Persönlichkeit

Manchmal reicht ein Wunder

Für Tristan

Ich weiß ja nicht, wie es dir in dieser Woche ergangen ist. Bei mir hat es durchwachsen angefangen. Dieser Corona-Wahnsinn fängt langsam aber sicher an, an meinen Nerven zu zerren. Ich habe keine Lust mehr! All meine Hoffnungen habe ich in die Impfungen gesteckt. Zwar ging mir das in Deutschland ohnehin alles viel zu langsam und übertrieben bürokratisch, aber ich habe entschieden, dass ich eben geduldig sein muss! So weit so gut und dann der Paukenschlag: Impfstop mit AstraZeneca! Wot? Ich geben zu, danach war ich echt frustriert, weil ich mich noch ein paar Monate länger im Homeoffice sitzen sah, weit weg von all den Menschen, die ich unbedingt brauche. Keine Cafés, Bars, Restaurants, Freunde, Urlaub…

Auch im Job geht es nur langsam vorwärts, in ganz, ganz kleinen Schritten. Das nervt, weil ich die diversen Visionen mit meinen Teams, meinem Jahresprojekt und meinen Workshops in den hellsten Farben vor meinem inneren Auge sehe, aber es ist so mühsam; winzig kleine Schritte. Dabei kann es mir ja meistens gar nicht schnell genug gehen. Kurzum: ich habe mich auf ganzer Linie ausgebremst gefühlt und hatte echt etwas Frust. Böse Welt!

Zum Glück reicht aber manchmal ein Wunder, um sofort wieder geerdet und positiv zu sein. Mein Wunder in dieser Woche heißt Tristan. Tristan ist der zweite Sohn von sehr engen Freunden, die bei uns im Prinzip Familienstatus genießen. Der kleine Mann erblickte vor eineinhalb Wochen das Licht der Welt. Aber nein, ich will jetzt nicht auf das Wunder der Geburt eingehen. Das überlasse ich anderen. Auch wenn ich als nicht-Mama es wahrscheinlich nie begreifen werde, wie es sein kann, dass aus diesem enormen Bauch einer Schwangeren ein fertiger, lebender , individueller Mensch kommt! Verrückt.

Wie das Wunder seinen Lauf nahm

Tristans Geburt hat mich an einen sonnigen Maitag vor einigen Jahren erinnert. Damals war sein großer Bruder etwa ein halbes Jahr alt und lag auf unserem Wohnzimmerboden, als plötzlich ein kleines Wunder geschah: das Baby begann zum ersten Mal in seinem Leben eigenständig vorwärts zu robben! Vier Erwachsene flippten total aus! Ein Wunder! Große Freude! Umarmungen! Lachen! Und natürlich haben wir feierlich darauf angestoßen! Dieses Kind musste ein Genie sein!

Objektiv betrachtet ist robben quasi nichts, wenn das Ziel Laufen, Springen, Rennen, Tanzen ist! Eigentlich ist robben ein Witz! Aber für ein Baby, das gerade erst gelernt hat, eigenständig den Kopf oben zu halten und in die Welt zu schauen, ist es das Beste, was es danach erreichen kann. Der nächste Schritt eben. Erwachsene spüren das glaube ich intuitiv. Diese Intuition führt schließlich zu einer Freude, die durchaus irritierend wirken kann, zumal diese Freude ja nicht mit dem Robben aufhört: Das erste volle Töpfchen: Party! Das erste Mal alleine gegessen: Party (auch wenn danach renoviert werden muss)! Das erste Mal Mama gesagt: Party! Es folgen Küchenschränke vollgehängt mit ausgesprochen fragwürdigen Kunstwerken… Und so weiter und so fort!

Was ich mich deshalb letzte Woche ernsthaft gefragt habe, ist, warum ich (und du vielleicht auch) bei Kindern die erste bin, die diese Minimalfortschritte voller Stolz feiert, für sich selbst jedoch in Anspruch nimmt, dass nur die ganz großen Sprünge das absolute Minimum sind. Anstatt mich zu freuen, dass es überhaupt Impfungen gegen Corona gibt und ich Test-sei-Dank an Ostern meine Schwiegereltern mal wiedersehen werde, ärger ich mich, dass nicht schon die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist! Im Job ist es nicht viel anders: während meiner Einarbeitung musste und muss ich mich wirklich zusammenreißen, um mich über die kleinen Schritte, die ich Tag für Tag gehe zu freuen. Und trotzdem ertappe ich mich immer wieder dabei, mich darüber zu ärgere, dass ich nicht so routiniert und sicher unterwegs bin, wie meine Kollegen, die schon seit Jahren in der Bank arbeiten, die agile Transformation von Anfang an begleitet haben und alle Kollegen und Schnittstellen kennen. Ich weiß, das kann ich nach knapp drei Monaten nicht leisten, genauso wie Tristans großer Bruder mit einem halben Jahr unmöglich durch die Wohnung tanzen konnte! Aber wir Menschen setzen nun mal allzu oft ganz unterschiedliche Maßstäbe. Was bleibt ist jedoch die ebenso schöne wie frustrierende Erkenntnis, dass man eben am Anfang anfangen muss und den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun kann, egal wie lang deine Beine sind!

