Persönlichkeit

Die Macht der Schwachen - oder eine Arschbombe ins Tabu!

Weiterbildung bildet eben weiter…

Mein letztes Wochenende habe ich in Köln verbracht und mich in einem Vertiefungs-Workshop mit provokativer systemsicher Arbeit oder provokativem Coaching beschäftigt. Nach meinem Basiskurs Ende Februar habe ich Feuer gefangen und ich bin mir sicher ich werde mich in dieser Arbeitsweise noch weiter fortbilden. Vielleicht bin ich irgendwann ja mal so weit, um sie in einem Artikel auf den Punkt genau vorzustellen. Es ist ziemlich verrücktes Zeug!

Seit dem Basis-Workshop haben wir nun alle Fälle, Patienten oder Coachings-Prozesse gesammelt, die es im Vertiefungs-Workshop zu besprechen galt um den Schritt von der Theorie in die Praxis zu gehen. Ein besonderer Fokus lag auf denjenigen Fällen, in denen wir entweder gefühlt feststecken oder in denen wir uns nicht trauen, provokative Tools anzuwenden. Im Prinzip war es eine gigantische Supervision.

Irgendwie alle verrückt…

So haben wir uns also voll Fall zu Fall gearbeitet, Ideen, Vorschläge und Feedbacks unterbreitet. In diesen Settings bekomme ich gerne mal das Gefühl, die ganze Welt ist ein bisschen verrückt. Aber wahrscheinlich ist das auch so. Was ist schon normal?! Plötzlich tauchte in einem der Fälle dieser zarte, zerbrechliche und verunsicherte junge Mann auf, dem das Leben übel mitspielt. Viel zu viel hat er zu tun. Keine Unterstützung auf der Arbeit, alle Last liegt auf seinen Schultern und im Privatleben ist er fast ganz allein. - Ein Stereotype, der auch eine junge Frau sein könnte. Hilfsbedürftig, ein Opfer der Umstände, vielleicht auch noch depressiv. Die Einladung an den Coach ist groß, vom Mitgefühl ins Mitleid abzugleiten, helfen zu wollen, in Watte packen zu wollen, schützen zu wollen. Ja, ich kenne diesen Stereotypen aus meinem eigenen Erleben. Auch in mir kommt immer mal wieder ein gewisses Helfersyndrom hoch, das in letzter Konsequenz das Potenzial hat, mich daran zu hindern, meinen Job als Coach angemessen zu erfüllen, wenn mein gegenüber allzu zerbrechlich wirkt. Ich laufe also Gefahr, mein gegenüber in Watte zu packen, frage viel vorsichtiger und bohre vielleicht auch nicht so tief um schmerzhafte Reflexionsschleifen zu umschiffen. Das arme zarte Wesen braucht Schutz und Samthandschuhe… Und ganz sicher braucht das Gegenüber kein provokatives Coaching… Oder doch?

“Die Macht der Schwachen!” tönte es durch den Raum mitten in mein Mitleidskonstrukt. Ich komme aus meinem Gedankenfilm zurück und ja, da ist etwas dran. In diesen Situationen haben meine Kunden mich total in der Hand, so sehr, dass ich ihnen tatsächlich die potenziell unangenehme Reflexionsschleife erspare. Ganz schön clever von ihnen!

Die Macht der Schwachen führt im Alltag dazu, dass wir Menschen, die wir für schwach halten, in Watte packen, Konflikte oder negative Thematiken bestmöglich von ihnen fernhalten, wie als klebt ihnen dieser “Vorsicht! Zerbrechlich!-Aufkleber” auf der Stirn. In einem konkreten Fall habe ich es erlebt, dass die Kollegen der schwachen Person sogar tagtäglich das Frühstück für diese Kollegin mit zur Arbeit gebracht haben, weil sie sich ja unmöglich nicht auch noch darum kümmern könne, sich etwas zu essen vorzubereiten. Es wird also Rücksicht genommen und Vorsicht wird walten gelassen. Die Schwachen werden umsorgt und natürlich wird genau darauf geachtet nichts Falsches zu tun. Wie toll für die Schwachen! Es läuft bei ihnen könnte man sagen. Verrückt wären sie doch, würden sie plötzlich stark werden. Selbst Frühstück machen, weniger Aufmerksamkeit, dafür mehr unangenehme Themen? Nein danke. Dann doch lieber schwach und zerbrechlich und die Fäden der Manipulation fest in den unterbewussten Fingerchen. Alles andere könnte mit der Zeit ganz schön anstrengend werden. Eine Betrachtungsweise, die gefühlt eine Art Tabu darstellt, weil sie unsere Idee von Schwarz und Weiß irgendwie auf den Kopf stellt. Das macht man doch nicht! Man kümmert sich um die, die weniger fit oder stark oder stabil sind…

Der sekundäre Krankheitsgewinn oder keine Veränderung ohne Preis

In der Psychologie spricht man hier vom sekundären Krankheitsgewinn. Oft hat eine bestimmte Symptomatik Vorteile oder Vorzüge, die auf unterbewusster oder unbewusster Ebene dazu führen, dass an der Symptomatik festgehalten wird.

