Über die heilige Ordnung der Männer! - Und das Blut in den Schuhen der Frauen...

Rucke di gu, rucke di gu, Blut ist im Schuh…

Mein Instagram-Netzwerk hat bereits mitbekommen, dass ich mich zum Jahreswechsel mit Gerhard Schwarz’ Buch “Die heilige Ordnung der Männer” beschäftigt habe. - Eine absolute Leseempfehlung! Auf gut 300 Seiten beschreibt Schwarz wie sich evolutionshistorisch betrachtet Gruppen, Stämme und Gruppendynamiken entwickelt haben, die ihrerseits Hierarchien, Gesellschaftsordnungen, Organisationsstrukturen hervorgebracht haben. Es ist unmöglich, diese Flut an Informationen in nur einen einzigen Artikel zu pressen. Jedoch möchte ich mich heute mit einem kleinen Teil beschäftigen: Gemeinsam mit Euch möchte ich etwas tiefer in das Thema Hierarchie und Geschlechterproblematik einsteigen, da dies nicht nur auf Organisationsebene das Kernthema rund um unsere gegenwärtige Genderlogik zu sein scheint.

So beschreibt Schwarz, dass Hierarchie an sich eine Ordnung sei, die stärker von Männern als von Frauen getragen wird. Klassische, historische Hierarchieordnungen wie zum Beispiel Kirche oder Militär schließen oder schlossen Frauen sogar explizit aus. So wurde also die Hälfte der Menschheit beim Bau der allgemein gültigen Ordnungsprinzipien außen vorgelassen. Hierarchie wurde als Ordnungsprinzip unserer Gesellschaft zu einer Art Maßanzug für Männer, der perfekt sitzend nach ihrem Schnitt gefertigt wurde. Bei uns Frauen und der Hierarchie verhält es sich ähnlich wie mit Aschenputtels Schuh im Märchen: Der Fuß muss passend gemacht werden, ein Stück Ferse muss ab, damit der Schuh passt. So sei laut Schwarz der grundlegendste Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Hierarchien unserer Wirtschaftsunternehmen, dass sich die Idee der Hierarchie den Männern angepasst hat und die Frauen sich der Hierarchie als Ordnungsprinzip anpassen müssen. Recht ungleiche Voraussetzungen für Erfolg, wenn Ihr mich fragt!

Jagende Männer und mütterliche Versorgungsgemeinschaften…

Was ist der Ursprung dieses Dilemmas? Reisen wir zurück in die Zeit, in denen Menschen in Höhlen lebten (wobei, eigentlich reicht es schon in Zeiten vor Alice Schwarzer zurückzukehren!). Es waren Männer, die sich zu straff organisierten (hierarchischen) Jagdgruppen zusammengefunden haben, den Vorläufern unserer Unternehmen. Die Frauen fanden sich in mütterlichen Versorgungsgemeinschaften (mit den eigenen Müttern, Schwiegermüttern, ggf. noch Schwestern) zusammen, die sich um Haus, Hof und den Nachwuchs kümmerten. Diese natürliche, aber auch sehr stringente Geschlechtertrennung brachte selbstverständlich auch unterschiedliches Rollenverhalten hervor. Männer netzwerkten im großen Stil um schlagfertige Jagdgruppen zu formieren und Frauen lebten in einem eher kleinen Mikrokosmos und kümmerten sich um sich selbst und die engste Familie. Während die Jagd strategisches Vorgehen erforderte, bedeutete kümmern häufig, sich flexibel an eine neue Situation anzupassen. So weit so einleuchtend! Die aus diesen unterschiedlichen Alltagsrealitäten resultierenden Rollen wurden über die Jahrtausende zu einem immer festeren Korsett. So wurde und wird ein nicht geschlechterspezifisches Handeln von Frauen bis heute in den unterschiedlichsten Formen bestraft. Insgesamt dauerte es ohnehin recht lange, bis man uns Frauen eine größere Rollenflexibilität zugestanden hat, bzw. bis wir Frauen begonnen haben, uns aus unserer untergeordneten Rolle zu befreien. Es gibt Länder und Kulturen, in denen das bis heute nicht möglich ist. Schauen wir nach Afghanistan, werden Frauen und Mädchen wieder zunehmend in den Mikrokosmos der mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zurückgedrängt. Im Iran hingegen kämpfen Frauen todesmutig für mehr Freiheit, bzw. eine größere Rollenflexibilität wie Schwarz es nennt.

Von den Trümmerfrauen zurück zu den Hausmütterchen

Dass Frauen keineswegs nur auf die ihnen zugestandene Rolle beschränkt sind, hat die Geschichte immer und immer wieder bewiesen. Als der Opa meines Mannes im Krieg war, war es seine Oma, liebevoll Oma-Häuschen genannt, die einen großen Bauernhof mit Land und Leuten alleine führte, Entscheidungen traf und nebenbei auch noch ihre Mutterrolle ausfüllte. Kaum war der Krieg zu Ende waren es die legendären Trümmerfrauen, die damit begonnen haben, das Land wieder aufzubauen. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese großartigen, starken Frauen ihre Positionen bereitwillig aufgaben, sobald die Männer wieder zurück waren… Es dauerte noch eine Weile, bis sich Frauen hier in Deutschland unter dem Protest und der Häme der Männer politisch engagierten, oder eine Karriere anstrebten. Verrückt eigentlich. Ein ganz schöner Kampf. Aber immerhin ist es inzwischen “normal”, dass auch Frau arbeitet. Auf den Führungsetagen sind sie jedoch nach wie vor ausgesprochen rar, trotz Frauenquoten, Förderprogrammen, etc. Warum eigentlich? Liegt es am Maßanzug “Hierarchie”, der Brüste und Taille nicht abbildet? Oder sind Frauen vielleicht nicht klug oder nicht fleißig genug?