Kanban und die Disziplin, einen Schritt NACH dem anderen zu gehen

Während ich so vor mich hindenke, finde es immer wieder beeindruckend, dass viele agile Frameworks oder Methoden uns Menschen offensichtlich sehr gut verstehen und versuchen uns eine Hand zu reichen, um uns nach Möglichkeit davor zu bewahren, gleich mehrmals in die gleiche Falle zu tappen. Mal ganz ehrlich und nur unter uns: wie oft sind du und ich schon in diese Falle getappt, das Pferd von hinten aufzäumen zu wollen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu gehen, aus Ungeduld oder inneren Anspruch zu viel gleichzeitig zu wollen? Das, was am Ende rauskam, war meistens nicht besonders optimal! Ausgerechnet in dieser Woche, in der ich aus Ungeduld am liebsten den dritten vor dem ersten Schritt gemacht hätte, in der es mir schwer gefallen ist, auch kleine Erfolge als das wertzuschätzen, was sie sind, nämlich Erfolge, kreuzte neben dem kleinen Wunder Tristan auch Kanban meinen Weg. Neben dem, was man bei Kanban sieht, nämlich beeindruckende bunte Boards, habe ich mich auch damit beschäftigt, was eigentlich hinter der Kanban-Idee steht. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser Methode? -Ein Schritt nach dem anderen gehen! Und nicht zu viel gleichzeitig! Sonst läuft man Gefahr zu stolpern oder sich zu verzetteln (bei Kanban ja sogar im wahrsten Sinne des Wortes!).

Was mich in Hinblick auf Kanban außerdem noch begeistert, ist, dass Kanban genau da anfängt, wo man geradesteht. Klar mag man sich nun fragen, wo denn auch sonst. Nun ja, wenn ich mir Scrum im Vergleich dazu anschaue, muss ich als aller erstes dies und das und jenes umbauen und umstrukturieren, um dann meinen ersten Scrum-Zyklus zu beginnen. Kanban entwickelt sich aus sich selbst heraus, in winzig kleinen Schritten. Es optimiert sich aus sich selbst heraus und wächst… Ganz so wie es auch der kleine Tristan sicher tun wird.

Aus dem Nähkästchen eines Agile Coachs

In der letzten Woche habe ich mit einem kleinen Workshop-Zyklus begonnen, der zum Ziel hat, dass eine ganze Einheit in der Lage ist, ihre Work in Progress Limits zu definieren, das heißt festzulegen, wie viele Aufgaben sie gemeinsam bewältigen können, um optimal ausgelastet zu sein und sich nicht wegen zu vieler Aufgaben zu überlasten oder zu verzetteln. Balance ist gefragt um einen optimalen Arbeitsfluss zu gewährleisten. Ich gebe zu, das ist eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe, vor der ich zunächst wirklich großen Respekt hatte. -Zumal ich kein ausgewiesener Kanban-Experte bin. Diese Work in Progress Limits sind für mich ein großes, leuchtendes Ideal perfekt umgesetzter Agilität. Das kann ganz schön einschüchternd sein und ich habe mich lang gefragt, wie ich dort hinkommen soll, bzw. meine Kunden dorthin führen soll. Genau das war aber die falsche Frage. Die richtige Frage muss sein, was ist mein erster Schritt hin zu diesen WiP Limits. Damit habe ich mir viel leichter getan, denn die Antwort war klar: um zu wissen was das Maximum sein könnte, muss ich erst einmal herausfinden, was die Kollegen momentan den lieben langen Tag tun. Das Spannende hierbei ist, dass wir Menschen (und da schließe ich mich explizit mit ein) viel zu oft abends fix und fertig von einem langen Arbeitstag auf der Couch sitzen und gar nicht wirklich sagen können, was wir gemacht haben, dass es aber irgendwie zu viel war, das spüren wir sehr deutlich. Also habe ich meine Reise hin zu den WiP Limits damit begonnen, meine Kollegen dazu aufzufordern, zwei Wochen lang kurz und knapp zu dokumentieren, was sie während des Arbeitstages tun, wieviel Zeit sie mit planbaren Aufgaben verbringen, wie viele Kapazitäten durch plötzlich auftauchende Störfeuer gebunden werden und alles das was sie sonst noch für relevant halten. Nach dem Workshop war ich recht zufrieden. Ein guter erster Schritt. Was bei der “Hausaufgabe”, die erstaunlich positiv aufgenommen wurde, herauskommen wird? Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, höchstens eine Idee oder Hoffnung! Was es aber definitiv sein wird, das sind Fakten und keine Vermutungen. Auf diese Fakten können wir Schritt zwei setzen. Und plötzlich bin ich irgendwie viel weniger ehrfürchtig vor diesen großen idealen WiP Limits! Einfach eins nach dem anderen.

