Denn die sicherste Airline ist die, die nicht fliegt! -Sicherheit vs. Produktivität

Ende einer Trilogie…

In meinen letzten beiden Artikeln habe ich über den Absturz einer Maschine der Air Ontario im kanadischen Dryden berichtet. Klar beschäftigt mich die Frage nach der Schuld. Immerhin sind Menschen gestorben, Menschen mit Träumen, Familien, Plänen. Ich habe die Ereignisse aus Sicht der einzigen überlebenden Flugbegleiterin und des verstorbenen Kapitäns berichtet. Beide haben ihr Bestes gegeben und dabei Fehler gemacht, Fehler, die menschlich für jeden nachvollziehbar sind, die uns vielleicht auch passiert wären, wären wir an ihrer Stelle gewesen. So hat jeder Schuld auf sich geladen, aber wie schwer wiegt diese Schuld wirklich? Die Crew agierte während der Ereignisse innerhalb der unternehmenskulturellen Möglichkeiten und Normen von Air Ontario und am Ende bleibt die Frage, ob nicht vielleicht das Management schuld ist, weil es keine angemessene Sicherheitskultur pflegte, die diesen Unfall vielleicht verhindert hätte? Zu diesem Ergebnis kamen jedenfalls die Unfallermittler. Es gab viele Faktoren, die zur Katastrophe führten. Aber am Ende fehlte es vor allem an einer gemeinsamen Sicherheitskultur bei Air Ontario, die es der Flugbegleiterin ermöglicht hätte zu sprechen, den Kapitän befähigt hätte stopp zu sagen. Vielleicht hätte der Flieger in einer soliden Sicherheitskultur noch nicht einmal den Flughafen von Thunder Bay verlassen. Aber lasst uns ein drittes Mal aus einer dritten Perspektive schauen was passiert ist.

Chronologie einer Katastrophe

Was führte am 10. März 1989 zum Tod von 24 Menschen? Auf den ersten Blick war es die Entscheidung des Kapitäns, nicht zu enteisen. Schuld eindeutig geklärt! Aber was führte zu dieser Entscheidung? Der Stress und Druck unter dem der Kapitän war? Der Flieger war ohnehin schon zu spät unterwegs und alles schien sich gegen den Kapitän zu verschwören. Vielleicht war er so gestresst, dass er das Eis auf den Tragflächen nicht wahrgenommen hat. Sonia, die junge Flugbegleiterin, hat das Eis jedenfalls gesehen, sich aber nicht getraut, den Kapitän darauf anzusprechen. So gesehen trägt auch sie Schuld. Hätte der Kapitän weniger gestresst gewirkt, wäre es Sonia vielleicht leichter gefallen, ihn anzusprechen.

Man kann es drehen und wenden wie man will, die Schuld ist in dieser komplexen Gemengelage nicht eindeutig zuzuordnen. Eine der Fragen, die mich beschäftigt, ist woher dieser Stress kam, der den Kapitän offensichtlich den Überblick verlieren ließ. Dazu müssen wir uns kurz die Schuhe des Managements von Air Ontario anziehen.

Sicherheit vs. Produktivität - Das alte Managementdilemma

Air Ontario war Ende der achtziger Jahre eine kleine, regionale Airline, die vor allem Zubringerflüge für Air Canada durchführte. Die kleine Airline war am Wachsen und führte gerade die Fokker F28 als neues, modernes Flugzeugmuster ein. Alles das geschah unter gnadenlosen Wettbewerbsdruck, der zu dieser Zeit unter anderem durch die kommerzielle Deregulierung der Luftfahrt hervorgerufen wurde. Im Prinzip stand den meisten Airlines das Wasser bis zum Hals und es ging darum, sich gegen die Mitbewerber durchzusetzen. Unter anderem bedeutete das für Air Ontario, dass die neuen Flieger um jeden Preis in der Luft sein mussten. -So auch am Morgen des 10. März. Die Fokker mit der Kennung C-FONF stand noch in Thunder Bay, als festgestellt wurde, dass die Auxiliar Power Unit (APU), eine Art Hilfstriebwerk, defekt war. An sich ist das kein allzu großes Problem. Die APU wird benötig, um auch am Boden Strom zu haben und liefert die initiale Energie zum Starten der Triebwerke. Sie kann jedoch auch durch ein Bodenstromaggregat ersetzt werden. So entschied Air Ontario, dass der Flieger mit Defekt auf die Reise geht. Derartige Entscheidungen werden bis heute getroffen. Ich weiß nicht, wie oft ich in meiner aktiven Zeit mit defekter APU unterwegs war.