Können Frauen Karriere machen?

Eine Frage die in Anbetracht der gesellschaftlichen Realität und des evolutionshistorischen Rollenverständnisses durchaus erlaubt sein darf. Lange Zeit stand das schlechtere Bildungsniveau von Mädchen und Frauen der Karriere im Weg. Inzwischen haben Mädchen den Jungs längst den Rang abgelaufen. Offensichtlich braucht es für Karriere jedoch mehr als eine gute Ausbildung.

Gleich mehrere Untersuchungen ergaben, dass Frauen aufgrund einer stärker empfundenen Loyalität und dem Gefühl ihr Umfeld nicht im Stich lassen zu dürfen, seltener den Arbeitsplatz wechseln. Allerdings ist ein regelmäßiger Jobwechsel häufig ein wahrer Karriere Booster.

Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen eine größere Leistung erbringen, wenn sie Erfüllung und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Beides finden Frauen deutlich häufiger als Männer darin Verantwortung für andere zu übernehmen und Beziehungen auch auf der Arbeit aufzubauen. Auch das macht loyal. Hinzu kommt, dass Frauen weniger Sinn darin sehen, ein klares Ranking zu erstellen, als Männer. Frauen fällt es mehrheitlich schwer, offen in Konkurrenz zu anderen zu gehen, was ihnen häufig als Schwäche ausgelegt wird. Tja, der Hierarchie-Maßanzug passt Frau eben nicht! Außerdem denken Frauen weniger in Positionen, als in Personen und natürlich fühlt es sich für viele kalt an, Personen zu ersetzen. Allerdings ist es für die Karriere unabdingbar Positionen zu ersetzen oder zu übernehmen. So und nur so geht es eben voran!

Hinter all dem steckt natürlich der Kerngedanke, dass Frauen das Beziehungsgeflecht häufig wichtiger ist, als die Aufgabe. Auch das lässt sich mit den uralten, fast naturgegebenen Rollen erklären. Bei der Jagd war es immanent wichtig, dass ein jeder seine individuelle Aufgabe oder Position erfüllt oder ausfüllt und damit zum Erfolg beiträgt. In mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zuhause hat man im kleinen, familiären Kreis geschaut, was ansteht und sich dementsprechend gemeinsam gekümmert. Für dieses “gemeinsam” war eine stabile und positive Beziehung und Anpassungsfähigkeit das A und O. Zum Jagen reichte strategisches Verständnis, klar verteilte Positionen und Disziplin.

Und trotzdem, oder gerade deshalb können Frauen Karriere machen

Diese andere Rolle, die Frauen Jahrtausende geübt haben, bring jenseits des Unbehagens mit Hierarchien jedoch auch knallharte Vorteile mit, die Frauen zu wertvollen Ressourcen machen und ihnen den Weg hin zu einer glänzenden Karriere ebenen sollten. - Und meine Herren, die folgenden Liste ist nicht von mir, sondern wissenschaftlich evaluiert und von Gerhard Schwarz zusammengetragen:

  • Frauen sind gesundheitlich belastbarer (Anm. der Autorin: Bis hierher keine Überraschung!)

  • Frauen sind Multitasking-fähiger

  • Frauen haben eine höhere emotionale Intelligenz

  • Frauen sind loyaler

  • Frauen haben eine höhere Risikobereitschaft im Sinne von Widerspruchsbereitschaft, geben also offener Feedback und hinterfragen eher

Auch das dumme Argument, junge Frauen nicht einzustellen, weil sie schwangerschaftsbedingt ausfallen könnten, zieht nicht mehr. Denn junge Männer wechseln statistisch bewiesen deutlich häufiger das Unternehmen, was sicher auch nicht der Traum eines jeden Chefs ist!

Und doch hat Frau es häufig schwer: Warren Buffets “Lucky Sperm Club”

Diesem Phänomen der Männergesellschaften, das Warren Buffet süffisant als “Lucky Sperm Club” beschreibt, habe ich ja bereits einen eigenen Artikel gewidmet allerdings muss ich diese exklusiven Männergesellschaften auch hier wieder einmal in unser aller Gedächtnis rufen, tragen sie doch maßgeblich dazu bei, dass Frau trotz all ihrer wertvollen Ressourcen häufig nicht bis an die Spitze vordringt! Diese Männer-Gangs haben ihren Ursprung in den alten Jagdgruppen, in denen klare Hierarchien, Positionen und Gleichschaltung hinter dem Anführer stark zum Erfolg beigetragen haben. Frauen kennen diese Form von Verschworenheit nicht, weil sie evolutionshistorisch betrachtet keinen Nutzen aus Gleichschaltung und Einheitlichkeit hinter der Führung ziehen konnten. Das stammesgeschichtliche Erbe der Frauen sei es laut Schwarz auf individuelle Unterschiede zu reagieren, Beziehungen aufzubauen und mikrosoziale Netzwerke (also Familien) zu pflegen. Frauen haben stets ihr Überleben und das ihrer Kinder gesichert und mussten zu diesem Zweck ausgesprochen flexibel agieren, mit Fokus auf ein sehr kleines soziales Umfeld. Es gibt sogar Ansätze, die behaupten, dass Frauen gemeinsam nicht so stark seien, wie allein. Wenn das stimmt, erklärt sich von allein, dass Frauen sich in ihren Verhaltensmustern von Männern unterscheiden und sich zum Beispiel auch weniger stark unterstützen, als Männer es untereinander tun, um bestimmte hierarchische Positionen zu erreichen. Den “Lucky Ovum Club” gibt es eben nicht!