Es zählt nicht wo die anderen laufen, sondern wo ich stehe

Ich weiß nicht, was Tristans großer Bruder sich damals gedacht hat, als er auf dem Boden lag und wir alle um ihn herumgelaufen sind. Was denken Babys? -”Verdammt, so werde ich mich sicher nie bewegen können?” -”Ich muss sofort aufstehen?” -”Ich kann nicht aufstehen, also lass ich das mit der Fortbewegung doch gleich ganz sein!” Keine Ahnung! Aber als er es zu ersten Mal geschafft hat, sich aus eigener Kraft auf sein rotes Holz-Auto zuzubewegen, wirkte der kleine Mann sehr glücklich! Im Prinzip wirkte er ähnlich glücklich wie ich, nachdem ich einen ersten winzig kleinen Schritt in Richtung WiP Limits gemacht habe. Tristans großer Bruder hat nicht nach uns Erwachsenen geschaut, sondern ist bei sich geblieben, bei deiner Ausgangssituation um den daraus resultierenden nächsten Schritt zu gehen.

Deshalb möchte ich diesen Artikel mit den weisen Worten des großen Konfuzius beenden:

Auch eine Reise von Tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt.

In diesem Sinne wünsche ich dir und mir viele erste Schritte, aber auch Geduld und Nachsicht, vor allem mit uns selbst! Denn es ist nicht nur OK, sich in kleinen Schritten vorwärts zu bewegen. De Facto ist es die einzige Möglichkeit um auch wirklich vorwärts zu kommen! Und in den nächsten Jahren werde ich, wann immer ich Gefahr laufe, wieder zu viel zu wollen, einfach schauen, wie der kleine Tristan sich Schritt für Schritt seine Welt erobert. Die Evolution hat das alles schon ganz gut eingerichtet… Mal ganz ehrlich, alle die, die ständig auf dem riesigen Sprung sind, permanent damit beschäftigt, den ganz großen Wurf vorzubereiten, kommen die wirklich weiter, oder ist das nicht manchmal auch ganz viel Lärm um nichts?

Deine Constance

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Einen Schritt nach dem anderen

Weil es schneller einfach nicht geht! Punkt!

Grübeln ist wie schaukeln...

… man ist ganz gut beschäftigt, kommt aber kein Stück weiter

Lass mich raten, du hast reingeklickt, weil du diese Situationen kennst? Du grübelst und grübelst, überdenkst und überdenkst und während du damit beschäftigt bist, eine Situation von links und rechts und oben und unten möglichst genau und umsichtig zu beleuchten, galoppiert das Leben links und rechts und oben und unten an dir vorbei. Wie viele Chancen hast du so schon vertan? Ich so einige! Aber das muss ja nicht so bleiben. Gut, schaukeln macht durchaus Spaß, aber nicht, wenn ich vom Fleck kommen will. Und so ist es eben auch mit dem Grübeln. Dieser Blog soll keinesfalls ein Aufruf dazu sein, zukünftig blindlinks loszustürmen. Aber ich finde der Mensch hat es verdient, bewusst wählen zu können und in Hinblick auf meine ausgesprochen vorsichtige Attitüde, alles erstmal ganz konservativ abzuwägen, ist es mir gar nicht so leichtgefallen, eine vernünftige Alternative zu finden. Inzwischen habe ich eine, die sogar richtig Spaß macht. Und weil ich in der letzten Woche von diesem Spaß sehr viel hatte, dachte ich mir, ich nutze die Gelegenheit, meine Gedanken heute mit dir zu teilen.

