Unternehmenskultur

Kann konsequente Agilität das Ende von Innovation bedeuten?

Zum Einstieg geliehene Worte eines klugen Mannes:

“Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde.”

Das sprach Henry Ford vor mehr als einem Jahrhundert. Seitdem hat sich viel getan. Inzwischen erobern Elektroautos, hybride Autos und was weiß ich was die Welt! Überhaupt spielt Mobilität eine große Rolle, auch wenn die Bedeutung des Autos selbst in der Veränderung begriffen zu sein scheint.

Aber heute soll es keinesfalls um Autos oder Mobilität gehen! Fords Zitat bietet mir lediglich einen formidablen Einstieg in das Thema Innovation und Kundenzentrierung. Beides spielt im Business-Umfeld eine zunehmend große Rolle und besonders die Kundenzentrierung sollte mir als Agile Coach und Scrum Master ganz besonders am Herzen liegen! Und ja, es ist super wichtig, dass wir uns mit dem, was wir tun, an unseren Kunden orientieren, denn immerhin tun wir es ja für sie. Aber ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Mit dieser Frage habe ich mich in der letzten Woche immer wieder beschäftigt und möchte meine Gedanken an dieser Stelle gerne mit euch teilen.

Und alle sind ja so agil!

Die Bezeichnung agil ist inzwischen im geschäftlichen Umfeld gefühlt omnipräsent geworden! Unternehmen sind agil, Teams sind es, Menschen sind es, sogar Mindsets sind inzwischen agil geworden. Aber was bedeutet das überhaupt? Als vor gut zwanzig Jahren das sogenannte Agile Manifest Einzug in Wirtschaftsorganisationen hielt, handelte es sich dabei um eine neue, effiziente Art der Softwareentwicklung. Es ging darum, im Gegensatz zu den bis dato üblichen Wasserfallmodellen, Software besser und schneller ausliefern zu können, um den Kunden dementsprechend schneller zufrieden zu stellen. Software wird seitdem inkrementell, das heißt in vielen kleinen funktionalen Teilstücken, ausgeliefert. So ist der Kunde intensiv in den Entwicklungsprozess eingebunden, gibt die Richtung vor und ist sogar im laufenden Prozess in der Position diese Richtung zu ändern oder anzupassen. Eines der Kernziele agiler Softwareentwicklung ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierlich Lieferung von funktionsfähiger und wertvoller Software zufrieden zu stellen. -Kundenzentrierung eben!

Schauen wir uns also an, für wen Agilität in ihrer ursprünglichen Form entwickelt wurde, stellen wir schnell fest, dass es sich hierbei um “Zulieferer” handelt, deren Ergebnis im Vorfeld vom Kunden möglichst detailliert definiert und umrissen wurde. Genau dafür ist Agilität großartig! Scrum ist in diesem Zusammenhang ein unglaublich wertvolles Tool.

Allerdings war Agilität im Allgemeinen und Scrum im Speziellen derart erfolgreich, dass es inzwischen zu einer scheinbar inflationären Modeerscheinung geworden ist. Als Coach würde ich mir an der ein oder anderen Stelle tatsächlich wünschen, Agilität nicht auf Teufel komm raus umsetzen zu wollen, sondern sich bewusst zu hinterfragen, macht Agilität hier Sinn? Was sind die Vor- und Nachteile? Brauchen wir vielleicht etwas ganz anderes, um auch weiterhin am Markt erfolgreich bestehen zu können? Und bedeutet Agilität die Umsetzung agiler Modelle und Methoden?

Lässt man sich dieses Zitat von Henry Ford nochmals ganz genüsslich auf der Zunge zergehen, stellen wir fest, dass wir den Erfolg ganzer Unternehmen und Unternehmenssparten keinesfalls ausschließlich in die Hände von “Auftragsarbeitern” legen sollten. Ich denke weder ein Steven Jobs noch ein Elon Musk haben ihre großen Innovationen Hand in Hand mit deren Kunden entwickelt. Denn Kunden können häufig gar nicht einschätzen, was möglich ist. Kunden können Ideen zu stetigen Optimierungen einbringen, um das Produkt bestmöglich an deren Bedürfnisse anzupassen. Kunden können den Entwicklern helfen, zu verstehen, was sie wirklich brauchen und wofür. So sind Entwickler permanent in der Lage, ihr Produkt zu verbessern! “Inspect and adapt” nennt das der Agilist von Welt! Aber ist das wirklich innovativ? -Oder wie es der großartige Oren Hariri einmal beschrieben hat: “Elektrisches Licht entstand nicht durch die permanente Verbesserung der Kerze.” Recht hat er!

