Unternehmenskultur

Und die Zukunft im Business ist menschlich

Digitalisierung hin, Digitalisierung her

Betrachtet man sich die Welt da draußen, könnte man fast unweigerlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass Technik, Technisierung und vor allem Digitalisierung unser aller Zukunft sind. Folglich sollten wir all unser Augenmerk auf die technische und digitale Weiterentwicklung richten. -Eine Idee, die mir als Human Factors Trainer und Coach überhaupt nicht schmeckt. Ja, Technik macht das Leben leichter und online bin ich ohnehin ständig. Doch schon während meiner Zeit in der Luftfahrt war einer meiner großen Leitsätze, dass der Mensch der Schlüssel zum Erfolg unserer (technischen) Systeme ist. Denn selbst die beste Technik braucht zum einen ausreichend kompetente Anwender, sowie Menschen, die in der Lage sind, der zunehmenden Dynamik und Komplexität unseres Umfeldes Rechnung zu tragen, angemessen zu reagieren, zu gestalten, anzupassen und die Technik entsprechend der permanenten Veränderung unseres Umfeldes weiterzuentwickeln. Inzwischen bin ich sogar so weit zu sagen, dass gut funktionierende Teams von Menschen der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme sind. Denn in Anbetracht der stetig zunehmenden Komplexität aller unserer Lebensbereiche, ist eine einzig Wahrnehmung, die auf diese eine Art interpretiert wird, schon lange nicht mehr ausreichend, um wirklich nachhaltig erfolgreich agieren zu können.

Teaming up!

Zu eben dieser Erkenntnis kam auch die Harvard Professorin Amy C. Edmondson schon lang bevor irgendjemand etwas von Agilität zu erzählen wagte. So hat Edmondson erforscht, beschrieben und wissenschaftlich belegt, dass es für erfolgreiches Arbeiten in einem dynamischen Umfeld immanent wichtig ist, dass Menschen sich in Teams zusammenfinden. Allerdings sind laut Edmondson stabile, klar definierte und abgegrenzte Strukturen hierbei nicht zielführend. Vielmehr brauche es flexible, interdisziplinäre Teams, die sich je nach Zielsetzung zusammenfinden und wieder neuformieren, um sich dann in neuer Zusammensetzung einer neuen Aufgabe widmen. Eine der Ideen, die dahinter steckt ist, dass auch Arbeits- und Lernprozesse verändert oder neu gedacht werden müssen, wenn eine Organisation etwas vollbringen möchte, das sie zuvor noch nie vollbracht hat. So könnte man meinen, Amy C. Edmondson gehörte zu den Müttern und Vätern der Agilität.

Die Wirtschaft wird “soft”

Mit ihrem Fokus auf den Faktor Mensch steht Amy C. Edmondson bei weitem nicht allein da. Seit etwa 20 Jahren identifiziert die Thinkers50 Initiative jährlich Menschen, deren Ideen die (Business-) Welt verändern können. Im Rahmen der letzten Ernennung der aktuellen Thinkers50 war ein Trend deutlich erkennbar: Im Management im Allgemeinen und in der Führung im Speziellen gewinnen die sogenannten Soft Skills zunehmend an Bedeutung. Schaut man sich das Ranking der aktuellen Top Ten der richtungsweisenden Vordenker an, stellen wir fest, dass sich derer acht mit Soft Skills beschäftigen.

