Persönlichkeit

Wie man verbindlicher kommunizieren könnte - drei einfache Tipps

Oder vielleicht, wie du verbindlicher kommunizierst?

Während ihr jetzt gegebenenfalls feststellt, dass ich in den ersten beiden Sätzen meines heutigen Artikels die jeweils gleichen Aussagen getroffen habe, die sich aber trotzdem irgendwie total anders anfühlen, dürft ihr euch gerne schon einmal Gedanken darüber machen, woran das liegt. Ich werde in dieser Zeit erstmal mit ein paar grundsätzlichen Ideen zu unserer Art zu kommunizieren, unserem Kommunikationsstil, erläutern.

Wo unterschiedliche Kommunikationsstile herkommen

Der Kommunikationsstil, den jeder von uns entwickelt, ist in vielerlei Hinsicht interessant. Er sagt auf ganz besondere Weise etwas darüber aus, wie wir uns selbst wahrnehmen. Geprägt wird unsere Selbstwahrnehmung und somit auch unser Kommunikationsstil bereits in unserer Kindheit. Irgendwann stellen wir dann unter Umständen fest, dass wir das geworden sind, was die Gesellschaft erwachsen nennt und gegebenenfalls sorgt unser in der Kindheit erworbener Kommunikationsstil an der ein oder anderen Stelle für Irritationen, oder bringt uns einfach nicht immer dahin, wo wir gerne hin möchten. Mir ging das tatsächlich schon oft so. Aber zum Glück ist der Mensch ja, wie schon mehrfach im Rahmen meiner Artikel erwähnt, extrem lernfähig (wenn er denn möchte). Wir können also an uns arbeiten. Ein erster Schritt ist, dich zu hinterfragen, bzw. dich hinsichtlich seines eigenen Kommunikationsstil zu reflektieren. Wer hier etwas tiefer gehen möchte, dem kann ich die acht Kommunikationsstile nach Friedemann Schulz von Thun sehr ans Herz legen. Keine Sorge, jeder Stil hat Vor- und Nachteile, so dass es den idealen Kommunikationsstil nicht gibt und oftmals springen wir auch situationsabhängig und abhängig von unserem Kommunikationspartner in einzelnen Stilen hin und her. Die Kunst ist es jedoch, seinen eigenen Stil und die Situationen, in denen man dazu neigt zu springen, zu kennen und das dann bewusst für sich zu nutzen. Also nur Mut, lerne über dich und werde dadurch achtsamer, selbstbewusster und erfolgreicher.

Um sich mit Kommunikationsstilen in Gänze auseinander zu setzen, reicht ein kleiner Artikel nicht aus, zumal das, was wir als Kommunikation bezeichnen, deutlich mehr ist, als das gesprochene Wort. Neben der rein verbalen Kommunikation spielen auch Paralinguistik (also Intonation, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit) und unsere Körpersprache einen eklatante Rolle. Die Rolle der Körpersprache ist hierbei so groß und wichtig, dass ich ihr sicher zeitnah einen eigenen Artikel widmen werde. Hier und heute werde ich mich mit dem Thema Verbindlichkeit in der rein verbalen Kommunikation beschäftigen.