Als die Crew bereits an Bord war, erfuhr Air Ontario, dass Air Canada noch 20 weitere Gäste für den Flug von Thunder Bay über Dryden nach Winnipeg buchen wollte. Mehr Gäste bedeutete mehr Geld und wenn die Gäste auch noch vom wichtigsten Kunden eingebucht werden, sagt man doch nicht nein! Mit dieser, aus Sicht des Managements absolut nachvollziehbaren Entscheidung, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Für den Kapitän bedeutete dies, dass er noch vor dem Start den Flieger zum Teil enttanken musste. Ursprünglich wurde so viel Kerosin getankt, dass es bis nach Winnipeg ausgereicht hätte und die Crew in Dryden nicht nachtanken musste. Mit zwanzig Gästen mehr war der Flieger nun zu schwer. Der Kapitän wollte lieber Gäste ausladen. Das Management entschied jedoch, dass enttankt wird. Mehr Gäste, mehr Geld und außerdem kamen diese ja auch direkt von Air Canada. Außerdem waren die Plätze ja frei!

So ging es mit Verspätung Richtung Dryden. Die Gäste hatten Angst, dass sie ihre Anschlussflüge verpassten und der Kapitän war gestresst und zusätzlich sicher auch wütend. Die Wut und der Stress wurde mehr, als klar war, dass es in Dryden kein Bodenstromaggregat gab. Für ihn bedeutete das, dass er eines der beiden Triebwerke permanent laufen lassen musste. - Beim Ein- und Aussteigen der Gäste und auch beim Betanken. Besonders dieses sogenannte Hot Refueling, also das Tanken mit laufenden Triebwerken, stellt ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Der Druck auf den Kapitän muss immens gewesen sein. Er wurde beobachtet, wie er sehr wütend mit Air Ontario telefonierte. Aber Air Ontario war weit weg und er musste sich vor Ort in Dryden ziemlich allein gefühlt haben. Vielleicht hat er das Eis auf den Tragflächen nicht gesehen, vielleicht hat sein Unterbewusstsein das Eis auch einfach ausgeblendet, wusste es doch, dass ein Enteisen mit einem laufenden Triebwerk nicht möglich gewesen wäre. Nach dem Enteisen hätte man den Flieger nicht mehr starten können…

Sicherheitskultur - manchmal eine Mission Impossible

Nun kann man also sagen, das Management war schuld! Aber wie schwer wiegt diese Schuld? Das Management hat zunächst den primären Job des Managements, nämlich wirtschaftlich erfolgreich zu sein, gemacht. Wer will ihnen einen Vorwurf machen. Technische Zusammenhänge zwischen der APU, dem Enteisen und den Bodenstromaggregaten, der Kerosinmenge und der Aerodynamik sind nun wirklich nicht das Thema des Managements. -Ebenso, wie Excel-Tabellen mit Bilanzen nicht die Expertise von Piloten und Flugbegleitern ist. Aus diesem Grund braucht es einen Austausch zwischen beiden Seiten, einen Kompromiss.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass ein jeder vor allem seinen eigenen Problemraum im Fokus hat. Hinsichtlich der Luftfahrt hatte und habe ich meinen Fokus auf Sicherheit, musste jedoch akzeptieren, dass die sicherste Airline die ist, die nicht fliegt ist. Und da eine Insolvenz als absolute Sicherheitsmaßnahme auch irgendwie ungünstig ist, geht es darum, bestmögliche Kompromisse einzugehen. Dieses bewusste eingehen eines Kompromisses nennt man Sicherheitskultur. Wie ausgeprägt diese ist, muss jede Airline für sich selbst festlegen. Eine Gradwanderung ist es allemal. In meiner früheren Sicherheitskultur war es undenkbar, dass ein schlafendes Kind zur Landung nicht angeschnallt wird, oder dass Notausgänge zur Landung mit Handgepäck zugestellt wurden. Sehr regelmäßig haben sich meine Gäste darüber zum Teil recht heftig beschwert. Airline XY sei viel besser und familienfreundlicher. Habe man da das Kind doch einfach schlafen lassen… Ja, Sicherheit ist nicht nur teuer, sondern zuweilen auch wenig kundenfreundlich. Aber ist ein Unfall wie der von Air Ontario eine Alternative? Und ja, sagt gerne, dass ist lange her! Aber dann schaut Euch das Marktumfeld von Airlines Ende 2022 an! Der Druck auf Management und Besatzung ist riesig. -Und eine funktionierende Sicherheitskultur ist gerade im Moment umso wichtiger.

Und wie geht Sicherheitskultur

Eigentlich geht Sicherheitskultur ganz einfach: Jeder Einzelne übernimmt die Verantwortung, Probleme und Missstände anzusprechen. Wie bei Kulturen so üblich muss auch die Sicherheitskultur von allen Akteuren getragen werden. Am Ende des Tages geht es um Kommunikation: Um Zuhören und um das Vertrauen auch kritisch sprechen zu dürfen. So lande ich auch beim Thema Sicherheitskultur wieder bei meinem Hauptthema: Psychologische Sicherheit. Das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen braucht es auf allen Ebenen, damit es zu einem ehrlichen Austausch kommt, der die tatsächlichen Probleme ehrlich wiedergibt. Nein, das Management muss sich nicht mit technischen Aspekten der Fliegerei auskennen. Es muss sich aber bewusst darüber sein, dass jede ihrer Entscheidungen Auswirkungen hat, deren tatsächlich Auswirkungen aus Managementperspektive oft nicht allumfassend in Betracht gezogen werden können. Derartige Entscheidungen müssen von denjenigen getroffen werden, die das tatsächliche Geschehen überblicken können. Dabei muss das Management darauf vertrauen, dass diese Entscheidungen nach bestem Wissen und in bestmöglicher Abwägung aller Fakten getroffen wird. Ja, diese Dezentralisierung von Entscheidungsfindungsprozessen sind das Herzstück moderner Organisationen, nicht nur in der Luftfahrt, und brauchen unendlich viel Vertrauen.