Die Krone für den ersten Platz darf sich Amy C. Edmondson endlich aufsetzen, nachdem sie 2011 auf Platz 35 einstieg um ihren stetigen Weg Richtung Spitze zu beschreiten, Jahr für Jahr. Unterwegs nahm sie noch den Talent- und den Breakthrough Idea Award mit. Edmondson scheint sich nicht nur hinsichtlich ihrer Teaming-Idee als echter Trendscout zu erweisen. Noch spannender und visionärer erscheint ihr Hauptthema: Die psychologische Sicherheit und die damit zusammenhängende Angstfreiheit in Unternehmen. Im Rahmen ihrer Studien zur Fehlerforschung in den 90er Jahren, war das Klima der psychologischen Sicherheit eher eine zufällige Nebenentdeckung. Heute gilt das Herstellen eines psychologisch sicheren Umfeldes als Grundvoraussetzung für eine gute Performance, da der Mensch, der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme, nur im Zustand der psychologischen Sicherheit seine Ressourcen voll und ganz in seine Arbeit einfließen lassen kann. Hinzu kommt, dass Edmondson nachweisen konnte, dass psychologische Sicherheit mit dem Lernverhalten korreliert und somit auch deutliche Auswirkungen auf die individuelle Leistung hat. Das wiederum heißt, dass eine lernende Organisation, die in der Lage ist, der Dynamik und Komplexität unserer Welt erfolgreich Rechnung zu tragen, vor allem eine angstfreie Organisation ist. Nur in einem angstfreien Klima, in einem Klima der psychologischen Sicherheit können Innovationen gedeihen, kann sich Weiterentwicklung vollziehen. Nur in einer angstfreien Organisation sind Menschen in der Lage, nachhaltig zu lernen. - Die Kernqualifikation für ein Umfeld, das sich in einem stetigen Wandel befindet.

Krise und Sicherheit

Gar nicht so einfach, mit der subjektiv empfundenen Sicherheit, wenn mich das Gefühl ereilt, unsere Welt stünde dauerhaft Kopf. Krise über Krise! Finanzkrise, Klimakrise, Flüchtlingskrise, Corona, Krieg in der Nachbarschaft, Energiekrise, seit Neustem auch noch ein deutlich sichtbare und gesetzlich implementierte Gleichberechtigungskrise in den USA… Es gibt unendlich viele Themen an die meine Angst andocken könnte. Ich glaube das Angebot war noch nie so breit gefächert. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, Räume der subjektiv empfundenen Sicherheit zu schaffen. Denn grade jetzt brauchen wir innovative, kreative Ideen, um eine Rückwärts-Entwicklung der Gesellschaft zu verhindern. Es geht nicht mehr darum, etwas zu optimieren. Ich glaube es geht darum, etwas ganz Neues zu denken und zu gestalten. - Politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Hierbei ist der Mensch mit Nichten überflüssig. Klar, geraten wir in der Arbeitswelt immer stärker unter Druck. Die Robotisierung und Algorithmierung schreiten stetig voran. Es gibt Momente, in denen die Technisierung mir vorkommt, wie eine Dampfwalze, die alles platt zu walzen droht, die stetig und unaufhaltsam weiterrollt. Trotzdem müssen wir vor diesen Maschinen nicht kapitulieren. Die Zukunft unserer Arbeitswelt braucht unsere ausschließlich menschlichen Kompetenzen, die keine Maschine darstellen kann. Hierbei sind vor allem neun Skills von zentraler Bedeutung:

  • Empathie

  • Kreativität

  • Komplexe Probleme lösen

  • Kritisches Denken

  • Kommunikative Kompetenzen

  • Lebenslanges Lernen

  • Selbstmanagement und bewusste Selbstführung

  • Resilienz

  • Unternehmerisches Denken

Prüft gerne selbst, wie viel “Mensch” Eure Tätigkeit gemessen an diesen neuen Kriterien braucht. Vielleicht werdet Ihr erstaunt sein. Die Zukunft ist menschlich! Wären dem nicht so, würden die wichtigsten Vordenker der Wirtschaft uns Menschen nicht so deutlich in den Fokus rücken.