Rucke di gu, rucke di gu, kein Blut mehr im Schuh?

Viele Erklärungsversuche, weshalb Frauen deutlich seltener in Führungspositionen kommen, als Männer orientieren sich an vermeintlichen Defiziten von Frauen. Um diese Defizite zu überwinden, werden Frauenquoten eingeführt, da Frauen selbstverständlich eine Bereicherung für jede Führungsetage darstellen. Kognitive Diversität schadet eben nie. Jedoch möchte ich nach der Lektüre von Schwarz’ wunderbarer Abhandlung gerne die Frage in den Raum stellen, ob nicht das System selbst das Problem darstellt! Vielleicht ist die Hierarchie selbst der größte Hinderungsgrund für Frauen in Führungspositionen zu gehen… Laut Schwarz ist uns Ladies dabei immer Blut im Schuh gewiss. Im Rahmen von männlich geprägten Hierarchien kommen Frauen nicht umhin, sich einen Schuh anzuziehen, der ihnen nicht passt. Das ist auf die ein oder andere Art immer schmerzhaft. Ein Preis, den nicht jede bereit ist zu zahlen! Aber wie wäre es dann mal mit neuen Organisationsformen und wirklich neuen Führungsansätzen?

Ich versprechen das Thema in den nächsten Wochen noch einmal aufzugreifen und davon zu berichten, was Führung jenseits von hierarchiebedingter “Positional Power” ausmachen kann.

Ich freue mich auf Euer Feedback und wünsche Euch einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Rucke di gu rucke di gu…

Zieh Dir den Schuh an, wenn er Dir passt… Und wenn nicht, dann trotzdem!

Der Sinn des Lebens - Ein Weihnachts-Blog

Zeit inne zu halten?

Der Sinn des Lebens! Worüber könnte ich heute, am Heiligen Abend sonst schreiben? In meinem letzten Blog habe ich Euch mit auf meine rastlose Reise durch mein kleines Leben genommen. Ich habe Euch erzählt wie schnell und wie stetig sich meine Welt dreht. Keine Zeit inne zu halten! Aber es gibt diese Hand voll Tage, an denen meine kleine Welt stillsteht, an denen ich mir Zeit nehme, Zeit zu reflektieren, Zeit mich zu fragen wofür das Ganze! Was ist der Sinn meiner, Eurer, unserer Existenz? Ein gigantisches, fröhliches, erschreckendes, trauriges, erfolgreiches, verrücktes, schockierendes Jahr geht langsam zu Ende. Und die Frage muss erlaubt sein: Wofür das alles? Du wirst geboren, Du isst und trinkst und schläfst und rennst und lachst und weinst und zack ist alles auch schon wieder vorbei. Was ist der Sinn? Es ist Weihnachten, ich mache eine kurze Pause und denke nach.

Das ein oder andere Konzept

Auf meiner Suche nach dem Sinn bin ich über so einige Konzepte gestolpert. Ich suche ja auch schon eine Weile. Manche haben mir besser, andere weniger gut gefallen.

Aus evolutionärer oder biologischer Perspektive betrachtet, ist mein Leben ganz und gar sinnlos, denn ich habe es eindeutig versäumt, meine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. So gesehen wird von mir nichts übrigbleiben. Ich bin hier, verbrauche Ressourcen und doch werde ich nichts hinterlassen. -Ganz und gar sinnlos!

Schau ich auf meine wunderbaren Stiefkinder glaube ich jedoch nicht, dass so gar nichts von mir übrig bleibt. Ich bin mir sicher, es gibt Momente, die Laura und Daniel in ihren Herzen abgespeichert haben, die sicher deutlich länger Teil dieser Welt bleiben, als ich. Erst letztes Wochenende haben wir über diesen einen Urlaub in Amsterdam gesprochen… Das Lachen und die Liebe bleibt in ihren Herzen und ich bin mir sicher, sie werde beides irgendwie weitergeben. Was ist da schon Genetik? Liebe ist doch so viel mehr!