Mehr Verbindlichkeit, weil es erfolgreich(er) macht

Ich nehme diesen Wunsch nach mehr Verbindlichkeit und Klarheit sowohl an mir selbst, als auch an Teilnehmern in Schulungen und Workshops immer wieder wahr. Warum ist das so? In unserer Kultur spielen Verbindlichkeit und Klarheit eine große Rolle, dementsprechend möchten wir auch gerne klar und deutlich kommunizieren. Das sieht in England schon wieder etwas anders aus. Hier windet man sich auch in der Geschäftswelt oft um klare Worte, verklausuliert lieber, aus Angst, dem anderen vor den Kopf zu stoßen. Der Deutsche an sich wird aufgrund seiner Klarheit in England oft als unhöflich wahrgenommen. Ihr seht, auch ein verbindlicher Kommunikationsstil ist per se nicht unbedingt gut, während der unverbindliche Kommunikationsstil schlecht ist. Es ist wie immer im Leben situationsabhängig und wir alle sind gut beraten, jede Form der Wertung hier rauszulassen. Der Grund, weshalb ich für mich entschieden habe, verbindlicher zu kommunizieren, ist, dass mich Verbindlichkeit tatsächlich häufiger schneller und mit weniger Energieaufwand ans Ziel bringt. Wer ebenfalls der Meinung ist, dass ihm etwas mehr Verbindlichkeit und Klarheit in der ein oder anderen Situation weiter bringt, für den habe ich heut drei kleine, einfach Tipps, die einen erste Schritt in diese Richtung darstellen.

  1. Mit meinem ersten Tipp fange ich mal bei meiner Überschrift an: Wer verbindlich kommunizieren möchte, ist gut beraten, das Wörtchen “man” zu meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Warum das so ist? “Man” ist eine indirekte Ansprache. Ich meide so, die betroffenen Personen direkt zu benennen, entweder weil diese nicht wichtig sind, oder weil ich es so vermeiden kann, einen “Schuldigen” zu benennen. Manchmal benutze ich “man” auch an Stelle von “ich”. Warum ich mich an dieser Stelle nicht als wichtig genug empfinde, um mich selbst klar zu benennen, dabei kann der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun weiterhelfen. Alles in allem schiebt “man” Verantwortung ab. Ich distanziere mich von dem, was ich gesagt habe und das schlimmste ist, weder Sender noch Empfänger fühlen sich dadurch wirklich angesprochen. Ich fasse zusammen: “man durch “ich” oder “du” ersetzen und schauen, was passiert!

  2. Wir bleiben bei meiner Überschrift und stellen fest, der zweite Tipp für mehr Verbindlichkeit muss folgendermaßen lauten: Tod dem Konjunktiv! Der Konjunktiv ist das Gegenteil von verbindlich, um nicht zu sagen, er ist Unverbindlichkeit pur! Habt ihr auch schon einmal auf eine Einladung, z.B. zum Abendessen, eine solche Antwort bekommen, oder gegeben: “Ich würde sehr gerne vorbeikommen!” Klar, kommst du nun, oder nicht? Was im Privatleben einfach nur unverbindlich wirkt, wirkt im Berufsleben oft unsicher, irgendwie sogar unterwürfig: “Könnten Sie mir bitte eventuell einige Informationen zum Thema XY zukommen lassen?” Man kann auch höflich sein, ohne den Konjunktiv überzustrapazieren. Ein guter Weg, das zu üben, ist im ersten Schritt jede Art der schriftliche Kommunikation dafür zu nutzen. Ich schlage vor, jede Mail einfach nochmal durchzulesen, eh sie abgeschickt wird, und Worte wie “dürfte”, “würde”, “könnte”, “sollte” zu streichen und durch verbindlichere Formulierungen zu ersetzen: “Bitte schicken Sie mir das Informationsmaterial zum Thema XY zu.” Es gibt übrigens eine Studie zur Antwortwahrscheinlichkeit bei Schlussformulierungen von Mails. Gewonnen hat “Danke im Voraus” mit 67,7% Antwortrate! Nachzulesen im Business Insider.

  3. Leider ist es mir nicht gelungen meinen dritten Tipp für mehr Verbindlichkeit ebenfalls in meiner Überschrift unterzubringen. Aber wir kennen das alle und wir tun es auch alle: “Wie findest du diese Herangehensweise?” -“Gar nicht mal so schlecht!” Wir haben diese Antwort alle schon gegeben, ganz sicher. Die große Frage ist aber, ob nicht schlecht denn dann auch gut ist. Und wenn es gut ist, warum wir dann nicht auch einfach sagen können, dass etwas gut ist, klar und deutlich. Wenn der höflich-unverbindliche Engländer übrigens etwas “Not bad!” findet, meint er -by the way- meistens, dass es schlecht ist. Vorsicht: interkulturelle Falle! Aber zurück zu uns selbst. Diese Verneinung des Gegenteils nennt man in der Rhetorik Litotes. Hierbei handelt es sich um ein Stilmittel, um seine eigene Aussage bewusst abzuschwächen und sich zu distanzieren. Das wollen wir doch nicht, weder beruflich, noch privat, oder?