Das Herzstück der Wirtschaft

Diejenigen von Euch, die mir auf den sozialen Medien folgen, können sich vielleicht noch an meinen Buchtipp vom letzten Wochenende erinnern: “The Heart of Business” von einem Gewissen Hubert Joly. Joly wurde von den Thinkers50 mit dem Award in der Kategorie Leadership ausgezeichnet. Joly geht es um nicht mehr oder weniger, als den Kapitalismus neu zu erfinden! -Und zwar so, dass aus ihm ein Beitrag für einen nachhaltige Zukunft erwächst. Der ehemalige Top-Manager, der inzwischen an der Harvard Business School lehrt, bringt die Ansätze des Servant Leadership in Verbindung mit einer klaren Werteorientierung. In seinem Buch beschreibt er eindrucksvoll, wie er diesen Ansatz über Jahrzehnte für sich entwickelt hat. Und der Erfolg gibt ihm recht. Joly wurde mehrfach als weltbester CEO ausgezeichnet und sein Erfolgsgeheimnis ist so revolutionär, wie es auch einfach ist: Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen setzte Joly nicht auf Kostenreduzierung, sondern auf eine neue Dimension des Kundenerlebnisses durch begeisterte und motivierte Beschäftigte! Für Begeisterung und Motivation sind laut Joly die Führungskräfte verantwortlich. Fünf essentielle Tätigkeiten, auf die sich Führende fokussieren sollen, hat Joly dafür ausgedeutet:

  1. Sinn vermitteln

  2. Beziehungen aufbauen

  3. Mitarbeiterautonomie stärken

  4. Exzellenz fördern

  5. Potenzial fokussieren, statt sich von Beschränkungen leiten zu lassen

Um diese fünf Kernpunkte erfolgreich und nachhaltig umzusetzen, braucht es laut Joly vor allem eines: Eine entsprechende innere Haltung, ein Mindset, erfüllt von Empathie und Wertschätzung für die Mitarbeitenden. Dieses Mindset macht Joly ebenfalls an fünf Kernpunkten fest:

  1. Sinnorientierung

  2. Wertefokussierung

  3. Authentizität

  4. Das Verständnis der Führungsrolle als Ermöglichung und Raumöffnung

  5. Das Bewusstsein, dass die Mitarbeitenden die wichtigsten Stakeholder im Führungsprozess sind

Die Erfolgsgeheimnisse eines ausgesprochen überdurchschnittlich erfolgreichen Managers…

Die Zukunft ist definitiv menschlich! Sie gehört uns. Alles was es braucht ist etwas Mut, die Dinge neu und anders zu denken. Es braucht einen sicheren Rahmen und ein Wir-Gefühl! Dann ist alles möglich!

In diesem Sinne setze ich mich jetzt in meinen DeLorean und düse los, zurück in die Zukunft und schaue welche Schrauben ich drehen kann, um die Welt zu verändern und sie etwas schöner, bunter, sicherer zu machen, für all diese großartigen, kreativen, innovativen Ressourcen, die wir Menschen nennen! Der Begriff “Humanvermögen” scheint mir hierfür bei weitem nicht ausreichend.

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Die zukunft ist menschlich

Denn der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg all unserer Systeme

Glücklich und zufrieden ganz ohne Purpose? -Die Frage nach dem Sinn des (Arbeits-) Lebens

Ave Purpose!

Der Purpose, das Hochgebet aller New Work-Jünger… Ein Job ohne Purpose, ohne höhere Sinnhaftigkeit, ist sowas von old-school und unsinnig, überflüssig. Der Purpose, dieser übergeordnete Sinn und Zweck allen Tuns und Handelns scheint so etwas wie der heilige Gral einer ganzen Generation zu werden. Selbst Personaler bestätigen, dass vor allem jüngere Bewerber auf Jobs mit Purpose stärker anspringen. Aber macht dieser Purpose tatsächlich so glücklich, so zufrieden, dass er diese zentrale Rolle derart uneingeschränkt verdient hat, die wir ihm in unserer schönen neuen Welt der New Work einräumen? Oder kann man auch ganz ohne Purpose glücklich sein? Gute Frage! Ich habe meinen ganz eigenen Purpose schon sehr lange für mich gefunden. Er ist mein leuchtender Fixstern, der selbst in den düstersten Nächten hell und unbeirrbar strahlt und mir den Weg zeigt. “Ich verändere die Welt!” Ich weiß, nicht gerade bescheiden, aber so ist es nun mal! Die Gewissheit die Welt zu verändern, sie besser zu machen, treibt mich Tag für Tag an, trägt mich wie eine Welle, schiebt mich voran wie ein Schneepflug, oder zieht mich mit wie ein Drache, der eine Windbö erwischt hat.

Muss sie wirklich sein, die Frage nach dem Sinn?

