach und Consultant erwarten und wann überspanne ich den Bogen?

Aus Neugier habe ich trotzdem weitergelesen und ja, es stimmt, das Thema Verletzlichkeit taucht in den letzten Monaten zunehmend als DIE Führungsqualität immer wieder auf, egal ob in Fachartikeln, Konferenzen oder Podcasts. Es scheint, als sei diese Eigenschaft besonders in Krisen oder Situationen mit hoher Dynamik und Komplexität von großem Nutzen.

Verletzlich und stark zu gleich?

Natürlich ist die Frage berechtigt, ob ich gerade in Krisen nicht eher eine Führungskraft benötige, die stark vorweg geht und mir so Sicherheit gibt. Kann mir jemand, der sich verletzlich zeigt das Gefühl von Sicherheit geben? Keine Ahnung! Ich formuliere die Frage mal anders: Kann mir jemand, der ebenso fehlbar ist, wie ich selbst es bin, das Gefühl von Nähe oder Nahbarkeit geben? Und gibt mir das dann zusätzliches Vertrauen? Und wächst über dieses Vertrauen auch mein subjektiv empfundenes Sicherheitsgefühl an? Noch eine Frage habe ich: Braucht es nicht verdammt viel Mut und Stärke, seine eigenen Unzulänglichkeiten offen zu teilen?

Entlastung durch Verletzlichkeit

Während der Corona-Pandemie hat der Abwesenheitsagent einer weiblichen Führungskraft bei Microsoft für einiges an Aufsehen gesorgt. Es war zu lesen, dass die Dame im Homeoffice arbeite, was in ihrem Fall bedeute, dass sie in einem Haus voller pubertierender Teenager und Eltern sei, die abwechselnd in Lebenskrisen geraten. Arbeiten bedeute für sie gerade, Mails dreimal lesen zu müssen um sie zu verstehen. Aus diesem Grunde bitte sie um Geduld hinsichtlich ihrer Antwort.

Die Intention diese Abwesenheitsnotiz war natürlich, sich selbst zu entlasten und Raum zu schaffen, indem ein glasklares Erwartungsmanagement betrieben wurde. Smarte Taktik. Denn wer sich nicht ständig schützen und verteidigen muss, hat mehr Zeit für seine eigentliche Arbeit. Was jedoch zusätzlich passierte war, dass viele Kollegen sich durch diese Nachricht direkt an ihre eigenen Homeoffice-Situation erinnert fühlten. Es kam also zu einem ausgezeichneten Identifikationsangebot, was unglaubliche Nähe aufbaut. Zusätzlich hat die Verfasserin sich als Mensch erlebbar gemacht, auch für alle “Nicht-Eltern”, was ebenfalls Nähe aufbaut.

Diese Form der Selbstoffenbarung erfordert natürlich verdammt viel Mut, neigen wir Menschen doch dazu uns lieber auf mögliche negative Konsequenzen unseres Handelns zu fokussieren. Natürlich kann es auch passieren, dass Selbstoffenbarungen negativ aufgenommen werden, jedoch wiegen die positiven Effekte besonders im organisationalen Kontext deutlich höher.

Wie wirkt sich Vulnerable Leadership aus?

Im Prinzip ist Vulnerable Leadership, bzw. die dahinterstehende Verletzlichkeit eine der Säulen für das, was die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson als Psychological Safety beschreibt. Diese subjektiv empfundene Sicherheit auf Ebene jedes Mitarbeitenden ist die absolute Voraussetzung dafür, dass Organisationen nachhaltig erfolgreich in einem dynamischen und komplexen Umfeld agieren können. Nicht zu Letzt das Projekt “Aristoteles”, mit dem Google seinerzeit bewiesen hat, dass der Unterschied zwischen besonders erfolgreichen und eher durchschnittlichen Teams das Level der subjektiv empfundenen Sicherheit der einzelnen Teammitglieder war, hat diesen Zusammenhang glasklar bewiesen. So wird Psychological Safety zunehmend zu einem Heiligen Gral der Unternehmen. Denn Hochleistung ist natürlich das was alle wollen und so fragen sich die Wirtschaftsorganisationen auch zunehmend, wie man die Rahmenbedingungen dafür schaffen kann, dass sich diese sagenumwobene Psychological Safety auch in ihren Reihen einstellt. Tja, liebe Unternehmen, legt euch vulnerable Führende zu. Professor Adam Grant hat hierzu gemeinsam mit seinem damaligen Doktoranden Constantinos Coutifaris eine Studie mit Führungskräften durchgeführt, in deren Rahmen sie die Probanden in vier Gruppen einteilten. Die erste Gruppe war aufgerufen, ihre Teams regelmäßig um Feedback zu ihrem Verhalten zu bitten. Gruppe zwei musste ihren Teams von negativen Feedbacks, die sie selbst von ihren Führungskräften bekommen haben, erzählen. Gruppe drei sollte beides tun und Gruppe vier war die Vergleichsgruppe, die nicht anders machen sollte als bisher. Nach einer Woche waren keinerlei Veränderungen messbar, nach einem Jahr jedoch war eine deutlich verbesserte subjektiv empfundenen psychologische Sicherheit bei denjenigen Teams messbar, deren Führungskräfte von eigenen Misserfolgen berichteten. -Unabhängig davon, ob diese Führenden noch zusätzlich um Feedback gebeten haben, oder nicht.