Auch im Coaching erlebe ich immer wieder, dass Veränderungen, die meine Kunden selbst wollen, nicht umgesetzt werden, weil die unerwünschte Thematik auf unbewusster Ebene gewisse Vorzüge mit sich bringt, die das Unbewusste nicht verlieren möchte. Aus diesem Grund finden im Rahmen professioneller und nachhaltig wirksamer Coaching-Prozesse immer wieder sogenannte Ökologie-Checks statt. Denn es gibt keine Veränderung ohne Preis. Bereits zu Beginn des Prozesses erarbeite ich mit meinen Kunden den primären und sekundären Gewinn der unerwünschten Symptomatik oder des unerwünschten Verhaltens um festzustellen, ob sie bereit sind, diesen Preis für die Veränderung zu zahlen. Passiert das nicht, kann der Mensch noch so hart am neuen Verhalten arbeiten, das Unterbewusste wird immer und immer wieder dazwischenfunken, weil es den Benefit resultierend aus dem Verhalten nicht aufgeben möchte. Getreu dem Motto: Ich will es ja nicht, aber ES macht es einfach mit mir…

So machtvoll schwach…

So haben die Schwachen ihr Umfeld also ziemlich machtvoll im Griff, nicht selten sogar Coaches oder Therapeuten und irgendwo tief in ihnen ist da eine Stimme, die sich dieses Mechanismus auch sehr deutlich bewusst ist.

Was bedeutet das alles für mich? Zum einen spüre ich in meiner Rolle als Coach immer mal wieder das Bedürfnis, mich zu kümmern oder helfen zu müssen. Aber es gibt hier noch eine andere Seite in mir. Seit frühster Kindheit triggern mich diese zarten, schwachen, kleinen, süßen Wesen auch immer wieder. Schon seit dem Kindergarten falle ich durch eine anständige Portion Selbstbewusstsein und den Fakt, dass ich gut einen Kopf größer bin, als die meisten, auf. Schon im zarten Alter von drei habe ich wohl unbewusst verstanden, dass diese Attribute jedoch mit Nichten zu meiner Überlegenheit beitragen. Kaum heulte eines dieser zarten Wesen, musste ich das Spielzeug abgeben. Begleitet wurde das von den wohlmeinenden Worten von Tante Eva: “Du bist doch schon so groß!”

Die Macht der Schwachen! Seitdem triggert sie mich und mit der Zeit hat sie mich fast neidisch gemacht. In mir drin gibt es eine Seite, die auch so gerne Schwach wäre, damit sich liebevoll und gut um mich gekümmert wird. Meine Schattenpersönlichkeit taucht tatsächlich hier und da, ganz heimlich und im ganz sicheren Rahmen auf und zeigt mich in all meinem Schwachsein, um unbewusst vielleicht dann doch die Macht, die diese Schwäche hat, auszuspielen. Ich befürchte mein Mann kann davon ein Lied singen, springt in ihm doch sofort Mitleid und Hilfsbereitschaft an. Es tut mir so leid Schatz! Das ist wahrscheinlich ganz schön manipulativ von mir! Manchmal möchte sich die Schattenpersönlichkeit einfach zeigen… Ich dachte mit dem Coach-Sein käme auch die persönliche Erleuchtung, aber dem ist offensichtlich (noch) nicht so.