Schon wieder dieses Gehirn

Wie kommt man also nun raus aus der Grübel-Falle? Eigentlich ist es gar nicht so schwer. Anstatt sich in endlosen Denkschleifen und was-wäre-wenn-Szenarien zu verlieren, müsste man es eben einfach mal ausprobieren. Entweder es geht gut, oder es geht schief, aber immerhin geht es und tritt nicht auf der Stelle. Genau damit hat der Mensch jedoch ein ganz, ganz großes Problem. Ich habe schon so oft über unser Gehirn erzählt und was bleibt ist die Quintessenz, dass dieses Gehirn nicht mitbekommen hat, dass wir nicht mehr in Höhlen leben, wo es immer nur um Leben oder Tod, fressen oder gefressen werden geht, sondern dass unsere Welt bunter und abstrakter geworden ist. Dummerweise denken und handeln wir noch immer so, als würde es jedes Mal ums nackte Überleben gehen. Dieses Paradigma, das unser Gehirn gerne kompromisslos verinnerlicht, zwingt uns eine Verhaltensweise auf, die uns in unserer modernen Welt tatsächlich selten weiterhilft. Man müsste seinem Gehirn eben beibringen, dass nicht jede Entscheidung, die sich im Nachhinein als falsch herausstellt, auch gleich tödlich sein muss. Was ist so schlimm daran, sich einfach mal auszuprobieren? Ich denke gerade an meinen allerersten Blog (oder wars der zweite?), in dem ich von dieser doofen Steinzeitfrau berichtet habe, der aus Versehen das Mammut ins Feuer gefallen ist. Wahrscheinlich war der Mann stinksauer, weil er dachte, Madame hat das Abendessen versaut. Weil nichts anderes da war, wird eben das gegrillte Mammut trotzdem gegessen und völlig erstaunt stellt der Steinzeitmann fest, dass gegrillt viel besser ist. Es gibt tatsächlich Fehler, die sich im Nachhinein als wahrer Segen herausstellen.

Weil die Welt den Wahnsinn braucht

Vielleicht war es aber auch ganz anders und unsere Steinzeitfrau war einfach etwas verrückter als alle anderen Steinzeitfrauen und dachte sich: “Na ja, wir haben zwar nur dieses eine Stück Mammut und im Kühlschrank ist auch kein Gemüse mehr, aber warum nicht einfach mal etwas Neues ausprobieren. Ich werfe unser letztes Stück Fleisch jetzt einfach mal ins Feuer und schaue was passiert. Entweder es verbrennt und wir haben nichts zu essen, oder es wird vielleicht ganz cool“. Ich höre den Steinzeitmann bis heute schimpfen! Wahrscheinlich hat ihre Mutter sie sehr laut und deutlich gewarnt. Von der Schwiegermutter ganz zu schweigen… Aber unsere mutige und vielleicht auch etwas wahnsinnige Steinzeitfrau zieht es durch! Die Geburtsstunde eines globalen Trends! Und die Moral von der Geschicht’? - In jeder Generation gab es zum Glück den ein oder anderen mutigen Menschen, der nicht gegrübelt und abgewägt, sondern einfach mal etwas ausprobiert hat. Das nennt man dann Weiterentwicklung.

Über Fehler und die Wissenschaft

Übrigens ist genau das die Basis wissenschaftlicher Forschung: die Jungs und Mädels probieren etwas aus und schauen ob es funktioniert, oder eben nicht. Wenn es funktioniert, winkt vielleicht der Nobelpreis und wenn nicht hat man auch etwas gelernt. - Nämlich, dass man dieses Ergebnis ausschließen kann. Die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson nennt diese bewussten und analysierten Fehler, aus welchen neues Wissen resultiert, übrigens intelligente Fehler. Sie sind, wie gesagt, die wissenschaftliche Basis für jede Forschung. Auch Amy selbst hat ihre Forschung mit einem dieser intelligenten Fehler begonnen. Wer meinen Artikel von letzter Woche gelesen hat, erinnert sich vielleicht daran, dass sich Amys Einstiegsthese zur Grundlagenforschung für ihre Dissertation nach der ersten Forschungsreihe als komplett falsch und unhaltbar herausstellte. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, hat sie sich entschieden, zu schauen, was sie aus diesem falschen Ansatz lernen kann. Was herauskam, war die legendäre These, dass High Performance Teams mehr Fehler machen, als normale Teams und schließlich das Thema, das Amy nun schon ihr gesamtes Leben als Wissenschaftlerin begleitet: die Psychological Safety.