Wäre die Sinnfrage tatsächlich die zentralste bei unserer Berufswahl, dann müssten Jobs in der Pflege, Kinderbetreuung und bei der Müllabfuhr einen absoluten Run erleben. Die Realität sieht anders aus. Ganz oben auf der Wunschliste: Influencer. Wot the f****? Sinnfreier geht es fast nicht. So müssen wir aufpassen, dass wir uns mit dieser Überbetonung der absoluten Sinnhaftigkeit nicht anfangen selbst zu belügen. Wenn Internetplattformen für Katzenvideos und Selbstdarsteller mit „To give everyone a voice and show them the world!“ wirbt, könnte man meinen, das sei etwas dick aufgetragen. Der Purpose von Starbucks ist übrigens „To inspire and nurture the human spirit“! -Mit Hilfe von Pappbechern und Zuckersirup! Ist klar! Mich würde tatsächlich sehr interessieren, welche Rolle dieser Purpose bei den hart arbeitenden Leuten hinterm Kaffeetresen spielt. Ich glaube ich frage mal nach, wenn ich das nächste Mal Lust habe auf Kaffeegetränke mit endlos langen Namen habe.

Offensichtlich scheint es gegenwärtig immanent wichtig zu sein, die eigene Bedeutung herauszustellen. Ein möglichst großer moralischer Überbau scheint hierbei ausgesprochen hilfreich. Aber kann dieser Purpose tatsächlich für Motivation, Bindung, Leistung und Zufriedenheit sorgen? Ich habe da so meine Zweifel. -Zumal die Psychologie, die “Lehre von der Seele“, welche das menschliche Erleben und Verhalten empirisch erforscht, keinen Purpose kennt.

Was den Menschen antreibt

Was uns Menschen tatsächlich antreibt, motiviert, zufrieden sein lässt, glücklich macht, ist gemäß einer Studie der Herren Ryan und Deci aus dem Jahr 2000 etwas anderes. Diesen beiden Herren zufolge strampeln wir uns tagtäglich ab, um folgende drei psychologischen Basisbedürfnisse zu stillen:

Als erstes gilt es das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit zu stillen. Wir alle wollen Teil einer Gruppe sein und ein integratives soziales Umfeld hilft, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Neben diesem Wunsch nach Verbindung gilt es jedoch auch das Bedürfnis nach Autonomie zu stillen, denn es erfüllt uns mit Zufriedenheit, selbstbestimmt leben und arbeiten zu können, im Einklang mit unseren Werten und Zielen. Der kontrollierende Chef kann dabei ausgesprochen hinderlich sein. Da hilft auch kein Purpose! Außerdem treibt uns das Bedürfnis nach Kompetenzerleben an. Wir mögen es nicht, wenn wir etwas nicht hinbekommen. Wir wollen uns als kompetent und effektiv erleben. Gut strukturierte, klare Rahmenbedingungen und Prozesse unterstützen uns hierbei ausgesprochen gut.

Es gibt unzählige Theorien, die denen von Deci und Ryan ähnlich sind, keine jedoch bezieht den Purpose als Motivator ein. In einer noch relativ neuen Publikation von Veronika Brandstätter aus dem Jahr 2013 werden vier Grundmotive dargestellt, die uns antreiben: die Leistungsmotivation, die Anschlussmotivation (soziale Eingebundenheit), die Erwartungsmotivation (was wir uns auf Grund unserer Erfahrungen erhoffen) und die Machtmotivation.

Ein weiterer Faktor, der laut Claudia Harzer und Willibald Ruch eine wichtige Rolle für uns Menschen spielt, ist, ob wir unsere sogenannten Signaturstärken, die wir im Laufe unseres Lebens ausgebildet haben, in unser tägliches Tun einbringen können oder nicht. Von Purpose ist wieder keine Rede!

Der Sinn des Lebens?

