Unternehmenskultur

Über die heilige Ordnung der Männer! - Und das Blut in den Schuhen der Frauen...

Rucke di gu, rucke di gu, Blut ist im Schuh…

Mein Instagram-Netzwerk hat bereits mitbekommen, dass ich mich zum Jahreswechsel mit Gerhard Schwarz’ Buch “Die heilige Ordnung der Männer” beschäftigt habe. - Eine absolute Leseempfehlung! Auf gut 300 Seiten beschreibt Schwarz wie sich evolutionshistorisch betrachtet Gruppen, Stämme und Gruppendynamiken entwickelt haben, die ihrerseits Hierarchien, Gesellschaftsordnungen, Organisationsstrukturen hervorgebracht haben. Es ist unmöglich, diese Flut an Informationen in nur einen einzigen Artikel zu pressen. Jedoch möchte ich mich heute mit einem kleinen Teil beschäftigen: Gemeinsam mit Euch möchte ich etwas tiefer in das Thema Hierarchie und Geschlechterproblematik einsteigen, da dies nicht nur auf Organisationsebene das Kernthema rund um unsere gegenwärtige Genderlogik zu sein scheint.

So beschreibt Schwarz, dass Hierarchie an sich eine Ordnung sei, die stärker von Männern als von Frauen getragen wird. Klassische, historische Hierarchieordnungen wie zum Beispiel Kirche oder Militär schließen oder schlossen Frauen sogar explizit aus. So wurde also die Hälfte der Menschheit beim Bau der allgemein gültigen Ordnungsprinzipien außen vorgelassen. Hierarchie wurde als Ordnungsprinzip unserer Gesellschaft zu einer Art Maßanzug für Männer, der perfekt sitzend nach ihrem Schnitt gefertigt wurde. Bei uns Frauen und der Hierarchie verhält es sich ähnlich wie mit Aschenputtels Schuh im Märchen: Der Fuß muss passend gemacht werden, ein Stück Ferse muss ab, damit der Schuh passt. So sei laut Schwarz der grundlegendste Unterschied zwischen Männern und Frauen in den Hierarchien unserer Wirtschaftsunternehmen, dass sich die Idee der Hierarchie den Männern angepasst hat und die Frauen sich der Hierarchie als Ordnungsprinzip anpassen müssen. Recht ungleiche Voraussetzungen für Erfolg, wenn Ihr mich fragt!

Jagende Männer und mütterliche Versorgungsgemeinschaften…

Was ist der Ursprung dieses Dilemmas? Reisen wir zurück in die Zeit, in denen Menschen in Höhlen lebten (wobei, eigentlich reicht es schon in Zeiten vor Alice Schwarzer zurückzukehren!). Es waren Männer, die sich zu straff organisierten (hierarchischen) Jagdgruppen zusammengefunden haben, den Vorläufern unserer Unternehmen. Die Frauen fanden sich in mütterlichen Versorgungsgemeinschaften (mit den eigenen Müttern, Schwiegermüttern, ggf. noch Schwestern) zusammen, die sich um Haus, Hof und den Nachwuchs kümmerten. Diese natürliche, aber auch sehr stringente Geschlechtertrennung brachte selbstverständlich auch unterschiedliches Rollenverhalten hervor. Männer netzwerkten im großen Stil um schlagfertige Jagdgruppen zu formieren und Frauen lebten in einem eher kleinen Mikrokosmos und kümmerten sich um sich selbst und die engste Familie. Während die Jagd strategisches Vorgehen erforderte, bedeutete kümmern häufig, sich flexibel an eine neue Situation anzupassen. So weit so einleuchtend! Die aus diesen unterschiedlichen Alltagsrealitäten resultierenden Rollen wurden über die Jahrtausende zu einem immer festeren Korsett. So wurde und wird ein nicht geschlechterspezifisches Handeln von Frauen bis heute in den unterschiedlichsten Formen bestraft. Insgesamt dauerte es ohnehin recht lange, bis man uns Frauen eine größere Rollenflexibilität zugestanden hat, bzw. bis wir Frauen begonnen haben, uns aus unserer untergeordneten Rolle zu befreien. Es gibt Länder und Kulturen, in denen das bis heute nicht möglich ist. Schauen wir nach Afghanistan, werden Frauen und Mädchen wieder zunehmend in den Mikrokosmos der mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zurückgedrängt. Im Iran hingegen kämpfen Frauen todesmutig für mehr Freiheit, bzw. eine größere Rollenflexibilität wie Schwarz es nennt.