Und jetzt?

Ich fasse also mal zusammen: Kein “man”, keinen Konjunktiv und diese Litotes unbedingt sein lassen. Nur am Rande erwähnt, kann die Kenntnis über Litotes einen selbst in diversen Gesprächsrunden sehr klug wirken lassen! Aber zurück zur Verbindlichkeit: diese drei Maßnahmen wirken ja nicht wirklich komplex. Trotzdem werdet ihr bei der Umsetzung feststellen, dass wir uns so sehr an “man”, den Konjunktiv und dieses “nicht schlecht” gewöhnt haben, dass wir alle drei Formulierung auch weiterhin wahrscheinlich automatisiert benutzen werden. Den ersten Schritt habt ihr gemacht, wenn euch das an euch selbst auffällt. Im zweiten Schritt werden euch dann die Situationen auffallen, in denen ihr es schafft, bewusst den neuen, verbindlicheren Weg zu gehen. Und ich verspreche euch, das wird auch etwas mit euch selbst und eurer inneren Haltung machen. Wie anfangs beschrieben, hängen das gesprochene Wort, die Paralinguistik und unsere Körpersprache ganz eng zusammen und alles gemeinsam ist ein Spiegel unserer Selbstwahrnehmung. Mit dem Mut zu mehr Verbindlichkeit in der (verbalen) Kommunikation werdet ihr euch auch direkt als verbindlicher, verantwortungsbewusster, klarer und mutiger wahrnehmen und das wird Einfluss auf euer Auftreten haben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich das gut anfühlt. Beobachtet euch dahingehen ruhig mal selbst. Total spannend mitzubekommen, wie “Mensch sein” so funktioniert.

In diesem Sinne wünsche ich euch viel Spaß und Erfolg beim Ausprobieren, so ihr Lust dazu habt. Ich mache mir mal Gedanken darüber, in welcher Form ich hoffentlich schon nächste Woche mit dem Thema Körpersprache weitermache, falls mir nicht mal wieder der aktuelle Wahnsinn dieser Welt dazwischen funkt.

Eure Constance

PS: Beim Korrekturlesen fünf Mal “man” ausgetauscht und zwei unnötige Konjunktiv gefunden! Gar nicht mal so schlecht!

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Verbindlich und klar

Kommunikation so eindeutig wie ein Handschlag

Über Hass und Rassismus - Erklärungsversuch des Unerklärbaren

Wenn die Welt Kopf steht

Wieder etwas Aktuelles! Aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Welt gerade Kopf zu stehen scheint, muss das wohl sein. Außerdem lässt mich das Video, welches das Sterben des dunkelhäutigen US-Amerikaners George Floyd so grausam dokumentiert, nicht mehr los. Mich beschäftigen im Kern zwei Fragen: Wie können Menschen so grausam sein? Und auch auf Grund der weltweiten “Black Lifes Matter” Aktionen schließlich noch die viel größere Frage: Woher kommt Rassismus?

Im Gegensatz zum Dunning-Kruger-Syndrom in der letzten Woche gibt es heute kein Schmunzeln, Augenzwinkern oder Lachen. Hier gibt es vor allem Betroffenheit, Traurigkeit und vielleicht auch den ein oder anderen Anreiz, über sich selbst, seine Denkstrukturen und die Stereotypen im eigenen Kopf nachzudenken.