Über den Tellerrand hinaus…

Inzwischen habe ich meine zweite berufliche Heimat in der Bankenwelt gefunden und bin erstaunt das alte Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Produktivität auch hier wiederzufinden. Es sind die fast identischen Diskussionen und auch hier, in meiner neuen Welt, sind es Eigenverantwortung, Kommunikation und Austausch, die zu einer lebendigen und transparenten Sicherheits- oder Risikokultur führen. In einer komplexen und dynamischen Welt braucht es eben immer beides um erfolgreich zu sein: Sicherheit und Risiko.

Damit wäre ich nun mit meiner Trilogie rund um Air Ontario am Ende. Den Schuldigen habe ich nicht gefunden. Aber was ist schon Schuld?

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

PS: Und ja, lieber Manager, wenn Du nun sagst, dass Du dieses Vertrauen, von dem ich geschrieben habe, unmöglich aufbringen kannst, weil Du doch all die Verantwortung für Sein oder Nicht-Sein trägst, dann verstehe ich Dich. Dann kannst Du nicht anders empfinden, weil es Dein unternehmenskulturelles Umfeld momentan nicht hergibt. Aber an Kultur lässt sich arbeiten. Ich verspreche Dir, dass Du diese Bedenken in einer Kultur der psychologischen Sicherheit nicht mehr so stark empfinden wirst. - Und tatsächliche Kultur machen wir alle, auch Du. Deshalb sei mir an dieser Stelle ein Buchtipp gestattet: “Die angstfreie Organisation” von Amy C. Edmondson, Harvard-Professorin und im letzten Jahr seitens der Thinkers50 Gilde zur wichtigsten Vordenkerin in der Wirtschaft ausgewählt.

Über den wolken…

… sollte das Risiko wohl kalkuliert sein!

"Captain goes solo" hat nichts mit Beziehungskrisen zu tun! - Unfallanalysen aus der Luftfahrt

Warum Flugzeuge abstürzen

In meinem letzten Artikel habe ich Euch von der jungen Sonia Hartwick erzählt, die 1989 als einziges Crewmitglied den Absturz einer Maschine der Air Ontario im kanadischen Dryden überlebt hat. Es ging darum, dass Leadership Followership braucht und darum, was Followership in einer komplexen und dynamischen Welt bedeutet. Sonia hat geschwiegen, geschwiegen aus menschlich nachvollziehbaren Gründen. Sie hat geschwiegen, weil sie nicht als aufmüpfig wahrgenommen werden wollte, weil sie Angst hatte, sich zum Außenseiter zu machen. Gute Gründe zu schweigen. Als junge Frau habe ich aus exakt den gleichen Gründen immer wieder geschwiegen. -Und hatte Glück! Denn mein Schweigen hat niemals eine Katastrophe begünstig, den Weg für einen Flugzeugabsturz bereitet. In Sonias Fall war das anders und ich kann mir gut vorstellen, welch grausame Frage sie sich als einziges überlebendes Crewmitglied nach dem Unglück gestellt haben muss.

Nach der Veröffentlichung meines letzten Artikels haben mich sehr viele Reaktionen erreicht. Danke für all die wertvollen Statements. Und ja, natürlich ist es nicht die alleinige Schuld von Sonia. In einem Umfeld, so komplex wie die Luftfahrt ist es immer die Kombination mehrerer Faktoren, die zu einem Unglück führen. Die einzelnen Akteure haben lediglich die Möglichkeit, diese Fehlerketten zu unterbrechen. Dabei müssen sie häufig entgegen ihrer typischen Verhaltensweisen, entgegen dem, was einfach menschlich wäre, agieren. So entstand der Ansatz des Human Factors Trainings.

Nachdem wir uns also in der letzten Woche Sonias Perspektive und einen kleinen Teil dessen, was guter Followership bedeutet, betrachtet haben, schauen wir uns in dieser Woche einen kleinen Teil dessen an, was guten Leadership ausmacht. Wir betrachten uns den Unfall aus der Perspektive von Kapitän John Morwood, der den Unfall leider nicht überlebt hat. Aus diesem Grund können wir vieles natürlich nur annehmen, aber die ausführlichen Unfallermittlung geben hierfür gute Anhaltspunkte.

Captain goes solo!