Von den Trümmerfrauen zurück zu den Hausmütterchen

Dass Frauen keineswegs nur auf die ihnen zugestandene Rolle beschränkt sind, hat die Geschichte immer und immer wieder bewiesen. Als der Opa meines Mannes im Krieg war, war es seine Oma, liebevoll Oma-Häuschen genannt, die einen großen Bauernhof mit Land und Leuten alleine führte, Entscheidungen traf und nebenbei auch noch ihre Mutterrolle ausfüllte. Kaum war der Krieg zu Ende waren es die legendären Trümmerfrauen, die damit begonnen haben, das Land wieder aufzubauen. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese großartigen, starken Frauen ihre Positionen bereitwillig aufgaben, sobald die Männer wieder zurück waren… Es dauerte noch eine Weile, bis sich Frauen hier in Deutschland unter dem Protest und der Häme der Männer politisch engagierten, oder eine Karriere anstrebten. Verrückt eigentlich. Ein ganz schöner Kampf. Aber immerhin ist es inzwischen “normal”, dass auch Frau arbeitet. Auf den Führungsetagen sind sie jedoch nach wie vor ausgesprochen rar, trotz Frauenquoten, Förderprogrammen, etc. Warum eigentlich? Liegt es am Maßanzug “Hierarchie”, der Brüste und Taille nicht abbildet? Oder sind Frauen vielleicht nicht klug oder nicht fleißig genug?

Können Frauen Karriere machen?

Eine Frage die in Anbetracht der gesellschaftlichen Realität und des evolutionshistorischen Rollenverständnisses durchaus erlaubt sein darf. Lange Zeit stand das schlechtere Bildungsniveau von Mädchen und Frauen der Karriere im Weg. Inzwischen haben Mädchen den Jungs längst den Rang abgelaufen. Offensichtlich braucht es für Karriere jedoch mehr als eine gute Ausbildung.

Gleich mehrere Untersuchungen ergaben, dass Frauen aufgrund einer stärker empfundenen Loyalität und dem Gefühl ihr Umfeld nicht im Stich lassen zu dürfen, seltener den Arbeitsplatz wechseln. Allerdings ist ein regelmäßiger Jobwechsel häufig ein wahrer Karriere Booster.

Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass Frauen eine größere Leistung erbringen, wenn sie Erfüllung und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Beides finden Frauen deutlich häufiger als Männer darin Verantwortung für andere zu übernehmen und Beziehungen auch auf der Arbeit aufzubauen. Auch das macht loyal. Hinzu kommt, dass Frauen weniger Sinn darin sehen, ein klares Ranking zu erstellen, als Männer. Frauen fällt es mehrheitlich schwer, offen in Konkurrenz zu anderen zu gehen, was ihnen häufig als Schwäche ausgelegt wird. Tja, der Hierarchie-Maßanzug passt Frau eben nicht! Außerdem denken Frauen weniger in Positionen, als in Personen und natürlich fühlt es sich für viele kalt an, Personen zu ersetzen. Allerdings ist es für die Karriere unabdingbar Positionen zu ersetzen oder zu übernehmen. So und nur so geht es eben voran!

Hinter all dem steckt natürlich der Kerngedanke, dass Frauen das Beziehungsgeflecht häufig wichtiger ist, als die Aufgabe. Auch das lässt sich mit den uralten, fast naturgegebenen Rollen erklären. Bei der Jagd war es immanent wichtig, dass ein jeder seine individuelle Aufgabe oder Position erfüllt oder ausfüllt und damit zum Erfolg beiträgt. In mütterlichen Versorgungsgemeinschaften zuhause hat man im kleinen, familiären Kreis geschaut, was ansteht und sich dementsprechend gemeinsam gekümmert. Für dieses “gemeinsam” war eine stabile und positive Beziehung und Anpassungsfähigkeit das A und O. Zum Jagen reichte strategisches Verständnis, klar verteilte Positionen und Disziplin.

Und trotzdem, oder gerade deshalb können Frauen Karriere machen

Diese andere Rolle, die Frauen Jahrtausende geübt haben, bring jenseits des Unbehagens mit Hierarchien jedoch auch knallharte Vorteile mit, die Frauen zu wertvollen Ressourcen machen und ihnen den Weg hin zu einer glänzenden Karriere ebenen sollten. - Und meine Herren, die folgenden Liste ist nicht von mir, sondern wissenschaftlich evaluiert und von Gerhard Schwarz zusammengetragen:

  • Frauen sind gesundheitlich belastbarer (Anm. der Autorin: Bis hierher keine Überraschung!)

