Über die Verantwortung...

Über die Vorzüge der Entschleunigung

Ich weiß nicht wie es bei Euch aussieht, aber ich habe mich inzwischen in meinem neuen Corona-Alltag eingerichtet. Alles ist etwas achtsamer und entschleunigter. Ich gönne mir jeden Morgen einen Kaffee im Bett und überfliege dabei die Nachrichten des Tages. Eigentlich ist es ja momentan immer sehr ähnlich: Zahlen, Statistiken, immer die gleichen Fragen ohne wirkliche Antworten. Ich habe auch hier das Gefühl, dass die Welt sich deutlich langsamer dreht und es eigentlich nicht viel Neues gibt. Allerdings bin ich vor einigen Tagen an einer Überschrift hängen geblieben, die anders war und der Bericht lässt mich bis heute nicht mehr los.

Über die Eskalation im Lockdown

Am Abend des 31. März wird die 27 Jahre alte Medizinstudentin Lorena Quaranta in einem Vorort der sizilianischen Stadt Messina ermordet, ermordet von ihrem Lebensgefährten, im eigenen Zuhause, dort, wo man sich am sichersten fühlen sollte. Lorena wollte Gynäkologin werden. Ihre Abschlussprüfung sollte im Juli sein. Jetzt ist sie tot. Ihre Eltern und ihre Geschwister werden nie mehr ihre strahlenden braunen Augen sehen, sie nie mehr singen hören. Für sie ist Lorena sicher mehr als eine weitere Zahl, die in die Statistik zur häuslichen Gewalt eingeht. Für sie ist Lorena sicher mehr als ein Opfer.

Über die kalte Statistik

Gewalt gegen Frauen und Kinder beschäftigt mich schon immer. Berichte darüber machen mich sprachlos, hilflos und tief traurig. Die Zahlen darüber machen mich fassungslos. Seit 2015 liefert das Bundeskriminalamt statistische Auswertungen zur sogenannten Partnerschaftsgewalt. Diesen Zahlen folgend wird in Deutschland stündlich eine Frau von ihrem Partner verletzt, täglich kommt es zu einem Tötungsversuch und statistisch sterben fast drei Frauen pro Woche bei einem dieser Tötungsversuche. Im Jahr 2018 waren es 141. Nicht viel geringer ist die Zahl von Kindern, die durch häusliche Gewalt ihr Leben verlieren, die meisten von ihnen im Vorschulalter. Ähnlich wie bei Lorena verbergen sich hinter diesen Zahlen Menschen mit Gefühlen, Träumen, Wünschen, Talenten, denen nicht nur die körperliche Unversehrtheit genommen wird, sonder auch Würde, Selbstachtung und in den unbeschreiblichsten Fällen sogar ihr Leben.

Entsprechende Studien aus der chinesischen Provinz Wuhan legen nahe, dass die ohnehin schon gewaltbereiten Täter durch den zusätzlichen psychischen Druck der Krisen und den daraus resultierenden Maßnahmen noch gewaltbereiter sind. Fehlende soziale Kontakte und soziale Kontrolle führen außerdem offensichtlich dazu, dass Täter sich sicherer fühlen. Opfer, Frauen wie Kinder, sind den Tätern schutzlos ausgeliefert. Rund um die Uhr sind sie mit dem Peiniger in eine Wohnung gesperrt, permanente Kontrolle. Notrufnummern für Opfer häuslicher Gewalt beklagen einen eklatanten Rückgang an Anrufen. Klar, wie sollen die Opfer um Rat und Hilfe rufen, wenn der Täter permanent um sie herum ist. Ich habe Grund zur Annahme, dass die gegenwärtige Situation nicht nur zu mehr häuslicher Gewalt führt, sonder diese Form der Gewalt zusätzlich auch noch viel unsichtbarer ist, als sie es vor Corona ohnehin schon war.

Fragen über Fragen

Alles das hier niederschreibend frage ich mich natürlich auch, wo denn nun unsere Rolle liegt. -Wir, die wir weder Opfer noch Täter sind! Einmischen, oder doch besser raushalten?