Nun braucht es also Leader mit Mut

An der Universität in St. Gallen kam man in einer ähnlichen Versuchsreihe zu ähnlichen Ergebnissen. Der verantwortliche Professor Wolfgang Jenewein kam über diese Arbeit zu der Empfehlung, Unternehmen sollen bei der Auswahl ihrer Führungskräfte vor allem darauf achten, Menschen einzustellen, die mutig genug sind, sich verletzlich zu zeigen. Jenewein nennt das “Egostärke”. Konkret benennt die Studie aus St. Gallen, dass es Chefs brauche, die in der Lage seien, mit eigenen Fehlern offen und transparent umzugehen und Zweifel oder kritische Situationen im Unternehmen anzusprechen. Zusätzlich müssten die Führungskräfte verfügbar sein und sich Zeit für ihre Teams nehmen. Nur ganz am Rande erwähnt, leiten die Forschenden aus ihrer Arbeit klar ab, dass Frauen diese Form von Egostärke und Empathie deutlich häufiger mitbringen als Männer… Jenewein geht sogar so weit, Unternehmen zu empfehlen, aus benannten Gründen Frauen bewusst in Richtung Führungspositionen zu fördern.

Weinende CEOs im Townhall mit 500 Mitarbeitenden?

Wie weit darf diese Verletzlichkeit jedoch gehen? Wo sind Grenzen? Ich stelle mir ein Townhall mit dem CEO meines Unternehmens vor, der angesichts der wirtschaftlichen Lage coram publico in Tränen ausbricht. Nein, das fühlt sich nicht gut an, Identifikationsangebot hin oder her. Ich würde sofort von Angst und Sorgen überflutet werden. Beruhigend fände ich jedoch, wenn dieser CEO in seinem Team aus Führenden offen sagen würde, wenn er Hilfe braucht oder nicht weiterweiß.

Wie finden Führende nun also die richtige oder angemessene Balance zwischen Verletzlichkeit und Stärke? Tja, wahrscheinlich ist es am Ende ein großer Lernprozess, der ganz sicher viel Mut braucht, um sich auszuprobieren und seinen eigenen und damit auch authentischen Weg zu finden.

Beispiele gibt es inzwischen einige. Mit CultureAmp, einer Australischen Plattform für Employee Experience, gibt es inzwischen sogar ein Unternehmen, das den Mut zur Verletzlichkeit als Basis für den Verhaltenskodex des Unternehmens gewählt hat, und zwar ganz bewusst. So werden Mitarbeitende immer wieder ermutigt, Ideen zu äußern, ohne Angst davor zu haben, dass es falsch sein könne, denn scheitern gehört zur Firmenkultur. Es entsteht eine wirklich offenen Feedback-Kultur aus der wiederum eine transparente Fehlerkultur entsteht. Denn eine jede offene und ehrliche Fehlerkultur setzt voraus, dass nicht nur das Lernpotenzial von Fehlern anerkannt wird, sondern auch der subjektive Schmerz des Scheiterns.

Tja, so beginnt auch der lange Weg hin zur lernenden Organisation mit einem ersten kleinen Schritt, der so simpel und so unglaublich schwer ist, wie die Worte “ich kann nicht mehr und brauche Hilfe…”.

Habt einen wunderschönen Sonntag.

Eure Constance

Die ideale Führungskraft

Wie sieht sie aus?

Let me be my Valentine! - Das Geheimnis weiblichen Erfolgs

“Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze!”