Empathie und Spiegelneuronen

Empathie bedeutet, dass wir eine Situation, die wir nur von außen beobachten, so empfinden, als würden wir sie selbst durchleben. Fremdschämen gehört dazu, genauso wie der Moment, in dem man sieht, wie ein Mensch stürzt (vielleicht auf eine Stelle, die besonders weh tut) und man sich kurz krümmt oder man zusammenzuckt, als würde man diese Schmerzen selbst spüren. Schuld daran ist eine Zellverband in unserem Gehirn, die man Spiegelneuronen nennt. Entdeckt wurden diese besonderen Zellen tatsächlich erst 1992 vom italienischen Physiologen Giacomo Rizzolatti. Diese Spiegelneuronen gehören wohl zur Grundausstattung des menschlichen Gehirns, allerdings bedeutet das nicht, dass alle Menschen in der Lage sind, Empathie zu empfinden. Tatsächlich lernen wir erst durch frühkindliche Erfahrungen von Wärme, Aufmerksamkeit und Geborgenheit über unsere Spiegelneuronen Empathie. Man geht davon aus, dass bereits Vierjährige in der Lage sind, Mitgefühl zu zeigen, wenn nahestehende Menschen traurig sind. Insbesondere zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr findet nochmal eine besonders bedeutungsvolle Neuverschaltung zwischen Spiegelneuronen und Empathiefähigkeit statt. Gab es bis dahin ein Defizit an menschlicher Zuneigung und Anerkennung, kann das fatale Folgen haben. Krankheitsbilder die daraus erwachsen können, können wir uns sicher alle selbst ausmalen. Aber nicht jeder Mensch, dem es an Empathie mangelt, wird zwangsläufig auch auf krankhafte Art verhaltensauffällig. Vor einigen Jahren habe ich einen diesbezüglichen Fachartikel gelesen, der mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben ist, weil mich ein Teil dazu gebracht hat, ein wenig in mich hinein zu grinsen. Es wurde beschrieben, dass der größte Teil dieser pathologisch unempathischen Zeitgenossen völlig unauffällig bleibt, weil man ja auch ohne Mitgefühl in der Lage sei, gesellschaftliche Normen, richtig und falsch, kognitiv zu begreifen und sich anzupassen. Abschließend hat dieser Artikel beschrieben, dass diese Menschen sogar sehr oft äußerst erfolgreich einen Platz in unserer Gesellschaft fänden, zum Beispiel im Vorstand von DAX-Konzernen. Die nüchterne Sachlichkeit von Wissenschaft ist wirklich speziell!

Wie hilft uns das Wissen um Spiegelneuronen nun im Fall Floyd weiter? Irgendwie gar nicht. Ja, dieser Polizist, oder besser alle vier Polizisten, taten sich mit dem, das wir Mitgefühl nennen, offensichtlich ausgesprochen schwer. Jetzt könnte man sich denken, dass sie einem Leid tun könnten, weil da wohl zu wenig Liebe und Fürsorge in der Kindheit stattgefunden habe. Aber als Teil der rechtsstaatlichen Exekutive muss man von ihnen erwarten, einschätzen zu können, was richtig oder falsch ist. Ich selbst schule Laien darin, in einer akuten Bedrohungssituation Menschen, die sich nicht mehr deeskalieren lassen, vorübergehend körperlich zu kontrollieren. Ein absolut zentraler Punkt im Rahmen dieser Schulungen ist die allgegenwärtige Gefahr des lagebedingten Erstickungstodes, wenn jemand bäuchlings auf dem Boden liegt. Meine Teilnehmer verlassen den Workshop mit zwei Mantras: man muss permanent sicherstellen, dass der Aggressor atmet und man übt niemals mit dem Knie oder dem gesamten Körpergewicht Druck auf den Bereich zwischen den Schulterblätter aus. Polizisten setzen sich mit dieser Thematik noch viel intensiver auseinander. Ich gehe fest davon aus, dass diese vier Polizisten genau wussten, was sie taten und zudem auch intellektuell in der Lage waren, richtig und falsch voneinander unterscheiden zu können. Wie wir jedoch festgestellt haben, sind richtig und falsch keine festen Größen, sondern werden viel mehr über gesellschaftliche Normen definiert. Keiner von uns geht morgens zur Arbeit, mit dem festen Plan etwas falsches zu tun. Irgendetwas muss diesen Polizisten suggeriert haben, dass ihr Vorgehen richtig war. -So wie es schon vielfach zuvor der Fall war, wenn über Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den USA berichtet wurde. Das führt uns schließlich zum Thema des gesellschaftlichen Rassismus, der Diskriminierung und dem Denken in Schubladen und Stereotypen.

