Helau und Alaaf…
Was Clowns mit meinem Onboarding zu tun haben? Eigentlich nichts! Aber verdammt, morgen ist Rosenmontag und wie so vieles in den letzten elf Monaten verstreicht auch dieser für mich besondere Moment einfach so, ohne auch nur einen Moment inne zu halten. Ich merke an mir, dass ich langsam aber sicher immer unzufriedener werde. - Um nicht zu sagen, mir reicht’s! Und das hat natürlich mit der Frage, was denn nun wirklich wichtig ist, zu tun. Die Antwort darauf ist super individuell. Mir wäre es jetzt langsam aber sicher mal wieder wichtig, meine Freunde zu sehen, zu tanzen und zu feiern. Klar, ich bin ja auch keine Risikogruppe und arbeite auch nicht auf einer der total überlasteten Intensivstationen. Halte ich mir das vor Augen, dann schaffe ich es doch irgendwie Tag für Tag weiterhin zuhause zu bleiben und den Ist-Zustand auszuhalten. All jenen, die langsam aber sicher immer deutlicher um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten müssen, fällt dieses Aushalten bestimmt deutlich schwerer als mir. Ich freue mich für die Frisöre, die ja bald wieder loslegen dürfen, gleichzeitig tun mir all die Gastronomen, Kosmetiker, Inhaber kleiner Geschäfte und so weiter unendlich leid. Was ist denn nun wirklich wichtig? Die Wirtschaft? Der Schutz der vulnerablen Gruppen? Menschen vor den psychischen Folgen eines Lockdowns zu schützen, oder vor den physischen Folgen einer weiteren Welle? Eine europäische Lösung? Das Beste für Deutschland? Schulen auf? Schulen zu? Das ist alles ganz schön komplex und am Ende bin ich froh, dass ich nicht festlegen muss, was wirklich wichtig ist, um danach den Weg eines ganzen Landes auszurichten. Ich tue mir ja mit meinem eigenen Weg gelegentlich schwer genug.
So viel zu lernen, so viel zu tun
Mein eigener Weg führt mich dann auch direkt zu meinem Onboarding. Denn während meiner letzten Arbeitswoche kam die Frage, was denn wirklich wichtig ist, gleich mehrfach auf. Zum einen habe ich mich selbst immer wieder fragen müssen, wo denn nun meine Prioritäten sind, um nicht den Überblick zu verlieren. Außerdem ist mir immer wieder die Frage begegnet, was denn wichtiger sei, Mindset oder Methode. Und dann war da auch noch die Frage, was denn nun das Ziel der Tätigkeit eines Agile Coaches sei.
In aller Bescheidenheit fange ich mal mit mir selbst an. Inzwischen verstehe ich recht gut, was ich zukünftig zu leisten in der Lage sein sollte. Hierfür bringe ich in der Tat schon recht viel mit, allerdings konnte ich auch ganz klare Entwicklungsräume definieren, die ich in der letzten Woche auch gemeinsam mit meiner Chefin in meiner Zielvereinbarung für mein erstes Jahr festgehalten habe. Im Wesentlichen ist es so, dass ich mir sicher bin, bereits alles das mitzubringen, was ich als Coach und Teamentwickler brauche, um erfolgreich arbeiten zu können. Was mir jedoch noch fehlt ist mehr Basiswissen (oder agile Methodenkompetenz) um noch kompetenter und sicherer beraten zu können. Kanban, Lean, Obeya, da ist noch Luft nach oben bei mir! Diese Erkenntnis war leider mein ganz großes Dilemma, denn eigentlich hätte ich mich total gerne in Richtung Design Thinking, bzw. PACE weiterentwickelt, weil ich gerade Design Thinking total spannend finde. Ich finde es passt toll zu Scrum und würde mein persönliches Portfolio super gut ergänzen. Aber da war sie wieder, die Frage, was (in diesem Jahr) wirklich wichtig ist! Und genau diese Frage habe ich mir vor zwei Wochen bereits selbst sehr deutlich beantwortet. In meinem vorletzten Blog habe ich euch von den sogenannten OKRs, den Objectives und Key Results, berichtet. Parallel dazu habe ich mir mein eigenes Ziel, also mein Objective, und die drei Meilensteine, die mich diesem Ziel näherbringen, also meine Key Results, definiert. In den letzten zwei Wochen habe ich mich tatsächlich jeden Tag nach getaner Arbeit gefragt, was ich an diesem Tag alles getan habe, um mein Ziel, nämlich das Ankommen in der Bank, im neuen Job und bei meinen Coachees, zu erreichen.