Mein Papa hielt es mit dem Sinn des Lebens wie Aristoteles: „Sein Leben hat nur Bedeutung, wenn er versucht etwas zu erreichen und nach seinen Zielen strebt.“ Für meinen Papa war der Sinn des Lebens, das Ziel seines Lebens, seinen Geist immer weiter zu entwickeln. Es war unglaublich wichtig für ihn, stetig zu lernen. Wissen war sein Sinn, sein Purpose. Er wollte begreifen und verstehen. Das gab er auch sehr konsequent an uns Kinder weiter. Es gab Momente, in denen habe ich es gehasst, heute glaube ich fest daran, dass das der Grundstein für meine Neugier war. Dann wurde Papa krank und es wurde sehr bald deutlich, dass er diese Krankheit nicht würde besiegen können. Er würde nicht gesund werden. Wie geht man damit um, wenn man seine eigene Endlichkeit so gnadenlos vor Augen geführt bekommt? Eine Weltreise, nochmal etwas ganz besonders tun, die Bucket List abhaken? Papa hat sich für Alltag und Normalität entschieden. Offensicht war es der Alltag, den er bewusst erleben wollte. Nichts hatte für ihn einen größeren Zauber, mehr Sinn. Ich erinnere mich an unser letztes Weihnachten. Am Morgen des Heiligen Abend hatten wir uns mal wieder gestritten. Wir waren und sind recht meinugsstabil! Das sorgt immer mal wieder für hitzige Diskussionen. Papa stand mit Tränen in den Augen vor meiner Tür und hat mich gebeten einfach nur Weihnachten zu feiern. Es war ein ganz normales, unspektakuläres Weihnachten. Alles wie immer und trotzdem so wertvoll. Ähnlich war es mit meiner Freundin Tracey: Der Krebs tobte schon überall in Tracey Körper, als wir nochmal einen Tag gemeinsam verbringen wollten. Es war kein außergewöhnlicher Tag. Wir waren an Orten, die wir nur zu gut kannten, schließlich gab es Wein und Käse in einem Weingut, in dem wir schon so oft waren und zum Abschluss haben wir einen Sonnenuntergang genossen, wie wir ihn schon so oft genossen haben. Noch ein Glas Wein, eine letzte Umarmung… Ein Tag voller Zauber, voller Zauber des Normalen! Ist das Normale also der Sinn? Geht es vielleicht um den Moment und um die Menschen mit denen wir diesen Moment teilen? Ist das der Sinn?

In meinem beruflichen Umfeld spielt das Thema Purpose immer wieder eine zentrale Rolle. Was ist unser Purpose? Unser Sinn, der wie ganz selbstverständlich häufig eng mit einem Ziel verknüpft ist. Aber ist das Ziel wirklich der Sinn? Habt Ihr ein Lebensziel? Ich habe natürlich eines. Aber was ist, wenn ich aus welchen Gründen auch immer mein Ziel nicht erreiche? Was wenn mir die Zeit fehlt, oder mein Ziel zu groß ist? Wird mein Leben dann sinnlos gewesen sein? In einer ganz und gar zielversessenen Gesellschaft erscheint das Leben oft linear, wie eine Art Lebenslinie, ausgerichtet auf dies und das. Was aber wenn unser Leben gar keine Linie ist, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Punkte, einzelner Momente, jeder für sich mit Sinnhaftigkeit gefüllt? Ich glaube nicht, dass es um ein Ziel geht, dessen Erreichung mit so vielen Faktoren und einer guten Portion Glück zusammenhängt. Ja, ich habe meinen Purpose. Aber ist das mein Sinn? Bin ich hier um ein Ziel zu erreichen? Ich erinnere mich an dieses letzte große Gespräch mit meinem Papa, damals auf dem Krankenhausflur. Ich haben ihm versucht zu erklären, dass der Sinn für mich unabhängig vom Ziel sei. Leider fehlten mir damals noch die passenden Worte, die das was ich spürte beschreiben konnte. Ich habe meinem Papa versucht von all den einzelnen Punkten zu erzählen, die für mich Sinn ergaben. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass mein Lebenssinn all die zauberhaften Momente sind, die ich mit anderen Menschen teilen konnte… -Jede wilde Party, jedes gemeinsame Erlebnis. Mein Leben damals bestand daraus, Menschen kennenzulernen, Verbindungen einzugehen und gemeinsam unvergessliche Momente zu schaffen, die auf ewig in unseren Herzen bleiben. -So wie damals im Familienurlaub in Amsterdam!

Alfred Adler, der Psychologe der zum Philosophen wurde

Auf der Suche nach Worten, die meinen Sinn des Lebens bestmöglich beschreiben, bin ich vor einigen Jahren schließlich bei dem österreichischen Psychologen Alfred Adler fündig geworden. Der Begründer der Individualpsychologie, dessen Ansätze Einfluss auf so große Geister wie Viktor Frankl und Abraham Maslow hatten, entwickelte im Laufe seines Wirkens zunehmend auch einen geradezu philosophischen Anspruch. In seinem späten Werk “Der Sinn des Lebens”, das 1933 erschien, beschreibt Adler zwei unterschiedliche Bedeutungen des Sinns. Zum einen beschreibt er den Sinn, den ein Mensch in seinem Leben sucht und sicher auch findet und der sehr eng mit dem Selbstbild und den eigenen Meinungen und Perspektiven, aber auch mit den Meinungen und Perspektiven der anderen zusammenhängt. - Papas Verständnis, dass wir auf dieser Welt sind, um unseren Geist stetig weiterzuentwickeln, oder mein Purpose. Dieser Sinn ist recht greifbar, quasi “SMART”, kann deshalb aber auch verfehlt werden. Die KPIs unseres Lebens! -Ganz in Aristoteles‘ Sinn.