Ich frage mich, ob ihr diese Macht der Schwachen auch kennt? Vielleicht sogar wie ich aus beiden Perspektiven? Wann nutzt ihr die eigene Schwäche selbstverständlich nur unbewusst aus um ein Ziel zu erreichen? Und wann lasst ihr euch durch die Schwäche anderer in eine bestimmt Aktion drücken? Keine Angst, alles das sind völlig normal Verhaltensweisen, die zum Menschsein dazugehören. Wenn ich darüber nachdenke ist es für mich in meiner Rolle als Coach ein großer Vorteil beide Seiten zu kennen. So weiß ich aus eigenem Erleben, wieviel Stärke sich in der Schwäche versteckt. Auch deshalb gelingt es mir in meinen Coaching-Prozessen inzwischen recht verlässlich nicht durch Mitleid getrieben an der Schwäche meiner Kundinnen und Kunden anzudocken, sondern an deren Stärke, an deren Ressourcen. Denn ich weiß, dass die Momentaufnahmen, die nichts als Schwäche oder Ohnmacht vermuten lassen, zum einen Momentaufnahmen sind und zum anderen war und ist es die Macht der eigenen Ressourcen, die meine Kundinnen und Kunden zu mir kommen lässt. Wirkliche Ohnmacht gibt es wahrscheinlich nur im Märchen und selbst Hänsel und Gretel haben die Hexe am Ende in den Ofen gesteckt!

Vielleicht hast du ja beim Lesen Lust bekommen gemeinsam mit mir an deinen eigenen Themen, Verhaltensweisen, deinem Stark- oder Schwachsein zu arbeiten. Gerne auch provokativ. Dann melde dich. Ab Mai wird bei mir wieder ein Platz auf meinen großartigen Coaching-Sesseln frei und ich habe gegenwärtig keine Wartelist! Wahrscheinlich sollte ich mich mal um mein Marketing kümmern…

Habt einen schönen Sonntag, ob stark oder schwach… Völlig egal.

Eure Constance

Unser Leben ist eine Reise, ein Weg immer dem Horizont entgegen

Keiner außer uns selbst geht diesen Weg, auch wenn wir manchmal ganz fest davon überzeugt werden, dass er einfach nur mit uns gegangen wird und wir keinen Einfluss auf die Richtung haben! -Stimmt nicht! Es ist und bleibt unser Weg!

Die Suche nach Ostereiern, Glück und dem Sinn

Frohe Ostern

Und? Schon Eier gesucht und erfolgreich gewesen?

Ich genieße mein langes Osterwochenende gerade in vollen Zügen mit Mann, Hund, Freunden und Familie. Ich habe in diesem Jahr sage und schreibe 36 Osternester gebastelt und gerade kommt mir nichts in meinem Leben sinnvoller vor als die Osterparty mit meinen Freunden gestern, die leuchtenden Augen ihrer Kids als ich ihnen zum Abschied ihre Osternester in die kleinen Hände gedrückt habe und der Ausblick darauf morgen das Haus voll mit Familie zu haben, gemeinsam Burger zu essen und den Tag vorbeiziehen zu lassen. Das ist Sinn, das hat Sinn und das macht mich sehr, sehr glücklich!

Aus diesem tiefen Gefühl von Glück und Sinnhaftigkeit ist die Idee zu diesem Artikel geboren. Warum nicht über den Sinn schreiben? - Zumal mich dieses Thema auch durch meine gesamte letzte Arbeitswoche begleitet hat.

Purpose! Purpose! Überall Purpose

Schon meine kurze Arbeitswoche vor Ostern hat wie gesagt mit dem Thema Sinn oder Purpose wie wir es Neuhochdeutsch im Business-Kontext nennen, begonnen. Ich wurde für die Master-Arbeit einer jungen Studentin, die im Dezember meinen Workshop an der Uni in Maastricht besucht hat, interviewt. Jana setzt sich in ihrer Arbeit mit der Bedeutung von Purpose im Rahmen von Business Coachings auseinander. Spannendes Thema. Ich bin schon jetzt auf ihre Ergebnisse gespannt.

Das Interview mit Jana hat mich dazu angeregt, mir die ganze Woche Gedanken zum Thema Purpose zu machen, die ich heute, an Ostern, mit euch teilen möchte. Zwar erscheint die Suche nach Ostereiern erfolgsversprechender oder wenigstens einfacher, als die nach dem Sinn. Man kann aber durchaus mal darüber nachdenken welche Bedeutung Sinn in unserem (Arbeits-) Leben hat.

Welche Rolle spielt Sinnhaftigkeit oder Purpose denn nun in meinen Business Coachings?

“Eine ausgesprochen große”, war meine spontane Antwort. Die Frage nach dem Wofür scheint dieser Tage allgegenwärtig. Es gibt Coaches, die sich sogar auf das Thema Purpose spezialisiert haben und viele Unternehmen betreiben einen immensen Aufwand nicht nur ihren Mitarbeitenden, sondern sogar sich selbst einen oft medienwirksamen, strahlend schönen Purpose zu geben.