  • Frauen sind Multitasking-fähiger

  • Frauen haben eine höhere emotionale Intelligenz

  • Frauen sind loyaler

  • Frauen haben eine höhere Risikobereitschaft im Sinne von Widerspruchsbereitschaft, geben also offener Feedback und hinterfragen eher

Auch das dumme Argument, junge Frauen nicht einzustellen, weil sie schwangerschaftsbedingt ausfallen könnten, zieht nicht mehr. Denn junge Männer wechseln statistisch bewiesen deutlich häufiger das Unternehmen, was sicher auch nicht der Traum eines jeden Chefs ist!

Und doch hat Frau es häufig schwer: Warren Buffets “Lucky Sperm Club”

Diesem Phänomen der Männergesellschaften, das Warren Buffet süffisant als “Lucky Sperm Club” beschreibt, habe ich ja bereits einen eigenen Artikel gewidmet allerdings muss ich diese exklusiven Männergesellschaften auch hier wieder einmal in unser aller Gedächtnis rufen, tragen sie doch maßgeblich dazu bei, dass Frau trotz all ihrer wertvollen Ressourcen häufig nicht bis an die Spitze vordringt! Diese Männer-Gangs haben ihren Ursprung in den alten Jagdgruppen, in denen klare Hierarchien, Positionen und Gleichschaltung hinter dem Anführer stark zum Erfolg beigetragen haben. Frauen kennen diese Form von Verschworenheit nicht, weil sie evolutionshistorisch betrachtet keinen Nutzen aus Gleichschaltung und Einheitlichkeit hinter der Führung ziehen konnten. Das stammesgeschichtliche Erbe der Frauen sei es laut Schwarz auf individuelle Unterschiede zu reagieren, Beziehungen aufzubauen und mikrosoziale Netzwerke (also Familien) zu pflegen. Frauen haben stets ihr Überleben und das ihrer Kinder gesichert und mussten zu diesem Zweck ausgesprochen flexibel agieren, mit Fokus auf ein sehr kleines soziales Umfeld. Es gibt sogar Ansätze, die behaupten, dass Frauen gemeinsam nicht so stark seien, wie allein. Wenn das stimmt, erklärt sich von allein, dass Frauen sich in ihren Verhaltensmustern von Männern unterscheiden und sich zum Beispiel auch weniger stark unterstützen, als Männer es untereinander tun, um bestimmte hierarchische Positionen zu erreichen. Den “Lucky Ovum Club” gibt es eben nicht!

Rucke di gu, rucke di gu, kein Blut mehr im Schuh?

Viele Erklärungsversuche, weshalb Frauen deutlich seltener in Führungspositionen kommen, als Männer orientieren sich an vermeintlichen Defiziten von Frauen. Um diese Defizite zu überwinden, werden Frauenquoten eingeführt, da Frauen selbstverständlich eine Bereicherung für jede Führungsetage darstellen. Kognitive Diversität schadet eben nie. Jedoch möchte ich nach der Lektüre von Schwarz’ wunderbarer Abhandlung gerne die Frage in den Raum stellen, ob nicht das System selbst das Problem darstellt! Vielleicht ist die Hierarchie selbst der größte Hinderungsgrund für Frauen in Führungspositionen zu gehen… Laut Schwarz ist uns Ladies dabei immer Blut im Schuh gewiss. Im Rahmen von männlich geprägten Hierarchien kommen Frauen nicht umhin, sich einen Schuh anzuziehen, der ihnen nicht passt. Das ist auf die ein oder andere Art immer schmerzhaft. Ein Preis, den nicht jede bereit ist zu zahlen! Aber wie wäre es dann mal mit neuen Organisationsformen und wirklich neuen Führungsansätzen?

Ich versprechen das Thema in den nächsten Wochen noch einmal aufzugreifen und davon zu berichten, was Führung jenseits von hierarchiebedingter “Positional Power” ausmachen kann.

Ich freue mich auf Euer Feedback und wünsche Euch einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Rucke di gu rucke di gu…

Zieh Dir den Schuh an, wenn er Dir passt… Und wenn nicht, dann trotzdem!

Zwischen Angst und Mut liegt nur die Bewertung

Ein kurzer Blick zurück

In der letzten Woche habe ich mein einjähriges Projekt zur Verbesserung der subjektiv empfundenen psychologischen Sicherheit in Zusammenarbeit mit wundervollen Kolleginnen der Universität Maastricht zu Ende gebracht. Die abschließende Post-Study läuft noch und ich lasse dieses Jahr gerade Revue passieren.