Denn Visionen passen nicht in Scrum Zyklen

Sind wir mal ehrlich, Kunden hätten sich weder Elektrizität, noch Autos, das iPhone oder den PC vorstellen können! Was es braucht, wenn wir von Innovationen sprechen, sind Menschen, die sich nicht fragen was der Kunde will, sondern womit man den Kunden überraschen kann. Es braucht Menschen, die sich Fragen welche Innovationen globale Probleme lösen, selbst Probleme, die der potenzielle Kunde Stand heute noch nicht sehen kann. Danach kann man gerne irgendwann im Rahmen des Entwicklungsprozesses anfangen mit agilen Methoden zu arbeiten (macht Apple ja auch).

Schauen wir uns an, was in dieser digitalisiert und globalisierten Welt los ist, in der alle Krisen und Katastrophen früher oder später auch Einfluss auf unser ganz individuelles Leben haben, bin ich fest davon überzeugt, dass es zukünftig nicht darum gehen wird, Bestehendes zu optimieren oder weiterzuentwickeln. Vielmehr wird es darum gehen, Dinge neu zu denken und diesen großen Geistern, die dazu in der Lage sind, den Raum und die Möglichkeiten zu geben, genau das zu tun. Agilitätsmodelle können natürlich auch hier eine Rolle spielen, aber sicher ist, dass sie nicht die Lösung sein werden. Aus meiner Sicht sind Unternehmen gut beraten, sich nicht blindlings auf alle möglichen Agilitätsmodelle zu stürzen, im festen Glauben, dass die dadurch zukunftsfähig werden. Es gehört mehr dazu. Der reinen Lehre von Agilität (selbst Teilen des klassischen agilen Mindsets) sind klare Grenzen gesetzt. In einer post-agilen Welt, so wie ich sie mir wünsche, werden diese Grenzen auch gesehen und verstanden und agile Methoden werden da genutzt, wo sie einen Mehrwert bringen. In meiner post-agilen Welt müssen Organisationen nicht mehr zu komplett agilen Organisationen transformiert werden. Ich stelle mir lernende Organisationen nach der Idee der Harvard Professorin Amy C. Edmondson vor, die sich stetig aus sich heraus entwickeln und selbst sehen, wann es wo und wie Sinn macht, auf agile Methodik zurückzugreifen.

Es sind lernende Organisationen, die durch eine gut funktionierende und ehrlich Feedbackkultur ihren Mitarbeiten das Sicherheitsgefühl geben, dass diese brauchen, um frei und “out of the box” zu denken, um kreativ und verrückt zu sein, innovativ und offen für alle Veränderungen die tagtäglich auf einen einprasseln. Aus Sicherheit entsteht Mut und aus Mut entsteht Innovation!

Es gibt sie, diese Organisationen...

Natürlich bin ich gefühlt permanent auf der Suche nach Organisationen, die Agilität frei umsetzen; genauso eben, wie sie es benötigen, um in ihrem Bereich zu High Performern zu werden. Diese Suche treibt mich zuweilen in komplett ungewöhnlich Ecken. Gegenwärtig lese ich über die agile Transformation der US Army! Ja, ihr lest richtig! Und wer jetzt glaubt, dass Servant Leadership und die steilen Hierarchien von Streitkräften nicht zusammenpassen, der darf nächste Woche gerne reinlesen. Ich denke bis dahin weiß ich genug, um darüber zu berichten! Sicher spannend für all jene, die in hierarchischen, ggf. sogar international aufgestellten, traditionellen Großkonzernen das Wagnis Agilität durchdenken oder sogar durchleben!

Habt einen schönen Sonntag! Ich beschließe mit den weisen Worten Immanuel Kants, der da postulierte: “Sapere Aude!” -Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Seid innovativ und mutig genug, über den Tellerrand hinaus zu denken und lasst euch nicht in Formen stecken, die euch nicht passen!

Eure Constance

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Schnellere Pferde…

Perfekt als Hobby, aber kein Ersatz für wirkliche Innovation

Working Out Loud - So viel mehr als nur eine Methode

Und was ist das jetzt schon wieder?