In den ersten drei Tagen habe ich tatsächlich sogar völlig vergessen, was ich mir als Ziel und Meilensteine gesetzt habe. Na ja, es war auch wirklich viel los! -VUCA eben! An Tag vier hatte ich alles zwar im Kopf, habe es aber tagsüber immer wieder vergessen. So habe ich vor mich hin gewerkelt und abends, wenn ich mir meine OKRs angeschaut habe, war ich heilfroh, wenn ich jeden Tag mehr oder weniger zufällig etwas getan habe, was dem Ganzen zuträglich war. In der zweiten Woche gab es tatsächlich Momente, in denen ich mich bevor ich auf etwas aufgesprungen bin bewusst gefragt habe, ob das denn nun hinsichtlich meines großen Ziels sinnhaft ist, oder ob es mich vielleicht sogar von meinem Ziel abbringt. Tja, und hinsichtlich meiner Zielvereinbarung war die Versuchung so groß, dass ich mich fast selbst von meinem eigentlichen Kurs abgebracht hätte… Tja, sie machen halt doch Sinn, all diese “fancy” Methoden der schönen neuen Welt der New Work. -Leider! Deshalb muss Design Thinking noch ein Jahr warten!
Methode oder Mindset… Verlaufen im Dschungel der Agilität
Diese Welt der New Work wartet gefühlt wöchentlich mit neuen Methoden auf. Letzte Woche tauchte so plötzlich Kata in meiner Arbeitswelt auf. Schon wieder so eine neue Methode, von der ich gefühlt zu wenig Ahnung habe und die ich mir möglichst schnell erarbeiten müsste… Ich habe tatsächlich gemerkt, dass ich innerlich in den Widerstand gegangen bin. Mir hat es gereicht. Ich wollte mich lieber zunächst in all dem “alten Neuen” zurechtfinden, eh ich mir schon wieder etwas Neues erarbeiten muss. Wie es wohl meinen zukünftigen Kunden oder Coachees gehen würde, wenn ich all diese schicken und durchaus auch sinnvollen Methoden einführen würde? - Nachdem sie gerade erst alles auf links drehen mussten, weil so eine agile Transformation alles gehörig auf den Kopf stellt? Geht es denen am Ende womöglich genau wie mir und sie gehen in den Widerstand, weil alles einfach zu viel wird? Verstehen könnte ich es.
Was mir in der letzten Woche wirklich geholfen hat, Kata zwar zur Kenntnis zu nehmen und es dann auch wieder loszulassen ohne darüber zu meckern, dass da ja schon wieder etwas Neues ist, war, dass ich Kata sofort einordnen konnte, weil ich für mich verstanden habe, was Agilität im Kern bedeutet.
Agilität ist nicht die stumpfsinnige Reproduktion der neusten Methoden, sondern das Verständnis dessen, was dahintersteckt. Oder anders ausgedrückt: was ist wirklich wichtig, um agil zu sein?
Das Verständnis dafür, dass ich mich in einem dynamischen und komplexen Umfeld bewege, in dem sture Schwarz-Weiß-Malerei nicht mehr zielführend ist.
Die Akzeptanz dafür, dass ich alleine nicht in der Lage bin, diese Dynamik und Komplexität zu managen. Das Team ist der Schlüssel zum Erfolg und meine Kollegen sind meine wertvollste Ressource.
Die Erkenntnis, dass es am Ende meine Kunden sind, die mich erfolgreich machen und ich deshalb mein Produkt oder meine Dienstleistung von Anfang an auf meine Kunden ausrichten sollte.