Meine Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt begann vor einigen Jahren damit, dass ich mit meinem Co-Trainer ein Selbstschutzkonzept für Flugzeugbesatzungen entwickelt habe. Also eigentlich hat er es entwickelt. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich absolut keine Ahnung wie man was in der Praxis tun kann, um sich effektiv zu schützen, wenn eine Deeskalation der Situation nicht mehr möglich ist. Das so entstandene Konzept schulen wir inzwischen nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie Notaufnahmen, Rettungsdiensten, sozialen Einrichtungen und so weiter. Eigentlich ist es denkbar einfach! Da man niemanden in zwei Tagen zum versierten Kämpfer ausbilden kann, geht es im ersten Schritt darum, potenziell gefährliche Situationen im Vorfeld zu erkennen und ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen, bzw. vor einer körperlichen Eskalation zu deeskalieren. Sollte das nicht möglich sein, ist es im zweiten Schritt wichtig, Öffentlichkeit herzustellen, um Hilfe und Aufmerksamkeit zu rufen. Erst wenn das fehlschlägt, ist es an der Zeit, dem Angreifer gezielt einen Schmerzreiz zu setzen um sich dadurch ein Fluchtfenster zu erarbeiten.

Mit dem Aufkeimen der Diskussion um häusliche Gewalt und Corona wurde mir von vielen Seiten vorgeschlagen, hier einen Nutzen für Impuls heraus zu ziehen und Schulungen und Workshops für diese Opfer anzubieten. Ehrenwerte Idee. Allerdings ist davon auszugehen, dass die entsprechende Zielgruppe sich niemals zu einem solchen Workshop anmelden würde. Vielmehr würde eine Anmeldung das Ende ihres Daseins als Opfer markieren. Leider sind die emotionalen Zusammenhänge und Abhängigkeiten so komplex, dass wir mit einem Schulungsangebot an dieser Stelle machtlos sind.

Was können wir (und damit meine ich nicht nur meinen Co-Trainer und mich, sondern jeden Einzelnen) also tun, um am Ende des Tages nicht diejenigen zu sein, die in diesen unerträglichen Interviews in der Boulevardpresse schließlich erzählen, dass ja jeder in der Nachbarschaft mitbekommen habe, dass da was nicht stimme, dass jeder mitbekommen habe, dass sich sehr laut gestritten wurde und ja, das Kind wirkte verängstigt, die Frau hatte mit niemanden Kontakt…

Über die Verantwortung…

… die wir alle tragen: Es ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, dass zu übernehmen, was mein Co-Trainer und ich den Opfern häuslicher Gewalt nicht beibringen können: Lasst uns potenziell gefährliche Situationen wahrnehmen, lasst uns hinschauen, anstatt wegzusehen, lasst uns bewusst hinhören, anstatt die Musik lauter zu drehen. Und lasst uns Öffentlichkeit schaffen! Lasst uns zeigen, dass wir wahrnehmen was passiert, lasst uns die Hilfe herbeirufen, die das Opfer selbst nicht herbeirufen kann. Das ist eine Verantwortung für unsere Mitmenschen, die so selbstverständlich sein sollte, wie es dieser Tage das Zuhause-Bleiben oder das Abstand-Halten sein sollte.

Ich weiß, man scheut den Anruf bei der Polizei. Man will ja niemanden ungerechtfertigt und ohne handfeste Beweise verdächtigen. Diesen Einwand habe ich auch immer wieder im Rahmen einer kleinen Workshop-Reihe zum Thema Menschenhandel in der Luftfahrt gehört. Und ich antworte hier, wie ich es damals immer wieder getan haben: Was passiert denn, wenn die Polizei feststellt, dass alles gut ist? Genau, es passiert NICHTS! Und wer den Anruf bei der Polizei scheut und eine zweite Meinung, oder Rückversicherung braucht, warum nicht bei einer dieser Beratungsnummern anrufen? Und mal ganz ehrlich, wie oft kommen wir realistisch gesehen in die Situation, Zeuge häuslicher Gewalt zu werden? Wie oft sind wir an dem Punkt, an dem der Bauch sagt, hier geht etwas weit über das Normale hinaus? Ich bin vierzig (Mist, jetzt habe ich es gesagt!) und ich kann mich an eine einzige Situation erinnern, in der ich eigentlich hätte zum Telefon greifen sollen. Warum ich es damals nicht getan habe? Es war mitten in der Nacht, ich wurde durch die Stimmen und Schreie nebenan geweckt, ich war überrumpelt und hatte keinen Plan. Tatsächlich habe ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nie damit auseinandergesetzt, wie ich in einer solchen Situation agieren würde. Ich war wie in einer Art Schockzustand und am nächsten Morgen war ich froh, dass es “ihr” gut ging! Heute weiß ich was ich beim nächsten Mal tue und vielleicht nehmt ihr diese Zeilen zum Anlass, euch auch einen Plan zurecht zu legen und im richtigen Moment Verantwortung zu übernehmen.