Die zweite Bedeutung hinter dem Sinn des Lebens beschreibt Adler als den “wahren” Sinn. Dieser Sinn liegt laut Adler jenseits von Erfahrungen oder Meinungen und kann deshalb auch nicht verfehlt werden. Jedoch muss man aufpassen, dass man ihn bei all dieser rastlosen Rennerei, die unser Leben heute oft mit sich bringt, nicht übersieht.

“Nach einem Sinn des Lebens zu fragen hat nur Wert und Bedeutung, wenn man das Bezugssystem Mensch-Kosmos im Auge hat.” A. Adler

Die Anforderung des Kosmos an die Menschheit ist für Adler die stetige Entwicklung, und zwar die stetige gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer idealen, friedlichen und gerechten Gesellschaft der Zukunft, ganz nach dem Kant’schen Ideal. Und wie kommen wir dort hin? -In dem wir in Verbindung gehen, uns bewusst als Teil einer Gesellschaft sehen und unser Tun auch immer im gesellschaftlichen Kontext betrachten. Es geht nur gemeinsam! Dieses Mantra der New Work Bewegung ist so alt wie die Menschheit selbst und ist laut Adler eben der wahre Sinn des Lebens. Was das bedeutet: Ich liebe und ich werde geliebt! -Der Sinn des Lebens! Die Basis dafür ist laut Adler übrigens Selbstliebe, oder wie er es beschreibt: Die Überwindung unserer angeborenen Minderwertigkeitskomplexe.

Du liebst und Du wirst geliebt! - Das ist was wirklich zählt

So sitze ich also hier, am Morgen des Heiligen Abends. Im Radio läuft John Lennon. - War is over if you want it, war is over now… Wie weit entfernt könnten wir als Gesellschaft dieser Tage vom Kant’schen Ideal sein? - Ukraine, Afghanistan, Iran, Äthiopien… Und all der Hunger, der Hass, all die Ungerechtigkeiten, die mangelnde Nachhaltigkeit, die sterbende Natur… Aber Adler sagte ja ganz klar, es gehe nicht darum, diese Gesellschaft zu sein, sondern sich Schritt für Schritt zu eben dieser Gesellschaft zu entwickeln. Die Benchmark ist die Entwicklung selbst! Und wenn ich meine Augen und mein Herz öffne, sehe ich überall auch sehr viel Solidarität und Zusammenhalt, Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen und so für wunderschöne Momente, einzelne kleine Punkte auf unserer Reise durchs Leben, sorgen.

Ich wünsche Euch und Euren Liebsten wunderschöne, friedliche Weihnachten. Schafft Euch zauberhafte Momente, schöne Erinnerung und gebt Euren Leben so den wahren Sinn im Adler’schen Gedanke. Geht in Verbindung mit anderen, ob im kleinen Kreis, oder im großen und macht die Welt so ein wenig glücklicher.

Ich werde heute nur sehr klein feiern, den Abend genießen, aber auch all die leeren Stühle an meinem Tische betrachten und all die wertvollen Erinnerung der Vergangenheit wieder in mein Bewusstsein rufen. So viele zauberhafte Punkte! Und morgen wird dann groß gefeiert, mit Familie und vor allem mit vielen Freunden, die ich zum Teil schon aus Kindertagen kenne und die nun ihre eigenen Kinder mitbringen. Ich bin in Verbindung. Überall finde ich helfende Hände und ich selbst reiche meine eigene Hand wann immer ich kann. So wird jeder Tag sinnvoll und wertvoll. Was braucht es da noch an größeren Zielen?

Du liebst und Du wirst geliebt und das ist der Sinn…

Frohe Weihnachten.

Eure Constance

Der Sinn des Lebens

Denn Du liebst und Du wirst geliebt…

Hünstetten-Maastricht und zurück! Das Ende eines verrückten Jahres...

… und vielleicht auch nur der Anfang eines noch verrückteren Jahres

Einmal mehr neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Für mich war es ein besonders verrücktes Jahr und nicht zuletzt deshalb habe ich entschieden, diesen vorletzten Artikel im Jahr 2022 zu einem ganz persönlichen zu machen.

Hünstetten-Maastricht: 252 Kilometer, die es in sich hatten

All jene unter Euch, die mir auch in den sozialen Medien folgen, haben mitbekommen, dass ich in der letzten Woche Gastgeber eines Workshops für Studierende im Master-Jahr Wirtschaftspsychologie an der Universität Maastricht sein durfte. Eine Ehre, die mir das Gefühl gibt, riesengroß und winzig klein zugleich zu sein. Ich habe diesen Traum, diesen Purpose, die Welt zu verändern, sie (noch) lebenswerter zu machen, indem ich Menschen dabei unterstütze gerne zur Arbeit zu gehen, ihr Potenzial voll zu nutzen und ihre Ressourcen möglichst komplett einzubringen. Wie könnte ich wirksamer sein, als in der Arbeit mit jungen Menschen, den Menschen, die unsere Zukunft fest in ihren Händen halten und die all jene zwingend notwendigen (gesellschaftlichen) Veränderungen umsetzen werden, von denen wir immer wieder (nur) sprechen? Als die Anfrage aus Maastricht kam, ob ich Interesse daran hätte, einen Workshop im Rahmen des Master-Jahres durchzuführen, konnte ich mein Glück kaum fassen. Natürlich war ich sofort Feuer und Flamme. Das Konzept und der Workshop selbst entwickelten sich quasi von alleine, ist mir doch schon seit Jahren klar, was ich diesen jungen Menschen mitgeben möchte.