Was ich als Coach regelmäßig erlebe, ist dass ich mit Menschen arbeite, die glauben ihren Purpose oder ihr Wofür gefunden zu haben und trotzdem mit diesem Purpose hadern, weil sie häufig vor allem gesellschaftliche Erwartungen erfüllen oder sich die Erwartungshaltung von Eltern, Freunden, Partnern zu eigen gemacht haben und nun glauben das sei ihr Purpose. Sie haben sich das Wofür, das ihnen übergestülpt wurde zu eigen gemacht. Parallel entwickeln sie getrieben von Heerscharen von Coaches wie mir auch noch ihren Purpose im Business-Kontext, der natürlich in den großen und fast schon spirituellen Purpose des jeweiligen Unternehmens passen muss. So beginnen sie ganz überfüllt von Sinnhaftigkeit sich daran abzuarbeiten…

In dieser Gemengelage ist die große Herausforderung für mich als Coach diesen Menschen, die sich selbst, ihr ganzheitliches Ich, mit ihrer Rolle im beruflichen Kontext verwechseln und sich Tag ein Tag aus bemühen in ein vorgegebenes Bild zu passen, dabei zu begleiten ihren wirklichen, eigenen, intrinsischen und unbeeinflussten Purpose zu finden. Hierbei führt uns die Reise häufig tief in Werte- und Glaubenssysteme und am Ende dieser Reise steht fast immer die Erkenntnis, dass der wahre Sinn des Lebens eine Dimension hat, die weit über unsere berufliche Tätigkeit hinaus geht.

Nicht falsch verstehen! Es ist durchaus hilfreich, dass unser Job uns in einer gewissen Weise erfüllt. Wir verbringen so viel Zeit damit zu arbeiten, dass es Sinn macht, sich in dieser Zeit mit Dingen zu beschäftigen, die als positiv empfunden werden, oder uns die Möglichkeit geben uns kreativ zu entfalten. Jedoch arbeiten die allermeisten von uns in erster Linie um die eigene Existenz zu sichern. Selbst ich, die ich meine Arbeit sehr liebe, würde sofort kürzertreten, hätte ich die finanziellen Mittel, um mehr Zeit mit meinem Mann, meiner Familie, meinen Freunden zu verbringen, um länger und öfter mit dem Hund spazieren gehen zu können, um häufiger zu reisen und mehr Zeit für meine Hobbies zu haben. Würde ich meinen “Purpose” primär über meine berufliche Tätigkeit definieren, würde ich mich wahrscheinlich in Teilen selbst belügen, da ein ganz elementarer Teil keine ausreichende Würdigung erfährt.

Ja, Purpose spielt im Business Coaching eine große und wichtige Rolle. -Manchmal eben auch um diesem Purpose im Business-Kontext zu entschärfen und den Fokus auf das große Ganze zu legen: Ich lebe nicht um zu arbeiten, ich arbeite um zu leben. Ich habe das große Glück eine Arbeit gefunden zu haben, die mir unendlich viel Spaß macht, aber meine Basis und das was mir wirklich wichtig ist und was mir die substanzielle Kraft gibt, in meinem Job Höchstleistung zu erbringen ist nicht der Purpose des Unternehmens für das ich arbeite und den ich durchaus mag. Vielmehr ist es die Liebe, Geborgenheit und das Gefühl der Zugehörigkeit in meinem Privatleben, es ist die Möglichkeit meine Neugier aufs Leben durch Reisen und Lernen zu stillen, die Möglichkeit gutes Essen und guten Wein genießen zu dürfen, zu tanzen und zu lachen. -Kurzum die Fähigkeit das Maximum an glücklichen und unbeschwerten Momenten aus meiner Verweildauer auf dieser Welt herauszuholen. An dieser Stelle muss ich an meinen Vater denken. Er ist schon lange Tod, fast 20 Jahre. Er starb als ich noch eine recht junge Stewardess war. Damals, als ich mich entschied Flugbegleiterin zu werden, war mein alter Herr zu tiefst erschüttert. Für ihn war es eine unangemessenen Verschwendung meiner intellektuellen und kognitiven Ressourcen. Als er von seiner Krankheit schon sehr gezeichnet war, saßen wir auf dem Krankenhausflur. Er hat ein Erdbeereis gegessen. Es war ein schöner Herbsttag und wir haben über den Sinn des Lebens philosophiert. In diesem Gespräch hat er sich mit meiner damaligen beruflichen Tätigkeit ausgesöhnt. Er hat mein Wofür verstanden. Er hat verstanden, dass ich von einer unglaublichen Neugier auf die Welt und die Menschen in dieser Welt getrieben war und keine andere Möglichkeit sah, diese Neugier zu stillen. Manchmal stelle ich mir vor wie es wäre, wenn er heute sehen könnte was aus dieser Neugier und aus mir geworden ist. Heute habe ich durch meine Arbeit als Coach eine andere Möglichkeit erschlossen, diese Neugier zu stillen. Ich denke es wäre OK für ihn!