“Captain goes solo” - so wird es in einer Studie zu den häufigsten Unfallfaktoren in der zivilen Luftfahrt des National Transportation Safety Board (NTSB) der USA beschrieben. Und nein, das bezieht sich nicht auf das Liebesleben des Kapitäns. “Captain goes solo” beschreibt das Phänomen, dass der Kapitän in Momenten, in denen er eigentlich auf sein Team und dessen Input angewiesen wäre, um maximal erfolgreich zu agieren, sein Ding macht und sein Team als Ressource ausblendet. Ziemlich häufig geht das gut, aber wann immer bereits der Fehlerteufel Einzug gehalten hat, trägt dieses Verhalten maßgeblich dazu bei, dass alles schließlich gehörig schief geht. Im Fall des Crashs von Air Ontario in Dryden bedeutete es, dass 24 Menschen ihr Leben verloren, Menschen mit Träumen, Hoffnungen, Plänen, mit Familien und Freunden, die um sie trauerten.

Warum es passiert, dass ein Kapitän (oder jede x-beliebige andere Führungskraft) sein oder ihr Ding macht, wird in meinen Workshops und Schulungen immer wieder heftig diskutiert. “Weil er/sie sich für besser oder überlegen hält, oder die anderen gar für zu doof oder zu unerfahren” sagen die einen. “Weil das Team keine Verantwortung übernimmt und passiv bleibt, bleibe ihm/ihr nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden” sagen die anderen. Beides ist möglich, sage ich.

Lasst uns zurück in den März 1989 reisen und uns gemeinsam mutmaßen, was es bei Kapitän Morwood war.

Eine Fehlerkette wie aus dem Lehrbuch…

Kapitän Morwood, ein erfahrener Kommandant, freut sich am Morgen seines letzten Tages eines mehrtägigen Einsatzes sicher schon auf den Familienurlaub, der am nächsten Tag antreten möchte. Es ist noch winterlich in Kanada, als sich der Kapitäne gemeinsam mit seiner Crew auf den Weg zum Flughafen macht. Der Plan ist von Thunder Bay über Dryden nach Winnipeg zu fliegen. Alles ist minuziös durchgeplant und alle sind bereit, loszufliegen, als ein Dispatcher Kapitän Morwood und seinem Team einen Strich durch die Rechnung macht. Air Canada hat einen Flug abgesagt und zehn zusätzliche Gäste sollen nun auf Kapitän Morwoods Flug mitfliegen. Erstmal kein großes Thema. Allerdings stellt Kapitän Morwood schnell fest, dass er mit den zusätzlichen Gästen und deren Gepäck ein Gewichtsproblem bekommt. Er möchte Gäste ausladen. Es wird jedoch für ihn entschieden, dass er lieber Kerosin enttanken lassen soll. Sicher war der Kapitän alles andere als begeistert. Ein Enttankungsvorgang ist alles andere als alltäglich und braucht Zeit, Zeit die er nicht hat, um seine Gäste pünktlich zu ihren Anschlussflügen nach Winnipeg zu bringen. Ich stelle mir vor, dass Kapitän Morwood sicher schon leicht gestresst ist. Zudem weiß er, dass er nun nicht nur in Thunder Bay Zeit verliert, sondern auch in Dryden, da er dort deutlich länger werde tanken müssen, als ursprünglich vorgesehen, um bis nach Winnipeg zu kommen.

Um 11:55 Uhr ging es endlich los. -Etwa eine Stunde später als geplant. Bereits 45 Minuten später landet er seine Maschine in Dryden, wo weitere Gäste zusteigen und das Flugzeug erneut betankt wird.

Am Flughafen wird Kapitän Morwood dabei beobachtet, wie er ein sehr emotionales Telefongespräch mit der Zentrale seiner Airline führte. Er ist wütend. Es wird laut. Denn er war nicht nur zu spät, weil eine aus seiner Sicht schlechte Entscheidung für ihn getroffen wurde. Zusätzlich wurde seitens des Managements entschieden, das Flugzeug mit einer defekten Auxiliary Power Unit (APU) fliegen zu lassen, eine Art Hilfstriebwerk, das am Boden, wenn die Haupttriebwerke ausgeschaltet sind, Strom liefert. Am Flughafen in Dryden gab es kein Bodenstromaggregat, dass die APU ersetzt hätte. So musste Kapitän Morwood eines der beiden Triebwerke während der gesamten Bodenzeit laufen lassen. Mit laufendem Triebwerk zu betanken, ein sogenanntes “Hot Refueling”, ist an sich schon ausgesprochen risikoreich. Mit Gästen an Bord ist es sicher schwer, die Verantwortung als Kapitän zu übernehmen. Kapitän Morwoods Stresslevel steigt ins unermessliche. So viele Dinge, die es zu beachten gilt und dann sind ja auch noch die Gäste, die nach ihren Anschlussflügen fragen. Alle Augen sind auf Kapitän Morwood gerichtet. Währenddessen schlägt auch noch das Wetter um. Es beginnt zu schneien. Ob Kapitän Morwood das überhaupt zur Kenntnis nimmt, wissen wir nicht. Ich kann mir vorstellen, dass er froh ist, als der Betankungsvorgang ohne Zwischenfälle abgeschlossen ist. Wahrscheinlich will er nun einfach ganz schnell weiter. Er macht eine kurze Ansage an seine Gäste und entschuldigt sich für die Verspätung, geht in sein Cockpit und los geht die Reise, zunächst Richtung Startbahn und schließlich mit Vollgas Richtung Himmel. Der Moment, in dem sich ein Flugzeug gen Himmel erhebt, den Kontakt zum Boden verliert, ist jedes Mal magisch. Ich stelle mir vor, wie Kapitän Morwood abhebt und vielleicht ganz kurz dankbar ist, dieses heftige Chaos hinter sich gelassen zu haben. Die ersten Momente in der Luft laufen ab wie immer. Ganz plötzlich verliert der Flieger jedoch an Höhe. Kapitän Morwood ruft all sein erlerntes Wissen ab, um den Flieger abzufangen. Aber die schneebedeckten Tannen kommen immer näher… Chaos, Panik, Schreie? Ich weiß es nicht. Kapitän Morwood verliert an diesem Tag sein Leben, ebenso wie 23 weitere Menschen, darunter sein Co-Pilot und eine seiner beiden Kabinenkolleginnen. Zurück bleiben die Flugbegleiterin Sonia, verletzte und traumatisierte Passagiere und 24 Familien, die ihre Liebsten verloren haben.