Alles war wie in einem Traum und erst im Auto auf dem Weg von Hünstetten nach Maastricht wurde mir bewusst was gerade passiert und natürlich kam ich nicht umhin, mich zu fragen wie das alles passieren konnte. Gefühlt habe ich mein Leben auf 252 Kilometern wie einen Film vor mir ablaufen lassen: Meine Kindheit, meine Eltern, die ich leider schon so lange vermisse, jeden Tag. Mir wurde bewusst, dass ich sie an diesem Tag ganz besonders vermisste. Niemand auf dieser Welt würde so stolz auf mich sein, wie sie es gewesen wären. Meine Mama wäre stolz auf das, was ich erreicht habe, mein Papa wäre stolz darauf, dass ich mir selbst treu geblieben bin, dass ich mich nicht verbogen habe. Es würde nicht ein Teil von mir, ein professioneller und ambitionierter Teil von mir sein, der am nächsten Tag am Pult der Uni stehen sollte. Ich würde es sein, ich selbst in all meinen Facetten und meiner gesamten Persönlichkeit, mit Stärken und Schwächen, mit meinen Fehlern und all meinen Flausen im Kopf würde dort stehen. Vielleicht kann man im Leben nicht mehr erreichen, als man selbst sein zu können.

So flog ich über die A3. Der Himmel war recht grau, aber auch das konnte meine Laune nicht trüben. Ich genoss jeden Kilometer. Irgendwo im Nirgendwo habe ich mir einen Kaffee gegönnt. Der wahrscheinlich beste Raststätten-Kaffee aller Zeiten. Ich saß da, schaute auf die Autobahn und fühlte mich ziemlich groß und erhaben.

Aber nicht nur die großen Momente flogen an mir vorbei. Auch die, in denen ich mich winzig klein gefühlt habe, waren präsent. 252 Kilometer sind eben schon ein ganzes Stück Weg. Irgendwann nach meiner Kaffeepause spürte ich auch wieder, wie klein ich mich fühlte, als ich mit Anfang zwanzig bei Condor anfing. Mein erster richtiger Beruf und ich hatte das Gefühl, am besten unsichtbar sein zu wollen, da alle anderen so viel besser waren, so viel mehr wussten, so viel mehr Erfahrung mitbrachten… Just in diesem Moment saß ich in einer Schulung, die sich Crew Ressource Management nannte. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich verstanden, dass das, was ich als Schwäche sehe, auch eine Stärke sein kann. Ich lernte, dass Unerfahrenheit den Vorteil eines klaren Blickes hat. Erfahrung ist toll, kann aber auch blind machen. Ich lernte, dass ich richtig war, so wie ich war, mit dem was ich mitbringen konnte. Mein Job sollte es sein, den Mund aufzumachen, zu sprechen, zu fragen. Versuchen, unsichtbar zu sein sollte keine Option mehr für mich darstellen, denn ich war wichtig!

Genau das sollte auch meine Message an die Studierenden werden. Klar ging es auf fachlicher Ebene um Human Factors Training, die Konzepte, Ideen, Ansätze und wie man die Ansätze aus der Luftfahrt in die Business-Welt übersetzen kann. Aber ein guter Workshop braucht immer auch eine Message auf der Metaebene. Ich würde von einem junge und unerfahrenen Co-Piloten erzählen, der sich nicht traute, seinen Kapitän und dessen Entscheidung in Frage zu stellen. Ich würde davon erzählen, wie viele Menschen mit Hoffnungen und Träumen an diesem Tag ihr Leben verloren. Und ich würde von dem Co-Piloten erzählen, der nicht nur seinen Kapitän, sondern auch den Ausbildungskapitän, der seinen Kapitän überprüfen sollte und die hochentwickelte Software des Fliegers in Frage stellte und damit vielen Menschen das Leben rettete…“Du bist wichtig! Deine Stimme ist wichtig!” -Das sollten wir uns alle immer wieder ins Gedächtnis rufen.

Bitte nicht losheulen…

In Maastricht angekommen wurde ich herzlich und warm empfangen. Was irgendwann als fachlicher Austausch begann ist inzwischen längst zu einer Freundschaft geworden und Corinna hat mir nicht nur die Stadt und die Uni gezeigt. Ich wurde lecker bekocht, Pasta mit Garnelen! Am nächsten Morgen gab es das wunderbarste Frühstück gegen Aufregung und während meines Vortrags saß Corinna in der ersten Reihe und strahlte mich an.

Nein, wir Menschen sind keine Inseln. Wir brauchen andere Menschen, die an uns glauben, uns umsorgen, für uns da sind, mit uns lachen und mit uns weinen. Während ich meinen Workshop am Morgen vorbereitete, dachte ich, ich habe diese Menschen im Überfluss. Ich könnte nicht reicher sein. Ja, ich habe leider auch schon viele dieser Menschen verloren und besonders meine Eltern sind unersetzlich. Wo ich jedoch hinschaue sind Hände, die sich mir entgegenstrecken. Viele davon tun es einfach so, ohne Grund, einfach nur weil sie es können, oder weil ich ihnen wichtig bin. Es wäre nicht fair, einzelne hervorzuheben. Aber ich bin sicher auch ein Produkt derer, die an mich glauben und geglaubt haben.