Ich weiß, ich bin keine Harvard-Professorin und du wahrscheinlich auch nicht. -Wo um alles in der Welt sind wir falsch abgebogen? Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden! Think big! Und sei mutig. Ich erinnere mich an dieser Stelle an die wirklich wilde Woche im letzten Jahr, in der ich entschieden habe, meinen sicheren, geliebten und bis ins kleinste Detail bekannten Job nach 21 Jahren an den Nagel zu hängen, um Agile Coach in einer agilen Bank mitten in einem riesigen Transformationsprozess zu werden. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht und habe so viel gegrübelt, dass ich heute wirklich froh bin, diese Möglichkeit vor lauter Grübelei nicht vertan zu haben. Mit meinem ängstlichen Gehirn habe ich den Deal gemacht, ihm zu versprechen, dass ein neuer Job keine Lebensgefahr darstellt und dass wir ja, falls es doch doof ist, auch etwas anderes machen können. Mit viel Geduld habe ich mein Gehirn überredet, mit mir gemeinsam das Abenteuer “Weiterentwicklung” anzugehen. Und ja, es ist anstrengend und aufregend und manchmal verunsichert uns diese ganze Bankenwelt schon ganz schön, aber es macht Spaß und wird schon gut gehen! Und wenn nicht, suchen wir uns etwas anderes, also mein Gehirn und ich.

Grübeln und die VUCA-Welt

Da sind wir also angekommen, mein Gehirn und meine Wenigkeit, mitten in einem agilen Unternehmen, dass sich mit Hilfe dieser Agilität in einem sehr dynamischen und komplexen Marktumfeld beweist. Warum ist Agilität oder ein agiles Mindset hier hilfreich? Ganz einfach: Während klassisch aufgestellte Konkurrenten noch grübeln, hat das agile Unternehmen den Deal schon in trockene Tücher gebracht, das neue Produkt am Markt etabliert und den Kunden überzeugt! Warum agile Unternehmen schneller sind? Weil sie ihre Mitarbeiter dazu bringen, Dinge auszuprobieren, anstatt sie zu zerdenken. Weil sie bereit sind, aus Fehlern zu lernen und zwar schnell! Und weil sie ihre Mitarbeiter dazu ermuntern, auch mal verrückt zu sein, etwas Verrücktes zu erfinden, dass es so noch nicht gab. Und wenn es nicht funktioniert, wird sich einmal geschüttelt und weiter geht’s! -So zumindest das Ideal. Natürlich ist das ein Prozess und wer jahrelang Teil einer Grübel-Kultur war, tut sich anfangs sicher schwer damit, einfach mal zu machen. Unterstütz werden Menschen in agilen Organisationen deshalb durch eine unglaubliche Menge an agilen Methoden, die wie zum Beispiel den Kata-Sessions, die Struktur und somit Sicherheit geben, wenn man etwas Neues ausprobiert. Im Scrum wie im Kanban trifft man sich täglich um den Status Quo zu überprüfen, nur für den Fall, dass man droht vom richtigen Weg abzukommen, und in regelmäßigen Retrospektiven hat man die Möglichkeit aus Fehlern zu lernen, um es das nächste Mal doch besser zu machen. Im Design Thinking werden Menschen dazu ermutigt, total verrückt über den Tellerrand hinauszuschauen, kreativ und grenzenlos zu sein. Und damit man bei all diesem Wahnsinn den Fokus nicht verliert, gibt es das System der Objectives and Key Results. Und natürlich gibt es noch so viel mehr, kein Anspruch auf Vollständigkeit!

Mich macht das glücklich

Wie es sich anfühlt, Dinge ausprobieren zu dürfen, natürlich nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne diesen Zwang, dass direkt alles perfekt funktionieren muss, habe ich in der letzten Woche einmal mehr selbst gespürt. Es beflügelt mich total und macht mich noch viel kreativer, weil ich angstfreier agieren kann. Mein Gehirn hat begriffen, dass es nicht um Leben und Tod geht und ist deshalb einfach viel leistungsfähiger und mutiger. Für mich macht es einen großen Unterschied, nicht als externer Berater ein Produkt an den Mann oder die Frau bringen zu müssen, sondern als interner Coach zum Beispiel mein Herzensprojekt “Feedback-Kultur und Psychological Safety” mindestens ein Jahr lang gestalten und begleiten zu dürfen und dabei sogar die Möglichkeit zu haben, mal etwas auszuprobieren. Denn vielleicht wird dieses “etwas” am Ende zu etwas ganz Großem und ich hatte bislang einfach noch nicht die Möglichkeit oder den Rahmen, es einfach mal zu testen. Und wenn es floppt, dann kann ich es wenigstens loslassen und mich mit anderen Ansätzen beschäftigen. So funktioniert Agilität. Denn wenn nur ein Prozent dieser mutigen und verrückten Mitarbeiter etwas Großes entdecken, während sie sich ausprobieren, dann ist es genau das, was dafür sorgt, dass agile Organisationen am Ende die Nase vorne haben. Denn das sind die Innovationen, die es in klassischen Strukturen nie geben wird.