Vielleicht ist der Sinn des Lebens zu leben… zu liebe und zu lachen…

Was mir einfach nicht gelingen will, ist das Thema Purpose isoliert von unserer eigenen Vergänglichkeit zu betrachten. Nicht nur weil sich der Todestag meiner Mama am letzten Donnerstag einmal mehr gejährt hat, bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich nicht ewig Zeit habe meinem Sinn oder meinem Purpose hinterher zu jagen. Und was, wenn ich sterbe, bevor ich mein großes Lebensziel erreicht habe? Würde mein Leben dann sinnlos gewesen sein? Eine schreckliche Vorstellung! Die Jagd nach dem großen Sinn und dem großen Glück kann ganz schön frustrierend werden. Es gibt sogar Studien die belegen, dass diejenigen, die am akribischsten nach Glück und Bedeutsamkeit suchen am unglücklichsten sind. So gesehen sollte man vorsichtig sein, wie groß oder unerreichbar man seinen Purpose schneidet. Denn besonders glücklich sind laut aktuellen Glücksstudien diejenigen, die nicht primär nach dem großen Glück, sondern nach der allgemeinen Zufriedenheit streben. Vielleicht sollte man das mit dem Sinn ähnlich halten.

Und zum Glück gibt es Viktor Frankl

Irgendwie führt mich all diese Sinnsuche immer wieder zum großen Viktor Frankl, diesem außergewöhnlichen Psychiater und Mensch, der als Vater der sogenannten Logotherapie (vom griechischen Lógos, zu Deutsch “Sinn” kommend), also der Therapie durch Sinn oder Sinnhaftigkeit gilt. Er ist sozusagen der Urvater der Bewegung die inzwischen selbst Unternehmen mit Sinnhaftigkeit übergießt. Er hatte die Fähigkeit Sinn selbst im Leid zu finden.

Frankl selbst hat den Holocaust überlebt und verzaubert mich bis heute mit seinem wohl berühmtesten Zitat: “Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In dieser Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.” Er war nie ein Gefangener. In seiner eigenen Logik, in seiner Sinnhaftigkeit war er zu jeder Zeit frei, da er jederzeit die Freiheit hatte, zu entscheiden wie er den Raum zwischen Reiz und Reaktion nutzt. So hat Frankl selbst dem Unaussprechlichsten seinen Sinn gegeben, da Sinn für ihn eng mit Selbstwirksamkeit verknüpft ist, die er sich niemals hat nehmen lassen.

Vielleicht liegt der große Sinn des Lebens darin, sich einfach nicht jagen zu lassen. -Weder von gesellschaftlichen Erwartungen oder den Vorstellungen Dritter, noch von dem Druck allem einen größeren Sinn geben zu müssen. Der Sinn ist stattdessen selbstwirksam zu gestalten. -Vor allem mit Blick darauf, dass wir den Faktoren im Außen nicht die Macht überlassen unsere Reaktionen zu bestimmen. Wir geben allem Sinn, wenn wir uns bewusst sind, dass wir die Freiheit haben, Verantwortung für unser Tun zu übernehmen.

Die meisten von uns dürfen über Ostern wahrscheinlich ein besonders langes Wochenende genießen und vielleicht wäre es ja ausgesprochen sinnvoll, diese Zeit bewusst, selbstwirksam zu erleben und zu gestalten, zu lachen, dankbar zu sein für die Menschen die wir lieben und die uns vielleicht sogar zurück lieben. Gibt es wirklich etwas, das größer ist, als diese kurzen, flüchtigen Momente, das Lachen und das warme Gefühl der Gemeinschaft? Ich arbeite gerne hart und leiste meinen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beitrag um in Frieden und relativem Wohlstand auch weitere besondere Tage mit meiner Familie und meinen Freunden genießen zu können. -Purpose hin, Purpose her…

Vielleicht ist es mit dem Sinn des Lebens ja ähnlich wie mit dem Sinn des Universums. Douglas Adams hatte dazu in “Per Anhalter durch die Galaxis” eine ausgesprochen einleuchtende Theorie, die besagt, dass, “wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. -Es gibt eine andere Theorie nach der das schon passiert ist.”