Im Kern ging es um das, um was es mir immer geht, um meinen ganz eigenen Purpose: Um Menschen! Ich möchte, dass meine Arbeit einen Beitrag dazu leistet, dass Menschen (noch) ein klein wenig zufriedener, sicherer, glücklicher und ausgeglichener sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gesellschaften wie Organisationen stärker und zukunftsfähiger macht. Das Gefühl der psychologischen Sicherheit stellt dafür eine elementare Rahmenbedingung dar. Um dieses Gefühl auf organisationaler Ebene zu stärken habe ich mit Teams und Führungskräften gearbeitet, denn beide leisten ihren Beitrag für diese kulturelle Veränderung innerhalb einer Organisation. Ich habe mich auf das Thema Feedback und Feedback-Kultur fokussiert, denn wenn mit mir gesprochen wird und nicht über mich, fühle ich mich sicher. Ich fühle mich sicher, wenn ich weiß, dass meine Kollegen wohlwollend beobachten, was ich tue und mich im Zweifelsfall vor einem Fehler bewahren, in dem sie mir ihr Feedback geben, ihre Perspektive darlegen. Feedback, das miteinander reden, bringt Menschen in den Austausch, sorgt für Verständnis. So wird eine ehrliche und offene Feedback-Kultur zur Basis für psychologische Sicherheit.

Die Sicherheit in mir

Aber woher kommt der Mut, Feedback zu geben? Natürlich kommt er aus der Gewissheit, sich in einem Umfeld zu bewegen, in dem es OK ist, offen und ehrlich zu sprechen. Eine Kultur der psychologischen Sicherheit auf Team- oder Organisationsebene unterstützt eine offenen Feedback- und Fehlerkultur. -Die Voraussetzung für lernende Organisationen, die in unserer dynamischen Zeit geradezu überlebenswichtig sind. So landen wir zwangsläufig bei der Frage nach dem Huhn oder dem Ei! Ohne psychologische Sicherheit keine Feedback-Kultur und ohne Feedback-Kultur keine psychologische Sicherheit. Ein gefühltes Dilemma.

Doch zum Glück ist da ja noch mein Purpose, mein Nordstern: Der Mensch! Denn psychologische Sicherheit ist skalierbar und sie beginnt in mir selbst. Fühle ich mich sicher und schaffe ich es in mir zu ruhen, in vollstem Vertrauen auf meine Ressourcen, dann brauche ich kein bestimmtes Umfeld, das ich ja ohnehin nicht beeinflussen kann. Wenn ich zu meinem eigenen inneren Leuchtturm werde, dann kann mich kein Umfeld, keine Dynamik und keine Komplexität dieser Welt mehr aus meiner eigenen inneren Bahn werfen.

Die große Frage ist und bleibt, wie ich dieses Vertrauen in mich selbst finde. Die Angebote sind mannigfaltig und Achtsamkeit in jeder Form, ebenso wie Selbstliebe sind wichtige Voraussetzungen.

Im Laufe des letzten Jahres haben wir ein zusätzliches Angebot gemacht, ein sehr neurowissenschaftliches Angebot, das vielleicht im Business auf höhere Akzeptanz stößt, als Meditation oder andere Achtsamkeitsübungen.

Die Polyvagal Theorie

Die Polyvagal Theorie nach Stephan Porges ist eine Kombination von evolutionsbiologischen, neurowissenschaftlichen und psychologischen Konzepten, die sich mit der Regulation von Emotionen im Zusammenhang mit Angstreaktionen beschäftigt. Im Prinzip untersucht Porges das Erleben von Sicherheit und Verbundenheit in Bezug auf Kampf-/Fluchtreaktionen und Schock- oder Angststarre. Ganz global gefasst geht es um Stress.

Das sympathische und das parasympathische Nervensystem ist sicher vielen ein Begriff. Während das sympathische Nervensystem in Phasen höherer Erregung und Stress aktiviert wird, wird das parasympathische Nervensystem im Zustand der Entspannung aktiviert. Beides ist wichtig und hilfreich. Beide Systeme werden über unseren Vagusnerv angesteuert, der ebenfalls wiederum aus zwei Bereichen besteht: Der ventrale Vaguskomplex, der sich vor allem über die Vorderseite unseres Körpers erstreckt, sorgt für Entspannung, soziale Aktivierung und Sicherheit. Der dorsale Vaguskomplex erstreckt sich über unsere Körperrückseite und sorgt in Gefahrensituationen, oder in Situationen von subjektiv empfundener Unsicherheit für Aktivierung und die berühmte Kampf-/Fluchtaktivierung, sowie in lebensbedrohlichen Situationen für Immobilisierung, das weniger bekannte Freeze-Phänomen.