Als die Aufregung immer deutlicher spürbar wurde, habe ich sie mir alle für einen kurzen Moment vor Augen geführt. Ich habe mir vorgestellt, all diese Menschen würden im Auditorium sitzen. Mit einem Schlag wurde es ganz warm und ich wusste, ich würde gut sein. -Was auch immer das bedeuten sollte.

Natürlich ging der Workshop viel zu schnell vorbei. Wie einer dieser flüchtigen zauberhaften Träume, die man so gerne festhalten würde. Als ich wieder zu mir kam stand ich da, umringt von jungen Menschen, die sich bedankten, für den Inhalt, aber auch für die Erinnerung daran, wie wichtig sie sind, wie wichtig das ist, was sie zu sagen haben. Eine junge Frau erzählte mir, dass sie sich gerade in den letzten Wochen häufig klein gefühlt habe, lieber geschwiegen habe, weil die Unsicherheit einfach zu stark war. Sie sagte, mein Vortrag hätte ihr so gutgetan, ihr Mut gegeben. Ich war so gerührt und dankbar und ich war froh, dass ich die Tränen gerade noch zurückhalten konnte. Es sind die winzig kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Wenn ich nur einen einzigen Menschen erreiche, habe ich die Welt schon ein kleines bisschen verändert!

Maastricht-Hünstetten: Don’t stop believing…

Schon war wieder alles vorbei! In der Mensa gab es noch einen kleinen Snack und ein spannendes Gespräch und schon stand ich im Stau stadtauswärts. Äußerlich gesehen war ich im “Stop-and-Go” gefangen, innerlich bin ich geflogen. “Don’t stop believing’” von Journey dröhnte auf voller Lautstärke und da war er wieder, einer dieser flüchtigen tiefe Glücksmomente!

Auf dem Weg nachhause, der mir tatsächlich auch noch den ersten Schnee des Jahres servierte, schossen mir so unendlich viele Gedanken durch den Kopf. Ich dachte an das letzte Gespräch mit meinem Vater, ehe er zu schwach für klare Gedanken und lange Gespräche wurde. Wir saßen auf dem Krankenhausflur vor einer Wand aus Glasbausteinen. Draußen wurde es Herbst. Papa aß eine Portion Erdbeereis. Längst war klar, dass ihm nicht mehr viel Zeit in diesem Leben bleiben sollte. Ich denke, ihm selbst war es noch viel bewusster als mir, dass es an der Zeit war, die Dinge anzusprechen, die es aus seiner Sicht nochmal anzusprechen galt.

Ich selbst war noch so jung. Der Weg war für mich das Ziel und in den letzten Jahren habe ich mich einfach treiben lassen. Ich habe das Leben in vollen Zügen genossen, auch weil meine Eltern mir dafür den Raum gelassen haben. Ich bin durch die Welt und durchs Leben geflogen, im festen Vertrauen, dass mir noch unendlich viel Zeit bliebe. Ich weiß, dass mein Papa mir diese Freiheit von Herzen gönnte. Dennoch schien er sich Gedanken zu machen. Was wenn er mir keine Richtung mehr geben könnte? In welche Richtung würde ich ohne ihn fliegen? Wir haben über den Sinn des Lebens gesprochen. Damals war ich zu jung es zu verstehen. Da sich unser Gespräch jedoch tief in meine Seele gebrannt hat, kann ich es immer wieder durchleben und heute weiß ich, dass er versucht hat, mich zu ermutigen mein Ziel, meine Richtung, meinen Purpose zu finden. Es war sicher nicht leicht für ihn zu akzeptieren, dass ich meinen Sinn damals im Hier und Jetzt hatte. -Dass es mir um den Moment, den Spaß und das treiben lassen ging. Allerdings ließ er irgendwann im Verlauf des Gesprächs los. Ich denke er hat sich entschieden, darauf zu vertrauen, dass ich dieses Ziel, diese Ausrichtung irgendwann auch ohne ihn finden würde. Nur zu gerne würde ich ihm sagen, dass er recht hatte, mit allem! -Und dass ich meinen Fixstern gefunden habe, der mich antreibt und mich erfüllt.

Der Weg zurück in sein Zimmer schien für meinen Papa ein echter Marathon gewesen zu sein. Eigentlich waren es nur ein paar Meter. In seinem Bett angekommen war dieser fast zwei Meter große Mann erschöpft und müde. Ich habe mich verabschiedet und mich auf den Heimweg gemacht. In der Tür drehte ich mich nochmal um und ich konnte nicht fassen wie schwach mein Papa geworden war. Am nächsten Tag kam der Anruf, dass er auf die Intensivstation verlegt werden musste.

Journey dröhnte weiter in einer Endlosschleife. Draußen wurde es langsam dunkel und ich war wieder auf einer deutschen Autobahn. Endlich wieder Gas geben! Für einen kurzen Moment habe ich nochmal die Traurigkeit gespürt, die der Tod meiner Eltern mitgebracht hat. Diese tiefe Traurigkeit ist zum Teil meines Lebens geworden, ebenso wie die Dankbarkeit für all die Erinnerungen, die ich in meinem Herzen trage. Beides gibt mir Kraft, macht mich stark und ziemlich furchtlos!