Bleibt gesund!

Eure Constance

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Sei mutig

Übernehme Verantwortung

Und was ist wenn der DAX dann oben angekommen ist?

Freies Denken in der Krise

Ich weiß nicht, wie ihr eure Tage so hinter euch bringt. Ich für meinen Teil merke, dass ich sehr viel Zeit zum Nachdenken habe und mir gleichzeitig auch ein wenig der Austausch mit anderen fehlt. Ich gehe momentan recht häufig in eine Art inneren Dialog. Wahrscheinlich auch durch den medialen Einfluss kommt meine Gedankenwelt hierbei nicht um den Stellenwert unserer Wirtschaft für die Gesellschaft drumherum. Darüber wiederum bin ich irgendwie bei Börsen, Börsenwerten und Wirtschaftssystemen angelangt.

Ich habe keinen betriebs- oder volkswirtschaftlichen Hintergrund. Ich habe mein Vermögen in die Aktie Mensch investiert. Hier habe ich gewisse Kompetenzen und deshalb sollte ich eigentlich auch genau darüber schreiben. Aber ich bin heute mal mutig und begeben mich in einer Art Selbstversuch auf das sehr dünne Eis des gefährlichen Halbwissens. In meinem Kopf tönt jetzt schon die Stimme meines alten Philosophielehrers: “Wenn man keine Ahnung hat, besser mal die Klappe halten!”. Es tut mir leid, aber ich tue das hier jetzt trotzdem, wobei ich versuchen werde, diese Granate ein wenig dadurch zu entschärfen, indem ich nicht vorhabe, Aussagen zu treffen, sondern Fragen zu stellen. Vielleicht hat meine Leserschaft ja eine Antwort, oder vielleicht habt ihr einfach Lust, Euch gemeinsam mit mir den Kopf zu zerbrechen.

Börse für Dummies

Hier also zu meiner Sonntagsfrage: Warum müssen die Leitindizes immer steigen? Wann sind sie denn oben angekommen? Und jetzt vielleicht zur wichtigsten meiner Fragen: Was ist dann? Was ist das Ziel des ganzen Zaubers?

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Das Planspiel der Weltwirtschaft.

Die Regeln sind weitestgehend bekannt, aber was um alles in der Welt ist das Ziel?

Diese Frage kam in mir auf, als ich vor einigen Tagen Nachrichten geschaut habe. Die üblichen eher weniger positiven Corona-Szenarien. Aber plötzlich, quasi wie ein heller Sonnenstrahl nach einem düsteren Unwetter, ertönte die Meldung, dass der DAX sich erholt habe. Ja dann ist ja alles gut, oder? Wenn der DAX jetzt wieder steigt, ist die Welt ja in Ordnung. Meine eigene Reaktion auf diese Meldung, dieser kurze Moment der Erleichterung, hat mich so erstaunt, dass mich die Frage, was denn sein wird wenn der DAX oben angekommen ist, nicht mehr los lässt. Sind wir dann im Paradies? Im Land wo Milch und Honig fließen?