Diesen Satz postulierte dereinst schon der gute alte Oscar Wilde. Und recht hatte er, der alte Schwerenöter!

Am 14. Februar ist Valentinstag und ich bekommen schon seit Tagen Werbung diversester Blumenlieferdienste. Valentinstag, das Fest der Verliebten! “Let me be your Valentine!” Wisst ihr schon, wem ihr diesen Satz in diesem Jahr schenkt? Nach der Lektüre von Marianne Heiß Buch “Yes she can” habe ich mich entschieden, diesen Satz in diesem Jahr nicht exklusiv für meinen Mann zu reservieren. In erster Linie habe ich mich entschieden, ihn mir selbst zu schenken. “Let me be my Valentine!” -Selbstliebe am Tag der Verliebten! Denn erstens fühlt es sich gut an und schenkt man Marianne Heiß und diversen Wissenschaftler*innen Glaube, macht mich das auch noch erfolgreich(er).

Life is a cabaret…

Warum sollte mich Selbstliebe erfolgreicher machen? Ich bleibe mal bei den englischsprachigen Schriftstellern und fahre mit einem Zitat von Shakespeare fort: “Die Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler (…)” hat der Großmeister des Dramas schon vor langer Zeit sehr vortrefflich erkannt. Tatsächlich hat unser Sozialverhalten einiges mit der Rollenwelt im Theater gemeinsam. So beschreibt es auch Erving Goffman in seinem Buch “Wir alle spielen Theater”. Tatsächlich nehmen wir in unserem Leben aus taktischen und strategischen Gründen unterschiedliche Rollen an. Hierbei geht es immer auch um Selbst-Marketing oder Impression-Management, wie er es nennt. Der Unterschied zum Theater ist, dass gute Schauspieler ihre Rollen bewusst und ganzheitlich spielen, wir Menschen unsere Rollen jedoch nur in Teilen bewusste einnehmen. Freuds Eisbergmodell geht davon aus, dass wir nur etwa 20 Prozent unserer Körpersprache bewusst steuern können. -Zu wenig für die große Illusion. Die verbleibenden 80 Prozent spiegeln unsere tatsächliche innere Haltung oder Überzeugung. -Offen lesbar für alle um uns herum.

Im Tagesgeschäft des menschlichen Miteinanders spielt dieses Impression-Management eine elementare Rolle. Zitate wie “There is never a second chance for a first impression” erspare ich uns mal. Fakt ist, dass wir unsere Mitmenschen permanent scannen, um sie über den Eindruck, den sie auf uns machen, in bestimmte Schubladen zu stecken. Das geschieht unbewusst und ist ein Weg unseres Gehirns Ordnung und Klarheit in die Komplexität unseres Alltags zu bringen. Und nun frage ich euch ganz offen: jemand der bei euch in der Schublade “eher unklar und unsicher, zweifelt an sich selbst” steckt, würdet ihr diese Person für eine Führungsposition auswählen?

Ein bisschen Imposter hier und ein bisschen Hochstaplerin da…

Schon Ende der 70er Jahre prägte die US-amerikanische Psychologin Pauline Clance von der Georgia State University in Atlanta den Begriff des Hochstaplersyndroms, Neuhochdeutsch auch gerne Imposter-Syndrom. Sie beschrieb, dass es Menschen gibt, die trotz sehr guter Leistungen permanent an sich selbst zweifeln. Sie haben Angst, dabei ertappt zu werden, dass sie eigentlich nicht ausreichend qualifiziert oder gut genug für ihre Position sind. Schon damals stellte Clance fest, dass vor allem Frauen davon betroffen sind. Sie deckte auf, dass besonders Frauen unter dem Gedanken leiden, ihren Erfolg nicht verdient zu haben. Inzwischen geben ihr diverse wissenschaftliche Studien recht. Frauen lenken ihre Aufmerksamkeit eher auf Schwächen während Männer eher zur Selbstüberschätzung neigen. Frauen entschuldigen sich häufiger als Männer, weil Männer weniger Situationen als entschuldigungswürdig wahrnehmen. Irgendwie scheinen Frauen im Bereich Impression-Management den Männern unterlegen zu sein. -Zumindest in Hinblick auf Business und Karriere. Klar, Gefühle wie Selbstzweifel, Angst und Unsicherheit vertragen sich auf den ersten Blick nicht mit Management-Positionen. Wie war das mit den Schubladen? Manager müssen angstfrei und absolut selbstsicher sein. Echte Leader eben!