Aber auch außerhalb der Organisationsstrukturen, in denen wir alle mehr oder weniger gefangen sind, weil wir ja alle unser Geld verdienen müssen, ist es total sinnvoll, hier und da mal von der Schaukel zu springen und vorwärts zu gehen. Auch im privaten Kontext macht das glücklich. Dieser Blog ist hierfür ein gutes Beispiel. Wie lange habe ich davon geträumt, zu schreiben. Eigentlich soll es ein Buch werden. Leider hat der Verleger noch nicht angeklopft! Also dachte ich mir, ich fange mal mit einem Blog an… Über ein Jahr habe ich vor mich hin gegrübelt, wie das funktioniert, also rein technisch, was ich überhaupt schreiben soll, ob es überhaupt jemand lesen würde und so weiter und so fort. Vor einem Jahr bin ich einfach von der Schaukel gesprungen, habe losgelegt und geschaut, was passiert. Ich finde, meine Blogs werden Schritt für Schritt besser, meine sehr laienhaften Marketingstrategien auch und die Leserzahlen steigen zwar langsam, aber stetig. Läuft also! Deshalb werde ich jetzt auch ein weiteres Herzensprojekt angehen, das am Ende richtig fett sein wird, also so richtig, richtig fett! - Wenn es denn was wird. Nur wenn ich darüber immer nur nachdenke, werde ich es nie herausfinden. Deshalb lege ich jetzt los, einen kleinen Schritt nach dem anderen. Und falls ich scheitere, ja mein Gott, was ist denn dann? Dann bleibt alles so wie es jetzt ist und das ist doch auch nicht so schlecht.

Sei mutig und spring hier und da mal ab von deiner schönen Schaukel! Fühlt sich gut an! Macht sogar Spaß!

Deine Constance

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Grübeln ist wie schaukeln…

Man ist ganz gut beschäftigt, kommt aber kein Stück weiter

Aller Anfang ist schwer? - Wirklich schwer ist es, rechtzeitig aufzuhören!

Onboarding die Sechste

Meine Reise in die Welt von Finance und IT geht weiter und weiter und ja, aller Anfang ist schwer, definitiv! Aber wisst ihr was ich letzte Woche beobachtet habe? Neben dem Fakt, dass (Neu-) Anfänge immer schwer sind, habe ich festgestellt, dass es gefühlt noch viel schwerer ist, mit Altbekannten aufzuhören, den Absprungs zu finden und das Alte loszulassen. Das habe ich in der letzten Woche nicht nur an mir selbst beobachtet, sondern auch an meinen Kollegen, den neuen wie den alten, im Freundeskreis, den Nachrichten, einfach überall. Offensichtlich klammert sich der Mensch recht gerne an Altbekanntem fest. Der Spatz in der Hand ist natürlich besser als die Taube auf dem Dach und was man hat, hat man eben! Derartige Sprüche sind so alt wie die Menschheit und das damit zusammenhängende Verhalten ebenso.

Ihr kennt sicher Goethes Faust. Mein absolutes Lieblingsdrama. Ein unfassbares Meisterwerk, dass den Menschen so vortrefflich beschreibt und einige Zitate daraus sind für die Ewigkeit. Ihr kennt das mit den zwei Seelen, die ach! in meiner Brust wohnen. Wir alle wissen, dass die eine sich von der anderen trennen will. “Die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich von Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.” So weit so gut! Wirklich spannend (und weitaus weniger bekannt) ist wie es jetzt weitergeht:

O gibt es Geister in der Luft, die zwischen Erd und Himmel herrschend weben, so steiget nieder aus dem goldnen Duft und führt mich weg zu neuem bunten Leben.

So sprach es Faust und lässt damit tief blicken: da ist jemand, der unzufrieden mit dem ist, was er tut, aber anstatt aktiv zu werden, seinen Hintern hochzubekommen und sein Leben substanziell zu ändern, wartet der feine Herr auf Geister, das Schicksal, den Zufall, ein Silbertablett oder den roten Teppich. Nur um nicht aus eigenem Antrieb sein altes Leben hinter sich lassen zu müssen, verkauft der gute Faust seine Seele lieber an Mephisto, den Teufel. Wie das ausgegangen ist, hat sich rumgesprochen. -Und alles nur, weil der kluge Dr. Faust unbedingt jemanden brauchte, der ihm das Händchen hält und für ihn mit dem alten Leben Schluss macht. Auch dem armen Gretchen wäre so einiges erspart geblieben…