Wachstum um des Wachstums Willen

Natürlich habe ich relativ schnell verstanden, dass die Weltwirtschaft doch im Prinzip nur um des Wachstums Willen wächst. Immer schneller, höher, weiter. Der Mediziner würde dieses Wachstum, das das Wachstum selbst zum einzigen Ziel hat, als Krebs bezeichnen. Und wenn wir uns die Auswirkungen dieses radikalen Kapitalismus einmal anschauen, lässt sich feststellen, dass das, ähnlich eines stetig weiter wachsenden bösartigen Tumors, unsere eigene Lebensgrundlage zerstört. Das Streben nach immer höheren Gewinnen führt im Großen dazu, dass wir das Ökosystem zerstören, von dem unser Überleben abhängt. Im Kleinen führt es dazu, dass gegenwärtig in Deutschland bestimmte Medikamente knapp werden und unsere Ärzte und Pfleger nicht ausreichend Schutzkleidung zur Verfügung haben. Es war ja billiger, das alles nur in China produzieren zu lassen. Ja, billiger war es. Es hat Gewinne maximiert und für Wachstum gesorgt. Aber gerade stellen wir fest, dass das trotzdem nicht klug war. Ähnlich wie Krebs hat diese Form der Gewinnmaximierung das Potenzial Menschen zu töten. Ich bin weiß Gott kein Globalisierungsgegner, ich glaube sogar, dass die Weltwirtschaft inzwischen zu einer Art lebenden Organismus zusammengewachsen ist und sich einzelne Teile da nicht mehr heraustrennen lassen. Aber vielleicht nutzen all die weisen Denker und Lenker unserer Weltwirtschaft diese Krise, um ganzheitlichere Entscheidungen zu treffen, die nicht mehr einzig und allein Wachstumsraten zum Ziel haben. Eine neue Art der Globalisierung wäre nach dieser weltweiten Katastrophe durchaus mal angebracht!

Die Krebsgeschwüre in Unternehmen

Was im Großen für die Welt gilt, lässt sich auch gut auf einzelne Organisationen und Unternehmen projizieren und so nähere ich mich dann doch wieder meinem eigentlichen Thema an: dem Menschen. Was macht das mit Menschen, wenn es stetig und permanent und ohne Rücksicht auf Verlust immer nur darum geht, Zahlen immer noch weiter zu optimieren? Noch mehr Einnahmen bei noch weniger Ausgaben! Jahr für Jahr das gleiche Hamsterrad. Wer bekommt hier Zielvereinbarungen? - Die womöglich noch an die jährliche Bonuszahlung gekoppelt sind? Wie fühlt man sich so beim jährlichen Mitarbeitergespräch, in dem man an diesen Zahlen gemessen wird? Irgendwann ist die Zitrone ausgepresst, da kommt dann nichts mehr, egal wie hoch der Druck ist! Auf diese Art und Weise zerstören auch Unternehmen ihre Lebensgrundlage, nämlich die Menschen die für sie arbeiten. Ich wiederhole mich nur ungern! Nein, an dieser Stelle wiederhole ich mich eigentlich sogar sehr gerne, weil man es nicht oft genug sagen kann: der Mensch ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg und es gibt so vielfältige Möglichkeiten in den Menschen zu investieren, ihm Grundlagen zu schaffen, um sein ganzes Potenzial an Kreativität, Leistungsbereitschaft und Loyalität abzurufen. Ja, das kostet und wird vielleicht kurzfristig Gewinne schmälern. Wenn wir in Deutschland zukünftig einen Teil der medizinischen Schutzausrüstung wieder selbst produzieren, wird das auch etwas teurer, aber es wird uns besser auf kommende Krisen vorbereiten. Kreative, freie, mutige und selbstbewusste Mitarbeiter sind die beste Krisenvorbereitung für Unternehmen und Organisationen jedweder Art. Ich bin mir sicher, dass all jene Unternehmen, deren Bild von braven angepassten Arbeitsrobotern geprägt ist, die stumpfsinnig Zahlen jonglieren, bis der Chef zufrieden ist, langfristig verschwinden werden. Das sind Dinosaurier aus längst vergangenen Tagen, die einfach nicht mehr wendig genug sind, um mit der neuen Geschwindigkeit der Welt Schritt halten zu können.

Puh, und hier müsste jetzt eigentlich ein neuer Beitrag beginnen, der sich mit Organigrammen und Organisationsstrukturen auseinandersetzt, die den Menschen ganzheitlich fördern. Ich glaube das mache ich demnächst mal. Für heute aber genug der Worte. Wenn ihr Lust habt, teilt Eure Gedanken. Ich bin ganz neugierig, weil ich meine Gedanken diesbezüglich bei weitem noch nicht zu Ende gedacht habe.