Was kann ich nun tun, wenn ich mich unsicher fühle, mein dorsaler Vaguskomplex aktiviert ist? Nun, im ersten Schritt muss ich es erkennen, um dann bewusst meinen ventralen Vaguskomplex zu aktivieren. Wie ich das tue? Ich nutze die Vorderseite meines Körpers und atme tief in den Bauch, oder ich ziehe die Mundwinkel zum Grinsen nach oben (ja, die Muskeln, die Deine Mundwinkel noch oben ziehen, sind mit Deinem ventralen Vaguskomplex verbunden). Oder ich gehe in Kontakt mit den Menschen um mich herum, durch bewusste Gesten, Blicke in die Augen, Berührungen. Mit Menschen in Verbindung gehen stimuliert ebenfalls unseren ventralen Vaguskomplex.

Gelingt es mir so, mein Nervensystem zu regulieren, sorge ich für die Ruhe und Ausgeglichenheit tief in mir, die ich brauche um mir meiner Ressourcen bewusst zu sein und so auch entspannt Feedback zu geben, kritisch zu sein, den Mund aufzumachen. -Total sicher und völlig angstfrei!

Aber ein Leben so ganz ohne Stress? - Alles eine Frage der Bewertung!

Für meine Arbeit hat Porges’ Theorie eine kleine Schwachstelle. Ja, es ist hilfreich, sein Stresslevel bewusst regulieren zu können. Außerdem ist es auch verdammt gesund. Aber ein Leben so ganz ohne Stress? Will ich das? Wäre das überhaupt gut für mich?

Meine Kollegin und Freundin Corinna Rott von der Universität Maastricht forscht hierzu im Rahmen ihrer Dissertation. In Studienreihen mit Führungskräften hat sie herausgefunden, dass viele der Teilnehmenden Stress als hilfreich erachten und die Lösung für sie keineswegs sein kann, ein Berufsleben ohne Stress zu führen. Wir wurden von der Evolution nicht umsonst mit beiden Systemen ausgestattet. Stress macht uns aufmerksamer, leistungsfähiger, besser. Manchmal passiert es jedoch, dass dieser Stress so anwächst, dass er in uns das Gefühl der Unsicherheit oder Angst hervorruft. Diese Angst ist leider nicht hilfreich, weder im Job, noch privat. Also Stress doch wieder runter regulieren?

Zwischen Angst und Mut liegt nur die Bewertung

Dank Corinna habe ich Kelly McGonigal von der Sanford Universität in San Francisco kennenlernen dürfen , die ihren Fokus nicht mehr auf das Reduzieren von Stress richtet, sondern auf die Bewertung von Stress. Denn der Unterschied zwischen Angst und Freude liegt in der Bewertung. Physiologisch ist sich beides gleich. Ich versuche das mal anhand eines Beispiels zu erklären: Vielleicht fährst Du sehr gerne Achterbahn. Ich mag es nicht. Mir macht es Angst. Manchmal fahre ich aus einer Art Gruppendruck trotzdem mit und besonders schön sind dann diese Fotos, die man im Anschluss von sich selbst während der Fahrt kaufen kann. Meine sehen für gewöhnlich so aus, dass ich um mich herum fröhliche, lachende Gesichter sehe, während mein eigenes entsetzt, fast schmerzverzerrt aussieht. Aus diesem Grund habe ich mir noch nie so ein Foto gekauft.

Physiologisch gesehen befinden sich jedoch alle auf dem Foto in einem vergleichbaren Zustand. Ich bewerte ihn eben nur nicht als Spaß, sondern als Gefahr. Interessant ist, dass viele der Menschen, mit denen ich Achterbahn gefahren bin, Angst oder Unwohlsein empfinden, wenn sie einen Vortrag vor hunderten von Menschen halten sollen. Sie sagen, sie würden dann so unruhig, müssten häufiger zur Toilette, bekämen feuchte Hände und einen trockenen Mund, das Herz würde anfangen zu rasen. Das würde sie sehr verunsichern. Ich spüre exakt die gleichen Symptome vor großen Vorträgen oder wichtigen Workshops, aber ich bin der Meinung, dass diese Symptome Teil meiner Vorfreude sind. Denn ich liebe derartige Termine! Und ich weiß, dass meine Anspannung im Vorfeld mich nur noch aufmerksamer und besser sein lässt.

Und denke ich an meine Hochzeit, waren meine Hände klatschnass, ich konnte kaum richtig atmen, mein Herz hat wie wild geklopft und sind wir mal ehrlich, hier wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass ich Angst haben könnte. Ich befand mich in einem Zustand breit grinsender Vorfreude…

Wenn Sie sich dazu entscheiden, Ihre Stressreaktion als hilfreich zu betrachten, schaffen Sie die biologische Voraussetzung von Mut.
— Kelly McGonigal

So einfach und so kompliziert. So könnte ich auch die körperlichen Reaktionen, die ich habe, bevor ich mich traue (oder eben auch nicht) offen und ehrlich meine Meinung zu vertreten oder Feedback zu geben, als hilfreiche Unterstützung und eben nicht als Alarmsignal bewerten und einfach mutig Feedback geben.