Egal wie viele Theorien wir uns anschauen, sie machen klar, warum kein Mensch bei einer Organisation bleibt, weil er ihren Purpose liebt, seinen Job aber langweilig, doof, unangenehm findet. Sie erklären auch, warum es Menschen gibt, die gerne in Waffenfabriken arbeiten. Denn am Ende sehnen wir Menschen uns nach Selbstverwirklichung. Wir sehnen und danach, uns kreativ austoben zu dürfen und erfolgreich gute Arbeit abliefern zu dürfen. Nicht ausgeschlossen, dass die Mitarbeiter einer Waffenfabrik stolz darauf sind, dass ihre Panzer besonders verlässlich und treffsicher sind, sie also gemeinsam gute Arbeit abliefern.

Vielleicht müssen wir einsehen, dass es Menschen in Organisationen nicht um den Sinn des Lebens im philosophischen Sinne geht, sondern vielmehr darum, mit dem, was wir soundso viele Stunden pro Woche tun, unsere Bedürfnisse zu stillen.

Also Schluss mit all dem Purpose-Geschreie?

Klares nein! Ich verrate Euch, warum ich als Coach immer wieder Purpose-Sessions mit den Organisationseinheiten, die mit mir arbeiten, mache. - Und das gerne und aus Überzeugung: Ein gemeinsamer Purpose wirkt integrativ und fördert das Teamerleben, sorgt also für soziale Eingebundenheit. Außerdem gibt ein gut formulierter, klarer, gemeinsamer Purpose Richtung und Rahmen, den es braucht um in ein echtes Kompetenzerleben einzutauchen. Zusätzlich kann jeder und jeder, der/die neu ins Team kommt, an Hand des Purposes überprüfen, ob der Rahmen und die Richtung des Teams zum ihm oder ihr passt. Ein Purpose kann ein wunderbarer Fixstern sein, wenn er aus den Menschen herauskommt, die ihn leben möchten und wenn er im täglichen Tun eine Rolle spielt.

Was ein Purpose auf persönlicher Ebene bewirken kann, erfahre ich tagtäglich. Mein Gott, schenkt mein Purpose mir Energie! Unfassbar eigentlich. Für mich funktioniert es sehr gut! Und dennoch glaube ich, dass man auch ohne Purpose glücklich und erfolgreich sein kann. Ich war es viele Jahre und irgendwann war er eben da, mein Purpose, mit dem ich seitdem durchs Leben gehe.

Und diese Marketing-Purposes? Ich lächle drüber, denn am Ende tun sie keinem weh, es sei denn, das jeweilige Unternehmen glaubt, ein möglichst inhaltsschwangerer Purpose reiche aus, um Mitarbeiter zu motivieren und an sich zu binden.

Habt einen schönen, vielleicht sogar sinnhaften Sonntag.

Eure Constance

PS: Weil es dann doch so schön ist, hab ich hier noch einen für Euch: „To help the world run better and improve people‘s lives.“ -Ehrlich SAP, man könnte meinen, den habt Ihr bei Ärzte ohne Grenzen geklaut!? Der ist mindestens so großkotzig wie mein Purpose!

PPS: Der letzte Influencer, der die Welt mit einem moralischen Überbau und einen gesellschaftlich absolut korrekten und sozialen Purpose in radikalste Verzückung versetzt hat, wurde ja vor noch nicht allzu langer Zeit vom ZDF Magazin Royal komplett demontiert. In diesem Fall diente der Purpose wohl vor allem der absoluten Gewinnmaximierung. Man muss eben aufpassen, dass Purposes nicht zu inhaltsschweren Marketinginstrumenten verkommen.

Auf der Suche nach Sinn und Sinnhaftigkeit

Wie wichtig ist ein Purpose für mein berufliches Glück?

Diversität und Gemeinschaft - wieviel ich passt ins wir?

Diversity - denn ett mutt watt mutt…

Diversity! Das Thema! Es ist so wichtig und auch so politisch korrekt, divers zu sein, vielfältig, bunt, tolerant; hinsichtlich Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht, körperlicher Besonderheiten, etc… Als Unternehmen von Welt ist es schon rein aus PR Gesichtspunkten unabdingbar, das Thema Diversity möglichst prominent zu platzieren. Und natürlich muss mindestens eine Frau in den Vorstand…

Alles irgendwie etwas viel Politik für den Coach. Nicht falsch verstehen, ich liebe die Welt in bunt und finde, man sollte noch nicht einmal darüber nachdenken müssen, was uns Menschen unterscheidet. Man sollte alle und jeden, die gesamte Bandbreite, wohlwollend und dankbar annehmen. So gesehen sollte Diversity einfach kein Thema sein, getreu dem Motto: “appreciating the difference - vive la difference “!