Das Wissen, besonders Hoheits- oder Exklusivwissen, Macht ist, ist altbekannt! Mit diesem Leitsatz hat mein alter Herr mich quasi durch die Schule getrieben! Später, in Business-Umfeld entwickelte sich daraus die Idee, dass derjenige, der sein Wissen für sich behält, einen Wissensvorsprung hat und sich dadurch gegenüber anderen profilieren kann. Tatsächlich ist diese Einstellung durch die zunehmende Dynamik unseres Arbeitsumfeldes, nicht zuletzt durch die immer weiter um sich greifende Digitalisierung, Vergangenheit. In Zeiten des World Wide Webs haben sich die Vorzeichen radikal geändert. Zum einen ist es so, dass durch eine immer größer werdende Dynamik die Halbwertszeit unseres Wissens stetig abnimmt. Zum anderen ist es so, dass durch das Internet nicht mehr derjenige einen Vorteil hat, der sein Wissen für sich behält, sondern derjenige, der sein Wissen teilt. Für all die offenen Fragen unserer Welt gibt es schon lange nicht mehr diese eine Lösung. Vielmehr ist es so, dass der Austausch in unserer vernetzten Welt dazu führt, dass man sich gemeinsam, über Unternehmens- oder Bereichsgrenzen hinweg, einen Lösungsweg erarbeitet, indem man Wissen austauscht, oder sich Zugang zu Personen oder Institutionen erarbeitet, die zunächst unerreichbar schienen. Im Prinzip sind wir alle “Influencer”, vernetzt mit anderen “Influencern”, die sich gegenseitig unterstützen und weiterbringen.

Der Erste, der diese Grundidee unter dem Begriff “Working Out Loud” in die Welt gekippt hat, war der IT-Berater Bryce Williams, der im Jahr 2010 einen Blogartikel unter der Überschrift “When will we start to work out loud? Soon!” veröffentlichte. Williams beschäftigte sich mit der Notwendigkeit der “Social Collaboration”, bzw. des “Collaborative Learnings” in einem komplexen und dynamischen Umfeld. Hierbei ging es ihm zunächst vor allem darum, das eigene Wissen, die eigenen Erfahrungen und die eigene Arbeit sichtbar und transparent zu machen, damit möglichst viele andere davon profitieren können. Im Prinzip steckt in diesem Ansatz auch die Grundidee der sogenannten Lernenden Organisation, mit der sich Amy C. Edmondson schon viele Jahre zuvor beschäftigt hat. Im Kern also nichts Neues, aber konsequent und sehr praxisnah auf die Welt der sogenannten New Work angewendet.

Vom Mindset zur Methode

Es war ein weiterer Berater, John Stepper, der die Idee des Working Out Loud, also der konsequenten Transparenz und Vernetzung, zu einer echten Methode ausgebaut hat. Hierzu hat er zunächst die fünf Grundprinzipien des “WOL” formuliert:

  1. Visible Work: die eigene Arbeit sichtbar zu machen und Ergebnisse zu teilen und zwar nicht der Selbstdarstellung wegen, sondern um andere weiterzubringen und zu unterstützen.

  2. Growth Mindset: die eigene Arbeit kontinuierlich verbessern, indem man Feedback und die Erfahrungen anderer aktive nutz und einbindet.

  3. Generosity: großzügig Wissen zu teilen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten und damit das eigene Netzwerk nachhaltig zu stärken.

  4. Relationships: ein soziales Netzwerk aufbauen (wir sind wieder bei den “Influencern”) um interdisziplinäre und nachhaltige Beziehungen zu etablieren, die jeden Einzelnen im Netzwerk weiterbringen.

  5. Purposeful Discovery: eine zielgerichtete Zusammenarbeit, was so viel bedeutet, dass ich mein Ziel, meinen Purpose, kenne und weiß, wie ich die Ressourcen meines Netzwerks nutzen kann, um dieses Ziel zu erreichen und mir gleichzeitig bewusst ist, welchen Beitrag ich leisten kann, um mein Netzwerk zu stärken und voranzubringen.