Natürlich wird nach einem solchen Unglück sehr genau geschaut was passiert ist, wer Schuld am Tod so vieler Menschen trägt. Nicht nur die Angehörigen wünschen sich Aufklärung.

Die Ermittlungen ergaben schließlich, dass sich auf den Tragflächen Eis gebildet hat, das der Kapitän wohl nicht gesehen hat oder nicht sehen wollte. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur dass Stress und Wut dafür sorgen, dass unsere Wahrnehmung immer enggefasster wird. Wir bekommen Scheuklappen und richten all unser Tun auf ein bestimmtes Ziel aus. -Möglichst schnell nach Winnipeg zu kommen… Target Fixation nennen wir das.

Sonia hat das Eis gesehen, ebenso wie einer der Gäste, der Sonias Kollegin angesprochen hat. Keiner hat Kapitän Morwood diesbezüglich angesprochen. Auch der Co-Pilot hat den Kapitän nicht angesprochen, ob sie auf Grund der Wetteränderung nicht doch über eine Enteisung nachdenken sollten. Vielleicht hat der Co-Pilot sich auch nicht getraut, weil er wusste, dass man für die Enteisung beide Triebwerke abschalten musste und diese ohne APU und ohne Bodenstromaggregat nicht wieder hätte starten können. Vielleicht wollte der Co-Piloten seinen Kapitän einfach nicht noch zusätzlich stressen. Menschen, die dem Kapitän am Flughafen in Dryden begegnet sind, sagten übereinstimmend aus, dass der Kapitän sehr gestresst wirkte.

Was bleibt ist die Frage nach der Schuld

Wer nun Schuld am Tod dieser Menschen hat? Die Flugbegleiterin, die nichts vom Eis auf den Tragflächen gesagt hat? Air Ontario als Unternehmen, weil der Kapitän unter Druck gesetzt wurde, nicht frei agieren konnte und weil das Unternehmen entschied, das Flugzeug ohne funktionsfähige APU auf die Reise zu schicken? Das Wetter? Oder Kapitän Morwood, der nicht nach den Tragflächen geschaut hat und statt sein Team als Ressource zu nutzen und nachzufragen, sein Ding gemacht hat? Ich weiß es nicht. -Zumal die Frage nach der Schuld nichts leichter oder gar rückgängig macht.

Die Luftfahrt lernt aus Fehlern

“Diese Bücher sind mit Blut geschrieben!”, sagte mein erster Flight Safety Ausbilder damals, vor 23 Jahren. Diese Bücher, von denen er sprach, sind unglaublich dick und es gibt davon so einige. Man kann Unfälle nicht wieder rückgängig machen, indem man einen Schuldigen definiert. Man kann jedoch aus ihnen lernen um dadurch die Luftfahrt sicherer zu machen. Die Luftfahrt tut das als Ganzes. Aber auch ich ganz persönlich kann aus einem solchen Vorfall lernen. Ich habe mir drei Dinge mitgenommen:

  • Ich möchte ansprechen, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt. Ich möchte mutig sein, mutiger als Sonia. Und ich weiß wie schwer das ist!

  • Wenn ich nicht in der Position bin, eine Entscheidung selbst zu treffen, dann ist es meine Verantwortung, diejenigen, die entscheiden, bestmöglich mit Informationen zu füttern. Nur so wird die Entscheidung gut! Und natürlich kämpfe ich als Coach für eine Dezentralisierung von Entscheidungsfindungsprozessen. Am Ende sollte diejenigen entscheiden, die wirklich an vorderster Front stehen und sehen können, was es braucht.