Aber sei’s drum! Aus der Coach-Perspektive interessiere ich mich im Zusammenhang mit Diversität für zwei Aspekte:

  1. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation als Voraussetzung für High Performance.

  2. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aus Voraussetzung für Konflikte und der damit verbundenen Low Performance.

Diversität als Chance

In unserer dynamischen, sich stetig verändernden, unübersichtlichen, vernetzten und verrückten Welt ist es inzwischen in weiten Teilen der Wirtschaft zum gemeinsamen Verständnis geworden, dass ein Mensch allein nicht in der Lage ist, sich den Überblick zu verschaffen, den es für möglichst gute Entscheidungen unbedingt benötigt. So wurde und wird das Team zunehmend zum Star unserer Arbeitswelt. Warum einer für gewöhnlich immer weniger sieht, als zwei? Das hat erst einmal rein physiologische Gründe: Dankenswerterweise hat die Evolution uns mit einer Vielzahl an Wahrnehmungsfiltern ausgestattet, die dafür sorgen, dass wir nicht vor lauter Reizüberflutung wahnsinnig werden und uns verloren fühlen. De Facto werden sogar nur etwa fünf Prozent all dessen, was unsere Sinne einsammeln, von unserem Gehirn auf eine bewusste Wahrnehmungsebene verarbeitet. Oder anders herum: 95 Prozent all dessen, was ist, wird rausgefiltert. Ganz schön viel, oder? Da könnte man doch wirklich froh und dankbar sein, wenn man ein Team hat, in dem jede und jeder ein bisschen was anderes wahrnimmt, damit wir uns gemeinsam ein größeres Bild puzzeln können. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir alle unterschiedliche Wahrnehmungsfilter haben. Hier kommt Diversität ins Spiel, denn wenn wir uns sehr vereinfacht anschauen möchte, wie sich unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter entwickeln, dann kommen hier Einflussfaktoren, wie Erziehung, Werte, Erfahrungen, soziokultureller Hintergrund, Bevorzugungen, Dinge, die wir ablehnen, ethisch-moralische Einstellungen, etc. ins Spiel. Tja, und je unterschiedlicher wir sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter voneinander abweichen und wir uns so im Team eine breitere Wahrnehmung der Situation erarbeiten können, als wir es als Individuum könnten. -Ganz nebenbei ist das auch bei aller Technisierung ein guter Grund dafür, nach wie vor mindestens zwei Piloten in ein Cockpit zu setzen.

Diversität als Gefahr

So weit so gut. Nun hat man also ein kognitiv diverses Team, in dem ein jeder Dinge unterschiedlich wahrnimmt, einordnet und dann wohl auch sehr “divers” agiert, wenn es um das weitere Vorgehen geht. Ein riesiges Konfliktpotenzial innerhalb des Teams, aber auch mit möglichen Schnittstellen oder Stakeholdern. Im besten Fall irritiert es nur, wenn A links herum und B rechts herum möchte. Zusätzlich zur Irritation kann ein von außen betrachtet unkoordiniertes Vorgehen aber auch schnell zur allgemeinen Verunsicherung führen. -Ein absoluter Performance-Killer! Das sagt unter anderem auch die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson, die immer wieder ausführlich erklärt, dass eine subjektiv empfundene psychologische Sicherheit die Grundvoraussetzung für Höchstleistungen ist. Tja, dann eben nur Mittelmaß! Vielleicht reicht das ja sogar!

Richtig unschön wird es, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen diverser Protagonisten zu handfesten Konflikten führen. Dann reicht es noch nicht mal mehr für Mittelmaß.

Und nun? Diversität managen!

Die Frage, die sich nun stellt, ist wie man als Organisation mit diesem Dilemma umgehen kann. Wir brauchen unterschiedliche, vielseitige, diverse Mitarbeiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch gut funktionierende Teams, die sich vertrauen, offen miteinander umgehen und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen.