Zu eine gewissen Teil ist mein Sinn wahrscheinlich die stetige Suche nach dem Sinn. Das hält mich neugierig, offen und in Bewegung. -Ganz ohne Druck, quasi per Anhalter durch mein Leben. Allerdings muss in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt sein, ob nicht gefundene oder übersehene Sinne mit der Zeit ebenso zu stinken anfangen, wie die nicht gefundenen oder übersehenen Ostereier?

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg bei eurer Suche nach den bunten Eiern, dem Sinn und dem Glück. Habt ein zauberhaft sinnvolles restliches Osterwochenende!

Eure Constance

Stressmanagement im Business Coaching: Neues von den Neurowissenschaftlern Teil 2

“Wenn sie sich dazu entscheiden, Ihre Stressreaktionen als hilfreich zu betrachten, schaffen Sie die biologische Voraussetzung für Mut.” Kelly McGonigal

Bäm! Das Zitat hat gesessen, als ich es zum ersten Mal gelesen habe. Jahrzehnte war es das Ziel Stress zu reduzieren, Stress in positiven und negativen Stress aufzuteilen und zu versuchen ruhig zu bleiben oder ruhig zu werden. Bis heute hat das eine Daseinsberechtigung und in meinem letzten Artikel bin deshalb auf die sogenannte Polyvagal Theorie eingegangen, die eine wertvolle Grundlage für tolle Möglichkeiten bietet, mit Stress im Business Coaching (oder in der Arbeit mit sich selbst) so zu arbeiten, dass er gefühlt weniger wird. Jedoch ist unsere Welt komplex und auch das Thema Stress sollten wir unbedingt aus mehreren Brillen betrachten und ein Repertoire parat haben, um auf Stress zu reagieren, oder eben nicht.

Ein Grund, weshalb ich mit klassischen Stressmanagement à la “reduziere deinen Stress!” stets ein wenig gefremdelt habe, ist weil ich meinen Stress liebe und unbedingt brauche! Mehr als einmal habe ich gehört, dass das eine ausgesprochen ungesunde Haltung sei. Bis Kelly McGonigal daher kam und ich dank ihr nun weiß, dass ich schlicht und ergreifend einfach nur eine Stress-Enthusiastin bin und dass das gar nicht ungesund ist! Ganz im Gegenteil… Es lässt sogar min Gehirn wachsen!

Es ist die Bewertung und nicht die Hormonausschüttung

Aber mal von vorne: Wenn wir über Stress sprechen, sprechen wir zunächst von einer körperlichen Reaktion, die man im ersten Schritt neutral als Arousal bezeichnen darf. Es kommt also zu einem physiologischen Erregungszustand gesteuert durch unser vegetatives Nervensystem als Reaktion auf einen Reiz. Es werden bestimmte Hormone ausgeschüttet. Das bekannteste ist sicher Adrenalin, aber auch Cortisol und das Wachstumshormon DHEA sind Teil dieses Cocktails, der unser Herz schneller schlagen und unserem Atem flacher werden lässt. Die Handflächen werden vielleicht feucht, oder es stellt sich ein flaues Gefühl im Magen ein. Vielleicht wird der Mund trocken und wir haben das Bedürfnis uns zu bewegen. Alles ganz normale und absolut nicht besorgniserregende körperliche Reaktionen. Spannend wird jedoch unsere Bewertung dieser körperlichen Reaktionen. Es gibt Momente, da empfinden wir ein und das selbe Gefühl im Bauch entweder als Schmetterling und sind der Meinung wir sind erregt, weil wir uns auf etwas freuen. Und in anderen Momenten bewerten wir diese Empfindung als flaues Gefühl im Magen und sind der Meinung wir haben Angst vor etwas. McGonigal konnte nachweisen, dass die körperlichen Reaktionen bei Angst und Vorfreude die gleichen sind. Der Unterschied entsteht durch unsere Bewertung.