Habe ich das einmal verstanden, dann darf ich mir die Methoden heraussuchen, die mich bestmöglich dabei unterstützen, den Fokus zu wahren oder den Überblick nicht zu verlieren, Voraussetzungen für meine Kollegen zu schaffen, die ihnen die Sicherheit geben, um gemeinsam ihre beste Leistung abzurufen (kleiner Seitenhieb auf die großartige Amy Edmondson und die Psychological Safety) und dafür sorgen, dass ich alles das, was ich tue, auf meine Kunden ausrichte. Am Ende sind es doch immer wieder die gleichen Füße in unterschiedlichen Schuhen…
Auch Coaches verlieren mal die Ausrichtung… Oder doch nicht?
Ja, die Möglichkeiten in der New Work scheinen schier endlos. Deshalb sind auch die Ansatzpunkte für Agile Coaches ähnlich vielfältig, was das Leben wirklich bunt und abwechslungsreich macht. Allerdings bieten all diese Möglichkeiten eben auch das Potenzial sich in ihnen zu verlaufen. Aus diesem Grund ist es auch für uns Coaches wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was wir mit unseren Maßnahmen erreichen wollen. Auch wir Coaches dürfen hierbei nicht die Bedürfnisse unserer Kunden aus den Augen verlieren, denn um sie geht es. Es geht darum, unseren Kunden dabei zu helfen, ihren ganz eigenen und für sie stimmigen Weg hin zur High Performance zu finden. Arbeitet man nun als Team agiler Coaches in einem großen Unternehmen, ist es absolut notwendig, sich als Coaches auszutauschen, an einem Strang zu ziehen und sich gemeinsam zu fragen, was denn nun wirklich wichtig ist. Das ist ein spannender und anspruchsvoller Prozess, auf den ich mich wirklich freue. Denn wer glaubt, dass Coaches besser darin sind, sich zu fokussieren, als ihre Coachees, den muss ich enttäuschen. Auch Coaches unterliegen den Zwängen des Menschseins! Ich bin gespannt, wie meine Reise gemeinsam mit meinem neuen Team hier weitergehen wird!
Heute schon ‘nen Clown gefrühstückt?
Was hilft euch denn dabei, den Fokus nicht zu verlieren? Und wie geht es euch mit Veränderungen und Neuerungen? Und dem Lockdown? Was ist für euch momentan wirklich wichtig? Darüber was in diesem Corona-Wahnsinn wirklich wichtig ist, denke ich noch immer nach. Parallel dazu denke ich an diesen Fassenachts-Sonntag, an dem ich als Clown gefrühstückt habe, total verkatert und in der Hoffnung, dass mich O-Saft, Croissant und Kaffee für den nächsten Umzug wieder fit machen… Am Ende hat ein Pikkolöchen mein Problem gelöst und ich bin mir sicher, ich werde noch viele Rosenmontage feiern können, im nächsten Jahr vielleicht sogar noch etwas ausgelassener als sonst. Aber für den Moment scheint es tatsächlich wirklich wichtig zu sein, vernünftig und geduldig zu bleiben, auch wenn es in dieser komplexen und dynamischen Welt tausende Störfeuer gibt, die immer wieder versuchen, mich von meinem Fokus abzubringen.
Helau und Alaaf ihr Fasenachter und Karnevalisten… Und für den Fall, dass ihr die Liebe zur Fasenacht nicht verstehen könnt, ihr nicht nachvollziehen könnt, warum einem der Rosenmontag wichtig sein könnte, ist das nicht schlimm. Jeder hat seine besonderen Daten im Kalender, Daten, die uns wichtig sind. Über die Wichtigkeit von Weihnachten als Familienfest wurde ja zum Beispiel unglaublich viel und öffentlich diskutiert. Aber was bleibt ist eben die Frage was wirklich wichtig ist.
Ich werde sicher noch den ein oder anderen traurigen Moment haben, aber ich werde mich versuchen, auch darauf zu freuen, dass die Zeit wiederkommt, in der wir diese besonderen Feste wieder feiern können. Und bis dahin ist es eben wirklich wichtig, dass so wenig Menschen wie möglich an diesem sch*** Virus sterben, denn hier geht es nicht um Zahlen und Statistiken, sondern um Familien und Schicksale und es gibt jetzt schon zu viele Familien, die ihre Feste im nächsten Jahr mit dem Gefühl feiern müssen, dass jemand fehlt.
Eure Constance