Bei all dieser Unterschiedlichkeit, die zwar für Farbe im Alltag sorgt, jedoch auch trennend wirken kann, braucht es etwas, das eint, etwas gemeinsames, eine gemeinsame Identität. Und nein, ein gemeinsamer Unternehmenskodex, der irgendwo an der Wand hängt, ist dabei nicht ausreichend. Es muss auf jeden Fall transparent gemacht werden, wie Teams diese häufig sehr abstrakten Leitfäden umsetzen möchten, konkret, auf Arbeitsebene. Darüber gilt es zu sprechen! Welche Werte einen uns? Wie setzen wir diese im täglichen Tun gemeinsam um?

Der Teamidentitätsprozess

In der letzten Woche durfte ich eine Gruppe von Führungskräften durch diesen wie ich finde sehr spannenden, aber auch fröhlichen Prozess begleiten. Der Teamidentitätsprozess stellt den Abschluss meines dreimonatigen Leading out Loud Circles dar, den die Gruppe gerade durchlaufen hat. In diesem Zirkel geht es über drei Monate hinweg zum einen darum, Kommunikation als Führungs-Tool in einem hybriden Setting kennenzulernen. Vor allem aber sollen die Teilnehmenden lernen, ihre Kolleginnen und Kollegen als Ressource wahrzunehmen. Der Fokus des Zirkels liegt auf der Unterschiedlichkeit und auf der Chance, die aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren, und die die Gruppe aus Führenden zu einem Team von Führungskräften werden zu lassen, bzw. um die Teambildung weiter zu tiefen. Nach drei Monaten mit Fokus auf Diversität soll es abschließend um eine gemeinsame Team- und auch Führungskultur gehen.

Der Teamidentitätsprozess beginnt damit, dass jeder Teilnehmende sich eine Metapher, ein Bild für das Team einfallen lässt. Diese unterschiedlichen Metaphern werden nun Schritt für Schritt konsolidiert, diskutiert, neu geformt, bis am Ende diese eine Metapher übrigbleibt, mit der sich jeder und jede aus dem Team identifiziert. Im nächsten Schritt wird diese Metapher mit Leben gefüllt: Wie sind wir? Was macht uns aus? Was sind unsere Teamwerte? Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie diese Werte gelebt werden, welche es noch klarer und deutlicher zu leben gilt. Hier hat das Team die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, was sie in Zukunft konkret tun möchten, um diese Werte nicht nur zu leben, sondern auch, in Falle von Führungsteams, transparent zu machen, welche Werte ihre jeweilige Führungskultur ausmachen. Das hat den zauberhaften Nebeneffekt, dass die Führungskräfte auch nach außen bei aller Diversität als geschlossenes Team auftreten. -Ein wahrer Booster für die psychologische Sicherheit, das Level an Vertrauen, innerhalb eines Teams.

Denn es geht nicht nur um Diversität!

Wenn ich einen Wunsch hätte, dann wäre dieser, dass nicht nur in Organisationen, sondern auch gesellschaftlich nicht nur die Bedeutung von Diversität, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaft immer wieder in den Fokus gerückt wird. Lasst uns nicht nur darauf schauen, was uns unterscheidet, sondern auch darauf, was uns eint. Gibt es momentan denn etwas Wichtigeres? Bei aller Diversität sind wir doch Kinder dieser Erde, Ethnie: Mensch, Kultur: Menschlichkeit! Unser aller Tränen sind salzig, die, die wir vor lauter Glück weinen ebenso wie die, die unsere Traurigkeit ausdrücken. Wir wollen lieben, geliebt werden und wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder… Sollte das nicht ausreichend sein für ein echtes Wir-Gefühl? - Für Nähe und Solidarität?

Genießt diesen warmen, sonnigen Sonntag. Genießt die Unterschiede und freut Euch über die Gemeinsamkeiten!

Eure Constance

Die Welt ist bunt…

Und doch ist sie eine Welt, unsere Welt, unsere gemeinsame Welt!