Ich gebe euch mal ein konkretes Beispiel aus meinem Alltag: Ich liebe es auf großen Bühnen zu stehen! Es fühlt sich einfach toll an. Es gibt Menschen, die mögen es überhaupt nicht und müssen sich überwinden, den Schritt nach vorne zu machen. Frage ich diese Menschen, wie sich ihre Bühnenangst genau anfühlt, höre ich sehr häufig Aussagen wie: Ich bekomme Herzrasen und feuchte Hände. Mein Mund wird ganz trocken. Ich habe das Gefühl nicht tief einatmen zu können. Diese Reaktionen befeuern ihre Angst. Fragt ihr mich, was bei mir körperlich los ist, bevor ich auf die Bühne darf, wird mein Mund ganz trocken und ich spüre meinen Herzschlag ganz deutlich, meine Hände werde manchmal feucht, ich muss auf jeden Fall nochmal auf die Toilette und meine Atmung ist schnell und flach. Diese Reaktion interpretiert mein System als Vorfreude und Ungeduld, bis es endlich losgeht! Vor meiner Hochzeit war es so heftig, dass ich vor der Kirche am Arm meines Bruders fast ohnmächtig geworden wäre. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, ich hätte Angst!

McGonigals Idee folgend geht es nicht darum, Stress per se zu reduzieren, sondern zunächst einmal an seinem Bewertungssystem zu arbeiten. Und an Bewertungssystemen arbeiten wir Coaches mit unseren Kunden ja immer und immer wieder. Warum also nicht auch in diesem Kontext?

Denn Stress lässt Gehirne wachsen…

Insgesamt konnte McGonigal im Rahmen ihrer Forschung, die sie übrigens an der ehrwürdigen Stanford University betreibt, feststellen, dass sich die Menschheit tatsächlich in eine Gruppe bestehend aus Menschen mit positivem Stress-Mindset und in eine Gruppe bestehend aus Menschen mit negativem Stress-Mindset aufteilen lässt. Unter anderem hat sie dabei festgestellt, dass Menschen mit einem positiven Stress-Mindset seltener an Posttraumtischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankten, was für die US-Army sehr interessant wurde. Studenten mit positiven Stress-Mindset scheinen generell besser durch ihr Studium zu kommen, auch mit Fokus auf die Noten, als ihre Mitstreiter mit einem negativen Stress-Mindset. Die Definition von Mindset in diesem Zusammenhang ist übrigens wie folgt: Eine Überzeugung, die unser Denken, Fühlen und Handeln im Voraus bestimmt. - Im Prinzip eine Art Filter durch den wir die Welt betrachten.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Alia Crum hat McGonigal herausgefunden, dass die unterschiedlichen Mindsets zwar keinen Einfluss darauf haben, dass Stresshormone, ausgeschüttet werden, sehr wohl aber auf die Zusammensetzung des jeweiligen Hormoncocktails. Relevant sind hierbei vor allem zwei Hormone: Cortisol und Dehydroepiandrosteron (DHEA). Cortisol hilft und dabei Zucker und Fett in Energie umzuwandeln und unterdrückt Körperfunktionen, die bei Stress eher unwichtig sind (z.B. Verdauung, Fortpflanzung und Wachstum). DHEA hingegen gehört zu der Gruppe der sogenannten Steroide oder Wachstumshormone und fördert das Wachstum unseres Gehirns. -Ähnlich wie Testosteron unsere Muskeln wachsen lässt. Außerdem gleicht es die Wirkung von Cortisol in einigen Bereich aus. Beide dieser Hormone sind wichtig, allerdings ist das Verhältnis dieser beiden Hormone zueinander ebenfalls wichtig um McGonigals Ansatz zu verstehen.

Das Verhältnis von Cortisol zu DHEA bezeichnet McGonigal als Growth Index der Stressreaktion. Je höher der Growth Index (das heißt je mehr DHEA im Verhältnis zu Cortisol im Speichel der Probanden messbar war), desto mehr kann der Mensch tatsächlich von Stress profitieren. Im akademischen Umfeld der Uni förderte das die Beharrlichkeit und Resilienz der Studierenden und beim Militär führte ein höherer Growth Index dazu, dass die Wahrscheinlichkeit nach einem kritischen Einsatz an einer PTBS zu erkranken geringer wurde.

Hirnwachstums-Chance Mindset Coaching

So stelle man sich nun also vor, McGonigal und Crum weisen mittels Speicheltest nach, dass ich ein negatives Stress-Mindset und einen sehr geringen Growth Index habe. Kann ich das ändern und in ein positives Mindset umwandeln? Die Forscherinnen sagen eindeutig ja und können das auch durch Versuchsreihen und Studien belegen. In ihren Mindset-Trainings unterstützen die beiden unter anderem über Wertereflexionen ihre Teilnehmenden ihren individuellen Sinn und finden. Das Verständnis seines eigenen großen “Wofürs” ist die Voraussetzung um die individuelle Stressbewertung nachhaltig zu verändern. Diese Veränderung findet durch drei Katalysatoren statt:

  1. Sich einlassen! Das bedeutet sich bewusst mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen und zu reflektieren worin die positive Kompetenz oder der positive Aspekt dieser Angst liegt. So lassen sich aus Bedrohungen Herausforderungen machen und es lassen sich absolute Angstgrenzen definieren, die natürlich auch eine Daseinsberechtigung haben und klare Grenzen ausweisen, was wiederum Sicherheit gibt..