Dass dies möglich ist, zeigen uns seit Wochen all die unglaublich mutigen Mädchen, Frauen und Männer im Iran. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob ich diesen Mut, diesen Todesmut, aufbringen würde, lebte ich dort. Ich habe mir oft vorgestellt, dass ich zu ängstlich sein würde. Aber wahrscheinlich hat Kelly McGonigal recht und wir erleben im Iran gerade Menschen, die sich beflügeln lassen, die kämpfen und ihre körperlichen und emotionalen Empfindungen als positiv und unterstützend bewerten. Sie wollen einen kulturellen Wandel herbeiführen. Dafür brauchen sie Mut, keine Angst. Denn ein jeder kultureller Wandel braucht Mut und er wird von Menschen getragen, die diesen Mut zur Veränderung tief in sich finden! -Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in Organisationen.

Wie einfach erscheint doch der (kulturelle) Wandel, den ich in Wirtschaftsorganisationen zu unterstützen versuche, im Vergleich zum sich vollziehenden kulturellen Wandel im Iran! Auch deshalb mache ich immer weiter. Denn ich weiß, dass es funktioniert. Jede*r einzelne von uns trägt in sich, was es dafür braucht. Wir müssen uns nur entscheiden mutig zu sein.

Habt einen schönen Sonntag und seid mutig!

Eure Constance

Denn alles beGinnt bei mir

Sei mutig! - Nicht ängstlich!

Denn wer nicht tanzt ist indiscotabel - Resiliente Organisationen als Erfolgsmodell

Wieviel Perfektion ist perfekt?

Eigentlich hätte ich diese Zeilen schon vor einer Woche tippen sollen. Immerhin habe ich diesen 14 tägigen Rhythmus selbst etabliert und ich freue mich sehr, inzwischen eine gewisse Stammleserschaft zu haben, die sich jeden zweiten Sonntag zum Frühstück auf meine Zeilen freut. Darauf habe ich lang hingearbeitet. Es ist mir unglaublich wichtig, professionell zu agieren und meinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Aber was mache ich letztes Wochenende? Ich tanze einfach so die halbe Nacht durch! Bääm! Blog schreiben war nicht mehr möglich. Absolut indiskutabel und unprofessionell! Und trotzdem habe ich mich bewusst dazu entschieden, in der letzten Woche den Blog Blog sein zu lassen und das Leben zu genießen, einfach so!

Meine Artikel sollen immer eine Reflexion dessen sein, was ich in den vergangenen Wochen erlebt habe und in den letzten drei Wochen hat sich bei mir sehr viel um Stressmanagement, Achtsamkeit und Resilienz gedreht. Wie kann ich tagaus tagein umherlaufen und Menschen zu einer achtsamen Work-Life-Balance animieren, aber selbst wie ein Duracell-Häschen auf Speed durch mein Leben düsen, meine eigene Balance völlig ignorierend? Ich sollte leben, was ich predige und so habe ich in der letzten Woche diese Entscheidung getroffen, die mir nicht leichtgefallen ist. Verrückt, oder?

Resiliente Organisationen

Aber mal von vorne: Woher mein berufliches Interesse an Resilienz, Achtsamkeit, Stressmanagement? In einer dynamischen, komplexen und stark vernetzten Welt, in der gefühlt alles mit allem zusammenhängt, resultiert das Gefühl von Sicherheit insbesondere aus der Fähigkeit, mit Unsicherheit umgehen zu können. Alles scheint in einem stetigen Wandel begriffen und wir Menschen können da schon einmal den Überblick verlieren, uns verloren fühlen, oder diesem stetigen “Change” überdrüssig werden. Jedoch verlangt unsere gegenwärtige Realität von Unternehmen eine schnelle und flexible Reaktionsfähigkeit. Wem es nicht gelingt, sich immer wieder an neue Rahmenbedingung anzupassen, bleibt auf der Strecke. Meckern und Kopf in den Sand ist also keine Option, egal wie verständlich eine solche Reaktion vielleicht ist.