Aus diesen Grundprinzipien entwickelte Stepper schließlich den sogenannte WOL-Circle, in dem sich Gruppen von etwa fünf Teilnehmenden über einen Zeitraum von zwölf Wochen einmal pro Woche für eine Stunde zusammensetzen um gemeinsam und voneinander zu lernen, wie man am effektivsten teilt und sich vernetzt. Zusätzlich geht es darum, gemeinsam die jeweils individuell für die zwölf Wochen gesetzten Ziele zu erreichen. Hierbei steht jede Woche unter einer neuen Überschrift, die von “Vertrauen schaffen” in Woche eins, über “Mache es zur Gewohnheit” in Woche zehn, bis hin zu einem bewussten Abschluss in Woche zwölf führen. -Eine wie ich finde wundervolle Struktur für ein effektives Peer-Coaching!

Von der Methode zurück zum Mindset

Die Methode hat inzwischen Einzug in die Personalentwicklung vieler namhafter Unternehmen, wie zum Beispiel IBM oder Daimler gehalten. Allerdings ist die Grundidee von WOL keinesfalls auf Großkonzerne beschränkt. Im Gegenteil! Working Out Loud unterstützt die Vernetzung der Mitarbeitenden und deren Wissensaustausch untereinander unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Ich persönlich würde sogar weiter gehen und behaupten, dass Working Out Loud noch nicht einmal an Unternehmensgrenzen gebunden ist, oder gebunden sein sollte. Ich nehme mich selbst mal als Beispiel und schaue mir mein über die Jahre hinweg gewachsenes Netzwerk aus Trainern, Coaches, Mediatoren, (agilen) Beratern, Personalern und so weiter an und schon während ich darüber nachdenke, wird es mir ganz warm ums Herz! Ja, ich finde ich bin verdammt gut in dem was ich tue! Jedoch muss auch gesagt sein, dass ein absoluten Hauptgründe dafür, dass ich so gut in meinem Job als Berater, Coach, Trainer bin, ist dass ich mich rasant und stetig weiterentwickle und das tue ich vor allem, in dem ich mich immer wieder mit anderen austausche. Dabei bin ich wahnsinnig dankbar dafür, dass mein Netzwerk nur allzu bereitwillig Ideen, Konzepte, Tools, Ansichten, Perspektiven mit mir teilt. Das geht so weit, dass wir Arbeitsmaterial teilen und ich gebe mein Bestes, um meinen Beitrag in diesen großartigen Mastermind-Gruppen zu leisten und eben auch großzügig zu teilen. Klar sind wir irgendwie alle Konkurrenten. Klar könnte man das so sehen! Allerdings bin ich nur so erfolgreich geworden, wie ich heute bin, weil ich jeden anderen Trainer oder Coach vor allem als Kollegen gesehen habe und sehe. Ich habe immer unterstützt und ich bin heute da, wo ich bin, weil auch ich immer unterstützt wurde. Und so reite ich weiter auf meiner coolen Welle durch diesen unübersichtlichen, schnelllebigen und chaotischen Ozean der sogenannten New Work und bin dabei wirklich tiefenentspannt. Ich muss nämlich keine Angst haben etwas zu verpassen oder zu übersehen! Weiß ich doch, dass ich als einzelner Coach ohnehin nicht in der Lage bin, diesen Ozean zu überblicken. Aber gemeinsam mit meinem Netzwerk bekommen wir das hin und “empowern” uns gegenseitig, damit wir auch weiterhin in der Entwicklung und somit eben auch immer auf dem neusten Stand bleiben! Die Idee von Working Out Loud, das gemeinsame Lernen, ist hierbei ein zuverlässiger Leuchtturm, der jedem von uns dabei hilft, die Richtung zu halten, bzw. die Orientierung nicht zu verlieren.