Eure Constance

Der Mechaniker und die Harvard Professorin

To be continued…

Ich plane nicht, dass die einzelnen Beiträge meines Blogs in irgendeiner Form aufeinander aufbauen. Vielmehr soll jeder einzelne Beitrag für sich ein kleiner Appetithappen sein, der Lust macht, ein wenig nachzudenken. Heute ist das etwas anders, denn ich möchte heute gerne nochmal auf unseren Automechaniker vom letzten Mal zurückkommen. Der Mechaniker, der dem Chef nicht gesagt hat, dass er keinen passenden Schlüssel hat um das Rad zu wechseln, das Rad aber trotzdem irgendwie gewechselt hat.

“Doof!” denkt sich der geneigte Leser und denke ich mir eigentlich auch. Von außen betrachtet wirken manche Fehler so glasklar, dass man leicht zu der Arroganz gelangen kann, dass einem selbst das so niemals passiert wäre. Vor allem, weil es von außen betrachtet ja auch kein großes Ding war: “Hey, Chef, ich kann das Rad so nicht wechseln. Mir fehlt der passende Schlüssel, um alles richtig fest zu ziehen.”

Selbstreflexion für Einsteiger

An dieser Stelle ist es Zeit für uns, ein wenig in uns zu gehen und für einen kurzen Moment ernsthaft darüber nachzudenken, ob es auch in unserer beruflichen Laufbahn Situationen gab, in denen wir eigentlich hätten etwas sagen sollen, es aber nicht getan haben. Je länger man nachdenkt, desto mehr dieser Situationen schießen einen durch den Kopf. Keine Sorge, das ist normal. Ihr seid normal funktionierende Menschen und keineswegs das, was man gerne als unprofessionell bezeichnet. Auf dieses Wort bin ich ohnehin einigermaßen allergisch, weil es das nicht gibt. Es gibt nur menschlich und es ist menschlich seinen Mund zu halten. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie es unsere bunte Welt ist. Sagt ihr mir, warum ihr den Mund gehalten habt. Ich habe es getan, weil ich nicht auffallen wollte, Angst vor einem Konflikt hatte, Angst davor, ein Außenseiter zu sein, Sorgen vor möglichen disziplinarischen Konsequenzen, Angst davor, zuzugeben, dass ich offensichtlich die Einzige im Team war, die mit etwas nicht klar kommt und so weiter und so fort. Überhaupt spielen Ängste und Sorgen beim Mund halten offensichtlich eine große Rolle.

Nun wissen wir nicht nur durch die von mir bereits erwähnte Harvard Professorin Amy C. Edmondson, dass das Lernen aus Fehlern eine absolute Basis für den Erfolg von Gruppen, Teams oder ganzen Unternehmen darstellt. Amy schreibt, dass erfolgreiche High Performance nur in sogenannten Lernenden Organisationen möglich ist. Wie aber soll die Organisation lernen, wenn alle Angst davor haben, Probleme anzusprechen oder Fehler zuzugeben.

Halbgötter in weiß

Einen Teil ihrer Forschung hat Amy C. Edmondson in Krankenhäusern betrieben. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass diejenigen Krankenhäuser, die von sich selbst sagten, dass es häufig zu Fehlern käme, insgesamt erfolgreicher waren (und hier wurde nicht der wirtschaftlich Erfolg gemessen, sondern Sterblichkeitsraten, Kunstfehler, etc.), als diejenigen Krankenhäuser, die behaupteten, bei ihnen würden -wenn überhaupt- nur selten Fehler gemacht. Spätestens hier dämmerte es Amy sicher: Fehler müssen etwas ziemlich gutes sein. Fehler retten Leben! Zugegebenermaßen, eine gewagte These. Es folgt die Einschränkung: Fehler retten Leben, wenn sie aufgearbeitet werden und dazu genutzt werden, Leistung und Prozesse zu optimieren.

Das Problem ist, dass viele unserer Fehler erstmal keine wahrnehmbaren Konsequenzen nach sich ziehen und deshalb bietet es sich geradezu an, diese unter den Teppich zu kehren, getreu dem Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch immer jot jejange! Die Gefahr ist hierbei immer, dass sich irgendwann zu viele kleine Fehler summieren, eine Fehlerkette entsteht und es den großen Schlag tut.