  • Wann immer ich merke, dass der Stress steigt, möchte ich bewusst darauf achten, was die anderen sagen oder tun. Ich möchte mich trauen, um Hilfe und Unterstützung zu bitten. Ich möchte vermeiden, in einen Tunnel zu fahren…

Diese drei Lektionen funktionieren nicht nur in der Luftfahrt, sondern überall dort, wo ich Dynamik und Komplexität erfolgreich managen möchte. Die Faktoren, die uns auf menschlicher Ebene erfolgreich sein lassen, sind überall die gleichen, ob damals im Flugzeug, oder heute in einem ganz neuen Umfeld. Es sind lediglich die Definitionen von Erfolg, die sich unterscheiden.

Captain goes solo! Constance goes solo?

Vielleicht denkt Ihr ja auch an Kapitän Morwood, wenn Ihr das nächste Mal frustriert und gestresst einfach Euer Ding durchzieht, wütend auf die Kollegen, den Chef, die Umstände, den Kunden oder das Wetter. Es gibt sie immer wieder, diese Situationen, in denen wir glauben, als Einzelkämpfer allein im Chaos überleben zu müssen. Und vielleicht fällt Euch dann ein, dass Kapitän Morwood nicht alleine war. Er konnte seine Crew einfach nicht sehen, weil er nicht bewusst nach ihnen geschaut hat. Er hat sich selbst in eine Isolierung manövriert. Aber jeder von uns hat eine Crew! Glaubt mir. No man is an island! Manchmal muss einfach nur ganz genau hinschauen und mutig sein.

Genießt Euren Sonntag.

Eure Constance

Captain goes solo

… und die Kabine ist unter Druck?

Warum Leadership Followership braucht - Ein Beispiel aus dem Flugzeug

Ein Coach auf Abenteuerreise

Heute schreibe ich Euch aus dem schönen Prag, wo ich an diesem Wochenende angehende Flugbegleiter im Human Factors Bereich schulen darf. Ich liebe diese kleinen Ausflüge in meine alte Welt und finde, es ist an der Zeit auch Euch im Rahmen meines Blogs mal wieder in die Flugzeugwelt zu entführen.

Wenn selbst Götter machtlos sind

Als Coach und Berater habe ich momentan einen starken Fokus auf die Begleitung und Entwicklung von Führungskräften. Überhaupt scheint das Thema Leadership ein absolutes Fokusthema der schönen neuen Welt der New Work zu sein. Fakt ist jedoch, dass selbst Götter machtlos sind, wenn niemand an sie glaubt. Was aus meiner Sicht in der Welt außerhalb der High Risk Bereiche sträflich vernachlässigt wird, ist das Thema Followership. Dabei gibt es keinen guten Leadership ohne guten Followership und ebenso, wie man Menschen für das Thema Leadership sensibilisieren sollte, sollte man Menschen auch für das Thema Followership sensibilisieren. Die Luftfahrt ist an dieser Stelle deutlich weiter. -Sicher auch, weil Misserfolge in der Luftfahrt für gewöhnlich ziemlich absolut sind und nicht vertuscht oder schöngeredet werden können. Verunglückt ein Flugzeug ist das ein glasklarer Fakt, den kein Controlling der Welt mehr “schönrechnen” kann. Und bereits seit Ende der siebziger Jahre ist klar, dass der Mensch und das Team eine nicht zu unterschätzende Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, die Dynamik und Komplexität, die es mit sich bringt, wenn man in ziemlich schweren Blechdosen ziemlich schnell um die Erde düst, zu managen. Somit blickt die Luftfahrt auf viele Jahre Erfahrung im Bereich des Human Factors Training zurück und versteht es nicht nur Leadership, sondern auch Followership zu schulen.

Die eigenen Wurzeln stets vor Augen

Wann immer ich eine Gruppe junger, angehender Flugbegleiter vor mir habe, muss ich daran denken, wie es war, als ich damals im 134. Flugbegleiterlehrgang der Condor saß. Es war aufregend, interessant, sehr anstrengend und manchmal sogar schockierend. In der Retrospektive muss ich allerdings sagen, dass es aber auch kein Hexenwerk war. Das Handwerk ist schnell gelernt, die Routine kehrt schnell ein. Man hat viele Check-Listen, die einem Sicherheit geben. Ja, es ist körperlich zuweilen sehr anstrengend und wenn Menschen mit einem geregelten Tagesablauf sagen, sie sind nach der Arbeit müde, ist das definitiv eine andere Form von müde, als die absolute körperliche Ausgelaugtheit nach einem anstrengenden Nachtflug in Kombination mit Jetlag. Aber auch das ist im Rahmen des Machbaren, sonst wäre ich sicher selbst nicht so viele Jahre geflogen. Es gibt jedoch einen Aspekt, der mir damals, mit Anfang zwanzig nicht bewusst war, der mir jedoch in den darauffolgenden Jahren immer deutlicher und klarer wurde: Um ein gutes Crewmitglied zu sein, bedeutet es zum einen, sich in die Hierarchie einzufügen, gleichzeitig aber auch ein unglaubliches Maß an Eigenverantwortung zu übernehmen. Denn jedes einzelne Crewmitglied übernimmt ganz persönlich Verantwortung für das größte Gut unserer Welt: Für Menschenleben! -Für die Leben der Menschen an Bord. Sich dieser großen Verantwortung bewusst zu sein und ihr im täglichen Tun gerecht zu werden, ist die eigentliche Herausforderung für diese zauberhaften jungen Menschen, mit denen ich heute den ganzen Tag im Lehrsaal und auf der Flugzeugattrappe verbringen durfte.