Woher kommt Rassismus?

Das scheint die alles beherrschende Frage. Denn sind wir mal ehrlich, Rassismus gab es schon immer und überall, mal leise und mal ganz laut. Irgendwie scheint es Teil des Menschseins zu sein. Evolutionsgeschichtlich machte dieses Misstrauen gegenüber anderen irgendwann sogar einmal Sinn, weil dieses Misstrauen Überleben sicherte, damals, in den Höhlen. Genau deshalb wurde das auch in unser Gehirn eingebrannt. Im Rahen von recht aktuellen Versuchsreihen wurden Menschen Bilder von Mitgliedern der eigenen ethnischen Gruppe und anderer Ethnien gezeigt. Tatsächlich ist schon bei der Betrachtung von Bildern mit Menschen einer anderen ethnischen Gruppe das Angsthirn, die Amygdala, angesprungen und hat Gefahr gemeldet. Unser Gehirn war von jeher darauf angewiesen, sich sehr schnell in einer komplexen Umwelt zu orientieren. Dazu schafft es sich Schemata, Schubladen, Stereotypen, die im Prinzip als unbewusste Glaubenssätze unsere Realität verzerren, weil sie unser Denken und oftmals auch das Handeln bestimmen. Diese Stereotypen oder Schubladen werden stark durch unser Elternhaus geprägt, da hier die Grundlagen gelegt werden. Im Alter verfestigen sich diese Schubladen, geprägt durch unser soziales Umfeld und unsere Erfahrungen. Und so lange wir uns unserer eigene Stereotypen nicht bewusst sind und uns so nicht entscheiden können, bewusst gegenzusteuern, sucht unser Gehirn vor allem nach der Bestätigung bekannter Strukturen.

“Liebe ist der Weg”, sagt der Guru

Wann immer sich die fiese Fratze des Rassismus so deutlich zeigt, wie am 25. Mai in Minneapolis, dann löst das natürlich Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Wut und vielleicht sogar ohnmächtige Aggression aus. Aber Rassismus und Diskriminierung haben viele Gesichter und die wenigsten sind so gut erkennbar, mit so klaren Konturen versehen, wie dieser Tage in den USA. Wir alle denken in Schubladen und vielleicht fangen Diskriminierung und Rassismus in dem Moment an, in dem diese Schubladen anfangen unser Handeln zu beeinflussen. Da unser Gehirn aber unglaublich gerne dazulernt, müssen wir nicht in diesem komplett überholten Höhlen-Verhalten hängen bleiben. Der Lernprozess beginnt mit dem Mut sich seine eigenen Stereotypen bewusst zu machen, damit diese nicht mehr unbewusst unser Denken und Handeln beeinflussen können. Rassismus und Diskriminierung hören nicht auf, wenn man Gleichberechtigung gesetzlich implementiert oder Antidiskriminierungsgesetze erlässt, gleichgeschlechtliche Ehen zulässt, oder ein System anonymer Bewerbungsprozesse einführt. Rassismus und Diskriminierung beginnen in unseren Herzen, oft klammheimlich und versteckt, und dort muss es auch aufhören. Nelson Mandela hat einmal gesagt, dass kein Mensch hassend zur Welt käme. Hass müsse man lernen und wenn man lerne zu hassen, könne man auch lernen zu lieben. Und tatsächlich, der Jenaer Psychologe Andreas Beelmann hat im Rahmen von Studienreihen mit Kindern nachgewiesen, dass empathische Kinder (und wir haben gelernt, dass Empathie unter anderem ein Resultat einer liebevollen Erziehung ist) deutlich weniger empfänglich für Ressentiments und Vorurteile sind, als weniger empathische Kinder. Tja, “Liebe ist der Weg”, sagt der verrückte Guru. Aber recht hat er, Liebe und Selbstreflexion.