Sicherheitsbedürfnis und Veränderungslust

Seit dem Erscheinen von Goethes Faust im Jahr 1808 ist schon eine Menge Wasser den Rhein runtergeflossen und man könnte meinen, die Evolution hätte die ein oder andere Möglichkeit gehabt, den Menschen weiterzuentwickeln. Leider scheint dem mit Nichten so. Wir Menschen stellen unser Sicherheitsbedürfnis noch immer über alles und raus aus der Komfortzone erscheint geradezu verrückt. Manchmal sind wir Menschen sogar lieber unglücklich, als dass wir uns trauen, unser gewohntes Terrain zu verlassen. Klar, damals in der Höhle, da gab es sicher einige ganz besonders mutige und abenteuerlustige Urmenschen, die mit dem Mut-Gen ausgestattet neugierig von den bekannten Pfaden abgewichen sind. Leider wurden die wahrscheinlich alle von Säbelzahntigern gefressen oder haben sich verlaufen und konnten ihre Gene nicht mehr weitergeben. Übrig geblieben sind ausgesprochen vorsichtige und konservative Urmenschen, deren Verhaltensweisen in dieser alten, gefährlichen und wenig komplexen Welt ausgesprochen erfolgreich war. Säbelzahntiger gibt es aber nicht mehr, Verlaufen ist dank Navi und Handy auch kein Thema mehr und auch mit “fremden” Stämmen schlagen wir uns nicht mehr ständig gegenseitig die Köpfe ein (wobei, hier scheinen gewisse Entwicklungen gerade wieder rückläufig). Das sind die guten Nachrichten. Irgendwie scheint die Welt deutlich sicherer als damals in der Steinzeit. Unsere moderne Welt ist aber auch deutlich komplexer und dynamischer geworden und stellt uns Menschen vor ganz neue Herausforderungen. Denn was früher Lebensgefahr bedeutete, ist heutzutage eine wichtige Voraussetzung für Erfolg und Zufriedenheit. Und so stehen wir da, wie seinerzeit der gute alte Dr. Faust, mit zwei Seelen, die in unserer Brust wohnen. Die eine klammert sich in tiefstem Sicherheitsbewusstsein an Altbekanntem fest, denn der Spatz in der Hand… - Ihr wisst Bescheid! Zum Glück ist da ja noch diese andere Seele, die neugierige, die begriffen hat, dass sich unsere Welt inzwischen so schnell dreht, dass der Spatz in der Hand auch ganz schnell an Wertigkeit verlieren kann. Klar kann man das jetzt so machen wie Faust und warten, bis jemand kommt, der diese Seele an die Hand nimmt und ihr raus hilft aus der alten, bekannten Routine, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln. Aber was ist, wenn dieser Jemand nie kommt, oder wenn es der Teufel ist?

Auf der Suche nach den eigenen Ressourcen

Wenn wir nun also entscheiden, nicht auf den Teufel zu bauen, braucht unsere ängstliche, neugierige Seele eine andere Hand, die ihr die Sicherheit gibt, die sie braucht, um ihre Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Wege zu begeben. In der letzten Woche hatte ich gleich mehrere Gespräche über Ressourcen, die wir alle in uns tragen und die es sind, die uns erfolgreich machen, wenn, ja wenn wir uns erstmal darüber bewusst sind, dass wir sie haben. Als ich im letzten Herbst angefangen habe darüber nachzudenken mit der Fliegerei aufzuhören, war eine sehr präsente Frage die, ob ich den neuen Aufgaben denn überhaupt gewachsen sei und ich habe mich vielleicht zum allerersten Mal in meinem Leben wirklich damit beschäftigt, was ich alles kann, worin ich gut oder sogar sehr gut bin, sprich auf welche Ressourcen ich mich verlassen kann, wenn ich meine sichere Komfortzone verlasse um mich auf bislang unbekannte Wege zu begeben. Das war mein Mephisto, der mich an die Hand genommen hat, mir Sicherheit und Vertrauen gegeben hat, ganz ohne, dass ich dafür meine Seele verkaufen musste.

Und wenn ein ganzes Unternehmen entscheidet aufzuhören um neu anzufangen?

Wisst ihr, was wirklich verrückt ist? Mein neuer Arbeitgeber ist im Prinzip in der gleichen Situation, wie ich es bin. Mit der agilen Transformation hat man dort auch entschieden, die bekannten Pfade zu verlassen. Man hat den Spatz in der Hand losgelassen, weil man sich bewusst darüber war, dass die Welt sich immer schneller dreht und man verstanden hat, dass Spatzen in absehbarer Zukunft einfach nicht mehr ausreichend sind. Diese Entscheidung war sicher nicht einfach, aber man hat es geschafft, rechtzeitig mit dem Alten aufzuhören, um in der Weiterentwicklung und somit eben auch auf Erfolgskurs zu bleiben.