Als Trainer ist es gar nicht so einfach, diese doch recht abstrakte Verantwortung greifbar zu machen. Hierfür arbeite ich gerne mit konkreten Beispielen. An diesem Wochenende habe ich mich für eine junge, kanadische Flugbegleiterin entschieden, die vor vielen Jahren als einziges Crewmitglied den Absturz einer Maschine der Air Ontario überlebt hat.

Zurück in die Vergangenheit

Wir schreiben den 10. März 1989. Sonia Hartwick arbeitet seit zwei Jahren als Flugbegleiterin bei Air Ontario. Eine attraktive Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit blondem Haar, blauen Augen und einem strahlenden Lächeln. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katherine Say, Kapitän John Morwood und dem Ersten Offizier Keith Mills soll das der letzte Tag eines mehrtägigen Einsatzes sein. Kapitän Morwood freut sich darauf, am nächsten Tag seinen Urlaub mit der Familie anzutreten und alle anderen freuen sich sicher auf zuhause. An diesem Tag soll es mit einer Fokker F28 von Thunder Bay nach Winnipeg mit einem kurzen Zwischenstopp in Dryden gehen. Eigentlich nichts Großes. In Dryden angekommen ist das Flugzeug bereits verspätet und die Verspätung scheint weiter anzuwachsen. - Ein Umstand, der für eine Besatzung immer eine gehörige Extraportion Stress bedeutet. Dem Flugplan hinterherzujagen ist keine Freude. Ein zusätzlicher Stressfaktor für die Piloten ist, dass man entschieden hat, die Maschine mit einer defekten Auxiliary Power Unit (APU), einer Art Hilfstriebwerk, das zum einen die initiale Energie liefert, die man braucht um die Triebwerke zu starten, zum anderen aber auch den Strom am Boden liefert, fliegen zu lassen. Eigentlich ist eine defekte APU kein Beinbruch und ich bin selbst schon oft mit einem solchen Defekt unterwegs gewesen. An Flughäfen gibt es Bodenstromaggregate, die die APU ersetzen. Also alles gut. Allerdings ist der Flughafen von Dryden so klein, dass er an diesem Tag keine Bodenstromaggregate zur Verfügung stellen kann. Um überhaupt wieder starten zu können, müssen die Piloten eines der beiden Triebwerke während der gesamten Bodenzeit laufen lassen. Sie müssen betanken und Boarden während das Triebwerk läuft. Heute wäre ein solches Vorgehen verboten, damals war es akzeptabel. Für die Piloten, besonders für den Kapitän, bedeutet das an diesem Tag eine große Menge Extrastress.

In der Kabine geben Sonia und Katherine ihr Möglichstes, um diesen Stress vor den Gästen zu verbergen und den Unmut der Gäste hinsichtlich der Verspätung zu kompensieren. Während der Flieger in Dryden abgefertigt wird, schlägt das Wetter plötzlich um und es beginnt zu schneien. Der Stress wird größer, denn die Verspätung droht weiter anzuwachsen. Ich weiß gar nicht, ob Sonia Familie hat, auf die sie sich freut, Kinder, die auf sie warten, aber ich weiß, wie sehr man sich an solchen Tagen einen pünktlichen Feierabend wünscht.

Sicher möchte auch Kapitän Morwood nachhause und entscheidet, sich zu beeilen, die Türen zu schließen, und in Richtung Startbahn zu rollen. Was Kapitän Morwood übersieht, ist, dass die veränderte Wettersituation dazu geführt hat, dass sich Eis auf beiden Tragflächen gebildet hat. Fahrlässig, könnte man meinen. Aber wer von Euch hat nicht schon einmal im Stress etwas übersehen? Vielleicht passt auch Kapitän Morwoods mentales Modell nicht dazu, dass es Eis geben würde. Er weiß, dass es für ihn in Dryden keine Möglichkeit gibt, zu enteisen. Zum Enteisen ist nämlich ein Ausschalten beider Triebwerke notwendig, die er auf Grund der defekten APU und des fehlenden Bodenstromaggregates nicht wieder hätte starten können. Es wären also alle erst einmal in Dryden geblieben, bis ein entsprechendes Aggregat eingeflogen worden wäre. Dem alten Motto folgend “Es kann nicht sein was nicht sein darf!” spielt ihm an diesem Tag vielleicht sogar seine Wahrnehmung einen Streich. Ein sehr bekanntes Phänomen.