Und was macht der Coach aus “Working Out Loud” -zurück zur Methode…

Da ich natürlich auch im Rahmen meines Blogs gerne teile, möchte ich euch zum Ende hin noch flott verraten, warum ich heute ausgerechnet über Working Out Loud schreibe. Ich verkünde ja immer wieder, dass ich in meinen Artikeln am Wochenende das zusammenfasse, was mich in meiner Arbeitswoche beschäftigt hat. In der letzten Woche hat mich das Thema Führungskräfte beschäftigt. Konkret ging es darum, Führungskräfte zu stärken und ihnen in dem Chaos, unserer dynamischen, komplexen und unübersichtlichen Arbeitswelt einen Fixpunkt zu geben, damit sie wiederum diese Sicherheit an ihre Mitarbeitenden weitergeben können. Mir geht es schon seit Langem nicht mehr nur darum, Führungskräfte zu entwickeln oder zu coachen (was auch immer das jetzt genau bedeuten soll). Vielmehr ist es meine Idee Führungskräfte in Führungsteams, bzw. Teams aus Führungskräften zu formieren, damit sie sich gegenseitig die Unterstützung und die Sicherheit geben können, die es braucht, um das Schiff sicher durch den alltäglichen Sturm zu steuern. Meine Idee ist es, Führungskräfte in Working Out Loud Circles zusammenzufassen, damit sie so zwölf Wochen lang mit einer Stunde Zeitinvest pro Woche in den Austausch und die Entwicklung als Team aus Führungskräften kommen und dabei auch gleichzeitig an ihrer ganz individuellen Sichtbarkeit und Kommunikation arbeiten. Mal schauen, ob das funktioniert. Auch in agile Strukturen erleben ich es auf Führungsebenen immer wieder, dass Wissen eben doch als Macht gesehen wird, besonders wenn einem alle anderen Machtsymbole durch eine agile Transformation genommen wurden, oder weil man völlig berechtigt vor allem auch an die eigene berufliche Weiterentwicklung denkt und glaubt sich gegen andere durchsetzen zu müssen. Die Krux ist jedoch leider, dass man es einfach nicht alleine schafft, sich durchzusetzen. - Nicht in diesem dynamischen und komplexen Umfeld, in dem wir uns inzwischen bewegen und das wir alleine beim besten Willen nicht überblicken können. Ja, Wissen ist Macht, aber nur wenn wir es teilen! Deshalb wollte ich meinen Ansatz übrigens auch “Leading Out Loud” (LOL) nennen! Ich dachte, ich hätte endlich das Konzept, das mir Ruhm und Ehre verschafft… Dachte ich! Es gibt aber schon so etwas Ähnliches! -Weiß ich dank des World Wide Webs und weil Menschen dort eben alles teilen! Mist, mal wieder zu spät!

Keine Ahnung, ob ich das mit dem “Working/Leading Out Loud Circle” umsetzen werde, bzw. ob die betreffenden Führungskräfte mitmachen! Und ich verrate euch noch ein Geheimnis: ich hab das mit dem Circle noch nie als Coach durchgezogen! Ich kenne die Theorie. Die Praxis ist mir noch fremd! Jedoch habe ich auch hierfür jemanden in meinem Netzwerk gefunden, der mir weiterhelfen kann! Natürlich könnte Heike ihre Erfahrungen mit dem Circle für sich behalten, um sich im Wettbewerb mit mir einen Vorteil zu verschaffen. Macht sie aber nicht, weil wir am Ende doch gar nicht im Wettbewerb sind und sie vielleicht ja auch davon profitieren kann, wie ich das Grundprinzip weiterentwickle, bzw. anpasse! Ich freue mich auf jeden Fall auf den Austausch und darauf von Heike zu lernen und zu gegebener Zeit meine Neuerungen mit ihr zu teilen! Ein Hoch auf die Agilität, also das agile Mindset, nicht die Methoden… Ihr wisst schon…

Teilt und lernt! Seid laut dabei! Und habt einen schönen Sonntag!

Eure Constance

Wie ein Leuchtturm

Wenn geteiltes Wissen Richtung und Struktur schenkt

Teams mit Dysfunktionen? -Vielleicht auch nur ein Spiegel arroganter Coaches?

Dysfunktion hier, Dysfunktion dort…

All jenen unter euch, die meine Artikel in den letzten Wochen gelesen haben, geht es vielleicht wie mir. Vielleicht könnt ihr das Wort Dysfunktionen auch nicht mehr hören. Was soll das überhaupt, einem Team zu unterstellen, es sei dysfunktional? Und woher kommt dieser Ansatz der fünf Dysfunktionen überhaupt? Interessanterweise entspringt die Ausformulierung tatsächlich der Kultur der sogenannten New Work, genauer gesagt der agilen Welt des Scrum. Unmengen agiler Coaches und Scrum Master referieren (so wie ich in den letzten beiden Wochen) darüber, wie wir die fünf Dysfunktionen bei (Scrum) Teams identifizieren können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind , um die jeweiligen Dysfunktionalität auszumerzen.