  2. Sich verbinden! Stress verändert sich, wenn wir bewusst mit Menschen in Verbindung gehen. So kann aus Fürsorge Resilienz werden und wir knüpfen uns ganz automatisch ein soziales Auffangnetz.

  3. Wachsen! “Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker,” hat schon meine Oma gesagt. Aber so ist es. Widrigkeiten, die uns im Leben widerfahren haben das Potenzial uns stärker zu machen, uns wachsen zu lassen. Dafür ist es wichtig diese Situationen, die nicht selten als Schicksalsschläge empfunden werden, anzunehmen und aus ihnen zu lernen oder an ihnen zu wachsen. Und wer nun sagt, das sei ganz harter Tobak, dem empfehle ich Viktor Frankls Buch “Trotzdem Ja zu Leben sagen”. Frankel hat den Holocaust überlebt und gilt in der Psychologie als Vater der sogenannten Logotherapie, also der Sinn-Therapie. Womit wir wieder am Anfang sind: Um an seinem Mindset zu arbeiten muss man mit seinem Sinn beginnen!

Neugierig geworden? Dann lege ich euch Kelly McGonigals Buch “Glücksfaktor Stress” sehr ans Herz. Hier gibt es auch ein ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Arbeit am eigenen Stress-Mindset. Alternativ dürft ihr natürlich auch einen Coach wie mich kontaktieren. Ich freue mich jedes mal sehr darüber Menschen auf diesem Weg ein kleines Stückchen begleiten zu dürfen. Denn eines ist klar (und das sagt auch McGonigal sehr deutlich): Zu versuchen Stress zu vermeiden ist auch nicht die Lösung. -Ganz im Gegenteil! Häufig entsteht (negativer) Stress überhaupt erst durch den verzweifelten Versuch Stress zu meiden. Psychologen nennen diesen Teufelskreis, der durch dem Versuch Stress zu vermeiden Stress erzeugt “Stress Generation”. Den Preis den wir dafür zahlen ist nicht nur ein konstant hohes Stresslevel, sondern auch Isolation und eine Aneinanderreihung verpasster Möglichkeit. Je mehr wir uns dabei bemühen Stress zu vermeiden, desto stärker gelangen wir in diese Abwärtsspirale. Die Psycholog*innen Ryan, Huta und Deci beschreiben es in ihrem Sammelband “Die Erforschung des Glücks” so: “Je stärker man darauf abzielt, Genuss zu maximieren und Schmerz zu vermeiden, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich ein Leben errichtet, dem es an Tiefe, Bedeutung und Gemeinschaft fehlt.”

In diesem Zusammenhang erzählt McGonigal von einer Nacht, in der sich ihre Kollegin Alia Crum von Selbstzweifeln zerfressen allein im Keller der psychologischen Fakultät der Yale University versteckt hat und über Forschungsergebnissen im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit brütete. Plötzlich schaute ein Mitarbeiter der IT rein und sagte: “Wieder eine dieser kalten, dunklen Nächte an der Flanke des Mount Everest!”, und ging wieder. Wochen später wachte sie nachts auf und ihr wurde klar, dass da natürlich recht ungemütliche, dunkle und bitterkalte Nächte wären, würde sie den Mount Everest besteigen. Aber sie wären Teil der Reise und voraussetzende Rahmenbedingung für das Hochgefühl, das sich neben dem Gipfelkreuz einstellt. Klar fragt man sich immer mal wieder wofür. Aber wenn der Purpose klar ist, schafft man es auch durch die dunkelsten Nächte und die tiefsten Stresstäler. Crum hat den Zusammenhang zwischen Stress und Sinn erkannt und ihre Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen wunderschön stressigen Sonntag, egal ob ihr auf einen Berg steigt, die Kinder hütet, die Wäsche bügelt oder den Garten frühlingsfertig macht.

Eure Constance

Manchmal reicht ein Kaffee in der Sonne einfach nicht…

Stress: Wir haben ihn, wir brauchen ihn, wir suchen ihn, wir meiden ihn…