Agilität als Zauberimpfstoff

Natürlich ist dieses Phänomen bekannt und kluge Köpfe habe tolle Ideen und Strukturen entwickelt, um die Dynamik und Komplexität unserer Zeit zu managen. Agilität ist hierbei nicht nur zu einem der bekanntesten Buzz-Wörtern geworden, sondern wird inzwischen geradezu inflationär als Zauberimpfstoff für träge Organisationen gehandelt. Aber reicht diese einmalige Impfung aus? Klar, ist ein Unternehmen agil, dann bedeutet das, es ist anpassungsfähig und flexibel. Agile Prozesse und ein agiles Mindset helfen gegen träge Entscheidungsfindungsprozesse, gegen engstirniges Silodenken und unproduktive Pseudo-Geschäftigkeit. Ist eine Organisation wirklich agil kann sie die stetigen Veränderungen sogar produktiv für sich nutzen. Die Organisation wird zu einer lernenden Organisation und Veränderung wir zum willkommenen Standard.

Allerdings ist Agilität auch ein menschlich durchaus herausfordernder Arbeitsmodus. Der hohe Freiheitsgrad in agilen Organisationen sorgt nicht zwangsläufig für eine hohe Handlungsfähigkeit. Wenn es schlecht läuft, können Menschen sich durch diese Strukturen, die Freiheit und die damit verbundene Erwartungshaltung enorm unter Druck gesetzt fühlen. Wenn Organisationen glauben, es reiche aus, agile Strukturen, Prozesse, Methoden einzuführen, ohne dabei die Menschen angemessen zu begleiten, damit die agile Kultur nicht nur im Code of Conduct steht, sondern auch tatsächlich empfunden wird, kann Agilität zu einer regelrechten Burnout-Falle werden.

Doch auch Menschen wie ich, die in der agilen Arbeitsweise geradezu aufgehen, weil sie die Möglichkeiten und Freiheiten lieben und als großen Motivationsfaktor empfinden, können durchaus in Gefahr sein. - Zum Beispiel, wenn sie dazu neigen, immer wieder über eigene Grenzen zu gehen, sich selbst regelrecht ausbeuten. Fehlt die Balance und wird das eigene Ressourcenkonto nicht regelmäßig aufgefüllt, ist nicht auszuschließen, dass Agilität mit Gesundheit bezahlt wird. Belastungsfalle statt Empowerment! Deshalb musste ich einfach mal tanzen gehen und ich danke Dir, liebe Melli, für Deine wundervolle Kühlschrank-Philosophie, die Du mit mir geteilt hast: Wer nicht tanzt ist indiscotabel! Diesen Magnet brauche ich auch an meinem Kühlschrank!

Resilienz als Möglichmacher

Agilität oder erfolgreiches Arbeiten in einem dynamischen und komplexen Umfeld braucht Resilienz sonst dreht der Mensch doll und tanzt nicht mehr. Resilienz ist im Prinzip eine Voraussetzung für erfolgreiche Organisationen in unserem modernen Businessumfeld. Aber was ist Resilienz überhaupt. Eigentlich kommt der Begriff aus der Physik und beschreibt die Dehnbarkeit einer Feder. Wie weit kann ich eine Feder auseinanderziehen, bis sie nicht mehr in ihren Ursprungszustand zurückspringt? Die Psychologie hat den Begriff dankbar übernommen. Wie viele Einschläge, Veränderungen, Rückschläge hält die Seele aus, ohne langfristig aus der Form zu geraten? Je besser ich hier aufgestellt bin, desto einfacher und schneller kann ich die immer neuen Veränderungen verarbeiten und wieder handlungsfähig werden, als Individuum und als Organisation.

Der Sprung in die Wirtschaftspsychologie war schließlich kein besonders großer. In einer zunehmend dynamischen (Wirtschafts-) Welt geht es zunehmend darum, sich schnell und flexibel an immer neu Voraussetzungen anzupassen. Es braucht resiliente Organisationen, die sich von allen möglichen Einschlägen schnell erholen um wieder ins Tun zu kommen. Eine Studie des Zukunftsinstituts kommt sogar zum Schluss, dass Resilienz die zentrale Zukunftskompetenz überhaupt sei. Aber wie bastelt man sich eine resiliente Organisation? Nun eigentlich ganz einfach: Eine resiliente Organisation besteht aus resilienten Bereichen, die wiederum aus resilienten Teams bestehen, die wiederum durch resiliente Mitarbeitende geformt werden. Eine resiliente Organisation entsteht also immer aus resilienten Individuen. Ja, auch Resilienz ist skalierbar.