Verrückt, was seit diesem Erdbeereis auf dem Krankhausflur alles passiert ist. Mein Leben hat Fahrt aufgenommen. Ich habe an die gute alte Condor gedacht, die in den schweren Zeiten eine wirklich wichtige Konstante in meinem Leben war. Ich habe an all die tollen Kollegen gedacht, an die Flüge und an den Moment, als ich selbst mein erstes Crew Ressource Management Training geben durfte, als frisch gebackene Trainerin. Das war kein Highlight! Ein Kollege, den ich sehr mochte und der leider auch schon seit einigen Jahren nicht mehr lebt, hat mir das Zepter total aus der Hand genommen. Verdammt, ich hatte die Kontrolle über meinen Lehrsaal komplett verloren! Danke Schröder!

Zum Glück habe ich noch eine zweite und dritte Chance bekommen. Überhaupt bin ich ein Produkt zweiter und dritter Chancen. Aber es waren nicht nur die anderen, die mich nicht aufgegeben haben. Auch ich habe mich nie aufgegeben. Ich habe wirklich hart für das gearbeitet, was mich heute ausmacht. Ja, es gab Momente da hätte ich mir gewünscht, dass das Leben das ein oder andere Geschenk für mich bereitgehalten hätte. Aber ich musste arbeiten, an mir, mit mir und für mich!

Im Hier und Jetzt mit dem Blick ins Morgen und Übermorgen

Draußen ist es inzwischen dunkel. Die Lichter glitzern bunt im Schneeregen. Noch eine gute Stunde bis zuhause. Langsam aber sicher wurde ich müde. Was für ein letzter großer Akt eines großen Jahres. Ich spürte ganz viel stolz, zumal ich auch im nächsten Jahr wieder nach Maastricht kommen darf um mit einer neuen Gruppe junger Studierender zu arbeiten. Das Rad würde sich also weiterdrehen. Dieser letzte Akt ist gefühlt auch ein Startschuss! Die Welt hält eben nicht inne, egal was passiert. Ich musste unwillkürlich an den Moment denken, in dem ich meiner Mama eine gute letzte Reise wünschte. Es war sehr früh morgens, kurz vor Ostern, als meine Mama sich auf ihre letzte Reise gemacht hat. Ich war allein mit ihr im Zimmer und für mich blieb mit Mamas Herzschlag auch die Welt stehen. Gleichzeitig fingen draußen an die Vögel zu singen und die Sonne ging langsam auf.

Die Welt dreht sich eben immer weiter. Während ich im Auto saß - müde, erschöpft, stolz - dachte ich daran, dass auch heute keine Zeit ist, inne zu halten. Am nächsten Morgen würde meine Ausbildung zum Change Manager beginnen. Immer in Bewegung. Aber so habe ich es mir ausgesucht und nur so macht es für mich Sinn. So lange sich meine Welt dreht, werde ich mich mit drehen, mich entwickeln und lernen, im Hier und Jetzt sein, aber auch das Morgen und Übermorgen im Blick behalten und meine Wurzeln nie vergessen.

Ich wünschte ich hätte eine Glaskugel und könnte mir selbst vorhersagen, was die Zukunft bringt. Fakt ist, ich weiß es nicht. Aber im Vertrauen auf mich selbst, mit all den wunderbaren Menschen um mich herum, mit den Chancen und den Möglichkeiten, die sich mir bieten, wird es sicher gut werden. Wenn es nicht gut wird, dann muss ich eben weitermachen. Seit meinem ersten Crew Ressource Management Training damals sind fast genau 23 Jahre vergangen. Es war ein weiter weg bis hierher. Diese 252 Kilometer von Maastricht zurück nach Hünstetten wirken im Vergleich dazu wie ein winzig kleiner Schritt. Es gab Durststrecken und Momente des Überflusses. Niemals aufzugeben hat sich in jedem Fall gelohnt, niemals aufzugeben und den Mut zu haben, ich selbst zu sein, meinen Weg zu gehen und eben nicht einfach anderen zu folgen.

Als ich das Auto schließlich auf den Parkplatz vorm Haus abgestellt habe und der Motor aus war, war da plötzlich Stille. Draußen schneite es ganz leise. Ich bin einfach noch einen Moment sitzen geblieben und wie aus dem nichts kam in mir diese eine Frage hoch, die ich schon damals mit Papa im Krankenhaus diskutiert habe: Wofür das ganze? Was ist der Sinn dieses Lebens? Wirklich keine leichte Frage. Ich erinnerte mich an ein Buch, das diese Frage auf eine Art und Weise beantwortete, die so ganz anders war, als alles das, was ich mir zuvor im Kopf zurechtgelegt hatte. Aber dazu mehr in nächsten Blog. Der Sinn des Lebens ist das vielleicht schönste Thema für einen Blog pünktlich zu Weihnachten.

Genießt die Vorweihnachtszeit.

Eure Constance

PS: Und glaubt mir, nicht nur während meiner Autofahrt nach Maastricht und zurück habe ich mehr als einmal gedacht, dass sicher gleich der Wecker klingelt: Es ist drei Uhr am Morgen. Ich ziehe meine blaue Uniform an und fliege nach Palma… Alles nur ein Traum…

Maastricht und zurück

Das Leben ist schön, es ist bunt und unendlich verrückt.