Das Video, in dem George Floyd um sein Leben kämpft, konnte ich übrigens nicht zu Ende schauen. Meine Spiegelneuronen haben mir das unmöglich gemacht. Das Flehen Floyds, gepaart mit der Gefühlskälte der Polizisten und der Hilflosigkeit der Passanten hat mir solche Schmerzen bereitet, dass ich abschalten musste. Meine Erklärungsversuche sollen auch auf keinen Fall etwas entschuldigen, was unentschuldbar ist. Vielmehr möchte ich zeigen dass es nicht Gesetze sind, die Diskriminierung beenden. Es ist unser Fühlen und Handeln. Wenn mir eine Freundin erzählt, dass ihr großartiger Sohn nicht mehr mit ihrem Fahrrad fahren möchte, nicht weil er nicht mit einem Damenrad gesehen werden möchte, sondern weil ihm Passanten durch Blicke und Kommentare zu verstehen geben, dass er dieses Fahrrad ja wohl geklaut haben müsse, weil er eben nicht blond und blauäugig ist, dann macht mich das unglaublich betroffen. Hier müssen wir aufräumen, vor unserer Haustür und nicht am anderen Ende der Welt! Aber klar, wenn wir sehen, was derzeit in den USA passiert, gepaart mit einer unwürdigen Rhetorik des US-Präsidenten, der sich nicht scheut, Parolen aus den dunkelsten Zeiten des US-amerikanische Rassismus zu rezitieren, dann lässt sich klar benennen, was schief läuft. Sich hier zu empören ist so viel einfacher, als diesen leisen verstecken Rassismus vor unserer eigenen Haustür zu suchen und daran zu arbeiten. Aber genau das ist der Weg!

Eure Constance

PS: Trotzdem darf man auch Solidarität zeigen. Meine zauberhafte Stieftochter hat gestern in Frankfurt demonstriert und ich bin darauf sehr stolz. Junge Menschen, die Stop sagen, sind unsere Zukunft. Aber diese jungen Menschen dürfen nicht den Fehler machen, die Missstände vor der eigenen Haustür zu übersehen, nur weil die Situation anderswo noch viel trauriger und schlimmer ist.

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Warum hat es Unmenschlichkeit so leicht, teil des Menschseins zu werden?

Der Versuch, das Unerklärliche zu begreifen

Wie aus 80 Millionen Bundestrainer 80 Millionen Virologen wurden

Von viel Meinung und wenig Ahnung

Eigentlich wollte ich das, was man “tagesaktuell” nennt, ja aus meinem Blog raus halten, eigentlich. Denn momentan wundert sich neben mir sicher auch der ein oder andere da draußen, wie es passieren kann, dass plötzlich aus 80 Millionen Bundestrainer wahlweise 80 Millionen Virologen oder Verfassungsrechtler werden konnten. Wären die Auswirkung nicht so tragisch, dass renommierte Virologen wie Christian Drosten Morddrohungen bekämen, oder dass die vermeintliche Mitte der Gesellschaft, womöglich verkleidet als besorgte Eltern oder passionierte Verfassungsrechtler, sich mit eindeutig rechtsradikalen Verfassungsfeinden gemeinsam auf die Straße stellen, würde ich das alles ja in einer kleinen Meditation an mir vorbeiziehen lassen. Aber so, wie es ist, lässt es mich nicht mehr los.