So weit so gut und das ist ja auch alles fachlich und inhaltlich richtig. Ich habe mich in den letzten Wochen jedoch immer wieder gefragt, warum ich mir mit dieser sachlichen Beschreibung so schwertue. Nach reiflicher Überlegung muss ich einfach zugeben, dass ich am Ende des Tages wohl doch ein ressourcenorientierter Human Factors Trainer und Consultant bin. Der Agile Coach bin ich wohl nur nebenbei. Mein Herz schlägt anders. Wie ich darauf komme? Mir gefällt es nicht, Dysfunktionen an Menschen oder in Teams zu identifizieren und daran zu arbeiten. Ich sage es mal ganz frei nach der von mir so häufig genannten Harvard Professorin Amy C. Edmondson: Kein Mensch steht morgens auf und fährt zur Arbeit, weil er es nicht abwarten kann, dysfunktional zu agieren. In Wirklichkeit ist es doch viel mehr so, dass die allermeisten von uns morgens aufstehen und sich fest vornehmen, ihr Bestes zu geben. Dass dabei nicht immer alles glatt läuft, ist jedem von uns klar. Manchmal ist es sogar strukturell bedingt, aber eines ist es eben immer: menschlich. Verunsicherung und Konfliktvermeidung sind etwas zu tiefst Menschliches und keine Dysfunktion. Vielmehr sehe ich es so, dass dieses normale, menschliche Verhalten, das wir alle mal mehr und mal weniger ausgeprägt an den Tag legen, in unserer neuen, modernen, komplexen und dynamischen Welt die Performance (die individuelle, die eines Teams und auch die einer gesamten Organisation) beeinträchtigen. Dysfunktional ist in diesem Kontext bestenfalls unser Umfeld, unsere Welt, die sich auf geradezu absurde Weise immer schneller zu drehen scheint und an die es sich anzupassen gilt.

Warum ich mir so sehr gewünscht habe, in einem agilen Umfeld zu arbeiten

Als meine Wut auf all diese großen und ruhmreichen Agilisten, die Bücher schreiben und Vorträge halten, wieder ein wenig verraucht war, habe ich mich schließlich gefragt, warum ich denn eigentlich unbedingt in ein agiles Umfeld wollte. Dass ich momentan hauptberuflich als Agile Coach in einer großen Bank arbeiten darf, war ein Traum, der sich über Jahre hinweg in mir entwickelt hat. Dieser Traum hat als absolutes Fundament mein Menschenbild und meine Idee von der Bedeutung des Faktors Mensch in modernen Organisationsstrukturen. Nach vielen Jahren als Human Factors Trainer wurden mir diesbezüglich zwei Dinge glasklar:

  1. Der Mensch ist der absolute Schlüssel zum Erfolg all unserer Systeme!

  2. Menschen machen Fehler, ja! Aber sie tun das nicht, weil sie sich dazu entschieden haben. Vielmehr will jeder von uns zu jeder Zeit sein Bestes geben, sich einbringen und zum Erfolg eines Teams oder einer Organisation beitragen.

Natürlich resultiert aus diesen beiden Feststellungen zwangsläufig die Frage, was Menschen denn dann brauchen, um all ihr Potenzial nutzen zu können. Die Antwort ist ebenso profan wie sie kompliziert ist. Menschen brauchen Vertrauen und Gestaltungsraum. Ja, hört sich einfach an, aber findet das mal in klassischen Wirtschaftsorganisationen, in denen der Chef den Mitarbeitern Boni bietet, weil er denkt, dass sie sonst auf keinen Fall volle Leistung erbringen und gleichzeitig nimmt er ihnen so ziemlich alle Gestaltungsmöglichkeiten, gibt strenge Rahmenbedingungen vor und glaubt noch immer, dass Druck ein gutes Mittel zur Leistungssteigerung sei. Ich habe mir lange vorgestellt, wie eine Organisation aussehen müsste, die genau das anders macht, wie Führung aussehen könnte, die anders vorgeht, Raum lässt und Vertrauen schenkt. Alles das hat mich in die Welt agiler Strukturen eintauchen lassen und ich war irgendwie selig. Alles hat so viel Sinn ergeben: dieser Fokus auf selbst-organisierten Teams und dieser dienenden Führung, die man Neu-Hochdeutsch ja als Servant Leadership bezeichnet, hat mich in den Bann gezogen. Hier habe ich mein Menschenbild wiedergefunden. Die Grundidee aller Agilität liegt meiner Meinung nach darin, dass man den Menschen als kompetent, leistungsbereit, eigenverantwortlich und positiv sieht und ihm deshalb eben auch zutraut, dass er sich selbst im Team bestmöglich organisieren kann, dass er selbst klug genug ist, um sich die für ihn passenden Voraussetzungen für High Performance zu schaffen und vor allem, dass der Mensch nicht kontrolliert werden muss und keine Karotten braucht, die man ihm wie einem Esel vor die Nase hängt, damit er schneller rennt.