Allerdings gibt es andere, deren Wahrnehmung funktioniert und die das Eis sehen. Ein Gast spricht Katherine wegen des Eises an. Diese beruhigt den Gast, weil sie annimmt, dass die Tragflächen sich selbst enteisen. -Sehr dünnes Eis des gefährlichen Halbwissens! Es sind lediglich die Spitzen der Tragflächen, die beheizt werden und somit auch enteist werden können. Da hat sie wohl etwas verwechselt!

Sonia weiß es besser und ist sehr besorgt wegen des Eises, entscheidet sich aber, den Kapitän nicht anzusprechen.

So nehmen die Dinge ihren Lauf. Kapitän Morwood leitet im festen Vertrauen darauf, dass alles OK ist und sicher auch mit einer Menge Zeitdruck den Start ein. Zunächst hebt die Maschine ab, verliert dann aber wieder an Höhe und stürzt in den angrenzenden Wald. An diesem Tag verlieren 24 Menschen ihr Leben. -Darunter Sonias Kollegin, ihr Kapitän und ihr Erster Offizier, mit denen sie sicher kurze Zeit davon noch gemeinsam gegessen und gelacht hat. Meine Crew war immer viel mehr als nur das Team, mit dem ich arbeite. Man ist sich nah, vertraut sich und ist aufeinander angewiesen. Heute habe ich Kollegen, die ich sehr mag und schätze. In Uniform hatte ich eine Familie, die mich ganz so wie eine echte Familie manchmal ziemlich genervt hat, die mir aber immer ausgesprochen nah war. Sie zu verlieren? -Ich möchte mir nicht vorstellen, an Sonias Stelle zu sein…

Und was bleibt ist die Frage nach dem “Warum”

Im Nachhinein wurde Sonia gefragt, warum sie nichts gesagt habe. Ihre Erklärung ist ebenso nachvollziehbar, wie traurig. Sonia beschreibt, dass sie Angst davor hatte, es könnte sich rumsprechen, dass sie den Piloten in ihre Arbeit reinrede, den Kapitän kritisiere. Immerhin sei sie doch eigentlich diejenige, die für Tee und Kaffee verantwortlich sei. Sonia hatte Angst, dass sie daraufhin im Kreise der Kollegen weniger beliebt oder angesehen sein könnte, vielleicht sogar schlechtere Flugpläne bekäme.

Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob Sonia den Gedanken hatte, dass ihre Kollegen und all die anderen Menschen noch leben würden, wenn sie mutiger gewesen wäre, wenn sie die Verantwortung übernommen hätte, den Kapitän angesprochen hätte. Was sind schon Flugpläne? Sonia war mehr als einmal in meinen Gedanken präsent, wenn ich in meiner schicken blauen Uniform durchs Flugzeug gelaufen bin. Sie hält mir bis heute vor Augen, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, eine gutes Teammitglied, ein guter Follower zu sein. -Auch weil ich ihre Ängste als junge Frau so gut verstehen kann. Auch ich wollte besonders in meinen ersten Jahren auf Reisen vor allem eines: dazugehören! Vielleicht habt Ihr ja auch schon einmal geschwiegen, geschwiegen aus Angst zum Außenseiter zu werden, nicht mehr gemocht zu werden. Menschlich nachvollziehbar. Aber ist es auch verantwortungsvoll?

Natürlich braucht es eine Kultur, die es uns ermöglicht, Verantwortung zu übernehmen. Es braucht Führung auf allen Ebenen, die Rahmenbedingung schafft, die es ermöglichen, den Mund aufzumachen, zu sprechen, kritisch sein zu dürfen. Daran arbeite ich mit Führungskräften in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Denn ebenso wie Kapitän Morwood an diesem Tag sein Team gebraucht hätte um eine bessere Entscheidung zu treffen, sind alle Führungskräfte, die in einem dynamischen und komplexen Umfeld agieren, auf ihr Team angewiesen, um gute Entscheidungen zu treffen. Damit Menschen jedoch diesen Raum, der ihnen geboten wird, annehmen, muss ich auch mit den Teams arbeiten dürfen, so wie ich heute und morgen mit den jungen Flugbegleitern arbeiten darf. Es wird immer mehr Gründe geben, besser zu schweigen. Aber wir befinden uns nun mal in einer Welt, die zunehmend Eigenverantwortung auf allen Ebenen einfordert und es ist nur fair, wenn wir Menschen auf diese Verantwortung vorbereiten, sie sensibilisieren und ein Stück weit an die Hand nehmen.

Die Gedanken an Sonia nehme ich morgen sicher wieder mit in meinen Lehrsaal und ich hoffe, dass auch meine Teilnehmer noch ein wenig über Sonia nachgedacht haben. Denn ich bin nicht in der Lage ihnen Verantwortung beizubringen. Ich liefere lediglich das Gedankenfutter, das es braucht, um sich selbst kritisch zu hinterfragen und so zu wachsen.

Genieß Euren Sonntag!

Eure Constance

Geschichten aus der Flugzeug-Mottenkiste

Über Verantwortung und Followership