Studierte Naturwissenschaftler, deren absolutes Spezialgebiet Coronaviren sind, werden nicht nur angefeindet, nein, viel mehr gibt es Menschen ohne jedes medizinische Hintergrundwissen, die fest davon überzeugt sind, sich mit dem Coronavirus besser aus zu kennen, als Christian Drosten und Co.! Dass die Bild-Zeitung diesen Umstand auch noch zur Steigerung der eigenen Auflage nutzt und damit wirklich niemanden außer sich selbst einen Gefallen tut, dazu möchte ich besser gar nichts sagen. Sieht man doch hier mal wieder, wie gefährlich Zeitungen sein können: eine Kakerlake überlebt einen Atomkrieg, aber mit einer Tageszeitung kann man sie tot schlagen…

“Der kleine Gott der Welt ist stets vom selben Schlag…” Mephisto

Ich möchte den Menschen gerne verstehen, aufrichtig und ehrlich. Ich möchte verstehen, warum der Mensch so ist wie er ist, wertfrei und im positivsten Sinne. Wie unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Meinungen kommen, das habe ich verstanden, darüber habe ich auch wiederholt geschrieben. Meine Erkenntnisse haben dazu geführt, dass ich andere Meinungen gelernt habe wertzuschätzen und zu akzeptieren. Das fühlt sich im allgemeinen gut an. Jedoch habe ich das Gefühl, dass in Hinblick auf Corona und den damit zusammenhängenden Maßnahmen der Politik aus Meinungen Dogmen geworden sind, Dogmen ohne jede wissenschaftliche Basis. Ich würde es gerne Verschwörungstheorien nennen, allerdings haben Theorien für gewöhnlich eine (wissenschaftliche) Substanz.

OK, genug geschimpft und Dampf abgelassen. Zurück zu meinem Thema: der Mensch. Ich möchte hier auch aus tiefstem Herzen voranstellen, dass ich davon überzeugt bin, dass der Mensch an sich nicht verkehrt ist. Die Evolution hat uns schon ganz OK hervorgebracht, allerdings bringen uns vor allem Ängste dazu, sonderbare Dinge zu tun, Dinge die rational nicht immer nachvollziehbar sind. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Ängste allein nicht erklären können, weshalb so viele Menschen momentan nicht nur ein Meinungsbild so offensiv vertreten, dass es mir manchmal weh tut, sondern auch noch wider wissenschaftlicher Beweise unbeirrbar bei ihrer Meinung und ihrem Verschwörungs-Wirrwarr bleiben.

Wissenschaft, die ein Lachen hervorzaubert

Auf meiner Suche nach Antworten bin ich tatsächlich in der Psychologie fündig geworden und das auch noch auf höchst amüsante Weise. Wer also glaubt, Wissenschaft sei langweilig, der sollte auf jeden Fall weiterlesen!

Schon mal etwas vom sogenannten Dunning-Kruger-Effekt gehört? Ich zitiere an dieser Stelle aus Wikipedia, weil es einfach köstlich ist: “Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet als populärwissenschaftlicher Begriff die kognitive Verzerrung im Selbstbildnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen. Diese Neigung beruht auf der Unfähigkeit, sich selbst mittels Metakognition objektiv zu beurteilen. (..)”. Selten so gelacht, ehrlich, köstlich, diese Beschreibung. Wenn ich also so eingeschränkt in meinem fachlichen Wissen bin, dass ich noch nicht einmal merke, wie eingeschränkt mein Wissen ist, kann es sein, dass ich so fest in meiner Meinung festhänge, dass ich selbst ausgewiesene Experten für ahnungslos halte! Also quasi das Gegenteil von Soraktes’ “Ich weiß dass ich nichts weiß”.