Und nach dem Träumen kommt natürlich immer die Realität

Es war dieser Traum, der mir den Mut gegeben hat, mein Leben komplett auf links zu drehen und mich dieser neuen Welt und einem ganz anderen Leben zu stellen. Nach 21 Jahren Flugzeuge im Bauch und Kerosin im Blut plötzlich in einer Bank! Das war und ist verrückt. Nichtsdestotrotz hat mein Traum mir ausreichend Rückenwind gegeben und jetzt stehe ich hier, nach einem halben Jahr als Agile Coach eigentlich noch recht grün hinter den Ohren aber eben auch nicht blind und taub! Um zu lernen habe ich mich natürlich sehr intensiv umgeschaut, in der schönen neuen Welt der Agilität. Ich habe unendlich viele Blogs anderer Coaches gelesen, Bücher, Publikationen, etc. Ich habe viele tolle neue Anregungen und Ideen gefunden, die ich zum Teil auch schon mit meinen Teams umsetze. Ich durfte über Kanban und OKRs lernen, die Struktur eines Obeya kennenlernen und alles das sind tolle Tools und eigentlich finde ich auch mein Menschenbild darin wieder… Eigentlich! Denn parallel musste ich lernen, dass Coaches über Dysfunktionen schreiben und aus einer Perspektive, die ich persönlich gefährlich Arrogant finde, Teams oder Strukturen beurteilen und glauben es gebe Tools und Frameworks, die nach “Schema F” einzuführen sind und schon läuft der Laden! Aber weder Scrum, noch Kanban ist eine Lösung! Die Lösung liegt immer in den Menschen selbst, auch im agilen Coaching! -Sorry Leute, ist eben so! Eine anständige Portion Systemik schadet nicht, wenn ich High Performance Teams und Organisationen schaffen möchte!

Was bleibt ist die Frage der inneren Haltung

Worüber ich mich freue, ist dass ich als Agile Coach frei bin, meinen Ansatz so zu wählen, wie er zu mir passt und wie ich am besten arbeiten kann. Und ich verspreche hoch und heilig NIEMALS mit einem meiner Teams an deren Dysfunktionen zu arbeiten. Meine Teams haben keine Dysfunktionen! Ich schau mir an, worin meine Teams gut sind und worin sie besser werden können, möchten oder vielleicht sogar müssen. Am Ende streben wir doch alle nach High Performance und brauchen immer mal wieder einen Coach, der uns dabei hilft, unsere eigene Performance zu verbessern, was nicht bedeutet, dass wir deshalb schlecht sind. Wir sind immer so gut wie wir sein können. Als systemischer Coach und auch im NLP bekommt man diese innere Haltung ausführlich eingeimpft, weil es anders nicht läuft. Jeder Agile Coach der nicht nur einen guten, sondern einen sehr guten Job machen möchte, ist, so denke ich, sicher gut beraten, sich hinsichtlich seiner eigenen inneren Haltung zu reflektieren. Und diese innere Haltung zeigt sich eben auch in der Perspektive, die wie einnehmen: sehe ich Defizite (und arbeite deshalb mit den fünf Dysfunktionen) oder sehe ich Entwicklungsräume (und orientiere mich deshalb vielleicht aus den Merkmalen der H!PE Formel für High Performance Teams der TU Chemnitz). Inhaltlich ist beides richtig. Es ist nur die innere Haltung, die den Unterschied macht! -Übrigens auch bei euch und in anderen Zusammenhängen!

So! Das musste ich mal sagen!

Habt einen zauberhaft sonnigen Sonntag.

Eure Constance

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alte Karren mit multiplen Dysfunktionen?

-Oder Autos mit dem Potenzial etwas besonderes zu sein?