Es werde also Resilienz…

Möchte ich mir eine resiliente Organisation basteln, beginne ich mit meinen einzelnen Mitarbeitenden. Diese individuelle Resilienz entsteht nur, wenn ich jeden Menschen als soziales Wesen begreife. Hier ist ein holistischer Ansatz im Umgang mit den Mitarbeitenden unabdingbar. Jede*r einzelne muss das Gefühl haben, sie oder er selbst sein zu dürfen: individuell, offen und ehrlich. Der Ansatz sind sogar so ganzheitlich, dass ich offen und ehrlich darüber sprechen könnte, wenn mir alles zu viel ist, ich mich überfordert fühle oder einen Fehler gemacht habe. Ganz schön beängstigend, vor den Kollegen derart blank zu ziehen… Natürlich führt uns auch die Frage nach der Resilienz zu meinem Kernthema der psychologischen Sicherheit nach Amy C. Edmondson. Denn nur in einem psychologisch sicheren Umfeld trauen wir uns, uns selbst wirklich und tief zu reflektieren, uns selbst so kennenzulernen, dass wir wissen was uns guttut und wie wir uns in kritischen Situationen selbst positiv und ehrlich motivieren können, oder wie wir unseren individuellen Stress und unsere Ängste leveln können. Es ist natürlich auch ein psychologisch sicheres Umfeld, das uns ein experimentelles Tun, ein kreatives ausprobieren ermöglicht. Ohne psychologische Sicherheit keine resiliente, lernende Organisation.

Mit dieser Herleitung habe ich in den letzten Wochen immer wieder vor allem mit Führungskräften gearbeitet. Was kann ich als Führungskraft konkret tun, um ein psychologisch sicheres und resilientes Umfeld zu fördern? - Einen Beitrag dazu zu leisten, dass die gesamte Organisation resilienter wird? Die Antwort ist ebenso motivierend wie frustrierend. Als erstes muss ich bei mir anfangen. Mein ganz individuelles Stressempfinden und meine Strategien im Umgang mit Stress haben besonders in einer Führungsposition einen besonderen Einfluss auf die Teamdynamik und den subjektiv empfundenen Leistungsdruck eines jeden Mitarbeitenden. Ein*e jede*r sollte sich regelmäßig sehr ehrlich fragen, wie es um ihr oder sein Stresslevel bestellt ist. Um hierfür Anhaltspunkte zu geben, haben wir in einem ganz besonderen Workshop in Zusammenarbeit mit zwei wundervollen Forscherinnen der Universität Maastricht mit der sogenannten Polyvagal Theorie nach Stephen W. Porges gearbeitet. Das Ziel war Stress als körperliche Empfindung zu abstrahieren und Möglichkeiten an die Hand zu geben, Stress über Körperarbeit bewusst zu senken. Möchte ich anderen Sicherheit geben, sollte ich mich erstmal selbst sicher fühlen und Stress hat immer etwas mit Kampf und Flucht und somit ggf. auch mit Unsicherheit zu tun.

Im nächsten Schritt rate ich Führungskräften das Thema Stress im Team zu thematisieren, ebenso wie Fehler, Unsicherheiten, Sorgen, Ängste. Gelingt es mir als Führungskraft, mich als Mensch erlebbar zu machen, werden es mir meine Mitarbeitenden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gleichtun. Spreche ich darüber, dass mir etwas zu viel wird, oder spreche ich über einen Fehler, den ich gemacht habe, setze ich automatisch den Standard für das Miteinander. Ich zeige, dass es zur Teamkultur gehört, Fehler machen zu dürfen, Grenzen zu haben, Sorgen zu teilen. Und nein, keine Angst, das wird ganz sicher nicht zu einem Therapiesetting. In den letzten Wochen habe ich gleich mehrere Teams dabei unterstützt, über das Stresslevel und die Belastungen im Team zu sprechen. Einige Teilnehmende haben mir erzählt, dass sie noch nie zuvor in einem Team auf der Arbeit so konkret über ihr Stresslevel und ihre Belastungen gesprochen haben und dass es gutgetan hat.

Ich weiß, das sind ziemlich kleine Schritte, aber lieber zwei kleine Schritte, die auch gegangen werden, als den großen Sprung, für den einem am Ende entweder der Mut oder die Sprungkraft fehlt.

Und Perfektion…??? Ja, das ist so eine Sache. Irgendwie streben wir alle danach, erreichen sie gefühlt nie und arbeiten uns deshalb an ihr ab. Denn wie schon Alfred de Musset sagte:

“Perfektion existiert nicht. Dies zu verstehen ist der Triumph menschlicher Intelligenz. Sie besitzen zu wollen ist die gefährlichste Form des Wahnsinns.”

Nun ja, in meinem Fall liegen Genie und Wahnsinn wohl noch recht dicht beisammen!

Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag. Vielleicht tanzt Ihr ja ein wenig…

Eure Constance

Resilienz 2.0

… denn nicht zu tanzen ist indiscotabel…