Aber mal von vorne: der Dunning-Kruger-Effekt geht auf zwei Sozialpsychologen, David Dunning und Justin Kruger, der Cornell University bei New York zurück, die diesen Effekt erstmals 1999 in einer Publikation erwähnten. Im Rahmen von Studien stellten die beiden Sozialpsychologen fest, dass zum Beispiel beim Schachspielen, Autofahren oder dem Erfassen von Texten Unwissenheit oft zu deutlich mehr Selbstsicherheit führt, als Wissen. Insgesamt fassten sie ihre Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen: fachlich weniger kompetente Menschen (die unter Dunning-Kruger leiden, oder viel mehr sehr glücklich damit leben!) neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten konsequent zu überschätzen, überlegene Fähigkeiten und tatsächliche fachliche Kompetenz bei anderen nicht zu erkennen und das Ausmaß der eigenen Inkompetenz nicht einschätzen zu können. Bahnbrechend finde ich in diesem Zusammenhang den Therapievorschlag: Bildung!

Im Laufe der Zeit wurde die Forschung hinsichtlich des Dunning-Kruger-Effekts immer weiter getrieben. Achtung, hier wird es noch ganz besonders unterhaltsam: 2001 stellten die beiden Herren nämlich fest, dass sie ihre gesamte Grundlagenforschung ausschließlich an Nordamerikanern durchgeführt haben und stellten sich deshalb die völlig berechtigte Frage, ob es hinsichtlich des Dunning-Kruger-Effekts eventuell kulturelle Unterschiede geben könnte. Aus diesem Grund führten man im Jahr 2001 eine Studie in Japan durch und kam zu dem Ergebnis, dass Japaner eher dazu tendieren, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen und Misserfolge als Anlass nehmen, besser zu werden um so ein wertvolleres Mitglied der Gesellschaft zu werden.

Klar könnte man jetzt sagen, dass dieser Dunning-Kruger-Effekt eine Art nordamerikanische Persönlichkeitsverwirrung ist. Ich persönlich finde tatsächlich, dass der US-amerikanische Präsident ein formidables Beispiel für das fortgeschrittene Stadium dieser Erkrankung sein könnte. Aber so einfach ist es wohl auch nicht. So wurde der Dunning-Kruger-Effekt in kognitionswissenschaftlichen Publikationen benannt, die sich mit der konsequenten Leugnung der menschgemachten globalen Erwärmung beschäftigen. Ich weiß, führt uns auch wieder zu Trump, aber gibt es ja wohl auch in Deutschland. Also scheint dieses Phänomen, wissenschaftliche Erkenntnisse konsequent zu leugnen, nichts neues zu sein, allerdings scheinen die Ängste, gesundheitliche wie wirtschaftliche, die Corona hervorruft, wie ein Katalysator zu wirken. Angst ist eben einfach nicht gut für uns Menschen. Wir stellen also fest, wollen wir, dass wir selbst, oder die Menschen um uns herum gute oder sehr gute Leistungen erbringen, oder einfach nur “normal” funktionieren, müssen wir für eine angstfreie Atmosphäre sorgen. - Nur mal so am Rande!

Sind wir nicht alle ein bisschen Dunning-Kruger?

Einen kleinen abschließenden Fun Fact zu Dunning-Kruger habe ich noch im Petto: Im Jahr 2000 erhielten die Herren Dunning und Kruger für ihre Studien den Ig-Nobelpreis für Psychologie. “Ig” steht in diesem Fall für “ignorable” und diese Art Anti-Nobelpreis, vergeben an der Harvard-Universität, ist eine satirische Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen, die einen erstmal zu Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Und ich finde nachdenken schadet uns allen nicht! Ich jedenfalls werde mich zukünftig vielleicht einmal fragen, ob ich nicht ein kleines bisschen Dunning-Kruger haben könnte, wenn ich mich mal wieder ganz besonders fest in eine Meinung reinmanövriert habe. Ist doch alles menschlich!

Eure Constance

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Weiß ich dass ich nichts weiß?

Oder weiß ich alles besser, weil ich nichts weiß?