Lernende Organisationen sind weiblich

Im Management, in der Politik und wahrscheinlich in unserer gesamten Gesellschaft herrscht noch immer eine Kultur der Stärke und Sicherheit, eine Kultur, die es vermeidet, Fehler oder Versäumnisse transparent zu machen. Während in der Wissenschaft und der Forschung nach Fehlern und Schwächen gesucht wird, werden sie in der Wirtschaft gerne vertuscht. In einer immer dynamischeren und komplexeren Umwelt sind Fehler jedoch systemimmanent und das Lernen aus Fehlern wird für Organisationen zu einer der wichtigsten Erfolgsvoraussetzung. Schwachstellen klar benennen und sich weiterentwickeln um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist das Geheimnis von sogenannten lernenden Organisationen. -Jenen Organisationen, die laut Harvard-Professorin Amy C. Edmondson auf lange Frist die einzig nachhaltig erfolgreichen sein werden. Vielleicht heißt das ja dann tatsächlich, dass die Zukunft des (erfolgreichen und nachhaltigen) Managements weiblich ist. Vielleicht hat Marianne Heiß wirklich recht. Vielleicht bringen wir Frauen genau das mit, was lernende Organisationen unbedingt brauchen: den offenen Umgang mit Fehlern und den Fokus auf Schwachstellen, um immer besser zu werden. -Gepaart mit dem Wissen niemals abschließend perfekt zu sein, weil sich die Welt im Außen einfach zu schnell verändert und wir permanent damit beschäftigt sind, uns dieser Veränderung anzupassen. Trotzdem, oder vielleicht sogar deshalb wird Impression-Management auch weiterhin entscheidend sein. Es ist eine Art Türöffner dafür, dass ich überhaupt die Chance bekomme, erfolgreich agieren zu können, die Kultur einer lernenden Organisation gestalten zu dürfen. Also lege ich los und fange an daran zu glauben, dass meine exakten Kenntnisse meiner Schwächen und Schwachstellen eine verdammte Stärke sind, ein verdammter Markvorteil. Ich fange an mich großartig zu finden, so wie ich bin, ein großartiges, starkes Gesamtpaket. -Ja, ein Gesamtpaket mit Schwächen, aber auch mit großen Stärken. Und ich beginne damit, meine Erfolge zu feiern und zu kommunizieren. Immerhin habe ich hart dafür gearbeitet. Selbstliebe als Erfolgsrezept hört sich gut an! “Let me be my Valentine!” - Und dann ist einfach alles möglich! Vielleicht bestelle ich mir einfach selbst einen riesengroßen Blumenstrauß! Alles ist möglich! “Yes she can!” Deshalb möchte ich diesen Artikel mit einem weiteren Zitat von Shakespeare beschließen, mit meinem Lieblingszitat aus seinem letzten Werk “Der Sturm”:

Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind (...).

Lasst uns also mutig sein und träumen, im vollsten Vertrauen auf uns selbst. Denn sind wir mal ehrlich, eigentlich sind wir selbst häufig unsere einzige Grenze.

Genießt euren Sonntag und habt einen Valentinstag voller (Selbst-)Liebe.

Eure Constance

PS: Für alle die, die sehr gerne anfangen möchten sich selbst mehr zu lieben, aber keine Ahnung haben, was sie dafür konkret tun können hier ein paar Ideen: Vielleicht beginnst Du damit, Komplimente einfach dankend anzunehmen ohne sie offen oder in Deinem Kopf zu relativieren. Oder Du nimmst Dir jeden Abend kurz Zeit drei Dinge, die Dir an diesem Tag besonders gut gelungen sind, auf die Du stolz bist, aufzuschreiben und morgens nach dem Aufstehen liest Du Dir das ganze nochmal durch. Unter Umständen passt es auch besser zu Dir, etwas freundlicher und wertschätzender zu sprechen. Es gibt Studien, die besagen, dass wir fast 90 Prozent der Kommunikation in unserem Leben im inneren Dialog verbringen. Er ist immer da, läuft ganz nebenbei und selten hören wir bewusst hin. Höre ich mir jedoch immer mal wieder bewusst dabei zu wie ich mit mir selbst spreche, ist das häufig wenig respektvoll und wertschätzend und selten so wie ich mit jemanden sprechen würde, den ich wirklich liebe…

Let me be my valentine!

Wie Selbstliebe erfolgreich macht.