Zurück in die KFZ-Werkstatt

Die Frage, die sich hier unweigerlich stellt, ist, wie es gelingt, Menschen dazu zu bringen, Fehler aus freien Stücken zuzugeben und zu beleuchten. In der Praxis müssten wir uns fragen, was unser Automechaniker gebraucht hätte, um zu seinem Chef zu gehen und entweder schon vorher zu sagen, dass er die Aufgaben nicht erledigen kann, weil…, oder danach zum Chef zu gehen und zu sagen, dass er Mist gebaut habe. So hätte der Chef vielleicht den Kunden noch warnen können, eh der Unfall passiert wäre. Außerdem hätte er mit einer kleinen Investition seine Werkstatt retten können. Hierzu hat Amy eine ganz revolutionäre Idee (die eigentlich jedem von uns ebenso hätte einfallen können)! Wenn Angst uns davon abhält, den Mund aufzumachen, brauchen wir Sicherheit, die ein Gegengewicht zu unseren Ängsten darstellt. Sie nennt diese Sicherheit neuhochdeutsch Psychological Safety.

Wann immer ich im Rahmen meiner Workshops oder Vorträge auf dieses Thema zu sprechen komme, gibt es im ersten Schritt große Zustimmung. Psychological Safety ist super wichtig und alle möchten sie haben. Da man diese Sicherheit aber nicht auf dem Silbertablett serviert bekommt und ich auch leider noch keinen Weg gefunden habe, sie in Geschenkboxen zu verkaufen, entbrennt im zweiten Schritt für gewöhnlich eine sehr lebhafte Diskussion darüber, wer denn nun für diese Sicherheit verantwortlich sei. Ihr dürft gerne kurz selbst darüber nachdenken, eh ihr weiter lest.

Ich gebe unumwunden zu, dass Führungskräften auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion diesbezüglich eine besondere Rolle zuteil wird, aber spätestens wenn wir feststellen, dass auch Führungskräfte nur Menschen sind (ich weiß, das kommt für einige überraschend), die ebenso ein Sicherheitsbedürfnis haben und wir uns fragen, wer denn den Führungskräften Sicherheit gibt, merken wir relativ schnell, dass die Katze sich irgendwie in den Schwanz beißt. Am Ende sind wir alle für diese ominöse Psychological Safety verantwortlich. Alles in allem handelt es sich hier um ein unternehmenskulturelles Thema. Und wenn ich von Unternehmenskultur spreche, meine ich keineswegs diese schicken bunten Codes of Conduct, die alle Unternehmen in irgendeiner Form ausgearbeitet und den Mitarbeitern zum auswendig lernen übergeben haben. Ich meine das, was gelebt wird, jeden Tag, Hierarchien übergreifend. Hinterfragt Euch doch einfach mal, wie ihr mit euren Kollegen und Schnittstellen umgeht. Gebt ihr den Leute um Euch Sicherheit? Seid ihr nahbar genug, dass Kollegen euch auch jederzeit mit einem ihnen unangenehmen Thema ansprechen würden? Fühlt doch auch mal in euch rein, ob es jemanden in eurem beruflichen Umfeld gibt, der euch ein ganz besonderes Sicherheitsgefühl gibt. Woran liegt das? Kann ich mir davon vielleicht sogar etwas abschauen?

Wenn wir ein besonders hohes Leistungsniveau erreichen möchten, ist die Psychological Safety eine der beiden großen Grundvoraussetzungen. Die zweite möchte ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen. Denn wenn ich mich nur sicher fühle, schaffe ich es allenfalls in meine Komfortzone. Da ist es zwar ganz nett, auf Dauer aber auch todlangweilig. Innovation findet hier nicht statt. Um in die Weiterentwicklung zu gehen, brauche ich auch jemanden der mich fordert und mich sanft und behutsam aus meiner Komfortzone lockt. Ich verspreche, dass es dazu sicher auch noch einen Beitrag geben wird. Bis dahin kann ich euch nur ermuntern, an der Psychological Safety in euren Arbeitsumfeld zu arbeiten. Denn für heute soll es das gewesen sein.

Vielen Dank fürs durchhalten bis zum Schluss. Bleibt gesund!

Constance

Immer auf der Suche…

Immer auf der Suche…