Im Rahmen solcher agilen Transformationen stellt sich natürlich auch die Frage nach den Ressourcen. Die Antwort darauf ist recht einfach! Ich zitiere mich hier mal selbst: der Mensch ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg komplexer Systeme. So wie ich mir gerade täglich Gedanken darüber mache, ob und wie ich meine Ressourcen bestmöglich nutzen kann, sind (agile) Unternehmen gut beraten, alles nur Mögliche zu tun, ihren Mitarbeitern Strukturen und eine Unternehmenskultur zu bieten, die es jedem einzelnen ermöglichen, ihr oder sein gesamtes Potenzial abzurufen. Hierbei braucht es auch Vertrauen und Sicherheit auf allen Seiten: Manager werden plötzlich zu Servant Leader, die ihren Mitarbeitern ganz viel Autonomie und Freiraum geben sollen, was vor allem bedeutet, ihnen zu vertrauen. Und die Mitarbeiter brauchen ihrerseits großes Vertrauen, um diesen Freiraum zu nutzen, um kreativ zu sein, neue Wege zu gehen. Denn an dieser Stelle könnte ich nochmals aus Goethes Faust zitieren: “Es irrt der Mensch so lang er strebt.” Wer Menschen Raum gibt, Neues auszuprobieren, der muss auch damit rechnen, dass nicht alles zu einem großen Erfolg wird. Legt der Mensch erstmal los, sind Fehler schlicht und ergreifend systemimmanent, unvermeidbarer Teil eines für agile Unternehmen erforderlichen Lernprozesses, den die Harvard-Professorin Amy Edmondson als Lernende Organisation beschreibt. Als Mitarbeiter brauche ich die Sicherheit, auch Fehler machen zu dürfen, um daraus zu lernen, weil sie unvermeidbar sind, wenn ich die altbekannten Flugrouten der Spatzen in unseren Händen verlasse.

Der Aufbau dieses Vertrauens, sowohl innerhalb eines Unternehmens, als auch zu sich selbst, ist ein Prozess, der Zeit braucht und ist abhängig von den Erfahrungen, die man macht und natürlich ist und bleibt jeder einzelne Schritt, auch in einem agilen Unternehmen, eine Risikoabwägung. Wie agil wollen wir sein und wie agil müssen wir sein? Ja, mehr Agilität kann zunächst auch eine höhere Fehleranfälligkeit bedeuten. Die Anzahl dieser Fehler können nur durch High Performance Teams minimiert werden und für High Performance braucht es Vertrauen. Ich als Agile Coach sehe es als meine Aufgabe, dabei zu helfen, dieses Vertrauen und die damit zusammenhängende Offenheit nach Kräften zu fördern und zu unterstützen um aus der Sicherheit dieses Vertrauens Schritt für Schritt immer autonomer und agiler werden zu können. Dazu muss man eben auch Risiken eingehen. Ein sehr kluger Mann hat mal gesagt, dass der sicherste Ort für Schiffe der Hafen sei! Aber dafür sind Schiffe nun mal nicht gemacht. Oder um es in meiner “alten” Sprache zu sagen: die sicherste Airline ist die, die nicht fliegt. Tja, um nicht nur total sicher, sondern auch (wirtschaftlich) erfolgreich zu sein, muss man etwas riskieren! - Jeder einzelne von uns ebenso wie jede Organisation!

Offen für Neues

Das ist eine wirklich spannende Reise, auf der ich mich gerade befinde. Alles scheint sich langsam aber sicher ganz natürlich zu fügen. So gesehen ist der Anfang gar nicht so schwer, stressig ja, schwer nein! Was wirklich schwer war, war das Alte, Sichere, Liebgewonnene loszulassen, obwohl einem Teil von mir schon lange klar war, dass er sich unbedingt weiterentwickeln möchte, raus aus der Komfortzone, die für mich ehrlichgesagt nämlich nicht nur Sicherheit, sondern auch Langeweile bedeutet hat. Aber auch das muss man erstmal für sich erkennen. Nur für den Fall, dass es euch ähnlich geht, schaut doch auch mal, ob das Vertrauen in euch selbst, in eure Ressourcen und Fähigkeiten, euch vielleicht auch die Sicherheit geben kann, um aus der Komfortzone zu treten und offen für all das Neue zu sein, dass auf euch zukommt.

Eure Constance

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Wer neue Wege gehen will muss die alten erstmal verlassen

… und nur dann geht’s auch hoch hinaus!